4. Ein besonderer Freund

Eigentlich war Stephanie ein Steh-Auf-Männchen, doch weil der Wecker in ihrem Zimmer stand und nicht im Wohnzimmer, so hörte sie ihn an diesem Morgen nicht. Auch war sie gestern zu lange auf gewesen, sodass sie sogar verschlief. So kam es, dass ihre Freunde zuerst auf waren und sich wunderten, warum Stephanie nicht zur üblichen Zeit draußen erschien. Ratlos saßen Trixie, Pixel und Ziggi auf einer Bank, während Meini es sich in seinem Mini-Auto bequem machte und warteten ungeduldig.
„Wo bleibt Stephanie nur?", wunderte sich Trixie.
Ziggi nickte. „Ja, sonst ist sie doch immer als Erste auf dem Platz."
Auch Pixel war Stephanies zu-spät-kommen neu. „Denkt ihr wirklich sie schläft noch?"
Trixie rieb sich das Kinn. „Hm. Vielleicht war sie gestern Abend so nervös alleine zu sein, dass sie kaum geschlafen hat."
Ziggi knabberte an seinem Lutscher. „Also, ich werde nur nervös, wenn ich morgens nichts Süßes zu Futtern bekomme."
„Wir sollten besser mal nachsehen", schlug Pixel vor. „Am besten wir springen mal schnell rüber."
Nur Meini schüttelte den Kopf. „Nö, ihr könnt ja springen, ich fahre."

Es dauerte nicht lange und sie standen alle vor der Haustür des Bürgermeisterhauses. Pixel klingelte. Als sich nach ein paar Sekunden nichts tat, klopfte er an.
„Stephanie? Hallo, Stephanie! Bist du zuhause?"

Stephanie lag immer noch auf dem Sofa im Wohnzimmer. Nur im Halbschlaf bemerkte sie das laute Klopfen an der Tür. Sie blinzelte. Plötzlich schreckte sie auf, als sie realisierte, dass sie nicht in ihrem Bett lag. Mit einem Mal fiel ihr alles wieder ein.
„Oh, nein."
Ihr Blick wanderte zu Freddie, der ebenfalls beim Klingeln an der Haustür nicht aufgewacht war. Doch auch von dem Anklopfen nahm er keine Notiz und schnarchte im Sessel.
Stephanie überbekam ein übles Gefühl im Magen. Wenn die anderen den Stadtbösewicht bei ihr fanden, noch dazu in einer solchen Aufmachung… Was würde man dann von ihr denken?
Rasch verließ sie ihren improvisierten Schlafplatz und rüttelte Freddie an der Schulter. „Freddie! Schnell, du musst verschwinden!"
Es war nicht leicht den Langschläfer wachzurütteln.
„Nicht jetzt, Muttchen", grummelte Freddie. „Ich träume gerade so schön von…"
„Freddie, du musst jetzt wirklich gehen!", drängte Stephanie weiter.
Endlich schlug Freddie die Augen auf. Verwundert setzte er sich auf. „Wer was… Wo bin ich hier?!"
„Im Haus vom Bürgermeister."
„Hä? Ja, wie denn, was denn? Wie komme ich hierher?"
Stephanie erschrak aufs Neue, als sie Schatten draußen vor dem Fenster bemerkte. Ihre Freunde waren ums Haus herumgegangen, um einen Blick durch die Fenster zu erspähen, in der Hoffnung zu ergründen, ob im Haus etwas nicht in Ordnung war, wobei sie immer zu ihren Namen riefen.
Freddie verstand den ganzen Trubel nicht, da ihm noch der Restschlaf den Verstand vernebelte. „Wie, wer stört da schon wieder?"
Doch statt einer Antwort zerrte Stephanie ihn hastig aus dem Wohnzimmer in den Flur. „Na los, am besten du verschwindest durch die Hintertür."
Freddie schüttelte ihre Hand ab. „Du erwartest doch wohl jetzt etwa nicht von mir, dass ich in diesem Fummel durch die Straßen latsche?!" Er zeigte auf die ausgeliehenen Anziehsahen runter, die die reinste Lachnummer darstellte.
Stephanie verdrehte die Augen. „Dein Anzug muss schon trocken sein. Warte, ich hole ihn dir."
So schnell sie konnte, nahm sie Freddies Anzug von der Leine im Hausflur und drückte sie Freddie in die Hände. Freddie war anscheinend so langsam klar geworden, in welcher peinlichen Lage er und sie sich befanden. Hastig verschwand er im Badezimmer. Blitzschnell, was nur ein paar Sekunden dauerte, war er umgezogen.

