Das Manor

Tumult brach aus.

»McManus? Er hängt da mit drin?« Elizabeth konnte es nicht fassen.

»Das hatte Ted doch schon vermutet«, verbesserte Scorp sie.

»Sie sind auf dem Anwesen? Wo ist das?«, fragte Al.

Alle sprachen durcheinander. Der Einzige, der still blieb, war James. Mäxym beobachtete ihren Freund. Er saß, anders als die anderen, die aufgestanden waren und wild im Raum umherliefen, noch immer auf seinem Stuhl, lässig nach hinten gelehnt. Er hörte jedem zu, sprach selbst jedoch kein einziges Wort. Er hielt sich aus dem Ganzen raus. Unüblich.

»Mäxym, sag doch was«, holte Scorp sie aus ihren Gedanken.

»Was soll ich sagen. McManus sitzt zu weit oben, als das er an all dem nicht beteiligt wäre und ja es stimmt. Ted hat uns bereits berichtet, dass er einer der Schuldigen ist.«

»Und du nimmst das einfach so hin? Wir wissen jetzt, wer dahintersteckt. Wir sind im Vorteil«, rief Scorp und die anderen grölten mit.

Mäxym schüttelte den Kopf und wartete, bis sich die anderen beruhigt hatten. »Welchen Vorteil? Willst du es gegen McManus aufnehmen?«

Scorp sah seine Schwester mit großen Augen an. »Du nicht? Er hat Dad eingesperrt. Er hat die Rumtreiber entführt. Wir sind die Rebels.«

»Und er ist der Leiter der Strafverfolgung. Er würde uns zerquetschen.« Mäxym musste ihrem Bruder dringend von seiner Idee abbringen.

»Na und, wir haben die Inspektoren gerade ziemlich gut in Schach gehalten«, warf Colin ein.

Ashwin, der sich neben ihn gestellt hatte, nickte zustimmend. »Noch sind sie geschwächt. Wir wissen, wo sie hin sind. Wir können Sie schnappen und die Rumtreiber retten.«

»In Schach gehalten?«, verständnislos blickte Mäxym die beiden jungen Männer an. »Den Kampf von vorhin würde ich nicht so beschreiben. Wir hatten nur dummes Glück, dass das ein Ablenkungsmanöver war. Magenta würde es bestimmt auch nicht so nennen.« Sie blickte zu James. »Sag doch auch einmal etwas!«

James sah erst zu ihr, dann zu Colin und Ashwin. »Du hast recht. Wir sind gerade mit dem Leben davon gekommen. Jemand von uns wurde schwer verletzt und wir können von Glück reden, dass niemand anders getroffen wurde.« Er legte eine kurze Pause ein. »Aber die beiden haben auch recht.«

»Bitte was?« Nun mischte sich auch Katelyn ins Gespräch ein. Sie stand vollkommen auf der Seite ihrer Freundin. Die Jungs waren zu kurzsichtig und unvorsichtig.

»Wir wissen, wo sie sind. Wir haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie nun auch noch meine Großeltern gefangen genommen werden.« James stand auf. »Jeder steht es frei, hier zu bleiben. Der Rest darf mich begleiten.«

»Nein!«, reagierte Mäxym entschieden. »Es wird niemand mitkommen, weil du nicht dorthin gehen wirst. Wir werden das einzig richtige tun. Wir werden Professor Longbottom alles erzählen. Und damit meine ich alles. Wir lassen es die Erwachsenen klären.«

»Die Erwachsenen? Mäxym, sieh dich um. Das sind mittlerweile wir. Der Krieg, in dem wir uns befinden, hat uns dazu gemacht. Unsere Eltern sind in Askaban, niemand kann mehr etwas ausrichten. Auch nicht der Schulleiter. Er steht allein da. Was soll ein Mann allein bewirken. Aber wir hier, wir können das. Wir sind die Rebels.«

Mäxym und Katelyn waren nicht überzeugt, doch die junge Malfoy merkte, dass sie ihren Freund und auch ihren Bruder nicht mehr von dieser Idee abbringen konnte.

Bevor Katelyn weitere Gegenargumente aufzeigen konnte, lenkte sie ein. »Gut, aber nur fürs Protokoll, ich halte das für eine saudumme Idee. Aber wenn wir das machen, dann lass es uns richtig machen.«

Rose bereitete verschiedene Tränke vor. Sie würde da bleiben und sich um Magenta kümmern. Durch ihr Training mit Lily war sie bestens geschult und im Raum der Wünsche gut stationiert. Scorp und Al, die zu Anfang noch mitwollten, wurden von James ebenfalls im Raum der Wünsche platziert. Sie sollten Hogwarts und den Raum beschützen und alles für die Rückkehr der Rebels zusammen mit den Rumtreibern vorbereiten. Es war wichtig, dass sie einen sicheren Rückzugsort hatten.

