Die brennenden Steppen waren ein höllischer Ort, voller ätzendem Rauch und schlechter Luft. Dennoch war es faszinierend, ein altes Schlachtfeld zwischen Orden und Abtrünnigen. Rotes Licht tünchte alles in eine unheilige Anderswelt, ein Ort des Schmerzes und Peins. Er konnte es fast spüren, den Hass, der Verrat und die tiefe Trauer. Ein Schaudern lief über seinen Rücken. Endlose Reihen von Soldaten waren am finsteren Horizon zu sehen. Er hatte noch nie so viele Menschen gesehen. Das Lager der Varden wirkte wie ein kleiner Funken in der Nacht dagegen. Ivren stählte sich gegen die Angst. Er hatte etwas, was sie nicht hatten:

Über den Rauchschwaden schwebte Nainar, unsichtbar für beide Armeen, so weit oben kein Magier würde je dahin reichen solange es andere Gefahren gab. Ivren konnte ihre Angst spüren. Ihre Bereitschaft. Ihre Schwäche. Oh, diese Magier waren armselige Geschöpfe im Vergleich zu was er kannte. Nein! Das war zu – dunkel.

Ivren konzentrierte sich auf das Geschehen. Grünlodernde Flammen schossen aus dem Boden. Die Mineralen färbten sie so ein, aber er konnte sich nicht mehr dran erinnern welche. Sein Unterricht war viele Jahre her. Es war etwas sonderbar mit Pfeilen abgeschossen zu werden nachdem Aberon so gut verlaufen war, aber Eragon bewies sich erneut. Die Verehrung in den Augen der Männer glühte umso mehr. Ivren spürte hier und da Magier, die panisch Eragon's Geist auswichen, ihre Gedanken verschlossen und dadurch gar nicht vom ihm wussten. Ein Fehler. Wenn sich ein Feind anschleichen würde wäre es ihre beste Warnung. Selbst ohne in ihre Gedanken hinein zu tauchen konnte er die Anspannung fühlen, welche durch alle Varden floss, Angst und Hoffnung, Vertrauen und Sorge, selbst Abneigung, kleine Flicker von Gefühlen die vielleicht eines Tages zu einem Problem heranwachsen würden. Heute jedoch nicht.

Seine Hand strich über seinen Schwertknauf. Eragon war an seiner Seite, er brauchte keine Sorge zu haben. Konnte ihm jemand anderes überhaupt etwas antun? Nein. Der Opal lag verborgen unter seiner Kleidung, gefüllt mit Energie. Nainar flog hoch über ihm. Sie würden keine Chance haben. Saphira war schnell und flink, ja, aber nicht bei weitem so ruchlos. Nainar würde gar nicht in ihre Nähe kommen, stattdessen die Geister um ihn herum brechen und Ivren leichte Beute geben. Aber es würde dazu nicht kommen. Ivren würde niemals Galbatorix dieses Geschenk geben.

"Kannst du uns nun zu Nasuada führen?" fragte Eragon. "Ja, Herr." antworte der Mann. Ivren schätze, dass er ein höherrangiger Varden war, war sich aber nicht so ganz sicher. Armeen waren ihm nicht wirklich bekannt. Zu beengend.

Der Mann führte sie zu einem großen roten Pavillon, über dem eine Fahne flatterte, in die ein schwarzer Schild und darunter zwei gekreuzte Schwerter gestickt waren. Ivren kannte sie nicht, aber es stand wohl für die Varden oder Nasuada. Der Mann zog die Plane zurück, und Eragon und Ivren traten ein. Saphira schob ihren Kopf durch die Öffnung und schaute ihnen über die Schulter.

Ein breiter Tisch stand in der Mitte des möblierten Zeltes. Am eine Ende stand jene Frau die nur Nasuada sein konnte, gekleidet in Rüstung, und studierte eine Vielzahl Landkarten und Schriftrollen. Ivren warf einen neugierigen Blick auf sie. Die Namen hatten sich verändert. Kein Wunder, bei allem was geschehen war. Dreihundert Jahre, nun ja, nahezu dreihundert. Noch neun Jahre fehlten.

