Kapitel 106

Hilfe

das Helfen; das Tätigwerden zu jemandes Unterstützung

Gegen Abend gingen sie in die kleine Pension in der sie für diesen Zyklus ein Zimmer gebucht hatten und zogen sich um, um im Ort zu Abend zu essen. Es war noch immer warm, doch die kühle Briese der Meeresluft zog durch die engen Gassen. Sie waren gerade dabei den Rotwein zu genießen und Draco ließ den Blick über den kleinen Platz schweifen, als ihm eine hoch gewachsene Person auffiel.

Vielleicht hätte er es ignoriert, wenn er hier nicht so an seine Familie denken musste. Vielleicht hätte er es nicht Mal bemerkt, dass die Person inne hielt und ihn ansah. Vielleicht wäre ihm das Gesicht nicht irgendwie bekannt vorgekommen. Vertraut auf eine Art wie man an einen längst vergangenen Traum dachte. Doch die große Gestalt zog seinen Blick auf sich.

Der Mann hatte hellblonde Haare. Fast noch etwas heller als Dracos eigene Haare. Seine Haut war braungebrannt und seine hellblauen Augen strahlen aus einem mit Lachfalten durchzogenen Gesicht.

Eine Frau mit dunkelblondem langen Haar stand neben ihm. Hatte ein junges Mädchen an der Hand, sie vermochte vielleicht neun oder zehn zu sein. Das Mädchen folgte dem starren Blick ihres Vaters und deutete dann in Dracos Richtung.

Sein Blick begegnete dem des Mannes und er hätte nicht diese Gesichtspartie sehen müssen um sich vollkommen sicher zu sein wer er war. Diese Gesichtsform, mit den hohen Wangenknochen.

„Das ist unmöglich", sagte Draco und stand auf.

„Was ist unmöglich?", fragte Hermione doch Draco reagierte nicht auf sie. Er starrte nur seinen Onkel an. Direkt vor ihm. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich an einem solchen Ort trafen. Hier an einem abgeschiedenen Winkel Kretas vor der Reiseseason. Das konnte kein Zufall sein. Aber er hatte keinen Zweifel. Dieser Mann war Magnus Malfoy. Der verstoßene ältere Bruder seines Vaters.

Draco hatte sich noch nicht entschieden, was er tun wollte, als der Mann etwas zu der Frau und dem Mädchen sagte und dann genau auf ihn zusteuerte. Es bestand kein Zweifel, dass er ihn ebenfalls erkannt hatte. Draco war noch dabei seine Gedanken zu ordnen, als er genau vor ihm stand.

„Bist du Draco oder Hyperion?", wollte er ohne Begrüßung wissen und musterte ihn eindringlich. Draco war vollkommen perplex.

„Ich bin Draco", antwortete er wahrheitsgemäß und der Mann nickte.

„Was machst du hier?", fragte er weiter und musterte ihn, als würde er ihm irgendwelche unlauteren Motive unterstellen.

„Die Frage ist eher was machst du hier, Magnus!", antwortete Draco und musterte seinen Onkel eingehend.

„Ich lebe hier, schon seit Jahren."

Draco nickte und war noch nicht vollkommen in der Lage die volle Tragweite dieser Information zu verarbeiten.

„Wie geht es dir?", fragte Draco matt und ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken. „Ich meine, ich sehe du bist Vater geworden?", fügte er hinzu und nickte in Richtung der Frau und des Kindes die noch immer neben dem Auto standen und besorgt in ihre Richtung blickten. Auch Magnus sah jetzt dorthin.

„Ja, ich bin Vater geworden. Amelia heißt meine Tochter."

Draco nickte. Magnus sah glücklich aus. Zumindest glücklicher, als sein Vater jemals gewesen war.

„Myonie, das ist Magnus, der ältere Bruder meines Vaters. Ich habe dir mal von ihm erzählt."

Hermione nickte und sah den Mann jetzt deutlich neugieriger an. Sie wollte gerade etwas sagen, als Magnus fassungslos herausplatzte:

„Du hast von mir erzählt?"

Draco begegnete dem Blick seines Onkels und er brauchte tatsächlich einen Moment, um seine fassungslose Mine zu begreifen. Aber es war nur logisch. Über Verstoßene wurde nicht gesprochen. Niemals. Das Draco seiner Freundin von ihm erzählt hat, war absolut verboten.

„Ja", sagte Draco schlicht. Was sollte er auch anderes sagen.

