Sakura kehrte nach ihrer „Konversation" mit diesem, in ihren Augen vollkommen dämlichen und arroganten, Uchiha an ihren Platz zurück. Den Fragen von Ayumi, aufgrund ihres plötzlichen Verschwindens, wich sie aus. Natürlich hätte sie gerne mit jemanden darüber gesprochen, doch das Krankenhauspersonal schien dafür gänzlich ungeeignet zu sein. Sakura wusste, wie schnell sich Gerüchte hier im Krankenhaus verbreiteten und am Ende würde Tsunade von dem Vorfall hören, bevor Sasuke überhaupt die Möglichkeit hatte, sie oder irgendjemand anderes anzurufen.
Verdammt, sich wollte gar nicht darüber nachdenken, was passierte, wenn dieser Uchiha sich wirklich über sie beschwerte. Mit diesem flauen Gefühl im Magen und der zerrenden Ungewissheit würde sie nun wohl leben müssen. Sie seufzte, was auch Ayumi nicht entging.
„Bist du dir sicher, dass alles in Ordnung ist?", fragte diese sie.
Sakura nickte ein paar Mal und zwang sich selber zu einem Lächeln, „ja, alles in Ordnung. Ich dachte nur daran, was ich eigentlich heute tun wollte – an meinem freien Tag. Und jetzt ist erst einmal kein freier Tag mehr in Aussicht. Ich weiß ja noch nicht einmal, wie lange ich jetzt hier bleiben werde. Soll ich, solange durcharbeiten, bis er wieder aus dem Krankenhaus spazieren kann?"
Ayumi zuckte mit den Schultern, „das bringt der Beruf halt mit sich. Seine kostbare Zeit für jemanden aufzuopfern, den man überhaupt nicht kennt – den man vielleicht noch nicht einmal mag und am Ende kein Dankeschön zu bekommen."
‚Toll', fuhr es Sakura durch den Kopf, ‚am Ende habe ich sicherlich nicht mehr gelernt, als dass ich nie wieder jemanden aus der Familie Uchiha behandeln werde.' Innerlich verdrehte sie die Augen. Wieso musste sie gerade diese Aufgabe übernehmen? Wieso war sie von Gott – falls es einen gab –, dem Schicksal oder welche andere mystische Macht über sie richtete, ausgewählt worden, um Uchiha Itachi zu überwachen? Es gab noch andere Krankenhäuser in dieser Stadt. Andere Stationen und Ärzte, die sich dessen hätten annehmen können. Also wieso nicht jemand von ihnen? Ihnen hätte sein Bruder gewiss nicht in den Ausschnitt gestarrt oder sich über sie lustig gemacht. ‚Shannaro...'
Sakura war gerade dabei, die halbstündige Kontrolle zu beenden, als die Tür aufging. Der Neurologe, den Tsunade angekündigt hatte, kam mit einem Kollegen herein. Die beiden grüßten nur kurz und machten sich dann sofort an ihre Arbeit. Sakura, die sich nun überflüssig vorkam, verließ das Krankenzimmer wieder und kehrte an ihren mittlerweile altbewährten Platz zurück. Sie nahm ein Klackern auf dem Boden wahr und bevor sie das Geräusch genau zuordnen konnte, tauchten eine Frau und ein Mann vor ihrem Tresen auf. Ayumi sprang sofort auf und etwas irritiert, tat Sakura es ihr gleich. Die beiden verbeugten sich.
„Willkommen zurück Mr. und Mrs. Uchiha", sagte Ayumi und verbeugte sich erneut. Die beiden beachteten sie gar nicht, sondern starrten von dort aus, durch die Scheibe, ihren Sohn an. Ayumi gab Sakura ein Zeichen, dass sie etwas sagen sollte.
„Mr. und Mrs. Uchiha-sama, mein Name ist Haruno Sakura. Ich bin die Assistenzärztin von Tsunade-sama und damit beauftragt, den Zustand Ihres Sohnes zu überwachen", sagte sie und verbeugte sich abermals. Wenn sie ehrlich war, kam sie sich in diesem Moment selbst ein wenig lächerlich vor.
Fugaku schnaufte kurz, „Assistenzärztin, huh? Gibt es niemand Besseres in diesem Laden?"
