Hier kommt Kapitel 3 :))
Also war es wahr. Sie würde nach Hogwarts zurückkommen. Ein Albtraum, mit dem er seit jedem Tag ihrer Abreise beim letzten Mal gerechnet hatte.
Leise seufzte er, mit einem Kopf voller Gedanken in die schwarze Nacht hinausblickend. Das Ministerium hielt es für richtig und sorgte damit für ein unheilverkündendes Pochen in seiner Schläfe. Nicht dass er da grundsätzlich widersprochen hätte. Die Aufarbeitung der Missstände war eine Sache von großer Dringlichkeit. Nur hätte er sich gewünscht, nicht mit hineingezogen zu werden. Aber wie immer steckte er bis zum Hals in dem Schlamassel drin.
Severus straffte seine Schultern. Er erwartete nichts. Sie arbeitete für das Ministerium, er für Hogwarts. Tatsächlich mochte er die Schule, auch wenn er sich die größte Mühe machte, so zu tun, als würde ihn alles nur furchtbar nerven. Beim Ministerium blieb er skeptisch. Minister Pricket war bestimmt ein Mann, der große Mühen auf sich nahm, die alten Fehler nicht wieder aufflackern zu lasen. Was seine Vorgänger versäumt hatten, wurde von ihm mit kräftiger Anstrengung verbessert. Alle noch lebenden Todesser wurden streng überwacht, das schloss ihn teilweise mit ein. Doch eigentlich konnte er nicht klagen. Von ihnen war er der Einzige, dem man am wenigsten auf die Pelle rückte. Die meisten Voldemort-Verehrer saßen in Askaban, und auch mit Draco und seinen Freunden nahm es das Ministerium genauer. Ihr Status musste vierteljährlich erneuert werden, was eine Auswertung all ihrer Aufenthaltsorte und lange Befragungen beinhaltete. Nein, beklagen konnte er sich da wirklich nicht. Seine Arbeit verlief im Grunde recht einfach und unkompliziert, er bekam gutes Essen und hatte die Freiheit, sich auf der Insel zu bewegen, wie es sein Beruf erlaubte. So pendelte er ungestört zwischen London und Umgebung oder Schottland. Anders war es früher auch nicht gewesen. Nur weniger angenehm, weniger schmerzfrei.
Was ihn wirklich ärgerte, war, dass er sie nicht einen Tag vergessen hatte. Sie ihn, davon ging er aus, dafür umso schneller. Ihre Karriereleiter war vorbildlich. Als Muggelgeborene hatte sie die Schule besser gemeistet als viele der hochnäsigen Slytherins, die sich stolz auf ihre Abstammung stützen konnten. Ein Glück, dass sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Wer weiß, wie weit Potter ohne ihre geistige Überlegenheit gekommen wäre. Ohne Frage war sie eine kleine Nervensäge gewesen, doch wenigstens eine mit Verstand. Da Severus viele Kinder aufwachsen gesehen hatte, war diese Feststellung ein großes Lob. Mehr gab es von seiner Seite auch nie über sie zu sagen. Recht viel mehr hatte er auch nie mit ihr zu tun gehabt. Ein paar kurze Begegnungen im Grimmauldplatz während der Ferien, wo ihm höchstens aufgefallen war, dass die Kinder in wenigen Wochen gewaltig gewachsen waren. Die Ordenstreffen nach dem Krieg hatte er gar nicht erst besucht. Er hatte angenommen, dass sich sein Überleben in den vielen Zeitungsartikeln von selbst erklärte und er ihr keine persönliche Erläuterung schuldig war. Was in der Heulenden Hütte passiert war, gehörte in die staubigen Akten seiner eigenen Karriere.
Das einzige Mal, wo sie ihn aus der Fassung brachte, war nicht, als er sterbend zu ihren Füßen lag, sondern bei ihrem Arbeitsantritt für das Praktikum. Hogwarts war sein Revier. Er duldete keine ungebetenen Gäste. Schon schlimm genug, dass Dumbledore keine Macht über Professor Umbridge gehabt hatte, die vom Ministerium kam und alles durcheinander wirbelte. Hermine Granger, die sich mit seinen Kollegen auf Anhieb verstand, war ein rotes Tuch für ihn. Sie stahl ihm den Sitzplatz, den er aufgrund seines Standes in Hogwarts für angemessen hielt, und heimste eine beispiellose Beliebtheit ein. Spritzig hatte Minerva es genannt. Zum Kotzen.
