Setting: AU über die gesamte Buchhandlungszeit hinweg
Kommentar: Ich melde mich mit einer kleinen Geschichte zurück, die zu schreiben länger gedauert hat, als der Umfang rechtfertigen könnte. Aber da ich hier ein bisschen experimentiert habe und nebenbei auch noch mit einem sehr großen Projekt beschäftigt bin, musste ich die Zeit aufteilen. Und zugegeben, ich hab es komplizierter gemacht, als es streng genommen hätte sein müssen. ^^
Apropos kompliziert: Da dieser Plot locker eine 50 Kapitel lange Geschichte hätte werden können, ich aber keine Zeit zum Schreiben von 50 Kapiteln habe, habe ich das Ganze zu einer Drabble-Geschichte gemacht. Und ihr habt ja keine Ahnung, wie schwierig es ist, einen Wortzähler zu finden, der nicht irgendwelche Satzzeichen als Wörter mitzählt! O.o Ich habe letztendlich diesen genommen, der das wenigstens nur bei alleinstehenden Bindestrichen macht; das rauszurechnen, habe ich meinem Fandom-verseuchten Gehirn halbwegs zugetraut, auch wenn ich trotzdem nicht darauf wetten würde, dass alles stimmt …
Wie dem auch sei. Der Titel ist vom Roman „Unsere Seelen bei Nacht" von Kent Haruf inspiriert, die Handlung hat aber nichts damit zu tun.
Betadank geht wie so oft an die wunderbare Moana Nahesa. Vielen Dank für deine Hilfe!
Warnings: Major Character Death, Schüler/Lehrer-Beziehung, Sex, ein bisschen Alkohol-/Drogenmissbrauch und es wird geflucht *Team LetSnapesayfuck*


Unsere Seelen bei Vollmond


Kapitel 1


Zehn.

„Weg da, Snape!"

„D-Das war ein Werwolf! Lupin ist ein Werwolf!"

„Hör zu, es tut mir leid, okay? Sirius war ein Idiot! Er hätte das nicht tun dürfen! Aber -"

„Aber? ABER?! Er hätte mich UMBRINGEN können, Potter! Dafür fliegt ihr!"

Neun.

„Warten Sie bitte draußen, Mr Snape."

„Aber Professor Dumbledore, ich -"

„Warten Sie!"

Acht.

„Er hätte mich beinahe umgebracht, Sir! Sicherlich wird er nicht ungestraft -"

„Das wird er nicht, Mr Snape. Aber die Höhe der Strafe obliegt nicht Ihrer Verantwortung."

„Aber Sir -"

„Wir verhandeln nicht, Mr Snape."

Sieben.

„Was passiert ist, war furchtbar. Allerdings verlange ich von Ihnen, dass das, was Sie heute Nacht gesehen haben, unter uns bleibt."

„… Sir?"

„Sie haben mich verstanden, Mr Snape. Kein Wort. Zu niemandem."

„Aber … Ja, Sir."

Sechs.

„Sind Sie unversehrt, Mr Snape?"

„Geht Sie nichts an. Hauen Sie ab!"

„Etwas mehr Respekt, wenn ich bitten darf! Selbst als Geist stehe ich über Ihnen!"

„Im Moment stehen Sie mir vor allem im Weg. Ambitio Maxima!"

Fünf.

„Sie können froh sein, dass der Schulleiter Sie bereits bestraft hat."

„Und trotzdem folgen Sie mir. Bis ins Bett!"

„Reine Sicherheit."

Vier.

„Also: Sind Sie unversehrt?"

Drei.

„Nun?"

Zwei.

„Mr Snape!"

Eins.

„…"

Null.

„Das ist ein Biss."


Es gab etwas, an dem es dem Blutigen Baron unübersehbar mangelte: Anstand.

„Sie sollten es jemandem sagen."

Heilige Scheiße! „Ich sitz auf dem Klo!"

„Das sehe ich. Glücklicherweise rieche ich es nicht mehr."

Die Klorolle segelte direkt durch das Geistergesicht, fiel auf den Boden und rollte davon.

„Konzentrieren Sie sich!"

„Hauen Sie ab!"

„Nein. Sie sollten es jemandem sagen!"

Was zum … „Ich sollte gar nicht in dieser scheiß Situation sein! Und wissen Sie, wer daran Schuld ist? Sirius Black! Und wer musste dafür nur ein paar Tage nachsitzen? Sirius Black! Und wer hat mir gesagt, ich darf mit niemandem darüber reden? Albus Dumbledore! Also sagen Sie mir nicht, ich sollte es jemandem sagen! Niemand würde mir zuhören!"

Jeder würde Ihnen zuhören, wenn sie wüssten, dass Sie gebissen wurden."

„Ich will aber nicht, dass sie es wissen!"

Als wäre das hier ein Gespräch auf Augenhöhe und keines, bei dem Severus seinen Umhang auf seinen nackten Schoß türmte, nahm der Baron sich Zeit.

Viiiiel Zeit.

„Meinetwegen. Aber wenn Sie jemanden hier in Gefahr bringen, werde ich es ihnen sagen."

„Gut! Jetzt hauen Sie endlich ab!"

Er verschwand durch die Decke, gerade als die Tür zum Jungsklo aufging. „Ist alles okay?" Avery.

„Scheiß-Perfekt!"


Was sich Tag für Tag als weniger perfekt herausstellte, war Hogwarts.

Es war nicht das Paradies, das er sich mit elf vorgestellt hatte.

Nicht die Zuflucht, die er mit zwölf gebraucht hätte.

Mit dreizehn folgte ihm der Spott hierher.

Mit vierzehn die Prügel.

Und jetzt, mit fünfzehn, fiel es ihm schwer, überhaupt noch einen Unterschied zwischen Hogwarts und seinem Zuhause zu erkennen. Dort wie hier war es immer seine Schuld. Dort wie hier wäre alles einfacher, wenn es ihn nicht gäbe. Dort wie hier könnte er jemanden umbringen, wenn er nicht bald einen sicheren Ort fand.

Fuck!

„Komm mit, Bursche."


Der will mich doch verarschen …

Aber eigentlich war Schüler veräppeln eher Peeves Art und nicht die des Blutigen Barons.

Eigentlich. Seit Severus' Repertoire an Problemen erweitert wurde, hatte der Geist einen fragwürdigen Humor entwickelt.

Sein Repertoire an Hilfspersonen allerdings war nicht existent, also …

„Hier?"

„Ich sagte, beim Wandteppich. Sehen Sie hier irgendwo einen Wandteppich?"

Klugscheißer! „Ein einfaches Nein hätte es auch getan."

„Hätte es das, Mr Snape? Hätte es das wirklich?"

Touché.

Aber nichts hätte ihn davon abgehalten, in diese Hütte zu gehen. Stupor ausgenommen.

Schließlich fand er den Wandteppich. Im siebten Stock, ausgerechnet! Der Gryffindor-Turm war keine hundert Meter weit weg! Er konnte Potters Entzücken beinahe hören! Wehe, das hier lohnt sich nicht … „Und jetzt?"

„Jetzt denken Sie an das, was Sie brauchen, und gehen dreimal vor dieser Wand auf und ab."

„Warum? Haben die hier eine Wunderlampe eingemauert?"

„Tun Sie es einfach!"

„Schon gut!"

Aber wenn hier nicht gleich ein Dschinn erschien, würde der Blutige Baron es bereuen!

Einen sicheren Ort, einen sicheren Ort, einen – sicheren – Ort!

Es erschien kein Dschinn.

Aber eine Tür.

Was zum Teufel …

„Vom Rumstehen geht sie nicht auf."

„Was Sie nicht sagen …"

Es war kein Dschinn, es war besser.

Es war ein Wald.


„Was liest du da? Die Geschichte Hogwarts? Warum? Brauchen wir das im Unterricht? Hab ich irgendwo nicht aufgepasst? Ich dachte, ich hätte mir alles aufgeschrieben."

„Hattest du schon wieder Kaffee zum Frühstück, Lily?"

„… Nein."

„Ha! Wer's glaubt."

„Pah! Sag mir lieber, warum du die Geschichte Hogwarts liest, anstatt Hausaufgaben zu machen, obwohl du seit fast fünf Jahren hier lebst und längst alles weißt!"

„Man weiß nie alles."

„Hält dich nicht davon ab, es zu versuchen."

„Und deswegen lese ich mal wieder die Geschichte Hogwarts."

„Streber."

„Selber."

„Danke! Und was ist nun mit Hausaufgaben?"

„Hab ich längst fertig und nein, du kannst nicht bei mir abschreiben."

„Wollte ich gar nicht!"

„Wer's glaubt …"

„Idiot." Sagte sie und unterstrich es mit einem Lächeln, das die Bedeutung auf die andere Seite drehte.

„Werden Sie beide nun endlich den Mund halten oder muss ich Sie vor die Tür setzen?"

