Jahr 5

Kapitel 3 - Die Geladenen

Der September war…normal. Amina hatte schon fast vergessen, wie es war ohne eine präsente Bedrohung in Hogwarts. Der langsame Aufstieg des Dunklen Lords hatte sie nicht vergessen, doch in Hogwarts direkt schien alles einen normalen Lauf zu nehmen.

Severus und sie mieden Moody, so gut es ging. Albus wollte verhindern, dass sein alter Freund merkten könnte, dass die beiden durch und durch zu den Guten gehörten. Selbst Severus sollte seine sonst (meist nicht mal gespielte) offene Abneigung nicht zeigen. Sie selbst hegte einige Zweifel, ob der Ex-Auror wirklich auf ihrer Seite stand. Sie hatte gehört, dass er den Klassen des vierten Jahres die unverzeihlichen Flüche gezeigt hatte. Zudem schien er insgesamt sehr rücksichtslos zu sein.

Seit Langem hatte sie auch während der Schulzeit einiges an Freizeit, welche sie stets ausnutzte. Severus war fast jeden Abend bei ihr oder Amina war bei ihm. Sogar mit Aberforth traf sie sich wieder mindestens einmal die Woche.

Zusammen mit einigen anderen Lehrkräfte bereitete Amina im geheimen die Arena für die erste Aufgabe des Turniers vor. Die Champions würden versuchen müssen, ein goldenes Ei von einem Drachen zu stehlen. Als sie hörte, dass es sich bei den Drachen um echte Drachen handelten, hatte sie protestiert. Doch sie hatte wenig Mitspracherecht. Geplant wurde das ganze Spektakel schon seit dem Jahresanfang. Jetzt würde sie also nichts mehr an den Aufgaben ändern können. Sie hoffte nur, dass es den Drachen und den echten Dracheneiern gut gehen würde. Diese würden erst einige Tage vor der Aufgabe ankommen. Ein Drachenreservat aus Rumänien stellte sie zur Verfügung. Amina würde sich um die Schutzzauber der Arena und der Unterkunft der Drachen im Verbotenen Wald kümmern.

Auch der Oktober war verhältnismäßig ruhig. Amina war entsetzt, als sie hörte, dass der Verteidigungslehrer den Teenagern im Praxis-Unterricht beibrachte, sich gegen den Imperius-Fluch zu stellen. Auch die anderen Lehrkräfte fanden dies weniger erfreulich. In den Abenden, die sie mit ihren Kolleginnen im Drei Besen verbrachte, ließen sich diese auch nicht selten über den neuen Kollegen aus. Als sie ihren Urgroßonkel darauf ansprach, beichtete er ihr, dass er es Moody erlaubt hatte, um die Lernenden vorzubereiten. Vor allem den jungen Potter. Sie hatte einige Zeit mit ihm über diese Entscheidung diskutiert, doch er hatte sich von seiner Meinung nicht abbringen lassen. Mit seinen Argumenten konnte er sie allerdings auch nicht überzeugen.

Der Morgen des dreißigsten Oktobers begann für Amina wie jeder andere Tag auch: Sie wachte neben Severus auf, welcher noch schlief und machte sich fertig. Ihre Sporteinheiten hatten sich seit dem Vorfall am Ende des letzten Schuljahres ein wenig verändert. So machte sie nicht nur ihre Kraft und Ausdauer Übungen, sowie Tai-Chi, sondern sie machte zudem noch verschiedene Konzentrationsübungen, um ihre Seromentik zu fördern. Sie hatte dafür wieder den Platz vor Severus' Bürofenster auserkoren. Sie musste nicht mehr befürchten, unerlaubt in den Erinnerungen anderer herumzuwühlen, wie vor einigen Monaten noch und konnte sich den Weg in den Verbotenen Wald sparen.

Beim Frühstück bemerkte Amina die gespannte Stimmung, die sich schon nach der offiziellen Ankündigung der Geladenen im Schloss breitgemacht hatte. Die Delegationen der beiden Gastschulen würden an diesem Abend ankommen und das ganze Schloss schien sich darauf zu freuen. Amina verstand den ganzen Wirbel nicht ganz. Sie konnte zwar die Aufregung verstehen, die neue Lernende mit sich brachten, doch dafür das gesamte Schloss zu reinigen und der Schülerschaft einzutrichtern sich von ihrer besten Seite zu zeigen? Hogwarts war anders. Schon allein, wenn man die Zeilen der Schulhymne las, sollte dies jedem klar sein.