Severus hatte schnell gemerkt, dass sie eine Rivalin war, die ihn und seine Gewohnheiten noch tiefer ins Abseits drängte, als er sich selbst hineinbefördert hatte. Minervas anhaltende Begeisterung für ihren Gryffindor-Engel brachte das Fass für ihn zum Überlaufen. Hermine war im Krieg ein nützliches Werkzeug gewesen, jetzt gehörte sie zum Ministerium. Somit hörte sein Vertrauen auf.
Entsprechend dieser Ansicht verlief dann auch das Praktikum. Ablehnung und Zurechtweisung standen auf der Tagesordnung. Sie musste schließlich wissen, wo ihr Platz war. Damit konnte er recht gut leben. Sogar als sie anfing, ihm die Stirn zu bieten, fand er der Situation noch etwas Unterhaltsames ab. Ihr Temperament blühte auf und verwandelte so manches Wortgefecht in eine Herausforderung. Langsam sagte ihm Hermine Granger zu. Das Tragische war, dass er diesen Zustand nicht mehr umkehren konnte und seine Einstellung es ihm nicht erlaubte, sie zu halten. Als das Praktikum zu Ende ging, hatte er sie wieder verloren.
Seine Lippen wurden zu einem Strich. Jetzt kommt sie zurück.
Nicht deinetwegen. Nachdem du ihr gesagt hast, dass sie gehen soll, kannst du nicht erwarten, dass sie überhaupt mit dir reden wird.
Nein, er erwartete nichts. Nicht das Feuer in ihren Augen oder den süßen Geschmack ihres Kusses, den er nie vergessen konnte. Bevor er einen Weg gefunden hatte, sich davor zu Schützen, war das Undenkbare eingetreten. Im Großen und Ganzen sollte er sich wahrscheinlich glücklich schätzen, dass er damals das Geschick besessen hatte, sich im Rahmen ihres Interesses zu bewegen. Der Sex war unglaublich gewesen. Gescheitert war er dann am ihm fehlenden Einfühlungsvermögen. Welcher Idiot schickte eine Frau wie Hermine fort? Nur einer, der nicht in der Lage war, die neue Situation einzuschätzen. Ungeplanter, heftiger Sex ja, beziehungsähnliche Tändelei nein. Ministeriumsangestellte waren mit dem Ministerium liiert, er mit Hogwarts. Mehr ließen seine sozialen Fähigkeiten nicht zu. Wie vorherzusehen gewesen war, war sie daraufhin gegangen.
Neben seiner Unfähigkeit eine Beziehung einzugehen, störte ihn sein persönlicher Hintergrund. Er war, was er war. Sollte er trotz größter Unwahrscheinlichkeit einen wichtigen Posten in der magischen Gesellschaft erhalten, ließe sich die jahrzehntelange Abwärtsspirale, die er zu Minervas Missfallen "Karriere" nannte, nicht beseitigen. Prinzipiell hatte er sich genug Selbstvertrauen angeeignet, darüber zu stehen. Einen Haken hatte die Sache aber. Kein normaler, gesunder Verstand würde sich erlauben, einer Frau mit so wenigen Makeln wie Hermine sie hatte, aus Eigennutz in die Quere zu kommen. Zur damaligen Zeit und unter dem Einfluss des Blutes, das sich in den unteren Regionen seines Körpers gesammelt hatte, war ihm völlig egal gewesen, was irgendwann einmal sein würde oder nicht. Severus hatte genug damit zu tun gehabt, seine Lebensgeister wieder zu finden. Mehrere Monate war er fast tot gewesen, so gut wie verkrüppelt, und hatte sich entsprechend der neuen Vorgaben des Ministeriums einer Fülle von Fragen stellen müssen, ob er berechtigt war, wieder als Lehrer von Hogwarts zu gelten oder ob sie ihn sich selbst überlassen und ihm eine mickrige Rente zur Abfindung geben sollten. Fast hätte er zugestimmt und sich zum Schweigen verpflichten lassen. Doch Minerva hatte nicht nachgegeben.
"Du kommst wieder zurück. Keine Diskussionen mehr."
Anscheinend machte es ihr Spaß, ihn in einer Umgebung zu haben, wo sie ein Auge auf ihn haben konnte. Als es ihm mit den Monaten besser ging und der Erwartungsdruck seines Arbeitsantritts nachgelassen hatte, kam die Langeweile, in die sich ein Weilchen später das Praktikum mischte. So hart sie kollidierten, so brutal prallten sie wieder voneinander ab. Zwei Jahre vergingen und Severus hatte sie nie vergessen.