„Wir sind still, Madam Pince."

Ein Versprechen, das Lily allerdings nicht davon abhielt, gleich darauf zu flüstern: „Die ist schlimmer als Tuney."

„Gleicher Menschenschlag."

„Ja. Anstrengend …"

Dann widmete sie sich ihrer Verwandlungshausaufgabe und er sich wieder seinem Buch mit dem Titel Werwölfe wissenschaftlich wahrgenommen, das ihm hoffentlich sagen würde, was sein restliches Leben auf ihn zukam …


„Kennt Professor Dumbledore den Raum der Wünsche nicht?"

Es dauerte geschlagene vier Sekunden, bis der Blutige Baron seine Anwesenheit und Frage zur Kenntnis nahm. „Warum fragen Sie mich das?"

„Weil Sie mir den Raum gezeigt haben."

„Und nun glauben Sie, ich würde Buch führen über all jene, die ihn jemals betreten oder von seiner Existenz Kenntnis erlangt haben?"

Ugh! „Es wäre doch möglich gewesen, dass Sie es wissen!"

„Nun, ich weiß es nicht. Warum fragen Sie überhaupt?"

„Ich hab dieses Buch gelesen, über … Sie wissen schon. Und da stand, dass Verwandlungen in geschlossenen Räumen ein erhöhtes Risiko von Verletzungen bergen. 80% im Vergleich zu 2% in freier Natur. Warum bringt Professor Dumbledore Lupin dann in die Heulende Hütte, wenn er ihn auch in den Raum der Wünsche bringen könnte?"

„Das geht weder Sie noch mich etwas an, Mr Snape. Aber wenn das Wohlbefinden Ihres Mitschülers Ihnen so wichtig ist, warum gehen Sie dann nicht zum Direktor und fragen ihn selbst? Sie könnten die Gelegenheit auch nutzen, um ihn über Ihr eigenes Problem zu unterrichten."

„Schon gut!" Warum kümmerte es ihn überhaupt? Lupin verdiente genau das und er selbst verdiente den Wald – eine kleine Annehmlichkeit als Ausgleich für einen großen Verrat.


Hätte er jemals davon geträumt, eskortiert zu werden – hatte er nicht, aber wenn er es getan hätte –, hätte er sich für diese Eskorte nicht den Blutigen Baron vorgestellt.

„Können Sie mich einfach in Ruhe lassen?"

„Nein."

„Ich bin doch schon auf dem Weg! Was wollen Sie denn noch?"

„Sichergehen, dass Sie wirklich im Raum der Wünsche sind und nicht frei im Schloss herumlaufen."

Gab es es etwas, das mehr Aufmerksamkeit erregte, als mit einem Geist in unmittelbarer Nähe des Gryffindorturms unterwegs zu sein? „Uns wird noch jemand sehen …"

„Dann beeilen Sie sich besser."

Am liebsten hätte er die Tür zugeknallt.


Vom Muskelzucken hatte nichts im Buch gestanden. Als würde ein Marionettenspieler an unsichtbaren Fäden zupfen.

Und das 'ungute Gefühl' war eine Untertreibung gewesen.

Maßlos!

„Okay, okay … Ruhig … Die Werwolftransformation … läuft für gewöhnlich in … drei Schritten ab. Erstens: Die innerliche Verwandlung … Die Knochen verschieben und … verwandeln sich, ein schmerzhafter Prozess nicht ungleich dem Empfinden, ausgep-aaahhh!"

Hätte er seinen Rücken in jeder anderen Situation so knacken hören, hätte er geglaubt, das wäre sein Ende.

„Ahhh!"

Vielleicht war es sein Ende.

„Fuck! Mhh-ahh!"

Ich will nicht sterben …

„Aahh!"

Ich werde nicht sterben! Lupin macht das seit Jahren, ich schaff das!

Aber die Verwandlung zwang ihn in die Knie.

Eins … zwei … drei … vier … fünf …

„Zweitens … die … äußerliche … Verwandlung."

Haare sprossen, Nägel wurden zu Krallen, seine Schnauze wuchs, der Schwanz auch.

Drittens: Der Wolf übernimmt die Kontrolle.

Als hätte er ihn vom Zehn-Meter-Brett im Schwimmbad geschubst, nur dass es mehr als zehn Meter waren. Unendlich Meter. Wie bewusstlos werden, ohne das Bewusstsein zu verlieren. Seine Sinne funkten nicht mehr, kein einziges Signal. Wenn er schrie, hörte er es nicht, wenn er sich kniff, tat es nicht weh.

Und sehen konnte er nur einen hellen Stecknadelkopf in der Ferne.

Sollte ich kämpfen?

Nein.

Sinnlos.

Komplett sinnlos.


Kälte riss ihn zurück an die Oberfläche.

„Es tut mir leid, Junge, aber du musst aufstehen!" Der Blutige Baron schälte sich aus den Schemen hervor.

Und dann überfuhr ihn der scheiß Hogwarts-Express.

„Fuck …"

Sein Kopf, sein Rücken, jeder einzelne Finger – alles pochte im Rhythmus des Nach-Vollmond-Morgens, ein Staccato wie Irish Dance direkt in seinem Schädel und zu viel Guinness auf nüchternen Magen, wie Grippe im Januar nach ganz miesem Aufpäppeltrank und technischer K.o. beim Ringkampf mit Trollen.

„Ich kann das nicht …"

„Du musst, Junge. Und bald, sonst wird jemand bemerken, dass du weg bist und man wird nach dir suchen."

„Niemand sucht mich."

„Selbst wenn nicht: Wenn du nicht bald zurück in deinen Gemeinschaftsraum gehst, werden sich die ersten Gryffindors auf den Weg zum Frühstück machen und dich sehen, wenn du den Raum der Wünsche verlässt."

Er weinte nicht, nicht wirklich, es war nur … Es war die Verwandlung, der Nach-Vollmond-Kater. Er hatte darüber gelesen, das … das war alles.

„Ich kann das nicht jeden Monat."

Alles. Alles, was der Blutige Baron darauf hätte antworten können, wäre besser gewesen als die zehn Sekunden Stille, für das er sich entschied. Alles.

„Steh auf, Junge. Kinn hoch, Schultern zurück, nächstes Mal wird es leichter."


Eine schamlose Lüge.

Sich rausschleichen, die Nächte außerhalb des Schlafsaals verbringen, mit dem Risiko spielen wie mit einem Jojo, das in Flammen stand – er hatte geahnt, dass er sich daran irgendwann die Finger verbrennen würde. Aber er hatte geglaubt, es würde ihn Punkte kosten, nicht das Leben.

Sind wir heute aber wieder Gryffindor!

Würde Lily sagen.

Wenn sie denn wüsste, was passiert war.

Wusste sie aber nicht. Nur der blöde Geist wusste es.

„Beherzigen Sie meine Warnung!"

„Tue ich! Ich bringe niemanden in Gefahr!"

„Doch nicht die Warnung! Mrs Norris lungert zwei Gänge weiter herum!"

Ugh! Nachts durchs Schloss zu wandern, weil man es musste, war etwas anderes, als es zu tun, weil man es konnte.

Aber er musste seine Spuren verwischen. Slytherins waren zu gut darin, eins und eins zusammenzählen; er konnte nicht nur an Vollmond verschwinden. Dumbledore persönlich sorgte dafür, dass Lupins Geheimnis geheim blieb, und trotzdem hatte Severus gemerkt, dass etwas im Busch war. Das durfte ihm nicht passieren.

Niemals.

Niemand durfte jemals herausfinden, was er war. Niemand! Er konnte damit leben, ein Halbblut zu sein, arm, widerlich, entbehrlich, ein verdammter Freak – aber er konnte kein Werwolf sein. Niemand durfte es jemals erfahren!

Vor allem nicht Lily.


Aber gerade vor ihr konnte er es kaum geheim halten.

Cokeworth war ein widerliches Drecksloch und er war überzeugt, dass nichts Gutes dort wachsen konnte. Trotzdem hatten sie es geschafft, auf diesem zerklüfteten Boden ein kleines Kartenhaus zu bauen. Es durfte nicht einstürzen!

Denn dieses Kartenhaus war das einzig Gute, das es in seinem Leben gab. Der einzige Ort, an dem er nicht (so sehr) aufpassen musste, was er sagte, an dem er (ein bisschen) loslassen konnte, und wusste, dass er (irgendwie) gemocht wurde.

Wenn auch immer weniger verstanden.

Trotzdem … Es gab nicht viel außer diesem Kartenhaus, das ihn bei Sinnen hielt, also hatte er beschlossen, sich mehr Hände wachsen zu lassen, um alle Karten festzuhalten.

Aber alle Hände dieser Welt konnten nicht verhindern, dass sie ihm mit jeder Lüge durch die Finger glitten.

„Geht es dir gut, Sev?" - „Ja."

„Du siehst müde aus." - „Es ist nichts."