Sakura, die sich in diesem Moment vor den Kopf gestoßen fühlte, kam nicht darum, sich zu fragen, ob sein Sohn bereits mit ihm gesprochen hatte. „Tsunade-sama vertraut auf meine Fähigkeiten", antwortete sie und versuchte dabei so freundlich, wie nur irgend möglich zu klingen.
Erst jetzt, da Sakura wieder eine aufrechte Position einnahm, konnte sie die beiden präziser betrachten. Fugaku Uchiha blickte recht finster drein und Sakura fragte sich selbst ironisch, ob das möglicherweise sein normaler Gesichtsausdruck war. Er hatte braune, mittellange Haare und trug einen dunklen Anzug, mit passenden ledernen Schuhen. Nicht zu vergessen, die perfekt sitzende Krawatte und die Manschettenknöpfe. Im Wörterbuch fand man gewiss unter dem Wort ‚Geschäftsmann' ein Foto von ihm. Seine Frau, die einen halben Kopf kleiner war als er, hatte die gleichen schwarzen Haare, wie ihre Söhne. Hinzu kamen die gleichen schwarzen Augen. Sie trug ein knielanges, dunkelblaues Kleid mit langen Ärmel und dazu passenden High Heels. Sakura wunderte sich über die Wahl ihres Outfits, um an dem Bett ihres Sohnes zu bangen. Vielleicht aber, rechnete sie einfach mit dem Schlimmsten.
„Wer sind diese Leute? Und wieso sind sie bei meinem Sohn?", fuhr Fugaku Sakura an und dieser war mittlerweile klar, woher sein Sohn diesen Charme hatte. ‚Der Apfel fällt wohl nicht weit vom Stamm', raunte ihre innere Stimme und Sakura musste sich zusammenreißen, an dieser Stelle nicht die Augen zu verdrehen. Vielmehr schluckte sie einmal ihren Ärger herunter.
„Ich gehe davon aus, dass Tsunade-sama Sie darüber unterrichtet hat, dass Ihr Sohn noch von Neurologen untersucht wird. Sie sind erst kurz vor Ihnen gekommen, daher wird es wahrscheinlich noch eine Weile in Anspruch nehmen", antwortete Sakura, „kann ich Ihnen sonst noch irgendwie helfen?"
„Sorgen Sie dafür, dass mein Sohn bald wieder auf den Beinen ist", raunte Fugaku, ohne Sakura anzusehen.
„Hätten Sie vielleicht ein Glas Wasser für mich?", fragte Mikoto plötzlich mit sanfter Stimme. Sakura konnte sehen, wie sie versuchte zu lächeln und es ihr doch nicht möglich war. ‚Sie scheint nicht wie ihr Mann oder ihr Sohn zu sein', dieser Gedanke fuhr Sakura durch den Kopf. Sakura musterte sie kurz, dieses Erscheinungsbild war ihr bekannt. Sie hatte es schon bei so vielen Menschen hier gesehen, deren Angehörige sich in einem kritischen Zustand befanden. Mikoto war erschöpft und müde, wahrscheinlich hatte sie in der vergangenen Nacht keine einzige Sekunde geschlafen, geplagt von der Sorge, ob ihr Sohn die Nacht überstehen würde – ob er jemals wieder aufwachen würde. Möglicherweise war sie jedes Mal zusammengezuckt, als es an der Tür oder das Telefon klingelte – in der Erwartung schlechter Nachrichten. Diese Ungewissheit, dieses bange Warten hatte sie nicht verdient. Auch ihr Ehemann und ihr anderer Sohn nicht. Niemand hat so etwas verdient.
„Natürlich", antwortete Sakura und ging in die kleine Stationsküche, um ihr ein Glas Wasser zu holen. ‚Vielleicht sollte ich etwas nachsichtig sein – auch mit ihrem Sohn', durchfuhr sie der Gedanke, ‚er hat möglicherweise einfach nur Angst, seinen Bruder zu verlieren.' Auch wenn alles in Sakura diesem Gedanken zustimmte, so konnte sie dennoch letztlich nicht darüber hinwegsehen, dass er ihr gedroht hatte. Sie kannte ihn zu wenig, um einschätzen zu können, ob dies lediglich eine Überreaktion war oder ob er dies tatsächlich ernst meinte. Ihr entfuhr ein Seufzer. Wäre sie doch bloß nie an ihr Telefon heute Morgen gegangen.