"Eragon?", flüsterte sie ungläubig. Ihr Blick wandte sich für einen Augenblick Ivren zu und er sah die Verwunderung in ihren Augen. Aber es war nicht nur Verwunderung, die er da sah. Blitzschnell traf sie Entscheidungen, verwarf sie wieder und kalkulierte neu, immer mit der Frage: Wer war er? Und war er ein Feind?

Trotzdem blieb Nasuada das Ebenbild der Höflichkeit. Mit einem breiten Lächeln verneigte Eragon sich und führte den traditionellen Elfengruß durch. Ivren tat es ihm nach wenigen Sekunden nach. Erneut traf er sowas wie Adel, zumindest Höhergestellt war sie in den Augen aller anderen, aber würde sie auch typisch adel sein? Von Eragon's Erzählungen eher nicht. Ivren würde sich sein eigenes Bild machen müssen.

"Eragon! Wie hast du unsere Botschaft so schnell bekommen?"

"Habe ich gar nicht. Ich habe mit der Traumsicht von Galbatorix' Aufmarsch erfahren und Ellesmera noch am selben Tag verlassen. Es ist schön, wieder bei den Varden zu sein."

"Was ist mit dir passiert?"

Eragon erzählte ihr die gesamte Geschichte und Ivren hörte ebenfalls aufmerksam zu. Vieles kannte er bereits, vieles aber auch nicht. Wie erwartet ließ er Oromis und Glaedr aus.

"Dann ist die Narbe also verschwunden?" fragte Nasuada. Eragon nickte. "Was für eine Geschichte! Du und Saphira, ihr habt viel erlebt seit eurer Abreise aus Farthen Dur. Wie ich sehe, ist Arya nicht länger mit dir und du hast einen Fremden an deiner Seite."

Der Tonfall war noch freundlich, angespannt, aber ja freundlich. "Ich habe dir viel zu erzählen, aber zuerst muss ich noch einen Zauber wirken." Eragon wartet auf ihre Erlaubnis, dann schützte er sie vor unerwünschten Zuhörern. Gut. Eragon grinste und fing an zu erzählen. Ivren sah ihm die Aufregung an. "Dies ist Ivren, ein Freund der Drachen, Elfen und Menschen. Er ist aus dem selben Grund hier, aus dem Arya nicht hier ist - Das grüne Ei!" Nasuada starrte sie geschockt an, sprach aber nicht. "Ivren hat es gefunden und zu mir gebracht – und Firnen ist für Arya geschlüpft."

"Das sind wundervolle Nachrichten! Ich schätze Arya möchte noch warten bis er mit uns kämpft?"

Eragon bejaht es. Ivren trat einen Schritt vor. "Ich habe bereits vor Eragon, Saphira, Arya und den Elfen einige Gelöbnisse in der alten Sprache abgelegt, aber bin jederzeit bereit erneut zu wiederholen das ich nie Galbatorix gedient habe und auch nie vorhabe ihm freien Willens zu dienen."

"Das ist gut zu hören. Ihr seid ein Magier?"

"Das bin ich." Bildete er sich das ein oder war das Misstrauen? Es wäre verständlich, aber irgendetwas störte ihn.

"Jeder Feind Galbatorix' ist willkommen. Werdet ihr euch uns anschließen?" fragte Nasuada. Ivren zögerte. Er wollte sich nicht verärgern, aber er wusste nichtmal was ihren Zorn wecken könnte. "Für diese Schlacht werde ich an Eragon's Seite kämpfen."

Sie lächelte. "Gut. Gibt es noch etwas das ihr mir mitteilen möchtet?"

Ivren verbeugte sich erneut, verneinte und verließ das Zelt. Sie wollte noch mit Eragon in privat sprechen, ohne die Augen eines fremden Magiers. Das lief gut, oder? Nasuada war nahezu unlesbar. Eine Fähigkeit die sie sicherlich nötig hatte, mit dem Rat und allem, auch wenn es bedeutete er wusste nicht wie er sich verhalten sollte. Andererseits – was hatte sie davon einen weiteren Kämpfer, einen Magier noch dazu, zu vertreiben? Nein, er brauchte sich vorerst keine Sorgen zu machen.