„Hast du dich verletzt? Du humpelst." - „Es geht mir gut."

„Was für ein Buch liest du? Severus! Ist das etwa aus der Verbotenen Abteilung?" - „Das geht dich nichts an, lass mich in Ruhe!" - „Ugh, Idiot!"

Er wollte ihr die Wahrheit sagen.

Aber er konnte nicht.

Und dann stand das Kartenhaus plötzlich in Flammen.


Er kehrte nach Cokeworth zurück mit der Asche ihres Kartenhauses im Gepäck und auf der Zunge den Abdruck eines Wortes, das ihm viel zu leicht über die Lippen gekommen war.

Hoffentlich erstickte Potter an seiner scheiß Arroganz!

Severus jedenfalls hatte Lucius abgesagt, Mulciber ignoriert und sich ein leeres Abteil gesucht, die Tür in direkter Linie zu seiner Zauberstabspitze.

Nicht heute …

Aber wo sollte er an Vollmond bleiben?

In Gedanken ging er die engen, schmutzigen Straßen von Cokeworth entlang. Häuser, Schuppen, Fabriken. Nein. Alt, heruntergekommen, ungeeignet, alles davon.

Du hast deinen Weg gewählt, ich den meinen.

Ich habe nichts hiervon gewählt.


Die Nacht des 11. Juli 1976, eine heiße, schwüle Vollmondnacht, in der ein dünnes, zu lange nicht gewaschenes Kopfkissen seinen ersten Schrei dämpfte und Grillen gegen den Radau aus dem Nachbarhaus anzirpten, während er ein stummes 'Bitte sei stark genug, bitte sei stark genug, bitte sei stark genug!' wie ein Gebet an jeden Gott nur nicht den seines Vaters richtete, lehrte ihn drei Dinge:

Erstens: Der Trank der Lebenden Toten war nicht stark genug, um einen Werwolf zu betäuben.

Zweitens: Seine Mum trug immer noch ihren Zauberstab bei sich.

Drittens: Sie wusste mehr über Schwarze Magie, als er geglaubt hatte.


„Wie konntest du so leichtsinnig sein?" Das regelmäßige fump, fump, fump ihrer Hände, die sich in den festen Brotteig gruben, ließ die dreckigen Gläser neben der Spüle klirren, eines davon mit Bierschaumrand. „Du hättest uns alle umbringen können! Wann ist das passiert? Bist du deswegen seit Jahren nicht mehr hier gewesen?"

„Nein."

Das Klirren verstummte.

„Ist das alles, was du dazu zu sagen hast? Was ist dein Plan? Du kannst so nicht hierbleiben! Du wirst uns alle umbringen!"

Was?! „Wo soll ich denn dann bleiben?"

„Woanders! Nicht hier! Ich will nichts damit zu tun haben! Denk dir etwas aus!"

Ohne einen Blick zurück, wie Lily vor zwei Wochen (als wäre er hoffnungslos, widerlich und absolut unerträglich), verließ sie den Teig und ihn, das Knallen der Hintertür wie ein Richterhammer, Strafe lebenslänglich.

Hatte … Hatte seine Mum ihn gerade rausgeschmissen?

Nein. Nein, das würde sie nicht … Sie würde es sich anders überlegen.

Musste! Er konnte doch sonst nirgendwo hin! Ohne Magie!

(Ohne Lily.)

Sie musste sich nur beruhigen. Sie … sie würde ihn nicht im Stich lassen.

Nicht wahr, Mum?

Mummy?

Er würde sie eine Weile lang in Ruhe lassen und nicht existieren und dann …

Dann würde sie ihre Meinung ganz bestimmt ändern.


Aber seine Mum änderte gar nichts.

Zwei Wochen später stand sein Hogwarts-Koffer an der Haustür mit Umhang und allem.

„Aber Mum!"

„Nein! Keine Diskussionen! Du gehst!"

„Aber wo soll ich denn hin? Warum kannst du mich nicht noch einmal betäuben? In Hogwarts komme ich klar. Und bald kann ich selbst zaubern, dann siehst du mich nie wieder. Bitte, Mum!"

„Nein! Dein Vater hätte dich umgebracht, wenn ich ihm nicht seine Erinnerungen genommen hätte! Bei Gott, ich hätte dich umbringen sollen! Stattdessen habe ich deinen Koffer gepackt und mit einem Federleicht-Zauber belegt. Wie viel soll ich noch für ein Monster wie dich tun?"

Ein … Ein Monster wie mich? Das Wort sackte scharfkantig wie der Obsidian-farbene Blick seiner Mutter in seine Brust, bleischwer und schamheiß. Monster.

Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie ihn umgebracht hätte.

„Geh! Du hast hier keinen Platz mehr!"

Bevor er wusste, wie ihm geschah, stand er auf der alten Kopfsteinpflasterstraße und die Tür knallte ins Schloss als wäre er ein Bittsteller, nicht der einzige Sohn des Hauses.

Er sah sich um. Ein kleiner Junge starrte ihn, seinen Koffer und den seltsamen Umhang an. „Was glotzt du?" Er lief davon. „Lass dich hier bloß nie wieder blicken!"

„Scheiße!"


Peak-District-Nationalpark – seine einzige Chance, kein Mörder zu werden.

Die Straßen waren endlos, sein Koffer mit jeder Stunde ein paar Gramm schwerer, der Sommer ein Arschloch. Aber wahrscheinlich hatte man erst dann wirklich gelebt, wenn man mal hinter irgendeinen Busch gekackt hatte oder so …

Verdammte Scheiße! Welchen Sinn hatte es überhaupt, ein Magier zu sein?!

Es dauerte fast zwei Tage, bis er sein Ziel erreichte. Er schlich sich ungesehen hinein, suchte als erstes einen Ort, an dem er seinen Koffer verstecken konnte. Durch das Unterholz kroch er, hielt sich von Menschen fern, zerrte das blöde Ding hinter sich her. Da, ein hohler Baumstumpf. Der musste es tun. Keuchend stand er schließlich davor, den Geruch von Moos, Regen, altem Schweiß in der Nase und …

… realisierte, dass er obdachlos war.

Mitten im schwülen Nieselregen, umgeben von Bäumen, Sträuchern und fremden Geräuschen, schlug ihm die Realität brutal in die Fresse. Das hier, das war der Ort, an dem er die nächsten Wochen verbringen würde. Kein Bett, kein Dach, kein Klo; nicht mal eines auf dem Hinterhof.

Es war wirklich nicht so, als ob er angefangen hätte zu weinen. Aber es war auch nicht nicht so und …

Vögel stoben in die Luft, als er schrie.


Mit viereinhalb hatte er eine Karotte aus der Tasche einer Frau genommen.

Mit fünf einen Apfel vom Obststand.

Mit sechs wusste er, wie man jemandem Geld aus der Tasche leierte.

Mit achteinhalb wie man eine Brieftasche stahl, ohne erwischt zu werden.

Jetzt, mit sechzehn, waren es ganze Rucksäcke von Wanderern und das war schon beinahe zu einfach. Passte denn heutzutage niemand mehr auf sein Zeug auf?

Nachts brachte er alles, was er nicht gebrauchen konnte, zurück an Orte, an denen man es finden würde. Er hatte kein Interesse an Kinderklamotten und zerknickten Taschenbüchern. Er brauchte Essen. Und Geld. Auf keinen Fall würde er zu Fuß nach London laufen! Und dann waren da ja auch noch die Schulbücher …

Die Eule mit der Liste fand ihn sogar mitten im Nirgendwo. Er wollte ihr den Hals umdrehen und sie über dem Feuer braten, aber sie knabberte zärtlich an seinem Finger und deswegen ließ er sie wieder frei. Aß stattdessen ein paar alte Sandwiches mit Cornedbeef. An dem Vieh wäre ohnehin nichts dran gewesen. Nur Federn.

Severus war noch nie ein wirklich zivilisierter Mensch gewesen; Lucius hatte mal einige seiner Klamotten verbrannt. Aber hier fühlte er sich zum ersten Mal wild.

Wie ein Wolf.


Und dann war er ein Wolf.

Instinkte, Begierden, Triebe.

Hunger.

Wut.

Freiheit.

Direkt nachdem der Schmerz verging.

Ein Monster, oh ja! Und was für eines!

Bis es beängstigend wurde.

Das tiefe Summen hinter dem Feuerwerk des Vollmondes. Hämmerte in seinen Ohren, machte ihn blind, drängte ihn fort, bis er wahrhaftig kein Mensch mehr war.

Limbus.

Sonne und Vogelgezwitscher zerrten seine Seele zurück.

Fuck!

Sein Kopf, sein Rücken, sein Arm, Nach-Vollmond-Kater-Staccato. Metall auf seiner Zunge, Dreck, Durst und -

Moment mal, Metall?