Magnus nickte, dann setzte er sich auf den freien Stuhl und wandte sich an Hermione.

„Magnus Summer. Und ja, ich war mal Dracos Onkel", sagte er und Hermione nickte.

„Hermione Granger. Ich bin Dracos Freundin. Wir gehen zusammen nach Hogwarts."

Magnus nickte und Draco realisierte zwei Dinge. Magnus hatte von sich als Onkel in der Vergangenheitsform gesprochen. Also distanzierte er sich absichtlich von der Familie. Und es gab noch einen anderen Aspekt. Einer der wie ein Alarmzauber in seinen Ohren schrillte. Der Nachname. Summer. Es konnte kein Zufall sein, dass es der gleiche Name war, der den Tresor in Lacock Abby öffnete. Melinda Summer. Draco hatte sich mit der Erklärung seines Vaters zufrieden gegeben, aber war es die Wahrheit gewesen?

„Der Nachname deiner Frau nehme ich an?", fragte Draco und versuchte unverfänglich zu klingen.

„Ja. Evelyn Summer. Ich habe ihren Namen angenommen, nachdem ich England verlassen hatte."

„Warum bist du gegangen?", fragte Draco plötzlich und er hatte sich diese Frage schon so oft gestellt. Er hatte sie sich umso öfter gestellt, seit er Hermione liebte. Denn egal wie viel sie ihm bedeutete. Er wusste nicht ob er es ertragen könnte alles, was seine Familie, seine Existenz ausmachte hinter sich zu lassen nur um bei ihr zu sein. Er hatte Begriffen, dass es mehr brauchte, als eine Frau um ihn dazu zu bringen seine Familie zu verraten und jetzt musste er verstehen, was seinen Onkel dazu getrieben hatte sie im Stich zu lassen.

„Was hat dein Vater dir erzählt?", wollte Magnus wissen und musterte Draco eindringlich.

Draco zuckte mit den Schultern. „Nichts. Also nicht viel. Er sagte du seist mit einer Muggelfrau nach Australien durchgebrannt. Damals war ich noch zu klein, um mehr Fragen zu stellen. Danach wurde nie wieder über dich gesprochen."

Magnus nickte und schien zu überlegen, was er ihm sagen konnte.

„Ich war mit Evelyn zusammen, als ich die Familie verließ. Wir sind nie bis nach Australien gekommen. Letztendlich haben wir uns hier niedergelassen. Wir betreiben ein Weingut hier auf der Insel. Weinanbau lag mir schon immer. Ein paar Familieneigenheiten entkommt man wohl nie."

Magnus grinste ironisch. Dann sah er zu der Frau und dem Mädchen und nickte ihnen zu. Er machte mit dem Kopf eine Geste Richtung des Geschäfts, dass sie hatten betreten wollen und die Frau nickte und ging mit ihrer Tochter in die Richtung.

„Aber Evelyn war nie der Grund, warum ich weggegangen bin", fuhr er fort.

Magnus zögerte und Draco spürte seinen Blick auf sich ruhen. Als würde er versuchen ihn einzuschätzen.

„Wer war Melinda Summer?", fragte Draco also und die überraschte Mine seines Onkels sagte ihm, dass er auf der richtigen Spur war. „Ich habe nie mehr als den Namen gehört. Bis du dich vorgestellt hast, hätte ich niemals erwartet, dass sie etwas mit dir zu tun gehabt hat. Aber es kann kein Zufall sein. Ich bin ein Malfoy. Wir glauben nicht an Zufälle."

Magnus grinste belustigt.

„Der Satz hätte von meinem Vater sein können. Er hat auch immer so gesprochen. So als würde logisches Denken bedingen ein Malfoy zu sein."

Draco schnaubte verächtlich.

„Wundert es dich? Ich habe deinen Platz eingenommen. Nachdem du weg warst, war ich Teil der Erbfolge. Vater hat nicht unsere Erziehung gehabt, wurde als Kind nie so viel in die Familiengeheimnisse eingeweiht wie wir, die wir von klein auf dazu erzogen wurden die Linie weiter zu führen. Großvater hat ihm das oft genug vorgeworfen. Nun, du hast dich darum gedrückt. Sonst würde die Last auf den Schultern deiner Tochter ruhen und ich wäre frei."