„Über was denkst du so angestrengt nach?", fragte Severus sie mit einer Augenbrauche nach oben gezogen. Amina beugte ihren Kopf ein wenig zu ihm rüber. „Ich verstehe nicht, warum alle so aufgeregt sind. Im Prinzip kommt doch nur Besuch.", erklärte sie. Sie hörte ein Schnaufen auf ihrer anderen Seite. „Nur Besuch! Amina, das sind Delegationen der, neben Hogwarts, zwei größten Schulen Europas. Das ist nicht irgendein Besuch!", erklärte Minerva ihr empört. Amina zog verwirrt eine Augenbraue hoch. „Es sind Schulleiter und ihre Lernenden.", stellte sie trocken fest. „Sie verstehen das nicht!" „Stimmt. Die Gemälde auch nicht. Sie glauben gar nicht, wie oft ich mir in den letzten Tagen anhören musste, wie schrecklich sauber alles ist. Sie waren entsetzt über die grellen Farben. Ich im Übrigen auch." Minerva versuchte daraufhin ihr in einem minutenlangen Vortrag zu erklären, was genau an dem Besuch so besonders war. Sie spüre Severus Belustigung und sah auch, wie er seinen Mundwinkel immer wieder leicht nach oben zog.

Der Unterricht war für sie heute besonders anstrengend. Die Klasse war unkonzentriert und arbeitete nicht wirklich mit. Sie hätte ihnen am liebsten einige Hausaufgaben aufgegeben, doch dies durfte sie wegen der Geladenen, die am Abend kamen, nicht.

Amina war froh, als sie nach dem Unterricht in das Lehrkräftezimmer ging. In diesem sollten sich die Lehrkräfte versammeln, bevor die Hauslehrkräfte ihre Klassen nach draußen auf das Gelände bringen sollten. „Ah Amina, auch da.", begrüßte Alastor sie ruppig. Sie nickte ihm desinteressiert zu und lehnte sich an eine Wand. Sie traute diesem Mann nicht so recht. Egal, was ihr Urgroßonkel sagte, der Verteidigungslehrer schien etwas zu verbergen und sie würde noch rausfinden was. In den letzten Tagen schien er ein größeres Interesse an ihr zu haben, denn er fing an, sie zu begrüßen und tauschte ein, zwei Sätze mit ihr aus. Zuvor hatte er sie ignoriert.

„Sie sin' doch Legilimentorin, oder?", fragte der Verteidigungslehrer sie, welcher sich neben sie gestellt hatte. Amina nickte und sah ihn abwartend an. „Behalten Sie Karkaroff im Auge. Albus meinte, dass Sie es merken, wenn er sich merkwürdig verhält oder sich was ändert." „Woher das Vertrauen?", fragte Amina ruhig und beobachtete, wie sich die anderen Lehrkräfte einfanden. Alastor grunzte. „Albus traut Ihnen. Ich nicht. Aber warum Ihre Fähigkeiten nicht nutzen?" Amina sah ihm in sein normales Auge, das magische Kreise hektisch durch seine Höhle. „In Ordnung aber versprechen Sie sich nicht zu viel davon. Wenn Karkaroff Okklumentik beherrscht, werde ich nicht viel herausfinden können." „Er beherrscht keine Okklumentik.", antwortete er. Sie zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „So? Dann ist es kein Problem."

Kurz vor sechs Uhr stand sie dann zusammen mit den anderen Lehrkräften und ihrem Schulleiter in der Reihe hinter den Lernenden und wartete auf die Ankunft der Delegationen. „Was wollte Moody von dir im Lehrkräftezimmer?", raute Severus ihr unauffällig ins Ohr. „Er bat mich, Karkaroff im Auge zu behalten mit meiner Legilimentik. Er schein sich seit Neustem irgendwie für mich zu interessieren. Ich traue ihm nicht.", flüsterte sie. Er nickte ernst und starrte wieder mit ungerührter Miene über die Lernenden hinweg.

Nach einigen Minuten wurden die Schülerschaft unruhig. Es war kühl draußen und die Teenager und auch einige der Lehrkräfte fingen an zu frieren. Amina genoss das kühle Wetter. So mochte sie es am liebsten. Um alle anderen Anwesenden nicht Leiden zu sehen (oder vielmehr zu spüren), zog sie ihren Zauberstab und schickte einen Wärmezauber über das Gelände. Er würde gute fünfzehn Minuten halten. „Yippie, Professorin Tahnea.", brüllte ein Schüler begeistert. Ein spontaner Applaus kam auf. Amina steckte ihren Zauberstab weg und verzog keine Miene.