Durch tränende Augen sah er rot, überall auf ihm. Auf seiner Brust, seinem Bauch – und seinem angeschwollenen Arm. Scheiße, war der etwa gebrochen?

2%. Klar …

Aber wo kam das Blut her? Seines?

Nein. Alles getrocknet, keine offene Wunde.

Nein, nein, nein, nein, nein! Bitte nicht!

Ein Monster wie dich!

Nein! Er war kein Monster!

Oder?

Sein Blick zuckte umher. Hinter ihm ein Steilhang nach oben, vor ihm noch mehr davon abwärts und er selbst nackt mittendrin.

Blutverschmiert.

Was hatte er bloß getan? Wen hatte er …

Er musste zurück. Sowieso, konnte ja nicht hier bleiben auf diesem Vorsprung im Nirgendwo. Nackt. Mit gebrochenem Arm, zerbrochener Unschuld und dem Echo seines ausgebrochenen Monsters wie Nadelspitzen auf seiner Hirnhaut.

Steh auf, Junge! Los!


Ein Wildschwein.

Fliegen hockten auf dem ausgeweideten Kadaver, Sonnenlicht glitzerte auf rotem Blut, Erinnerungen schossen durch seinen Kopf.

Das Schreien des Schweins.

Das Knacken von Knochen.

Der Geschmack von warmem, rohem Fleisch.

Er würgte.

Stolperte weiter, tief im Dickicht. Wusch sich, als er einen kleinen Teich fand, spülte sich den Mund aus, trank aber nichts, obwohl er wollte. Er hatte so einen Durst …

Bis er wieder wusste, wo er war, dämmerte es schon. Seine nackten Füße waren blutig, er zitterte vor Erschöpfung. Und Schmerz. Fünfmal wollte er aufgegeben, dreimal war er weinend auf die Knie gefallen (Steh auf, Junge!).

Aber schließlich zerrte er seinen Koffer aus dem Versteck, zog seine ältesten Klamotten an und vier Paar Socken übereinander. Schiente seinen Arm mit einem Ast und seinem Slytherin-Schal (Aahhh, fuck!) und nahm sich vor, morgen ein Paar Schuhe zu klauen. Zählte wieder das Geld. Vielleicht genug. Vielleicht.

Nachts kam das Wildschwein zurück. Schrie ihn aus dem Schlaf, glänzte rot vor seinen Augen, schmeckte nach Metall und Galle. Severus schleppte sich im Dunkeln ein paar Meter weiter, nachdem er in sein Laub-Bett gekotzt hatte.

Danach hockte er die ganze Nacht wach an einem Baumstamm, hielt seinen pochenden Arm und einfach nur durch.


Und nachdem Severus das noch eine Weile länger getan hatte, betrat er schließlich den Hauptbahnhof von Sheffield. Der Koffer ratterte über die Bodenfugen, die Turnschuhe mit Klettverschluss waren eine Nummer zu klein und der Beamte hinter dem Schalter sah ihn finster an, während er ihm widerwillig eine Fahrkarte nach London ausstellte.

Widerwillig nicht, weil Severus aussah wie ein Kind, das nicht allein reisen durfte, sondern weil Severus aussah wie ein Landstreicher und die Geldscheine daher nicht echt sein konnten. Der Scheißkerl hielt sie sogar gegen das Licht! Beäugte die Scheine, Severus, wieder die Scheine. Fand nichts und brummte trotzdem missbilligend.

Ob er es wohl merken würde, wenn Severus gegen den Schalter trat?

Er steckte die Karte ein, wandte sich ab und ratterte in Richtung der Herrentoiletten davon. Vor einem halb blinden Spiegel versuchte er sich herzurichten und wusch sich mit einer Hand das fahle Gesicht. Anschließend kaufte er sich eine Portion Fish'n'Chips, die er im Imbiss aß, und sank auf eine Bank am Gleis.

Wie in Trance starrte er das Datum auf seiner Fahrkarte an. 19. August. Noch zwölf Tage. Was sollte er so lange in London machen? Betteln? Noch mehr klauen? Auf ein verdammtes Wunder hoffen?

Ha! Als ob …


Zwei Minuten in Muggel-London und seine Entscheidung stand fest: Hier würde er keine zwölf Tage bleiben! Lieber würde er sich den nichtsnutzigen Arm abhacken.

Um das monströseste Monster aller Monster noch monströser zu machen …

Ist ein Hang zum Drama bei euch Slytherins eigentlich verpflichtendes Aufnahmekriterium, Sev?

Nicht mehr als bei euch, Lils.

Idiot!

Selber!

Warum hast du mich nicht einfach umgebracht, Mum?

„Kann ich bei Ihnen anschreiben lassen?"

„Bist du allein?"

„Ja. Ich muss irgendwo schlafen, bis ich nach Hogwarts zurückgehe. Ich werde das Geld mit Zinsen zurückzahlen."

„Slytherin, hm?"

„Ja, Sir."

„Meinetwegen. Das Zimmer kostet zwei Galleonen die Nacht, eine Mahlzeit zwei Sickel. Du kannst mithelfen und es abarbeiten." Tom warf Severus ein dreckiges Geschirrtuch zu.

„Mh!" Falscher Arm, falscher Arm! Fuck!

„Was ist damit?"

„Hab mich verletzt."

„Zeig her!" Widerwillig streckte er dem Wirt seinen linken Arm entgegen. Der schnappte sich seinen Zauberstab, tippte dagegen und murmelte: „Episkey!"

Sein 2%-Glück, anderthalb Wochen Schmerzen und ein halbes Dutzend Beinahe-Ohnmachten lösten sich mitsamt dem ekelhaften Bluterguss in Luft auf, einfach so.

Noch fünf Monate …

„Danke!"

„Hm. Und jetzt bring deinen Koffer hoch und hilf mit!" Sein Kopf zuckte zur Treppe als wolle er eine Fliege verscheuchen. „Hinten links, Zimmer 5."


Am 1. September verabschiedete Severus sich von Tom.

„Kannst jederzeit wiederkommen."

„Ich denke nicht." Nicht mal für tausend Galleonen! Er hatte für sein Leben genug dreckiges Geschirr gesehen; den nächsten versifften Teller würde er gegen die Wand werfen.

Am Gleis 9¾, als er sich seinen Mitschülern anschloss, trug er das Kinn dennoch hoch. Er hatte es geschafft. Er hatte keinen Menschen getötet oder verwandelt. Und niemand außer seiner Mutter wusste, was er war.

Nicht mal Lily.

Er sah sie bei der Willkommensfeier, sie ihn nicht mal an.

Wer war sie, ihm das immer noch vorzuwerfen?! Freunde, pah!

Er hatte bessere …

Er hatte Freunde!

Sei's drum!

Er hatte ohnehin keine Zeit für sie. Er brauchte einen Ort, an dem er den nächsten Sommer verbringen konnte. Allein. Abgelegen musste er sein. Und er brauchte starke Banne, damit er sich dort sicher verwandeln konnte. Vielleicht schwarzmagisch.

Er war jetzt auf sich allein gestellt. Musste für sich sorgen, Verantwortung übernehmen, Sirius Black nicht umbringen und aufhören, Lupin am Abend vor dem Vollmond anzustarren. Wie die sich anschauten … Zum Kotzen!

Nun, Lupin musste in eine räudige Hütte gehen, er selbst hatte den Raum der Wünsche. Das Schicksal hatte vielleicht doch manchmal ein Einsehen mit Verlierern.


„Wie war Ihr Sommer, Mr Snape?"

„Geht Sie nichts an."

„Ausdruck!"

Ugh! Der Blutige Baron war schlimmer als Lucius. „Das – geht – Sie – nichts – an. Besser?"

„Nein. Jemanden verwandelt oder … umgebracht?"

„Muss ich mich vor Ihnen rechtfertigen, oder was?"

„Wenn Sie wollen, dass ich Ihnen weiterhin helfe …"

„Ich brauche Ihre Hilfe nicht." Nicht hier in Hogwarts. Draußen im Nationalpark, da hätte er Hilfe gebraucht. Für den nächsten Sommer brauchte er Hilfe. Aber hier? Nein.

„Glauben Sie wirklich, Sie seien in der richtigen Position, um Hilfe auszuschlagen, die sich Ihnen anbietet, Mr Snape?"

„Wenn diese Hilfe zu neugierig wird …"

„… Wie Sie wünschen."


Bis zu den Weihnachtsferien fand Severus die richtigen Banne und übte im Raum der Wünsche, bis er sie beherrschte.

„Wo gehst du eigentlich andauernd hin?"

„Das geht dich nicht das Geringste an, Mulciber."

„Charmant! Denkst du noch an Lucius' Einladung? Er wartet immer noch auf deine Antwort."

Fuck! „Natürlich denke ich noch daran."

Nicht.

Und Lucius achtete dann sorgfältig darauf, ihn die späte Antwort bereuen zu lassen. Wie vielen gesellschaftlichen Ereignissen konnte man in einer Woche eigentlich beiwohnen, ohne den Verstand zu verlieren?