Hermione musterte Draco vorwurfsvollen Blick und ein bisschen verstand sie, was er meinte. Wenn er sich gegen seine Familie entschied, dann hinterließ er ein Loch. Ein Loch, das niemand ausfüllen konnte dem er vertraute. Magnus hatte das getan, was Draco sich nicht erlaubte, aber Magnus hatte Lucius und Draco gehabt, die an seiner statt die Verantwortung, die er abgelehnt hatte, geschultert hatten.

Magnus musterte seinen Neffen eindringlich und legte die Hände auf den Tisch. Seine Fingerkuppen berührten sich und er schien in Gedanken, als er sagte:

„Ich habe mir die Entscheidung nicht einfach gemacht. Aber die Uneinigkeiten waren unüberwindbar. Ich war nie der Sohn, den mein Vater sich gewünscht hat und irgendwann wurde es zu viel."

Er sah zu Draco auf.

„Wie geht es ihm? Also deinem Großvater", wollte er wissen und schien fast etwas unsicher, ob er diese Frage stellen durfte.

„Ermordet", sagte Draco mit abweisender Mine. „Vor einem Jahr von dem Dunklen Lord."

Magnus schien einen Moment betroffen. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, entschied sich dann aber anders.

„Wie hat Lucius das verkraftet?", fragte er stattdessen.

„Gar nicht", antwortete Draco kalt. „Vater sitzt in Askaban. Es ist schwer zu unterscheiden, wer er selbst ist und was die Auswirkungen der Dementoren sind."

Magnus wurde deutlich blasser und ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken. Hermione glaubte nicht, dass Magnus sein jüngerer Bruder egal war und es war ein komisches Gefühl als Lucius Malfoy als einem jüngeren Bruder zu denken und trotzdem war er es. Hermione fand es schwer die Ähnlichkeit zwischen ihnen zu sehen. Dieser Mann vor ihr sah aus, als würde er viel lachen. Seine Haut war Sonnengegerbt und sein hellblondes Haar war ausgeblichen von viel Zeit, die er im Freien verbracht hatte. Es war kaum zu glauben, dass er und der elitäre strengdreinblickende Lucius Malfoy verwandt waren. Aber dieser Mann war Dracos Onkel und einen Moment fragte Hermione sich, ob Draco auch so werden konnte. Mit lachfalten, die ihn nur attraktiver machten, anstatt den Sorgenfalten die er nur zu oft zur Schau trug. Draco konnte Lachen. Er tat es selten, aber sie liebte es, wenn er lachte.

„Ich habe gehört, dass der Dunkle Lord zurückgekehrt ist", riss Magnus sie aus ihren Gedanken. „Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich es vermieden Nachrichten aus England zu lesen. Ich versuche mich auf positive Dinge zu konzentrieren und momentan kommt wenig Gutes aus England."

Draco schnaubte und Hermione bemerkte etwas, dass ihr im ersten Moment entgangen war. Draco hatte seinen linken Arm so gedreht, dass man das Dunkle Mal nicht sehen konnte und hielt ihn an seinem Körper, während er mit der rechten Hand nach seinem Glas griff, um einen Schluck daraus zu nehmen. Draco verbarg das Dunkle Mal sonst nicht, wenn sie außerhalb von England waren, vor allem nicht, wenn er in einer Muggelgegend war. Deshalb trug er ein kurzärmliges Shirt. Er wollte eindeutig nicht, dass sein Onkel es sah.

„Wir sind im Krieg. Da sind positive Nachrichten rar. Aber zurück zu Melinda Summer. Du weißt, wer sie war?", wollte Draco wissen und Hermione hatte absolut keine Ahnung, wer Melinda Summer war. Sie hatte den Namen noch nie vorher gehört.

Magnus seufzte und gab dem Wirt ein Zeichen ihm auch etwas zu trinken zu bringen. Es würde wohl eine längere Geschichte werden.

„Melinda und Lucius kannten sich aus Hogwarts. Ich war schon aus Hogwarts draußen, als ich sie kennenlernte. Melinda war Muggelstämmig."

Hermione war vollkommen überrumpelt von der Information, doch Draco sah nicht so überrascht aus, wie er sollte.

„Du hast das gewusst, nehme ich an", sagte Magnus, der ebenfalls Dracos neutrale Mine musterte. Draco schnaubte und ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen.

„Gewusst wäre eine Übertreibung. Nennen wir es eine sehr verdichtete Ahnung."

„Hat Lucius mal sowas verlauten lassen?", wollte Magnus wissen.