Draußen standen die vier Freunde unterdessen ratlos im Garten.
„Also, ich verstehe das nicht", murmelte Pixel.
Auch Trixie war jetzt besorgt. „Wo kann sie denn in den Morgenstunden nur hingegangen sein?"
Ziggi lutschte nachdenklich an seinem Lolli, hielt aber mitten im Lecken inne, als er Meini erblickte, der ein Kissen in den Händen hielt.
„Wo hast du das denn her?", fragte Ziggi neugierig.
Meini drehte das gefundene Kissen hin und her. „Egal, jedenfalls gehört es mir. Meins. Ich habe es zuerst gefunden." Meini drückte das Kissen an sich, doch dann ließ er es sofort wieder fallen. „Igitt, das ist ja ganz nass."
„Hi, Leute!"
Überrascht drehten sich die Freunde um, und wunderten sich, dass eine strahlende Stephanie zu ihnen aus dem Fenster nach draußen rausschaute.
„Stephanie!", riefen alle wie aus einem Munde.
„Wo warst du solange gewesen?", fragte Trixie.
„Ja", stimmte Pixel mit ein. „Wir dachten schon, du wärst nicht zuhause."
Trixie nickte. „Ja, wir haben die ganze Zeit nach dir gerufen."
Noch ehe Stephanie eine Ausrede einfiel, ertönte von der Straße ein lautes Hupen.
Meini hob die Nase. „Also mein Auto war das nicht."
Sofort eilten alle zum Gartentor und staunten nicht schlecht als dort das Taxi stand.
„Oh, Onkel Meinhard", rief Stephanie überrascht, „du bist schon so früh zurück?"
Bürgermeister Meinhard stieg aus dem gelben Wagen. „Wir sind so früh wie möglich gefahren wie wir konnten."
Jetzt schob auch Senta Senfdazu ihren Kopf aus dem Gefährt. „Und wir hatten kaum richtig Zeit gehabt, das Gepäck sorgsam einzupacken. Vergessen Sie nicht, mir beim Ausladen zu helfen."
Meinhard seufzte. „Ja, natürlich, Senta. Ich helfe sofort ich kann." Er lief zu seiner Nichte, die ihn mit offenen Armen begrüßte.
„Hast du eine schöne Reise gehabt, Onkel Meinhard?"
„Oh, ja, oh ja, ehrlich gesagt, ich hab mir ehrlich gesagt, etwas Sorgen gemacht. Du hast dich doch wohl nicht etwa gefürchtet nachts allein zuhause, oder?"
Stephanie zog eine gespielte Schnute. „Och, eigentlich. Nicht so sehr. Eigentlich könntest du öfter auf Reisen gehen."
Ihr Onkel sah sie verwundert an. „Wirklich nicht? Du hattest keine Angst gehabt?"
„Ach, es hat mir sogar jemand etwas Mut gemacht."
Onkel Meinhard machte große Augen. „Wer denn?"
Stephanie lächelte. „Ein ganz besonderer Freund."

Freddie hatte sich in der Zwischenzeit noch nicht weit entfernt, da ihm, nachdem er durch die Hintertür draußen war, sein Kissen wieder einfiel, welches er im Garten hat liegen lassen. Mürrisch hob er das nasse Kopfpolster auf und stampfte mies gelaunt davon. Er hasste es am Morgen aus dem Schlaf gerissen zu werden. Dabei bekam er noch die letzten Gesprächsfetzen zwischen Stephanie und dem Bürgermeister mit, das von der Straße zu ihm herüberhallte. Bei Stephanies Satz, blieb er wie vom Blitz getroffen stehen.
„Was, Freund?" Sein Magen krampfte sich zusammen. Da war es schon wieder dieses nette Wort `Freund´. Freddie streckte angeekelt die Zunge raus. „So eine… das ist… dieses kleine Pinke-Gör eine Freundin?" Diese Vorstellung behagte ihm gar nicht. Wobei – hätte sie ihn nicht als Freund betrachtet, so hätte sie ihn wohl nicht in der verregneten Nacht ins Haus gelassen.
Freddie stellte sich kerzengerade hin, legte die Stirn in Falten und rieb sich heftig das Kinn.
„Obwohl… ist das gut oder schlecht?" Er grübelte ein paar Sekunden, dann zuckte er die Achseln. „Ach, egal." Mit großen Schritten stampfte er davon. Darüber müsste er nochmal gründlich nachdenken - bei einem kleinen Nickerchen.

Ende