Antwort: Zu vielen.

„Reiß dich morgen zusammen! Meine Eltern haben Lord Voldemort zum Silvesterdinner eingeladen. Du wirst keine zweite Chance bekommen, um ihm in Erinnerung zu bleiben. Verstanden?"

„Ja!" Als ob er das vergessen könnte! Der Kerl folgte ihm bis in seine scheiß Träume! Lord Voldemort … Lucius schwärmte von ihm wie Lily von den Stones. Er hatte diesem Mann so viele Eigenschaften angedichtet, dass Severus befürchtete, der würde ihn nur einmal ansehen und alles wissen.

Aber nein. Oder wenn doch, dann sagte er nichts. Lord Voldemort war charmant und interessiert und Severus sein bestes Selbst.

Vielleicht wäre er noch mehr er selbst gewesen, wenn er gewusst hätte, dass sein Vater sich zur gleichen Zeit zu Tode soff.


Beinahe hätte er vor Slughorn zu lachen begonnen.

Wie der ihn angesehen hatte … Wahrscheinlich hatte er einen guten Vater gehabt. Tobias hingegen … Er hatte es nicht besser verdient, brutaler Scheißkerl.

Wetten, Mum weint ihm trotzdem hinterher?

Aber es war ein Glück, dass Slughorn nichts von Severus' Meinung wusste, denn mit einem Quäntchen weniger Nachsicht hätten sie ihn wohl rausgeschmissen, nachdem er behauptet hatte, er würde in den Ferien nach Hause fahren – und das nicht getan hatte.

Konnte ja keiner ahnen, dass sein Vater …

Warum hatte Mum ihn überhaupt informiert? Sie hatte ihn doch auf die Straße gesetzt. Jetzt musste er auch noch zur Beerdigung …

An seinem 17. Geburtstag! Ein Tiefpunkt in Sachen miese Geburtstage. Mit fünf Fremden einer nichtssagenden Rede auf das Leben eines Mannes lauschen, der ihm mehr als egal gewesen war, seitdem er wusste, was Alkohol war.

Und dann bekam er ein unerwartetes Geschenk.

„Ich werde fortgehen. Es gibt hier keine Jobs mehr, alle ziehen weg. Also hol deine restlichen Sachen und verschwinde."

Einen Scheiß werde ich!

Seine Mum wartete nicht mal, bis er das Haus verlassen hatte. Deswegen übersah sie auch sein zufriedenes Lächeln. Das hier, Cokeworth, all die leeren Häuser, die tote Industrie, das war perfekt.


„Das Wichtigste beim Apparieren ist die Goldene Dreierregel: Ziel, Wille, Bedacht!"

Avery lehnte sich zu ihm. „Mein Ziel sind Lisas Hupen, die will ich wirklich mal anfassen, aber mit Bedacht komm ich da nicht hin!"

„Warum wohl?"

„Mr Avery, Mr Snape! Passen Sie auf, sonst wird es gleich schmerzhaft für Sie!"

„Ja, Professor McGonagall!"

Sein Ziel war Cokeworth, so bald wie möglich.

Aber in der ersten Stunde brachte die Dreierregel ihn nirgendwohin.

In der zweiten brachte sie das meiste von ihm einen halben Meter nach links – sein rechtes Bein leider nicht.

Alle schrien, er auch. Es tat höllisch weh, Blut spritzte, wirklich unschön … Die Hufflepuff-Schülerin hinter ihm wollte sich gar nicht mehr beruhigen und alle starrten ihn an. „Was?" Idioten!

Beim nächsten Mal blieb nur noch eine Augenbraue zurück und Severus stellte fest, dass ihm das Bein lieber gewesen war. Die Augenbraue sollte von allein nachwachsen!

„Sie hochzuziehen bringt nichts, wenn sie weg ist."

„Halt's Maul, Mulciber!"

Am nächsten Morgen war sie wieder da.

Und Anfang Februar hatte er den Dreh endlich raus und apparierte mehrmals quer durch die Große Halle.

„Streber!"

Auch das kam von Mulciber, aber er suchte Lily. Sie stand bei den Türen, hatte es gehört.

Selber.


Er weigerte sich, Black auch nur das kleinste bisschen Dankbarkeit entgegenzubringen. Nicht mal insgeheim! Nicht mal, wenn er keinen einfacheren Weg hätte finden können, um unbemerkt das Schulgelände zu verlassen, als den Tunnel.

Der enger geworden war, seitdem er das letzte Mal hier gewesen war.

Und feuchter.

Ugh! Widerlich …

Zwei Minuten und Zauber später sah er durch die alten Fenster zum Schloss zurück.

Alles ruhig.

Weiter!

Das andere Ende von Hogsmeade, Aberdeen, Glasgow, Cokeworth – in vier Etappen nach Spinner's End.

Der Knall seiner Ankunft hallte von den eng stehenden Häusern wider wie ein Schuss, der die Stille erlegte. Sie blutete auf das Kopfsteinpflaster und wie die meisten Täter, brach auch er sich auf der Flucht vor seinen Sünden beinahe das Genick.

Oder es waren der Regen und seine billigen Schuhe.

Drei Straßen weiter jedenfalls war die Luft zwar nicht rein (das war sie hier nirgendwo), aber er war allein.

Ohne Streit, ohne Möbel, ohne Alkohol war das Haus riesig.

Und still.

Endlich.

Muggelabwehrzauber, Schallschutzzauber, Ignorierzauber. Sein ehemaliges Kinderzimmer wurde eine Festung, stark genug, um zehn Werwölfe zu halten. Am Ende vibrierte sein Zauberstab in seiner Hand. Er lächelte darauf hinab. Das, genau das. So würde es von jetzt an sein.


„Pst!"

„Was?"

„Hast du mitbekommen, dass Potter deine Kleine aufgerissen hat?"

Sein Rücken bog sich wie von allein durch, seine Augen ein Magnet, der sein Gegenstück suchte, sein Zauberstab im Ärmel ein reizbarer Halbstarker, der sich prügeln wollte. Was – zum – Teufel? Wurde Lily etwa rot? Wegen etwas, das James fucking Potter ihr ins Ohr flüsterte?!

Mulciber schnalzte mit der Zunge. „Hab dir immer gesagt, sie ist es nicht wert …"

„Halt's Maul!"

Zu laut.

„Mr Snape!" Richards' widerlicher Altmännergeruch war viel zu nahe. „Teilen Sie Ihre Weisheiten doch mit der gesamten Klasse, wenn Sie schon den Unterricht stören."

„Nein, danke." Mulciber grinste, Avery kicherte, sein Zauberstab vibrierte so sehr, dass man es am Holz des Tisches hören konnte. Er zog den Arm zurück.

Richards lächelte hämisch. „Das dachte ich mir. Nachsitzen! Heute Abend!"

Richards wandte sich um zur Tafel und er zu Lily. Sie sah ihn an und hob das schmale Kinn gerade weit genug, um es zu einer Botschaft zu machen.

Mulciber stieß ihn in die Rippen, nickte nach vorn. Richards beobachtete ihn. „Wollen Sie zwei Abende daraus machen, Mr Snape?"

„Nein." Würde er aber. Und mehr. Heute Nacht war Vollmond, er hatte eine Verabredung mit dem Raum der Wünsche.


Letztendlich saß Severus null Abende nach. Der Kerl redete sich so in Rage, als er Severus das nächste Mal sah, nannte ihn dreist und anmaßend, eine Verschwendung von Wissen, und prophezeite ihm, dass er in dieselbe Gosse zurückkehren würde, aus der er herausgekrochen war, dass er einen Herzinfarkt bekam.

„Klar, keiner von uns konnte ihn leiden, aber musstest du ihn deswegen gleich umbringen, Snape?" Mulciber ließ sich aufs Bett fallen.

„Ich hab ihn nicht umgebracht, er ist im St.-Mungos."

„Sag einfach danke!", rief Avery und warf ein Kissen in Mulcibers Richtung.

„Danke, oh mächtiger Severus!" Zur Antwort bekam er noch mehr Kissen ab. „Hey!" Er warf zwei zurück. „Als ob ihr es euch trauen würdet, euch die ganze Nacht rumzutreiben, anstatt zum Richards zur Strafarbeit zu gehen! Und dann auch noch ungeschoren davonkommen!" In seinen Augen blitzte etwas. Etwas Gutes. Etwas, das in Severus' Magen vibrierte. „Du hast Nerven …"

Bleib cool! „War doch nur eine Frage der Zeit, bis der umkippt." Er war schließlich nicht der erste Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste, den sie hatten kommen und gehen sehen. Niemand war überrascht, nicht mal Dumbledore.

Dass er das an jedem anderen Abend nicht getan hätte, musste niemand wissen.


Was alle wussten, war, dass es nicht seine Schuld war.

Wirklich alle.