Sakura brachte das Glas Wasser Mikoto und setzte sich zurück an ihren Platz. Keiner von ihnen gab nur einen Laut von sich. Eine unangenehme, angespannte Stille lag in der Luft. Keine Situation, der sie sich gerne aussetzte. Tsunade kam Sakura wieder in den Sinn und sie griff nach ihrem Pager. Ihre Mentorin wollte mit den Uchihas sprechen.
Ayumi war die erste, die diese unangenehme Still unterbrach. Sie beugte sich zu Sakura herunter, flüsterte ihr etwas davon ins Ohr, dass die kurz auf die Toilette müsste und verschwand dann. Fugaku und Mikoto hatten dies vollkommen ignoriert. Wie zu Stein erstarrt, beobachteten die zwei die Neurologen, die ihren Sohn untersuchten. ‚Es muss schwer sein, einen geliebten Menschen in so einem Zustand zu sehen', dachte Sakura sich und schreckte aus ihren Gedanken auf, als Tsunade plötzlich vor ihr stand.
„Der Bericht", sagte diese nur und Sakura händigte ihr diesen aus. Tsunade wandte sich von ihr ab und ging auf die Uchihas zu. Mit einer Verbeugung begrüßte sie diese, flüsterte ein paar Worte, die Sakura nicht wirklich verstehen konnte und betrat schließlich das Krankenzimmer. Die Uchihas jedoch verblieben draußen. Sakura, die sich neugierig ein wenig vorgelehnt hatte, konnte sehen, wie Tsunade mit den Neurologen sprach. Ein paar Minuten später kamen alle aus dem Krankenzimmer heraus.
„Am besten wir setzen uns in meinem Büro zusammen, um dort alles Weitere zu besprechen", konnte Sakura dieses Mal erlauschen. Tsunade verließ zusammen mit den Uchihas und den Neurologen den Trakt und als sie außer Sichtweite waren, ließ Sakura sich erschöpft zurückfallen. Sie konnte nicht genau sagen, was es war, doch mit den Uchihas hier lag eine gewisse Anspannung in der Luft und Sakura war sich sicher, dass Ayumi es ebenfalls spürte. Irgendetwas war anders als sonst. Ob es daran lag, dass es sich hier um eine sehr einflussreiche Familie handelte? Sakura vergrub die Hände im Gesicht. Wie hatte sie auch nur so blöd sein können? Tsunade hatte sie doch gewarnt und das erst Beste, was sie tat, war genau das zu tun, was sie eben nicht tun sollte.
„Alles in Ordnung?", fragte Ayumi sie erneut.
Sakura zwang sich selbst zu einem Lächeln. „Ja, ich habe in der letzten Nacht auch nur wenig Schlaf bekommen – ich war mit meinen Freundinnen aus..."
„Stimmt, das hattest du gestern erzählt. War es wenigstens schön?"
Sakura nickte, „ein schöner Abend. Du glaubst nicht, wie ich mich auf das kommende Wochenende freue – wir fahren gemeinsam in einen Spa!" Ein ehrliches Lächeln zeichnete sich auf Sakuras Gesicht ab. Auf diesen Ausflug hatte sie sich schon so lange gefreut. ‚Es wird endlich mal wieder Zeit, dass ich aus der Stadt heraus komme', schrie ihre innere Stimme auf.
Es stimmt, die Stadt war eine der Sachen gewesen, an die sich Sakura bis heute nicht vollkommen gewöhnen konnte. Es mag vielleicht daran liegen, dass sie in einer Kleinstadt – nun vielleicht wäre das Wort Dorf auch besser – aufgewachsen war. Dort kannte sie jede Straße, jeden Laden und die meisten Gesichter waren ihr vertraut. Hier in Konoha war das vollkommen anders. Zwar war sie bereits seit ihrer Studienzeit hier, doch irgendwo fühlte sie sich immer noch wie eine Fremde. Für sie gab es immer noch neue Bezirke zu entdecken und ein vertrautes Gesicht sah sie nur selten auf der Straße. Andererseits empfand Sakura es auch als spannend, immer wieder etwas Neues zu entdecken. Sie hatte Freunde gefunden, eine große Anzahl wunderbarer Menschen kennengelernt – und welche (wie die Uchihas), die es nicht waren.