„Nein", antwortete Draco und nippte an seinem Wein. „Meine Mutter hat sich mal dazu hinreißen lassen zu sagen, dass die Malfoy Männer eine Schwäche für Muggelmädchen hätten."

Magnus lachte trocken auf. „Das hätte sie nie gesagt", stellte er klar und zu Hermiones Unverständnis begann jetzt auch Draco zu grinsen. „Sie hat Schlammblutmädchen gesagt. Aber die Aussage ist die gleiche", gab Draco zu und jetzt lachte Magnus tatsächlich.

„Das klingt schon mehr nach der kleinen Zissa. Aber sie hat alles bekommen, was sie immer wollte. Hausherrin auf Malfoy Manor, das war ihr großes Ziel und da ist sie nun. Ich hoffe sie ist zufrieden mit ihrem Plan."

Draco musterte Magnus eindringlich und er hörte diese Verachtung für seine Mutter. Als Kind hatte er nie mitbekommen, dass seine Mutter und Magnus sich nicht verstanden. Aber er war vier gewesen. Wenn er ehrlich war, hatte er wenig Erinnerungen an die Zeit.

„Welcher Plan?", fragte Draco und er wusste, dass er die Antwort auf diese Frage vielleicht nicht wissen wollte. Er liebte seine Mutter. Aber er machte sich mittlerweile deutlich weniger Illusionen über die Frau die ihn geboren und aufgezogen hatte als noch vor der Zeitschleife.

„Eine gute Frage. Ich habe nie alles herausgefunden", sagte Magnus und der Kellner brachte ihm ein Wasser. Er trank fast das halbe Glas aus, und musterte Draco dann eindringlich.

„Ich war gut mit Andromeda Black befreundet, dadurch lernten wir auch Narzissa und Bellatrix kennen. Die drei Black Schwestern standen sich schon immer nah und ab dem ersten Moment war Narzissa vollkommen in Lucius vernarrt. Nur das Lucius kein Interesse an ihr hatte. Es hätte so einfach sein können."

Draco musterte Magnus und die Offenbarung, dass er sich gut mit Andromeda verstanden hatte, passte ins Bild. Sie waren beide zu Abtrünnigen geworden. Wahrscheinlich hatten sie ähnliche Gedanken geteilt.

„Es war eine düstere Zeit damals", fuhr Magnus fort. „Der beginnende Krieg um den Dunklen Lord verunsicherte England und mein Vater, dein Großvater, stand ihm nah. Sie kannten sich wohl aus Schulzeiten. Damals begegnete ich ihm. Keine guten Erinnerungen. Ich habe immer versucht mich neutral zu halten. Dem Ärger aus dem Weg zu gehen. Aber wir waren mittendrin. Melinda machte eine Ausbildung zur Aurorin. Wollte etwas gegen den Dunklen Lord unternehmen. Sie überredete Lucius für sie Informationen zu sammeln. Lucius wandte sich an die Black Schwestern. Nutzte Narzissa, um Zugang zu erhalten. Er sprach oft mit Bellatrix um an Informationen heranzukommen. Das Risiko war groß. Die Black Schwestern waren schon immer unbezähmbar."

Magnus seufzte und drehte sein Wasserglas in der Hand.

„Ich hätte aufmerksamer sein sollen, ihn aufhalten, solche Dummheiten zu begehen. Ich hatte einen furchtbaren Streit mit Melinda und Lucius, da sie sich in Gefahr brachten und ging danach auf Abstand. Ich war jung, verletzt und eitel. Heute wünschte ich, ich hätte irgendwas unternommen."

Man sah ihm eine gewisse Resignation an. Draco glaubte fast, dass es Selbstvorwürfe waren.

„Jedenfalls verschwand Melinda irgendwann. Ihre Leiche wurde nie gefunden. Kurz darauf wurde Lucius, nunja, wenn er jetzt in Askaban sitzt, ist es kein Geheimnis mehr. Er wurde ein Todesser und kein Jahr später heiratete er Narzissa Black. Vater war begeistert von der Wendung."

Draco versuchte die Informationen zuzuordnen. Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, was zwischen seinen Eltern vor seiner Geburt vorgefallen war. Dass sein Vater mal für die Aurorenabteilung spioniert hatte. War das möglich? Hatte man ihn deshalb freigesprochen? Hatte akzeptiert, dass er wohl unter den Imperius geraten sein musste nach Melindas verschwinden? Irgendwie füllte diese Information ein Bild, dass ihm gar nicht gefiel.