Außer Lily.

Ihr Blick brannte in seinem Nacken, war Essig auf dem Backpulver seines Nach-Vollmond-Katers. Er schoss hoch, sobald Slughorn den Unterricht beendete.

Trotzdem hoffte ein Teil von ihm, dass es ihre waren, die schnellen Schritte hinter ihm.

Aber Lily hätte ihn niemals in den Alkoven gezerrt.

Oder ihn geküsst.

„Was zum -"

„Shh!"

„Mulciber?!"

Sein heißer Atem streifte Severus' Gesicht. „Einwände?" Das freche Flüstern ertrank beinahe in den Schritten der anderen.

War das Lilys Stimme?

„Soll ich sie zu uns einladen?"

„Nein!"

„Gut." Mulciber presste sich gegen ihn, küsste seinen Hals, die Hände dort, wo niemals zuvor eine fremde Hand gewesen war. „Ich wollte das hier nämlich schon seit einer halben Ewigkeit tun, allein."

„W-was?"

„Dir das kleine Schlammblut aus dem Kopf vögeln." Er raffte Severus' Umhang hoch, kalte Kerkerluft floss um seine Beine und -

Heilige Scheiße!

Mulciber lachte dunkel. „Entspann dich! Hier ist in der nächsten Stunde kein Unterricht und Binns wird gar nicht merken, dass wir fehlen."

Entspannen … klar. „I-Ich wusste nicht, dass du -"

Mulciber lehnte sich zurück. „Was?"

„Auf Kerle stehst."

„Tu ich nicht. Du?"

Fuck! „Nein!"

„Gut", sagte er wieder und danach nichts mehr.


Er wusste nicht, was er mit seinen Händen tun sollte.

Oder mit seiner Zunge.

Mulciber hatte beides davon meisterhaft im Griff, wirklich meisterhaft!

Oh, fuck! Reiß dich zusammen!

Er selbst? Amateur. Der fremde Umhang entglitt ihm, jeder einzelne Faden, die Contenance …

„Mmhh …"

Wo war er? Ach ja, seine Hände. Und seine Zunge. Mulciber war genauso hart wie er selbst, er wollte ihn anfassen, wollte mehr Stöhnen und mehr Ungeduld, wollte, dass Mulciber in seine Hand pumpte wie er selbst in seine und -

„Fuck!" Zu früh! „Ahh …" Idiot!

„Gut?"

„Mhh-mh."

„Gut …"

Schließlich führte Mulciber seine Hand und der Kreis schloss sich.


„Das war unterhaltsam. Lust, das mal zu wiederholen? Ratzeputz!"

Ähm … „Sicher." Ratzeputz!

„Gut." Er sagte es auf dieselbe Art wie jedes andere 'Gut' in der letzten Viertelstunde und falls Mulcibers Ständer in seiner Hand noch nicht gereicht hatte, um ihn wieder hart werden zu lassen, dann tat es dieses verdammte 'Gut'!

Mulcibers Grinsen nach zu urteilen, wusste er es.

„Dann bis später!" Ein rauer Kuss und dann war er verschwunden.

„Was zum Teufel …"

Was war da eben passiert? Und hatte er wirklich eingewilligt, es nochmal passieren zu lassen?

Möglicherweise …

Und ähm … wäre das schlimm?

Sein Schwanz fand nein. Ausnahmsweise war er geneigt, ihm zu vertrauen.

Besser nicht drüber nachdenken.

Was leicht war, denn ihm wurde etwas anderes mehr und mehr bewusst: Der Nach-Vollmond-Kater war verschwunden.

Zweieinhalb Tage Kopfschmerzen, Fieber und Gelenke, die sich anfühlten, als wären sie kürzlich aus- und falsch wieder eingerenkt worden – weg.

Das war es, was es brauchte? Ein Handjob von Mulciber in einer zugigen, dunklen Kerkerecke?

Nicht zu fassen!

Nach all den Tränken, die er bisher ausprobiert und für unzulänglich befunden hatte, fühlte sich das zu leicht an. Er brauchte mehr Experimente, mehr Daten.

Zum ersten Mal konnte der nächste Vollmond gar nicht schnell genug kommen.


Aber erst mal kamen die Sommerferien und trotz allem hatte Richards mit einem recht: Severus kehrte in dieselbe Gosse zurück, aus der er herausgekrochen war – wenn auch nur für den Vollmond.

Cokeworth war dreckiger, als er es in Erinnerung gehabt hatte, und in der Sommerhitze stank es wie Drachendung. Widerlich … Wenn Lucius das sehen würde … Oder Lord Voldemort!

Wie hatte seine Mutter das jemals gegen die magische Welt eintauschen können? Noch dazu für ein Schwein wie Tobias Snape! Und er konnte es ausbaden. Dreckiges Halbblut …

Wenigstens halb.

Und diese Hälfte war nützlich, als er die leeren Häuser nach zurückgelassenen Möbeln durchsuchte. Ein durchgesessenes Sofa, ein schäbiger Sessel, ein kaputtes Bett. Es reichte. Niemand würde es sehen und nach Wochen im Wald im letzten Sommer hätte er diesen auch auf dem Boden verbracht. Es gab ein Dach, es gab ein Klo, er musste niemanden mehr bestehlen.

Und ein Wildschwein würde er hier nicht töten.

Bis zum Mondaufgang richtete er sich ein, packte eine Tasche, die er morgen mit ins Manor nehmen würde, ließ den Rest im Koffer. Noch ein Jahr, dann konnte er weg aus Hogwarts. Endlich! Ihm stand Großes bevor. Daneben würde alles andere unwichtig werden, nur ein banales Ärgernis.


In der folgenden Nacht kamen diese Gedanken zurück und prügelten ihn windelweich.

Das banale Ärgernis warf sich gegen die magisch verstärkten Wände seines alten Kinderzimmers, biss sich selbst und alles, was ihm vor die Schnauze kam, bis der Vollmond irgendwann im Morgengrauen verblasste.

Fuck …

Er brauchte eine Stunde, seinen Zauberstab und zwei Flaschen Murtlap-Essenz, nur um ins Bad gehen zu können. Und nachdem er all das Blut weggewaschen hatte, war er immer noch übersät von Prellungen. Vollmond in geschlossenen Räumen barg in der Tat ein höllisch hohes Risiko für Verletzungen.

Vielleicht war Hogwarts doch kein so schlechter Ort für ihn …


„Schneller beleidigte Menschen als ich könnten auf die Idee kommen, dass dir das Manor nicht gefällt", stellte Lucius am Abend des nächsten Vollmonds fest.

Mist! „Du bist schnell beleidigt", entgegnete er, die Hand am Türknauf, und drehte sich langsam um.

„Stimmt. Warum also beleidigst du mich – schon wieder?"

„Muss was erledigen."

„Ausdruck! Und wenn du jetzt die Augen verdrehst, wirst du die Regeln des Anstands zum Frühstück essen."

Snob! „Ich habe etwas zu erledigen."

„Besser. Und das wäre?"

„Es ist unhöflich, einen Gentleman nach seinen Geschäften zu fragen."

Lucius' Mundwinkel zuckten. „Ich sehe, der Schachunterricht zahlt sich aus."

„Ich lerne schnell."

„Bedauerlich, dass du hier kein Gentleman bist, sondern mein Protegé. Wo – willst – du – hin?"

„Sei nachsichtig mit ihm, Lucius, er braucht das." Mulciber kam mit einem Glas Wein zu ihnen. „Er ist auch in Hogwarts ständig nachts unterwegs." Er zwinkerte Severus zu.

Oh scheiße!

„Ich bin mit niemandem nachsichtig."

„Dann sollte ich Severus vielleicht zu meinem Protegé machen."

„Du bist gerade mal seit fünf Minuten volljährig! Du bist selbst noch ein Protegé!"

„Wollen wir sehen, auf wen er hört?"

Fuck! Nein!

Mulciber wandte sich Severus zu. „Na los, geh schon!"

Lucius kochte!

Aber wirklich, was sollte er anderes tun?


Am nächsten Morgen verspottete ihn die Tür des Manors.

Und auch in den Tagen danach gab sie unter seinen Fingerknöcheln nicht nach.

Fick dich, Lucius!

Schließlich blieb er einfach in Spinner's End.

Im Laufe des Schuljahres hatte er sich Geld mit selbstgebrauten Tränken und dem Schreiben von Essays für seine Mitschüler verdient. Das reichte, um nicht hungern zu müssen und ein paar Bücher zu kaufen.

Erst drei Wochen nach diesem Eklat kam ein offizielles Schreiben. Abraxas und Astrée Malfoy laden ein …

Also hatte Lord Voldemort verlangt, ihn zu sehen.

So schnell wendet sich das Blatt …

Er investierte sein letztes Geld in einen neuen Umhang und ignorierte Lucius den gesamten Abend über, hörte Lord Voldemort aufmerksam zu und benahm sich so perfekt, als hätte er wirklich die scheiß Anstandsregeln zum Frühstück gegessen. Der Lord war offenkundig angetan von ihm.