„Na, dann hoffe mal, dass Tsunade dich nicht für das Wochenende einteilt", entgegnete Ayumi und Sakura wurde es schwer ums Herz. Daran hatte sie überhaupt noch nicht gedacht.
Als Sakura am späten Abend zurück in ihre Wohnung kehrte, ließ sie sich erschöpft auf das Sofa fallen. Die unberührte Teetasse stand immer noch auf dem Küchentresen. Zum ersten Mal seit dem Morgen holte Sakura ihr Smartphone aus der Tasche und sah frustriert auf das Display. Unzählige Nachrichten und zum Glück waren nur zwei davon von Tsunade. ‚Schlechte Nachrichten zuerst', dachte Sakura sich und öffnete die Nachrichten von Tsunade. Sie stöhnte laut auf. Die erste Nachricht war belanglos, die zweite hingegen enthielt den Dienstplan für die kommende Woche. Es wäre jeden Tag das gleiche Spiel: Von morgens bis abends Uchiha Itachi überwachen und sich mit seiner Verwandtschaft auseinandersetzen. ‚Was habe ich getan, um das zu verdienen? Shannaro...' Sakura sah die weiteren Nachrichten durch, die allesamt von ihren Freundinnen stammten.
»So viel hast du doch gestern gar nicht getrunken oder bist du mit einem von den Typen gestern Abend noch mitgegangen?«, schrieb Tenten und Sakura wusste, dass sie sie nur aufziehen wollte. ‚Ich sollte sie wohl mal fragen, ob da gestern noch etwas mit Neji gelaufen ist', Sakura kicherte, da sie die Antwort eigentlich schon kannte.
»Dieser Rothaarige hat was...«, war die nächste Nachricht.
»Sakura-chan, ist alles in Ordnung? Was, wenn ihr wirklich etwas passiert ist?«, schrieb Hinata in ihren Gruppenchat.
»Mir ist nichts passiert. Ich musste ins Krankenhaus und mich um einen Patienten kümmern«, schrieb Sakura und während sie auf eine Antwort von den beiden wartete, füllte sie sich eine Schüssel voll mit Müsli. Sie war vollkommen erschöpft und wusste nicht, ob es daran lag, dass sie in der vergangenen Nacht nicht so viel Schlaf bekommen hatte oder an dem langen Arbeitstag im Krankenhaus. Nachdem sie aufgegessen hatte, würde sie direkt wieder ins Bett gehen und schlafen. Immerhin durfte sie morgen früh mit dem weitermachen, wo sie vorhin aufgehört hatte.
»Diese Frau ist so eine Sklaventreiberin«, kam die Antwort von Tenten. Sakura musste schmunzeln, denn recht hatte sie schon. Tsunade verlangte viel von ihr. Mehr als andere Mentoren es für gewöhnlich taten und von Zeit zu Zeit konnte Sakura nicht anders, als sie zu verfluchen. Doch war ihr auch bewusst, dass Tsunade – trotz Vorliebe für Sake und Glücksspiel – eine der besten Ärztinnen überhaupt war. Sie hatte in den vergangenen zwei Jahren so viel von ihr gelernt und sie bezweifelte, dass es sie mit einem anderen Mentor, in dieser Zeit, so weit gekommen wäre. Sakura war von Tsunade einen harschen Ton gewohnt, genauso wie die Tatsache nie ein Dankeschön zu bekommen oder regelmäßig von ihr grundlos angeschnauzt oder angeschrien zu werden. Mit dieser Frau war es wahrlich nicht immer leicht – eigentlich war es nie leicht mit ihr. Doch Sakura wollte diesen beruflichen Erfolg. Sie wusste, dass sie von Anfang an eine gute Reputation als Ärztin haben würde und dass Tsunade ihr viele Türen öffnen konnte. Sakura würde für ihren Erfolg zwar nicht über Leichen gehen, doch diese Chance musste sie einfach nehmen.
»Schlechte Nachricht: Ich kann nicht mit in den Spa«, schrieb Sakura den beiden. Es dauerte keine Minute, bis ihr Telefon klingelte.
„Was soll das heißen, du kommst nicht mit", schnauzte Tenten sie an, „Fräulein, du gibst mir besser eine verdammt gute Erklärung – ansonsten schleife ich dich an deinen pinken Haaren dorthin!"