Elizabeth und Melania blieben ebenfalls. Sie sollten die anderen Rebels sowie die Neuzugänge informieren.

Während James die Tränke in einen Rucksack verstaute und Mäxym vorsichtshalber Verbandszeug in ihre kleine Umhängetasche einpackte, kam Al auf seinen Bruder zu. »Hier, nimm ihn. Er wird dir da mehr nutzen als mir hier.« In der Hand hielt er den Tarnumhang.

»Nein, bei dir ist er sicherer. Wenn wir geschnappt werden, dann haben sie ihn auch. Das dürfen wir nicht riskieren.«

Al drückte das Bündel Stoff an James Brust. »Dann lasst euch nicht schnappen.«

Kopfschüttelnd und ohne weitere Widerworte steckte James den Umhang in den Rucksack.

»Wie kommen wir eigentlich dahin?«, fragte Colin. Auch er hatte seine Sachen gepackt.

»Durch mich.« Ashwin kam zu ihnen. Er hatte sich umgezogen und trug nun dunkle Kleidung, eine schwarze Mütze und Duellierhandschuhe.

James schloss seine Jacke und schulterte den Rucksack. »Ashwin ist schon siebzehn und somit im Stande Magie zu wirken. Er appariert uns zum Anwesen.«

»Da hat es endlich mal Vorteile, dass ich sitzen geblieben bin«, sagte sein Freund grinsend und Colin schmunzelte ebenfalls.

Als Mäxym sich umgezogen hatte und noch ein letztes Mal ihre Sachen kontrolliere, kam Scorp in den Raum. Er war gleich in die Bibliothek verschwunden. Mäxym dachte, er schmollte, weil er nicht mitdurfte. Doch sein Verschwinden hatte andere Gründe.

»Hier!« Ihr Bruder rollte ein in die Jahre gekommenes Pergament auf dem runden Tisch aus. »Das ist der Lageplan des Anwesens. In der Bibliothek gibt es etliche davon und ich dachte mir schon, dass das Manor von McManus ebenfalls bei uns zu finden ist.«

»Sehr gut, Scorp. Das hilft uns immens«, lobte James ihn und warf einen Blick auf den Grundriss.

Das Manor hatte den gleichen U-Umriss wie Malfoy Manor. An den beiden langen Enden gab es Seitengänge, die zum Garten führten. Das lange Zwischenstück besaß in der Mitte einen großen Durchgang zum Garten. Gegenüber lag die große Eingangstür. Zwischen den beiden Eingängen ragte eine große Wendeltreppe empor und führte in den zweiten Stock. Rechts von der großen Doppeltür und schräg gegenüber der Treppe gab es einen Zugang zum Keller.

In der rechten Ecke lag die Küche, in der linken die Bibliothek, angrenzend der Salon. Im zweiten Stock in der linken hinteren Ecke war das Wohnzimmer, gegenüber davon gab es einen Herrenraum. Im linken Flügel war das Schlafzimmer platziert, im rechten das Büro.

»Ziemlich groß«, kommentierte Katlyn, die sich über den Plan gebeugt hatte.

»Ich sehe keinen guten Zugang. In den Zimmern können wir jederzeit entdeckt werden. Wer weiß, ob diese zu dem Zeitpunkt leer sind. Eine dunkle Ecke, die nicht einsehbar ist, kann ich auch nicht erkennen.« Mäxym suchte den Grundriss nach einer geeigneten Stelle ab.

»Wir versuchen es im Garten. Der ist noch größer. Aktuell ist das Wetter an der Küste schlecht. Niemand wird sich dort aufhalten.«

»Was ist mit Bannen?«, wandte Rose ein.

»Die Inspektoren mussten auch apparieren. Sie hatten laut Dominiques Erzählung keinen Portschlüssel.«

»Also gehen wir auf gut Glück darein?« Mäxym war skeptisch. Ihr gefiel das alles nicht. In so kurzer Zeit mit einem löchrigen Plan ein Anwesen zu stürmen, war mehr als dumm.

»Sie haben meine Großeltern«, brüllte James.

Mäxym hob abwehrend die Hände. »Mein Vater sitzt in Askaban. Aber das ist noch lange kein Grund dort hineinzustürmen.«

»Dann bleib hier. Wir gehen«, sagte James wütend und rollte den Plan zusammen.