„Hast du jemals erfahren, was mit Melinda geschah?", wollte Hermione wissen und Magnus seufzte.

„Ich habe es versucht. Ich konnte ihr Verschwinden nie ganz akzeptieren. Habe nach Antworten gesucht."

„Du hast sie geliebt", sagte Hermione einfühlsam.

Magnus stockte und schien einen Moment nicht zu wissen, was er sagen sollte. Er hatte es bis jetzt so dargestellt, als wäre etwas zwischen Melinda und seinem Vater gewesen. Aber die Wahrheit war wahrscheinlich vielschichtiger.

„Ich denke du missverstehst das", begann Magnus, doch Draco unterbrach ihn.

„Wir wissen, dass ihr Beziehungen mit wenigstens einer Frau gleichzeitig hattet, wenn nicht sogar mit mehr. Vater hat davon erzählt", sagte Draco und Magnus wirkte ziemlich überrascht.

„Er hat dir das einfach so gesagt?", wollte er wissen. Draco zuckte nur mit den Schultern.

„Ich sagte doch, er sitzt in Askaban. Askaban bricht die Menschen und mein Vater ist heute viel emotionaler als der Mann, der er vor einem Jahr war. In gewissen Momenten lässt er sich zu Aussagen hinreißen, die man nur in den richtigen Kontext setzen muss."

„Und du bist gut darin die Aussagen in den richtigen Kontext zu setzen", mutmaßte Magnus und Draco konnte sich ein selbstzufriedenes Grinsen nicht verkneifen. „Man muss nur zuhören", sagte er und Magnus musterte ihn einen Moment.

„Versteh es nicht falsch. Wir beide haben Melinda geliebt. Sie war außergewöhnlich, aber als sie begann Lucius für den Kampf gegen den Dunklen Lord zu benutzen, habe ich es beendet. Ich habe versucht auch Lucius dazu zu bringen. Aber er war schon immer ein verdammter Sturkopf."

Draco nickte und er konnte es nicht komplett verstehen. Er hatte kein Problem damit Hermione mit seinem Bruder zu teilen, wenn sie im Bett waren. Aber er glaubte nicht, dass er es ertragen würde, wenn sie Hyperion lieben würde. Er würde es nicht ertragen, wenn sie einen anderen Mann außer ihn lieben würde. Aber vielleicht war er dafür zu lange Einzelkind gewesen. Vielleicht wäre es anders, wenn er mit seinem Bruder aufgewachsen wäre. Er wusste es nicht.

„Aber was geschah dann. Melinda verschwand. Lucius Malfoy wurde ein Todesser und heiratete Narzissa Black. Und dann?", fragte Hermione weiter

„Dann wurden Draco und Hyperion geboren und der Dunkle Lord verschwand durch Harry Potter. Bellatrix kam nach Askaban und alles schien seinen geregelten Weg zu gehen. Aber ich konnte nicht vergessen. Irgendwas war geschehen als Melinda verschwand. Lucius war anders danach. Ich bin ihm nie wieder nah gekommen. Als hätte er eine Wand zwischen uns aufgebaut. Ich wollte es verstehen. Verstehen, was geschehen war und die Einzige die bereit war mir zu helfen war Evelyn. Melindas Muggelschwester."

„Deine jetzige Frau", stellte Draco fest und Magnus nickte.

„Ja. Evelyn und ich recherchierten und kamen uns dabei näher und dann, es war vor fast 13 Jahren, fanden wir heraus, dass es Narzissa gewesen war, die Melinda zuhause aufgesucht hatte. Sie hatte ihren Platz mit Vielsafttrank eingenommen, während Bellatrix Melinda mitnahm. Ich habe Bellatrix in Askaban aufgesucht, habe von ihr versucht zu erfahren, was geschehen war, doch ich habe nie mehr herausgefunden, als die Bestätigung, dass sie etwas damit zu tun hatte."

Resigniert seufzte Magnus auf. „Ich habe mit Lucius gesprochen und mit Vater, aber sie haben beide abgeblockt. Ich wollte nur die Wahrheit wissen. Wissen wie sie gestorben war und Evelyn die Möglichkeit geben ihre Schwester zu begraben. Aber Lucius hielt seine schützende Hand über Narzissa. Ließ ihr alles durchgehen. Ich habe bemerkt, wie es ihn entsetzt hat, das Narzissa etwas damit zu tun hatte. Er hätte sie zwingen müssen zu reden. Das wäre das mindeste dafür, dass er Melinda geliebt hatte. Das mindeste, was sie verdient hätte."