„Ich muss arbeiten", antwortete Sakura missmutig, „ich kann dir aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht viel sagen, aber aus der Nummer komme ich so schnell nicht wieder heraus."
„So ein Quatsch", raunte Tenten, „tausche doch einfach mit wem anderes deine Schicht."
„Das geht nicht. Es ist kompliziert – selbst wenn ich tauschen könnte, wüsste ich nicht mit wem."
„Bitte sag mir, dass du Witze machst."
Sakura schüttelte den Kopf, „ich mache leider keine Witze. Es tut mir leid. Frag doch Neji..."
Am anderen Ende der Leitung herrschte plötzlich Stille. Nach einer guten halben Minute sagte Tenten dann, „dann müssen wir es halt auf ein anderes Mal verschieben."
„Nein", entgegnete Sakura ihr direkt, „ihr werdet es nicht verschieben. Du und Hinata ihr fahrt in den Spa. Wer weiß, wann wir das nächste Mal alle ein Wochenende freihaben. Das könnte Wochen oder Monate dauern. Ihr beiden fahrt und nehmt noch jemanden mit. Ich persönlich schlage euch Neji vor..."
„Aber... du hast dich...", Tenten wusste in dem Moment nicht, was sie sagen sollte. Sicherlich lag es daran, dass sie der rationalen Antwort von Sakura recht geben musste. „Neji... Als würde der mitfahren!"
„Ach sicher", sagte Sakura vergnügt, „stell dir doch nur mal dich und Neji vor. Wie ihre beide gemütlich und entspannt in einem Whirlpool sitzt... Sagt Neji doch einfach, ihr beiden hättet euch überlegt, ihn mitzunehmen. Als eine Art Dankeschön, dass er euch schon öfters mitten in der Nacht abgeholt hat. Wenn das nicht zieht, sagt ihm, Hinatas Vater wäre sicherlich erfreut zu wissen, dass jemand auf seine kleine Tochter aufpasst. Neji macht alles, was Hinatas Vater sagt."
Sakura war sich sicher, dass sie am anderen Ende der Leitung ein kleines Lachen wahrgenommen hat. „Schön, dann fragen wir halt Neji..."
„Tu nicht so enttäuscht – du hast ihn doch gerne um dich", raunte Sakura.
„Wie auch immer. Man sieht sich...", mit diesen Worten beendete Tenten das Gespräch.
Sakura warf ihr Smartphone neben sich auf die Couch und aß den Rest des Müslis auf, bevor sie ins Bett ging. Ihr Schlafzimmer sah immer noch vollkommen chaotisch auf und sie hatte keinerlei Interesse etwas daran zu ändern.
Die Nacht war kurz, genauso wie die davor. ‚Werde ich überhaupt noch einmal irgendwann volle acht Stunden Schlaf bekommen?', fragte sie sich selbst, als sie sich am folgenden Morgen aus dem Bett quälte. Nach zwei Jahren im Krankenhaus hatte sie mittlerweile eine gewisse Routine entwickelt, bei der alle Handgriffe fast perfekt saßen. Als Sakura eine halbe Stunde später ihre kleine Wohnung frisch geduscht und mit einem Apfel in der Hand verließ, war ihre Stimmung ein wenig aufgehellt. An der Bushaltestelle wartete sie auf den Bus, der sie wie einige andere Berufstätige ins Zentrum bringen würde. Nach 40 Minuten Fahrt, in der sie einmal umsteigen musste, erreichte sie endlich das Krankenhaus. So früh am Morgen war hier noch nicht sonderlich viel los. Die Dame von Kaffeestand baute diesen gerade auf, ein paar Reinigungskräfte leerten Mülleimer oder wischten den Boden und vereinzelt liefen Krankenschwestern durch die Gänge. ‚Alles wie immer', ging es Sakura durch den Kopf.
Sakura, die wie gewöhnlich durch den Hintereingang hineingekommen war, machte sich auf zu den Fahrstühlen. Sie drückte auf den Knopf und wartete. Dass sich jemand zu ihr gesellt hatte und auch auf den Fahrstuhl wartete, war ihr im ersten Moment vollkommen entgangen. Erst als die Person sich räusperte, neigte sie ihren Kopf leicht, umsehen zu können, wer es war. ‚Er schon wieder', fuhr es Sakura durch den Kopf. Die Alarmglocken schrillten in ihrem Kopf. Nach dem Vorfall von gestern und vorgestern hatte sie absolut keine Lust ihn wieder zu sehen, geschweige denn mit ihm zu sprechen. Leider sah er das etwas anders.