Keine Minute später sagte ihr Urgroßonkel: Aha! Wenn ich mich nicht sehr täusche, nähert sich die Delegation aus Beauxbatons!" Er hatte recht. Amina konnte in der Ferne einen dunklen Punkt am Himmel entdecken. Madam Maxime, die Schulleiterin der französischen Schule, hatte schon vor Monaten angekündigt, dass sie mit einer Kutsche anreisen würden. Auch die Schülerschaft hatte das Gefährt bemerkt und zeigte voller erstaunen auf die fliegende Kutsche. Gezogen wurde sie von zwölf geflügelten Pferden. Diese schienen überdurchschnittlich groß zu sein. Amina konnte sich vorstellen, dass es keine reinblütigen magischen Tierwesen waren. Vielleicht eine Kreuzung mit einer normalen Pferderasse. Einem Shire Horse vielleicht.

Nach einer etwas unsanften Landung hielt die Kutsche. Amina lief hinter ihrem Urgroßonkel langsam durch die faszinierten Teenager, während die Kutschentür sich öffnete und die Schulleiterin ausstieg. Madam Maxime war eine riesige Frau. Sie dürfte eine ähnliche Größe haben wie Hagrid. Doch im Gegensatz zu dem Wildhüter schien sie sehr viel Wert auf Aussehen und Eleganz zu legen. Sie schaute sich vornehm um, während hinter ihr die Schülerinnen und Schüler ausstiegen. Diese hatten ihre Sommerumhänge an und seufzten wohlig auf, als sie in den Schutzzauber traten.

Die beiden Schulleitenden begrüßten sich und Albus bot den Geladenen an, sich in der Großen Halle aufzuwärmen. Die Schulleiterin stimmte zu. Guten Tag, Madame Maxime. Ich bin Frau Professor Amina Tahnea. Ich werde Sie und ihre Schützlinge in die Halle begleiten., begrüßte Amina die Schulleiterin auf Französisch. Wie wunderbar jemanden zu haben, der unsere Sprache spricht. Vielen Dank, Frau Professor Tahnea., bedankte sich die große Frau ganz entzückt in ihrer Muttersprache und folgte Amina, als diese voraus in das Schulgebäude ging. Die Lernenden von Beauxbatons folgten ebenfalls, schauten sich dabei aber fasziniert um. Sie erinnerten Amina ein wenig an die Einführungsfeier am Anfang des Schuljahrs, wenn die neuen Lernenden zum ersten Mal über das Schlossgelände liefen.

In der Halle angekommen blieb sie neben dem Ravenclaw-Tisch stehen. Ravenclaw war nach Slytherin das kleinste Haus und somit war an dem Tisch genug Platz für die französischen Geladenen. Sie können sich an diesen Tisch setzen. Für alle, die es vorhin nicht gehört haben: Mein Name ist Frau Professor Tahnea. Ich werde Ihre Ansprechpartnerin sein für die Zeit, die Sie hier bei uns in Hogwarts verbringen. Wie Sie vielleicht schon einmal gehört haben, ist die Schülerschaft von Hogwarts in vier Häuser aufgeteilt. Ravenclaw, Hufflepuff, Slytherin und Gryffindor. Jeder Tisch in der Großen Halle gehört zu einem der vier Häuser. Dies ist der Tisch des Hauses Ravenclaw und jetzt auch Ihrer. Scheuen Sie sich nicht, sich ein wenig unter die Hogwarts-Schüler zu mischen. Jedes Haus hat seinen eigenen Charakter, der sich auch in unseren Lernenden wiederfindet. Sollten Sie Fragen oder andere Anliegen haben, können Sie sich gerne an mich oder einen meiner Kollegen wenden. Wobei ich die Einzige bin, die Französisch spricht., erklärte Amina in ruhigem Ton den frierenden Teenager. „Wärmen Sie sich auf. Madame Maxime, wenn Sie mir bitte folgen würden?" Schon länger hatte sie nicht mehr so viel auf einmal in Französisch sprechen müssen.

Amina führte die Lehrerin zu Albus, welcher mit dem Schulleiter des Durmstrang Instituts bereits in einem Nebenraum der Großen Halle auf sie wartete. „Ah, perfektes Timing. Danke Amina, du kannst dich nun den anderen Lehrkräften anschließen.", lächelte Albus sie an. Sie nickte knapp und lief zum Kollegium, welches gerade nach der Schülerschaft die Halle betrat.