„Meine Eltern laden dich ein, für den Rest der Ferien unser Gast zu sein", war es am Ende Lucius, der genauso offenkundig widerwillig auf ihn zukam.

Das wette ich. Wer ist jetzt wessen Protegé? „Danke, aber ich habe noch etwas zu erledigen." Er nickte Lucius zum Abschied zu, bedankte sich für die Einladung und den Abend und verließ das Manor.

Nimm das!


Nur wie viel Wert hatte so ein Triumph, wenn man danach wieder zur Schule musste?

Und wenn man sich immer noch fühlte wie ausgekotzt, selbst vier Tage nach dem letzten Vollmond, und niemanden zum Vögeln hatte, geschweige denn Geld für Tränke?

Er brauchte etwas Besseres als Stärkungs- und Schmerztränke. Etwas Verfügbareres als Sex. Das hier, das war unwürdig.

Was war es bloß, das Sex mit Partner so wirkungsvoll machte, Eigenleistung aber nicht?

„Hast du etwa nen Kater, Snape?" Avery knallte die Abteiltür hinter sich zu, zweifellos absichtlich.

Arsch! „Geht dich nichts an." Merlin, er hasste diese Welt. Er hasste den Zug, er hasste Averys Blick und das Kratzen seiner Feder auf dem Papier.

Und je mehr seiner Klassenkameraden das Abteil fanden, desto mehr vermisste er Spinner's End. In dem Drecksloch war es wenigstens ruhig gewesen.

„Snape!"

„Was?!"

Mulciber hob die Hände. „Kein Grund, mich so anzuschnauzen!"

Du bist Grund genug, dich anzuschnauzen. Was willst du von mir?"

Er zeigte ihm den Mittelfinger. „Hast du was von Lucius gehört?", fragte er dann trotzdem.

„Nein. Aber von seinen Eltern."

„Nicht dein Ernst!", kam es unisono von allen Vieren.

Severus feixte und kam danach nicht mehr dazu, weiter an seinem Trank zu basteln.


Mulciber passte ihn auf dem Weg in die Bibliothek ab. Severus' Rücken kollidierte hart mit der Innenseite einer Tür und Mulcibers Lippen mit seinen. „Du hattest wirklich keinen Grund, mich so anzuschnauzen."

„Doch, hatte ich. Einige sogar!" Zum Beispiel diesen: Nie bist du da, wenn man dich braucht!

„Mhh, stimmt. Tut mir leid, dass ich dir Stress mit Lucius gemacht hab."

„Tut es nicht."

„Nein, tut es nicht. Er hat's verdient, der arrogante Gockel."

„Hm. Mach's wenigstens wieder gut."

Wenn Lucius ein arroganter Gockel war, dann war Mulciber die selbstgefällige Henne. „Dir gefällt das, was?"

„Das hier? Ist ganz nett. Dass Lucius beinahe davon erfahren hat? Scheiße, nein!"

„Ganz nett … Du bist hart wie'n Besenstiel!"

„Du auch."

„Ich hab auch nie geleugnet, dass es mir gefällt."

Ach? „Warum hattest du dann keine Zeit in den letzten Wochen?"

„Aww, hast du mich vermisst?"

Idiot! „Höchstens deinen Mund auf meinem Schwanz."

„Hättest ja Lucius bitten können."

„Kaum. Aber ich hätte Lord Voldemort bitten können, es ihm zu befehlen."

„Heiß! Also bist du drin?"

„So gut wie."

„Dann war's ja gut, dass ich Stress gemacht hab."

Ugh! „Hatten wir nicht von Wiedergutmachung gesprochen?"

Mulciber lachte dreckig, dann ging er brav auf die Knie.


Schritte, ein Knall und wo eben eine Tür gewesen war, war nur noch eine Wand.

„Scheiße!" Potter stieß Severus gegen eben jene, bevor er und seine Groupies wie aus dem Nichts erschienen; nur Lupin fehlte. „Was ist das hier? Was war das für eine Tür?"

„Welche Tür?"

„Stell dich nicht dumm!" Black stieß ihm seinen Zauberstab zwischen die Rippen. „Wir haben dich beobachtet, Schniefelus! Sag schon, gibt es ein Passwort? Oder einen Trick?"

„Hast du es schon mit einem Stock probiert?" Während Black herauszufinden versuche, was Severus meinte, ließ der seinen Zauberstab in die Hand gleiten. Er musste sie loswerden, sofort!

„Um ihn dir in den Arsch zu schieben oder was?"

„Ich weiß nicht, ist das bei euch üblich?" Er sah Potter in die Augen. „Weiß Lily davon?"

Pettigrew keuchte, Potter stieß ihn zurück gegen die Wand. „Halt deine dreckige Fresse!"

„Sonst was?"

„Sonst lassen wir dich nächstes Mal nicht wieder runter, wenn wir deinen kleinen Schwanz der ganzen Schule zeigen."

Pettigrew gackerte – Severus' Blick ließ ihn verstummen. „Wenn ihr so weit kommt …" Er ließ seinen Zauberstab zucken und Potter sank bewusstlos zu Boden. Bis Black das realisiert hatte, war er selbst ausgeknockt und Pettigrew rannte – natürlich! – quietschend davon. „Amateure …"


„Sie müssen mir helfen," raunte er zwei Tage später dem Blutigen Baron zu, nachdem er ihm tief in die Kerker gefolgt war.

„Ach? Muss ich das?"

Ugh! „Es tut mir leid, okay? Black und Potter haben mich beim Raum der Wünsche abgepasst und wollen jetzt wissen, was da ist."

„Dann sagen Sie es ihnen."

„Nein!" Der Raum gehörte ihm! Und wenn schon nicht ihm, dann ganz bestimmt nicht diesen Arschlöchern! „Ich werde sie mir schon vom Leib halten."

„Wozu brauchen Sie dann plötzlich wieder meine Hilfe?"

„Lenken Sie sie in den Vollmondnächten ab. Ich kann es mir nicht leisten, dass sie mich da kriegen."

„Ach, wirklich?" Der Baron schwebte tiefer in den Gang, Severus folgte ihm. „Sie werden es herausfinden."

„Nein, werden sie nicht."

„Doch, werden sie."

„Ich krieg das schon hin!" Hab ich immer. „Lenken Sie sie einfach nur in den Vollmondnächten ab! Es sind nur noch ein paar Monate!"

„Sechs."

„Machen Sie es?"

„Ich weiß nicht. Haben Sie jemals jemanden verwandelt oder getötet?"

Was zum … „Ihr Ernst?"

„Nun?"

„Nein!"

Er musterte ihn wie ein Richter einen Angeklagten. „Von mir aus. Aber es wird nicht funktionieren." Bevor Severus antworten konnte, war er durch eine Wand verschwunden.

„Wetten, dass doch?"


Sie fanden es nicht heraus.

Auch wenn sie sich wirklich Mühe gaben. Ob Lily wusste, was ihr Angebeteter tat, wenn sie nicht hinsah? Besser sie wusste es, dann konnte er sie leichter hassen.

Der Tag, an dem er das ganze Pack zum letzten Mal sehen musste, war jedenfalls ein guter und das einzige, was er an Hogwarts vermissen würde, war der Raum der Wünsche. Von nun an würde es keine Vollmonde im Wald mehr geben.

Dafür gab es ein Leben für ihn. Eine Ausbildung in Italien, echte Freunde, Sex mit Mulciber in einem Bett, das er sich von seinem ersten Lehrlingsgehalt selbst gekauft hatte, die Wertschätzung Lord Voldemorts, eine Perspektive für die Zukunft.

Zum ersten Mal, seitdem er gebissen worden war, machte es ihm nichts aus, ein Werwolf zu sein.

Der Trank, der ihm am Morgen danach helfen sollte, wurde immer besser und wenn er die beiden Nächte vorher nicht schlief, war der Wolf ruhiger. Er kam zurecht.

Es gab Raum für Ehrgeiz.

Und eine Heiratsannonce: James Potter heiratet Lily Evans.

Es gab interessante Tränke.

Und eine Prophezeiung.

Es gab das Dunkle Mal.

Und den linken Haken des Schicksals.

Alles schmerzte noch, als er bei Albus Dumbledore zu Kreuze kroch.


„Nicht zu fassen, dass du nach Hogwarts zurückgehst – als Lehrer!"

„Der Dunkle Lord will es so."

„Warum überhaupt? Du hast ihm von der Prophezeiung erzählt, warum stellt er dich aufs Abstellgleis?"

„Wahrscheinlich weil ich der einzige von uns Deppen bin, der clever genug ist, um irgendjemanden zu unterrichten."

„Charmant!"

„Nur die Wahrheit."