Magnus hatte sich in Rage geredet und Draco begriff. Er begriff was geschehen sein musste und der Gedanke drehte ihm den Magen um. Ob seine Mutter gewusst hatte, was geschehen würde? Der Gedanke verursachte ihm Übelkeit. Er musste mit ihr reden. Herausfinden, ob sie es gewusst hatte. Sie wusste nicht, wie das Dunkle Mal geschaffen wurde. Aber hatte sie gewusst, dass man seinen Vater dazu zwingen würde die Frau zu töten die er liebte?

Mit zitternden Fingern griff Draco nach seinem Glas. Und nahm einen großen Schluck. Es half leider kein bisschen.

„Vater hielt zu Lucius und Narzissa", fuhr Magnus unbeirrt fort und sah Draco gequält an. Er spürte noch immer das blanke Entsetzen in sich. „Es war einer der Gründe zu gehen. Die Familie hinter mir zu lassen. Ich entschied mich gegen die Familie, die mich nur anlog, mir meine liberalen Ansichten vorhielt und einen Mord vertuschte. Ich verließ mit Evelyn England um alles hinter mir zu lassen. Wir wollten nochmal neu anfangen. Ohne den Ballast der Vergangenheit."

Draco sah seinen Onkel an und er schien es wohl nie begriffen zu haben. Er wusste es nicht und fragte sich noch immer, was mit Melinda Summer geschehen war. Er hatte den Verrat nicht überwunden und der Familie entsagt, um nicht in diesem Irrgarten aus Verrat und Lügen zu ertrinken. Draco konnte es ihm fast nachtfühlen.

„Ist das der Grund, warum du Hyperion nicht aufgenommen hast, als Lucius Malfoy dich vor elf Jahren darum bat?", fragte plötzlich Hermione und Draco starrte sie überrascht an. Er verstand nicht, wie sie darauf kam. Warum sollte sein Vater seinen verstoßenen Bruder bitten sich um Hyperion kümmerte.

„Wie kommst du darauf?", wollte Draco von ihr wissen und Hermione warf ihm einen Blick zu, als wäre es selbstverständlich.

„Wir sind hier, weil du hier den letzten Urlaub mit Hyperion gemacht hast, bevor deine Eltern ihn wegbrachten. Damals muss ihnen bewusst gewesen sein, dass er ein Squib ist. Wie hoch ist die Chance, dass ihr ausgerechnet hier Urlaub gemacht habt, an dem Ort, an dem dein verstoßener Onkel lebt, kurz bevor Hyperion weggebracht wurde. Es ist nur logisch, dass ihr hier wart, um darum zu bitten das Magnus ihn aufnimmt", erklärte Hermione und Draco brauchte einen Moment bis auch er die Logik dahinter sah. Hatte sein Vater tatsächlich gewollt, dass Hyperion bei seinem Onkel aufwuchs?

„Hat sie recht?", wollte er wissen.

„Ja, Lucius wollte, dass ich Hyperion aufnehme", bestätigte Magnus. „Aber Lucius kann nicht das eine ohne das andere haben. Wenn er der Ideologie von reinem Blut anhängen will, kann er nicht einfach kommen und mir seinen Sohn aufdrücken, wenn er ihn nichtmehr will. Es ist nichtmehr meine Aufgabe mich um die Probleme der Familie zu kümmern. Sie haben mir zu verstehen gegeben, dass ich nichtmehr erwünscht bin und ich bin gegangen. Jetzt haben sie kein recht mehr an mich heranzutreten. Lucius hat sich entschieden. Für Narzissa, für den Dunklen Lord und gegen mich. Soll er mit den Konsequenzen leben."

Draco starrte in Magnus verbittertes wütendes Gesicht und vielleicht hätte er es verstehen können. Aber er wusste, was aus seinem Bruder geworden war, nur weil Magnus ein verbitterter nachtragender Mann war. Weil sein Vater sich seinen eigenen Dämonen nicht stellen konnte und seine Mutter… Draco stand auf, bevor er weiter darüber nachdenken konnte.

„Ich verstehe", sagte Draco und war selbst erschrocken, wie hart seine Stimme klang.

„Entscheidungen haben Konsequenzen. Lucius musste lernen damit zu leben. Er kann nicht den Reinblüter mimen und glauben ich würde ihn immer auffangen", sagte Magnus und stand ebenfalls auf.