Vielleicht doch. Ein Geist, kalt und hart, berührte ihn zart. Fast schon dachte er es wäre Rauthren, aber es fehlte der alte Hass und die Panik von den Menschen um ihn herum. Ein schwarzhaariges Mädchen starrte ihn an. Was für seltene Augen! Und das – das war ein Drachenmal, schimmernd wie seine Narben.

Eragon's Fehler. Sie erwiderte seinen Blick, bis sie sich auf einmal wieder dem Zelt zuwandte. Ivren nutzte die Chance und verschwand in den Massen.

Die Varden waren nicht ungewöhnlich, ja fast schon langweilig. Bis auf eine Handvoll Zwerge waren alle Menschen, so wie er, und dennoch fühlte Ivren sich mehr als den je als Außenseiter. Floss dasselbe Blut in seinen Adern? Konnte er sich überhaupt zu seinem sterblichen Volk hinzuzählen? Er konnte genauso gut ein merkwürdiger Elf sein. Ivren schmunzelte. Vielleicht nicht ganz so, aber – ja, selbst seine Ohren waren nicht mehr so rund wie einst.

Mit einem Mal zog ein Vogelschwarm hinauf, kreischend und blutgierig. Eine Welle von Abscheu und Hass fiel über das Lager. Ivren erstarrte. Rauthren? Nein. Kaum eine Berührung war nötig um in die aufschäumenden Gemüter hineinzublicken und zu sehen wer das Opfer ihres Hasses war. Ein Kull, bestimmt fast drei Meter groß, es war schwer durch die Sicht anderer zu schätzen, mit gewundenen Hörner und gekleidet in einem Lendenschurz und Panzerplatten. Wie interessant!

Aurora hatte viel mit ihm über Drachen, Menschen, Elfen und Zwergen geteilt, aber nichts über die Urgals und die Kull. Sie waren verhasst und das war's. Enttäuschend. Er drang durch die Masse hindurch und erreichte endlich das Geschehen im Körper. Gespannt lauschte er dem Gespräch.

"Soll das ein Hinterhalt sein, Nachtjägerin? Mir wurde sicheres Geleit zugesagt. Brechen die Menschen ihr Wort so schnell?"

Eragon flüsterte etwas Nasuada ins Ohr. Ein Hauch von Magie und er konnte es verstehen. "Die übliche Antwort darauf wäre, die Köpfe aneinander zu schlagen, aber ich glaube, das lassen wir besser bleiben."

"Die Varden sind keine Lügner so wie Galbatorix und das Imperium. Sag, was du zu sagen hast! Du hast bei dieser Zusammenkunft nichts zu befürchten."

Der Kull brummte etwas und hob das Kinn, sodass seine Kehle entblößt war. Bei einem Drachen hätte das einiges zu bedeuten. War es hier ähnlich?

"Ich bin Nar Garzhvog vom Stamm der Bolvek. Ich spreche im Namen meines Volkes." Er sprach langsam, jedoch mit Kraft. "Wir Urgals werden mehr gehasst als jedes andere Volk. Elfen, Zwerge, Menschen, alle jagen uns, verbrennen uns und vertreiben uns aus unseren Hallen."

"Nicht ohne Grund."

"Nicht ohne Grund. Mein Volk liebt den Krieg. Aber wie oft greift man uns an, nur weil Ihr uns so hässlich findet wie wir euch?"

Richtig, nun erinnerte sich Ivren. Die Urgals hatten für den Schatten Durza gekämpft, welcher Eragon die Wunde auf seinem Rücken verpasst hatte.

"Ihr seid eine weise Herndall, Nachtjägerin."

Ivren beobachtete Nar Garzhvog aus dem Augenwinkel. Nasuada's Entscheidung war gut. Die Urgals würden eine starke Unterstützung sein.

"Ein Reiter des Imperium nähert sich!"

Ivren musste sein Lachen während der Rede des Abgesandten zurückhalten. Die Varden hatte keine Probleme damit ihre Freude kundzutun als Saphira's Brüllen das Pferd erschrecke und der Mann in Flammen aufging. Was für ein Tot. Ein Schauder lief über seinen Rücken. Der erste Tot von vielen.