„Wahr ist aber auch, dass es riskant ist." Mulciber fuhr das Dunkle Mal auf Severus' Arm mit seinem Zeigefinger nach. „Wenn Dumbledore das sieht, bist du geliefert."

„Dann lass ich es ihn nicht sehen. Ist schließlich nicht so, als ob ich mich vor jedem ausziehen würde."

„Kann ich nicht beurteilen, vor mir ziehst du dich immer aus."

„Idiot. Wie wäre es, wenn du deinen Mund für was anderes benutzt?"

„Ich kann nicht." Er stand auf, nackt und ungeniert. „Meine Eltern erwarten mich. Ich werde heute meiner Zukünftigen vorgestellt."

Wie bitte, was?! Heute?"

„Ja."

„Und wann wolltest du mir das sagen?"

„Ich sag es dir jetzt", lachte Mulciber und stieg in seine Unterhose. „Da du ab morgen wieder in Hogwarts bist, können wir uns doch ohnehin nicht mehr treffen."

„Wir könnten schon."

„Nein, könnten wir nicht." Er zwinkerte ihm zu, als wäre das alles ein Scherz. „Wir sehen uns!"


Wie die anderen Lehrer ihn angesehen hatten … Hatte Dumbledore ihnen denn nichts gesagt?

Das glatte Holz der Tür in seinem Rücken rutschte widerstandslos über seinen viel zu großen Lehrerumhang, sein Hintern stieß hart auf den blanken Boden.

Und er schrie ohne jede Würde, als Kälte durch ihn fuhr. „Was zum Teufel?!", schnauzte er den Blutigen Baron an.

„Schon wieder hier?"

Severus rappelte sich auf. „Offensichtlich."

Der Geist kräuselte die Oberlippe. „Weiß Dumbledore es inzwischen?"

„Nein. Und er wird es auch nicht erfahren."

„Sie sind jetzt Lehrer hier, Sie tragen Verantwortung!"

Was Sie nicht sagen! Als ob ihm noch nicht schlecht genug wäre … „Ich verbiete es Ihnen, es irgendwem zu sagen."

„Ich bin dem Schulleiter gegenüber zur Ehrlichkeit verpflichtet."

„Und mir gegenüber zum Gehorsam." Zumindest hatte Dumbledore das behauptet.

Und offenbar stimmte das, denn der Blutige Baron zischte leise. „Wenn Sie jemanden in Gefahr bringen, dann -"

„Ist das jetzt meine Verantwortung, wie Sie gerade sagten. Halten Sie sich einfach raus!"

Der Geist verschwand ohne ein weiteres Wort.

Und zwei Monate später verschwand auch der letzte Rest von Severus' Leben, als in derselben Nacht Lily starb und Mulciber in Askaban landete.

Wirklich, der Sohn von James fucking Potter war ein miserabler Ersatz.


Aber alles, was Severus hatte, um darauf so etwas wie geistige Stabilität aufzubauen.

An manchen Tagen fühlte er sich, als würde er das Schloss auf einem Gehstock balancieren.

An anderen ließ er sich einfach davon erschlagen.

Aber diese Tage wurden seltener, je mehr Zeit verging. Die letzten Schüler, die ihn vor seinem Abschluss erlebt hatten, die vielleicht sogar zugesehen hatten, wie Black und Potter ihn gepiesackt hatten, machten ihren Abschluss. Irgendwann gab es nur noch die Kollegen, die ihn als Schüler gekannt hatten.

Und auch sie begannen schließlich zu erkennen, dass Severus gut war in dem, was er tat. Nun, in Zaubertränken, nicht im Unterrichten. Aber er hatte auch niemals behauptet, ein guter Lehrer zu sein.

Trotzdem begannen seine Schüler, ihm zu vertrauen. Slytherin verdiente sich Respekt und diverse Pokale. Und keiner von ihnen brauchte jemals seine Hilfe in einer Vollmondnacht.

Ein Teil von Severus war froh, die Nächte wieder im Raum der Wünsche verbringen zu können. Ein anderer hasste das alles mit jedem Mal mehr. Beide waren enttäuscht, als der Wolfsbanntrank auf den Markt kam.

Aber er machte die Sache einfacher, wenn auch seinen gesundheitlichen Zustand nicht besser. Teufelszeug, der Trank.

Bis Lupins Rückkehr ihn zu einem Privileg machte.


Und Remus Lupin hatte kein einziges Privileg verdient!

„Werden Sie das hinkriegen, Severus?"

Hinkriegen! „Natürlich."

Natürlich konnte er den Trank brauen! Es gab keinen Trank, den er nicht brauen konnte. Aber ihn mit Lupin teilen?!

Ich denke nicht …

Dumbledores stechender Blick schimpfte ihn kindisch und wenn es etwas gab, das Severus niemals gewesen war, dann kindisch. Wann bitteschön hätte er das sein sollen?

Es wurde also höchste Zeit, das nachzuholen, den Erwartungen gerecht zu werden.

Und, oh! Fühlte es sich großartig an, kindisch zu sein, wenn es bedeutete, den Wolfsbanntrank zweimal anzusetzen, um ihn einmal perfekt zuzubereiten – und einmal gerade so eben noch wirksam. Allein beim Geruch drehte sich ihm der Magen um. Hervorragend!

Dafür musste er Lupin das Zeug hinterhertragen. Siebzehn Jahre später und nicht ein Funke mehr Verantwortungsbewusstsein.

Als Dank bekam Lupin nach dem Vollmond frei und Severus mehr Unterricht.

Und den Blutigen Baron, den bekam er auch: „Halten Sie es für klug, den Schülern so viel über Werwölfe beizubringen?"

„Ich trage Verantwortung, unter anderem seine. Sie müssen vorbereitet werden."

„Was, wenn die Schüler es herausfinden?"

„Werden sie nicht."

Und weil der Blutige Baron sich schon einmal getäuscht hatte, widersprach er nicht und verschwand.

Niemand würde es erfahren.


Aber es war knapp.

Das leere Büro und diese verdammte Karte waren das Letzte, was Severus sehen wollte. „Verfluchter Idiot!" Der Wolfsbanntrank schwappte über den Rand des Kelches, die Tür knallte hinter ihm ins Schloss.

Als eine halbe Stunde später dann alle Zauberstäbe auf ihn deuteten, glaubte er, das wäre das Ende seines Geheimnisses.

Aber nein; als er später in der Nähe der Peitschenden Weide aufwachte, mitten in der Verwandlung, waren alle so fokussiert auf Lupin, dass niemand ihn beachtete. Er hatte seinen Trank schließlich genommen! Wich in die Schatten zurück und beobachtete mit aufgestelltem Fell, wie Black sich in einen scheiß Hund verwandelte.

Ein Animagus?!

Er packte Lupin im Nacken und zerrte ihn fort.

Dann gab es Geschrei aus einer anderen Richtung. Was war da los?

Irgendwann verschwand Lupin im Wald und Black über die Ländereien. Natürlich floh er! Dreckige Töle!

Kurz dachte Severus darüber nach, ihm zu folgen, aber dann würden die Kröten ihn sehen und bis er sich entschieden hatte, war Black fort.

Rückzug. Er konnte jetzt nur noch sein Geheimnis schützen. Weasley ins Schloss zu bringen, sollten Potter und Granger hinkriegen. Er selbst würde Lupin im Auge behalten und darauf achten, dass er im Wald blieb.


Wie knapp es tatsächlich gewesen war, dämmerte Severus erst, als Dumbledore ihn ein paar Tage später einweihte in das, was danach geschehen war.

Dass Granger einen Zeitumkehrer gehabt hatte, hatte er gewusst. Alle aus dem Kollegium hatten es gewusst, denn niemandem hätte die Unvereinbarkeit ihres Stundenplans entgehen können. Und natürlich hatte Dumbledore das Ding ausgenutzt, als etwas nicht nach seiner Mütze gelaufen war!

Jetzt war Sirius Black ein verdammtes Ordensmitglied! Auf der Flucht, aber trotzdem.

Elender Dreckskerl!

Dass Granger und Potter bei ihrer kleinen Zeitreise nicht gesehen hatten, dass er sich auch verwandelt hatte, war mehr Glück, als er sich selbst erklären konnte. Vermutlich sollte er gelegentlich einen Felix Felicis ansetzen und dem beim nächsten Mal ein bisschen nachhelfen. Jemand wie er hatte nicht zweimal so ein Glück.

Dafür die Genugtuung, Lupin zu outen. Hatte es verdient, der Scheißkerl! Wie schwer war es, eine Woche im Monat einen Trank zu nehmen? Er konnte froh sein, dass er niemanden getötet hatte – und dass er diese Stelle wieder verlassen konnte, ohne selbst getötet zu werden. Nicht dass es Severus gestört hätte …

Aber sie hatten es alle überlebt, sogar sein Geheimnis.

Dass dennoch jemand verletzt worden war, erfuhr er erst drei Monate später.