»Einen scheiß tu ich. Wer holt dich denn da wieder raus. Ich komm mit.« Mäxym konnte ihn nicht allein gehen lassen. Sie wollte die Rumtreiber retten und James beschützen. Dennoch gefiel ihr der Plan überhaupt nicht, doch sie hatte keine Wahl. Sie blieb an seiner Seite.

Etwas milder gestimmt nickte James ihr zu, verstaute den Plan in seinem Rucksack und die kleine Gruppe stellte sich auf.

Scorp, Rose, Al und Dominique stellten sich leicht abseits.

»Passt auf euch auf«, flüsterte Dominique mit brüchiger Stimme.

Bevor jemand noch etwas erwidern konnte, wurden sie mit Ashwin mitgerissen und landeten unsanft auf nassem Gras.

Mäxym stand schnell auf und orientierte sich. Alles war stockdunkel und still. Neben ihr waren James und Katelyn. Noch waren sie nicht entdeckt worden.

»Wo sind wir?«, flüsterte Katelyn.

»Im Garten. Dahinten ist das Manor.« James zeigte auf ein beleuchtetes Gebäude, dass ungefähr zwanzig Meter vor ihnen stand.

»Sind wir hier sicher?«, fragte Mäxym. Sie hockte sich hin und beobachtete die Umgebung.

»Niemand in Sicht. Wir haben auch keinen Alarm ausgelöst«, bemerkte Ashwin.

»Woher willst du das wissen?«, zischte Katelyn.

»Na, dann wären sie schon lange hier«, erwiderte Ashwin.

»Bleibt ruhig, es hilft uns nicht, wenn wir uns gegenseitig zerfetzen. Wir sollten uns lieber besprechen«, beruhigte James die Situation. Er zog den Lageplan aus dem Rucksack und rollte ihn auf. »Wir sind irgendwo hier. Dort drüben ist der eine und dort der andere Flügel«, orientierte sich James und zeigte auf den Grundriss.

»Wie sollen wir uns rein schleichen? Wir passen nicht alle unter den Umhang«, gab Mäxym zu bedenken.

»Wir teilen uns am besten auf. So ein großes Grundstück können wir nicht zusammen absuchen. Jemand hält hier«, er zeigte auf den Boden, »Wache.«

»Das übernehme ich«, meldete sich Katelyn.

»Gut. Der Rest geht zum Anwesen. Wenn, dann sind sie dort drin. Hier im Garten gibt es außer Blumen und Sträucher nichts. Dort teilen wir uns auf. Mäxym, du kommst mit mir. Wir suchen im rechten Teil. Colin und Ashwin, ihr übernimmt den linken Flügel. In zwanzig Minuten treffen wir uns wieder bei Katelyn.« Alle nickten.

Vorsichtig und leise schlichen die vier zum Manor. Ashwin und Colin blieben auf der linken Seite, während Mäxym und James schräg nach rechts liefen. Kurz vor dem Gebäude holte James den Umhang heraus und warf ihn über sich und Mäxym.

Diese sprach ein Silencio-Zauber über sie aus, damit man sie nicht hören konnte.

»Was machen Colin und Ashwin?«, flüsterte Mäxym.

»Die wissen sich zu helfen. Komm.« James führte sie zum Haus.

Zwei Inspektoren standen vor der Doppeltür in der Mitte des Manors, doch die beiden Seitentüren waren unbewacht. Schnell huschten sie durch den Durchgang und standen im Manor.

Mäxym hatte jedoch keine Zeit sich genauer umzusehen, denn James zog sie weiter den breiten Gang entlang. Vor einer Biegung hielt er an und gab Mäxym die Gelegenheit zu verschnaufen.

Vorsichtig blickte er um die Ecke, dann beugte er sich zu Mäxym. »Links an der Wand ist eine Holztür, davor stehen zwei Inspektoren, an denen müssen wir vorbei.«

Mäxym nickte. »Wenn wir leise sind, gegen nichts stoßen und unauffällig bleiben, dürfte es funktionieren«, hauchte sie zurück.

Es war ein gewagtes Unterfangen, aber ihnen blieb nichts übrig. Sie mussten an den Inspektoren vorbei, um das Anwesen weiter zu durchsuchen.

»Wir riskieren es«, entschied James.

Nah beieinander schlichen sie auf Zehenspitzen an den Inspektoren vorbei, um zur Küche zu gelangen.

»Wie lange sollen wir hier noch Wache stehen?«, durchbrach einer der Inspektoren die Stille.

»Keine Ahnung. Aber die da unten kommen so oder so nicht weg.« Der andere brach in schallerndes Gelächter aus.

»Kommen wird auch niemand«, fügte sein Kollege hinzu und stimmte in das Lachen mit ein.

James stoppte und sah Mäxym an. Nun wussten sie, wo die Rumtreiber waren.