„Er hat dich verletzt und du lässt es an uns aus. Es sind immer wir Kinder, die unter den Fehlern ihrer Eltern leiden müssen. Der Einzige der Konsequenzen zu tragen hatte, weil du nicht über deinen Schatten springen konntest, ist mein Bruder."

„Ich bin kein Malfoy mehr, es ist nichtmehr meine Pflicht", entgegnete Magnus und Draco hatte noch niemals eine solche Abscheu gegen einen Menschen empfunden. Nein, er hatte Recht, er war kein Malfoy mehr. Nichts zeigte es deutlicher als diese Entscheidung.

„Nein, das bist du nichtmehr", sagte Draco resigniert.

„Lucius hätte nur einen Deut nachgeben müssen. Mir Narzissa geben, damit ich sie verhören kann. Herausfinden was geschehen ist. Aber ihm war seine Frau wichtiger als sein Sohn", versuchte Magnus sich zu erklären.

Draco starrte seinen Onkel an und vielleicht konnte er das erste Mal in seinem Leben seinen Vater verstehen. Verstehen, was ihn zu seinem Handeln getrieben hatte. Wer er war, ganz tief in sich und welcher unglaubliche Selbsthass ihn zerfraß. Er sah Magnus an und er vermochte sich nicht vorzustellen, wie es seinem Vater gegangen war. Aber Magnus hätte Hyperion niemals aufgenommen. Nicht den Sohn des Mannes, der die Frau getötet hatte, die ihn aus der Familie getrieben hatte. Getrieben durch Stolz und Arroganz und verletzter Eitelkeit.

„Lucius hat sie getötet", sagte Draco und er wollte die Reaktion sehen. Wissen was dieses Wissen mit seinem Onkel anstellen würde. Er musste es sehen.

„Niemals", sagte Magnus voller Überzeugung. „Lucius hat Melinda geliebt. Er war bereit sein Leben für sie zu riskieren."

„Er hat es mir selbst gesagt. Daher kenne ich den Namen. Es war 1975."

„Das gibt keinen Sinn", sagte Magnus und sah etwas blasser aus.

„Doch es gibt alles Sinn. Nur für dich nicht. Da du nicht alles weißt. Nicht das letzte Detail", sagte Draco und musterte seinen Onkel.

„Welches Detail", wollte Magnus wissen und Draco hob seinen linken Arm. Drehte ihn, sodass Magnus das Dunkle Mal sehen musste. Er wurde augenblicklich blass.

„Du…", begann er und wich einen Schritt vor ihm zurück.

„Ich bin nicht hier, um dir etwas zu tun. Ich wusste wirklich nicht, dass du hier bist, Magnus. Aber ich denke ich kann verstehen was geschehen ist."

Magnus antwortete nicht. Sein Blick wanderte von dem Dunklen Mal auf Dracos Arm zu seinem Gesicht.

„Du hast gesagt Vater hat spioniert. Wahrscheinlich war er nicht offiziell mit Melinda zusammen. Sonst hätte er nicht spionieren können. Er hat sich von Bellatrix anwerben lassen und so getan, als hätte er an meiner Mutter Interesse. Sag mir, er hat nie wirklich Großvaters Ideale vom reinen Blut geteilt nichtwahr?", wollte Draco wissen.

„Früher nicht, nein. Nicht als Melinda noch gelebt hat", sagte Magnus und schien ziemlich nervös.

„Ja früher, bis es alles war, was ihm davon abhielt vollkommen den Verstand zu verlieren. Er ist zu weit gegangen, als das er hätte umkehren können."

„Ich verstehe nicht", brachte Magnus hervor.

„Melinda war Aurorin, Muggelstämmig, dann auch noch Ex oder wie immer ihre Beziehung damals offiziell aussah. Sie war das perfekte Feindbild. Ein gutes Opfer, um dem Dunklen Lord die Treue zu beweisen. Denn das ist, was Todesser tun müssen, um in die Reihen aufgenommen zu werden."

Draco nahm seinen Arm herunter und musterte Magnus kalt. „Bellatrix muss Melinda zum Dunklen Lord gebracht haben um Vater, der vorgab in seine Reihen eintreten zu wollen seine Treue beweisen zu lassen. Mein Vater hatte die Wahl, ob sie beide sterben, oder ob er sein Leben rettet, indem er Treue schwört, Melinda ermordet und ein Todesser wird. Er hat entschieden zu leben. Er hat die Frau getötet, die er liebte um selbst zu überleben und danach blieb ihm nichts anderes übrig als den Weg weiter zu gehen, den er beschritten hatte. Das zu tun, was er behauptet hatte zu wollen. Er wurde ein Todesser und verdrängte, wer er einmal gewesen war."