„Brauchen die Fahrstühle generell so lange oder ist es hier normal, dass sie während der Fahrt angehalten werden?", fragte er sie und Sakura konnte seine Mundwinkel nach oben zucken sehen. ‚Er hält sich für besonders lustig. Geh aber nicht darauf ein. Tu einfach so, als hättest du ihn gar nicht gehört', schrie ihre innere Stimme auf, ‚er will dich nur provozieren.' Sakura sagte nichts und hielt es wahrlich für das Beste.
„Wie ich sehe, besitzen Sie auch Jeans", fuhr er fort, als würde er Smalltalk betreiben, „ich muss ehrlich sein, das habe ich nicht erwartet."
„Wenn Sie wüssten...", antwortete Sakura, „was ich sonst noch alles besitze."
„Sie können doch noch sprechen", entgegnete er, „für einen Augenblick hatte ich geglaubt, unser letztes Gespräch hätte Ihnen die Sprache verschlagen."
Der Fahrstuhl öffnete sich und die beiden gingen hinein. Wie gerne hätte Sakura ihm jetzt eine weitere Ansage gemacht, doch sie wusste, dass es das klügste wäre, jetzt einfach die Klappe zu halten. Wahrscheinlich hatte sie sich mit der Aktion von gestern bereits in große Schwierigkeiten gebracht. ‚Hat er bereits seinen Einfluss genutzt?', fragte sie sich selbst. Wenn Sakura absolut ehrlich war, dann hatte sie die ganze Sache weites gehend verdrängt und ein wenig mit einem Lacher abgetan. Sie war zu dem Entschluss gekommen, dass sie wahrscheinlich viel zu unbedeutend in den Augen eines Uchihas war, als dass er sich die Mühe machen würde, ihr Ärger zu bereiten. Oder dass er viel zu sehr mit den Geschehnissen rund um seinen Bruder beschäftigt war. Oder dass er sie einfach nur ein wenig aufziehen wollte. Doch der kalte Schauer, der Sakura in diesem Moment den Rücken herunterlief, machte ihr klar, dass er es wohl ziemlich ernst meinte.
„Betreuen Sie jetzt jeden Tag meinen Bruder?", fragte er, während sich die Fahrstuhltür schloss. Sakura war nicht sicher, was und ob sie überhaupt darauf antworten sollte. Die Wahrheit würde sicherlich nur zu mehr Gesprächsstoff zwischen ihnen beiden führen. Glücklicherweise, wurde ihr diese Entscheidung dadurch abgenommen, dass jemand rief, „halten Sie den Fahrstuhl auf!" Wie von einer Tarantel gestochen sprang Sakura vor die Tür.
„Vielen Dank", sagte jemand zu ihr, „ah Sakura, es freut mich, Sie wiederzusehen."
Sakura sah den rothaarigen Mann an, der zu ihnen in den Fahrstuhl stieg und schenkte ihm ein ehrliches Lächeln. Wie froh sie war, dass er hier plötzlich aufgetaucht war. „Gaara, die Freude ist ganz meinerseits", antwortete sie und meinte es auch so.
Sasuke musterte den Rothaarigen, der gerade in den Aufzug gestiegen war. Im Gegensatz zu den meisten Krankenhausangestellten trug er grüne Krankenhauskleidung, mit einem weißen Kittel. Die Haare zerzaust und an seiner Stirn befand sich etwas, das wie ein Schönheitsfleck aussah. Sasuke beobachtete die beiden genau: ihre Mimik, ihre Gestik – all die kleinen Sachen, die einem so viel über die Beziehung zweier Menschen verraten konnten.
„Ich habe mich schon gefragt, wann wir uns endlich einmal hier im Krankenhaus begegnen", sagte Gaara zu ihr.
Sakura nickte nur kurz, „wie läuft das Forschungsprojekt?"
„Sehr gut, wir machen große Fortschritte. Wenn du möchtest, kann ich dir gerne alles zeigen und wir können bei einem Kaffee darüber sprechen..." Gaara war einen Schritt auf Sakura zugegangen.
„Tss", entfuhr es Sasuke. ‚Noch offensichtlicher kann man doch gar nicht flirten', raunte es in seinem Kopf.
Die beiden hatte sich Sasuke zugewandt und Gaara stellte in diesem Moment erstaunt fest, dass sie beide gar nicht alleine hier im Aufzug waren. „Entschuldigung, ich habe Sie nicht gesehen...", sagte er an Sasuke gewandt und drehte sich dann wieder zu Sakura um, „gehört er...?"
„Oh nein", unterbrach Sakura ihn direkt, denn sie konnte sich schon vorstellen, was er fragen wollte. „Ignorier ihn einfach... Ich würde mir sehr gerne das Forschungsprojekt von dir zeigen lassen, nur im Moment ist es leider sehr schlecht. Sobald ich wieder etwas mehr Zeit habe, werde ich unbedingt auf das Angebot zurückkommen..."
Der Fahrstuhl hielt an und Gaara schenkte ihr ein Lächeln. Sowohl Sakura als auch Sasuke war es nicht entgangen, dass sich eine gewisse Enttäuschung bei ihm widerspiegelte. „Hier muss ich raus...", sagte Gaara.
„Wir sehen uns. Ich freue mich bereits darauf, mehr von dem Projekt zu hören", entgegnete Sakura ihm und lächelte ihn an. ‚Wie gesagt, eine bessere Wahl als dieser Lee-Typ oder Uchiha hier', ertönte ihre innere Stimme. Gaara verließ mit einer kurzen Geste des Abschieds den Fahrstuhl und als die Türen sich wieder schlossen, herrschte erneut Stille.
„Interessanten Männergeschmack haben Sie da, Haruno", sagte Sasuke, „aber wundern tut mich bei Ihnen mittlerweile überhaupt nichts mehr."
„Wir sind doch etwa nicht eifersüchtig, oder?", schmunzelte Sakura, ihre Laune hatte sich innerhalb der letzten Minute deutlich gebessert. Für einen Augenblick hatte sie sogar vergessen, dass er überhaupt da war. ‚Noch besser wäre natürlich, wenn er wirklich nicht hier wäre.'
„Worauf?", fragte Sasuke sie und zog die Augenbrauen hoch. „Dass sie etwas von diesem Typen wollen und nicht von mir? Machen Sie sich nicht lächerlich... Nur um es von vornherein klarzustellen, ich bevorzuge einen anderen Typ Frau, Pinkie."
„Darf ich raten? Wasserstoffblond, groß, freizügig, Silikonbrüsten, aufgespritzte Lippen, Implantate im Hintern... sagen Sie mir, wenn ich falsch liege, ich kann die Liste nämlich noch endlos weiterführen: arrogant, leicht zu haben, trägt nur High Heels, braungebrannt, dumm...", sagte sie, als der Fahrstuhl ihre Etage erreichte und konnte einen kleinen Lacher nicht unterlassen.
„Das bestätigte nur meine Annahme, dass du absolut keine Ahnung hast..."
„Was denn? Ich habe doch gesagt, dass sie sich melden sollen, wenn ich bei einem Punkt falsch liege!" Sakura sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. ‚Halte dich zurück', rumorte ihre innere Stimme, ‚das bringt dir nur wieder Probleme!' Sie musterte ihn und bei näherer Betrachtung fiel ihr auf, dass es keine Designerkleidung war, die er trug. Keine teuren Labels, bei denen ein T-Shirt so viel kostet, wie bei anderen Marken ein ganzes Outfit. ‚Er will sicherlich nicht auffallen', dachte sie sich, ‚so kann er halbwegs unerkannt das Krankenhaus betreten und wieder verlassen. Ein teurer Anzug würde für Aufsehen sorgen.'
Sasuke gab ein „tss" von sich und betrat den Trakt seines Bruders, während Sakura verwundert zurückblieb. Sie ließ das Gefühl nicht los, dass sie früher oder später noch eine Antwort auf diese Frage erhalten sollte. Sakura versuchte das Gespräch mit ihm zu vergessen, schüttelte einmal kurz den Kopf und machte sich auf den Weg zu den Umkleiden.