Draco hielt kurz inne und erinnerte sich an seinen kurzen besucht in Askaban.

„Ich habe mich immer gefragt, was dahintersteckt. Als ich Vater gesagt habe, dass ich Hermione liebe, hat er so anders reagiert als ich erwartet habe. So anders, als er hätte reagieren müssen. Er gab mir den Rat es niemals meine Mutter erfahren zu lassen und jetzt verstehe ich endlich warum. Das es dabei nie um Ideologie ging. Sondern nur darum uns zu beschützen."

Draco warf einen Blick zu Hermione die ihn ebenso entsetzt ansah. Dann blickte er wieder zu Magnus.

„Ich dachte immer, dass es dein Verrat war, dass du gegangen bist und uns im Stich gelassen hast, was die Ehe meiner Eltern zerstört hat. Aber die Wahrheit ist wahrscheinlich etwas anderes. Meinem Vater dürfte nicht klar gewesen sein, dass Mutter in Melindas Entführung verwickelt gewesen war. Das es vielleicht sogar ihr Plan gewesen war, um sich einer Widersacherin zu entledigen. Ich weiß nicht ob meiner Mutter bewusst war, was sie damals getan hatte. Aber das Wissen darum hat meine Eltern auf eine Art entfremdet die ich selbst als kleines Kind bemerkt habe. Aber Scheidung gibt es nicht für die Malfoys. Also haben sie weitergelebt, ohne zusammenzuleben."

Draco schluckte und er spürte wie ihm schlecht wurde bei dem Gedanken.

„Vielleicht war das der Grund, warum Vater mich und Hyperion nichtmehr lieben konnte, nachdem er es wusste. Weil wir auch ihre Kinder sind. Weil unsere Geburt das Resultat dieses Verrats war."

„Draco", sagte Hermione zaghaft und griff nach seiner Hand. Draco sah sie an und drückte ihre Finger. Er fühlte sich seltsam leer. Es war, als wäre gerade ein Schatten über sein ganzes Leben gezogen. Ein Schatten den er früher nicht hatte sehen können. Seine Familie war einfach nur kaputt. Sie war schon immer kaputt gewesen.

„Lass uns gehen. Ich glaube ich ertrage es nichtmehr hier zu sein", sagte Draco matt und Hermione nickte.

„Warte", hielt Magnus ihn auf Draco war versucht einfach weiter zu gehen, dennoch hielt er inne und wandte sich um.

„Ich wusste es nicht", sagte Magnus und er sah aufrichtig gequält aus. „Ich hatte keine Ahnung. Ich hätte Lucius niemals verurteilt, wenn das stimmt, was du sagst."

„Du brauchtest ihn nicht verurteilen. Das hat er wahrscheinlich selbst zur Genüge getan", antwortete Draco und blickte auf das Mal auf seinem Arm. „Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche."

Draco bemerkte, wie Magnus Blick zu dem Dunklen Mal flackerte und es schien, als würde er erst jetzt begreifen, was das bedeutete. Das es bedeutete, dass auch Draco ein Mörder war. So wie sein Vater und sein Großvater.

„Wir hätten dich gebraucht, Magnus. Wir alle. Vater, ich, Hyperion. Das du diesem Irrsinn, der in unserer Familie Einzug gehalten hat, ein Ende bereitest. Das du Großvater Einhalt gebietest und Mutter ebenso. Du hättest uns von dem Dunklen Lord befreien können. Aber du hast es vorgezogen dich abzuwenden. So wie du dich von Melinda abgewandt hast, als sie dich um Hilfe gegen den Dunklen Lord bat."

Draco konnte nicht verhindern, dass sich ein verächtliches Lächeln auf seine Züge schlich. „Ich verstehe es. Es ist einfacher nur für sich selbst verantwortlich zu sein. Es ist einfacher wütend zu sein, als sich mit seinen eigenen Fehlern auseinanderzusetzen."

Draco packte Hermiones Hand fester und sie erwiderte den Druck seiner Finger. Er war unendlich dankbar dafür.

„Leb Wohl", sagte Draco und noch bevor Magnus ihn aufhalten konnte, war Draco disappariert. Scheiß auf die Geheimhaltungsabkommen, er musste hier weg.