Kapitel 107

Verrat

Bruch der Treue, eines Vertrauensverhältnisses durch Täuschung, Hintergehen, Betrügen

Hermione war vollkommen überrumpelt von der plötzlichen Apparation. Sie brauchte einen Moment, um sich zu orientieren und musste feststellen, dass sie wieder in England waren. Sie standen an der Steilküste zum Ärmelkanal. Dort wo sie zu Beginn der Zeitschleife so oft gestanden hatten, wenn sie von Hogwarts aus appariert waren. Bevor sie das Verschwindekabinett benutzt hatten.

Draco neben ihr sank zu Boden, ließ ihre Hand los und noch bevor sie reagieren konnte, schlug er mit beiden Fäusten auf die Erde. Er schrie. Der Schrei übertönte die Wellen, die sich an der Steinküste brachen und fuhr ihr durch den ganzen Körper. Er war durchdrungen von einem solchen Schmerz, dass er sie wie gelähmt zurückließ.

Hermione setzte sich neben ihm auf den Boden. Sie wusste nicht so recht was gerade geschah. Nicht was genau ihn quälte von all den Dingen, die er gerade erfahren hatte. Sie wusste nicht, was sie am meisten quälen würde, wenn es ihre Familie gewesen wäre.

Sie legte eine Hand auf seine Faust, die noch immer auf dem Boden lag. Sie rutschte etwas näher und spürte, wie sein Körper zitterte.

„Ich bin da", sagte sie leise und Draco sah zu ihr auf. Tränen rannen ihm über das Gesicht. Seine Lippen bewegten sich, als wollte er etwas sagen, dann drückte er seinen Kopf in ihre Arme. Er drückte sein Gesicht in ihren Schoß und sie hielt ihn fest, streichelte über seine Haare und wiegte ihn in ihrem Armen.

Es dauerte, bis Draco sich beruhigt hatte. Aber Zeit spielte keine Rolle. Ihre Beine taten bereits weh, als Draco sich von ihr löste und Hermione nutzte die Chance sich anders hinzusetzen. Sie rutschte näher an ihn, um nicht zuzulassen, dass der Körperkontakt abbrach.

„Irgendwie habe ich es immer gewusst", sagte Draco mit gebrochener Stimme und zog jetzt Hermione in seine Arme. Hielt sie fest, wie ein Kuscheltier an dem er sich festklammern musste und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren.

„Was gewusst?", wollte sie leise wissen.

„Das etwas nicht stimmt. Das etwas kaputt ist an meiner Familie. Ich wusste es immer, aber jetzt habe ich es das erste Mal wirklich verstanden. Das alles, was zwischen uns ist, auf einem Verrat beruht. Das wir nichts als eine Lüge sind."

„Du weißt, dass nicht alles eine Lüge ist", sagte Hermione und rutschte auf seinen Schoß. Drückte sich an ihn an.

„Du und dein Bruder. Ihr habt eine Chance. Das wissen wir."

Draco holte tief Luft und nickte.

„Trotzdem. Mein Vater hat meine Mutter verführt, weil seine Freundin ihn überredet hat für sie zu spionieren. Und meine Mutter hat meinen Vater zugrunde gerichtet, als sie dafür sorgte, dass er diese Frau umbrachte. Hermione, ich weiß nicht, ob du das verstehst. Aber nichts an dem Verhalten meines Vaters hat jemals durchscheinen lassen, dass er auch nur als fühlende Wesen von Muggeln denkt. Nichts deutet mehr darauf hin, wer er einmal gewesen ist, so stark ist dieser Schmerz. Ich kenne meinen Vater praktisch nicht."

„Und vielleicht wird es auch nicht leicht zu ihm durchzudringen. Aber… Was ist… was ist, wenn er uns eine Chance gibt", sagte Hermione und sie spürte die Nervosität die diese Worte in ihr auslösten. Konnte das wirklich sein?

„Ich glaube kaum", sagte Draco und hielt sie etwas fester. „Mutter würde das niemals zulassen. Sie war immer mehr die Treiberin hinter meiner ideologischen Erziehung. Es hätte mir eher auffallen müssen."

„Wie meinst du das?", wollte Hermione wissen

„Es war wohl meine Mutter, die darauf bestand, Hyperion wegzubringen. Es war meine Mutter die mir dauernd Geschichten erzählte über die Überlegenheit der magischen Rasse. Es war meine Mutter die mehr als alles andere das Ideal des reinen Blutes hochgehalten hat. Die Malfoys, also mein Vater und bis zu einem gewissen Grad auch mein Großvater waren nie so verbissen. Es gab andere Prioritäten, die immer wichtiger waren. Macht kam immer vor Ideologie."

„Glaubst du deine Mutter wusste, was genau mit Melinda geschieht?", fragte Hermione und Draco seufzte. Vergrub sein Gesicht an ihrer Brust.

„Ich weiß es nicht. Sie wusste nicht, wie das Dunkle Mal geschaffen wird. Das ist klar. Aber sie muss gewusst haben, dass die Frau, für die sie sich ausgab, ermordet wird."

„Draco, aber noch eines stimmt und das solltest du nicht vergessen. Deine Mutter liebt dich. Du bist ihr wichtiger als Ideologie. Sie ist zu Snape gegangen, um ihn schwören zu lassen, dass er dich beschützt."

Draco sah sie einen Moment an, dann seufzte er und legte seine Stirn an ihre Schulter. „Wen liebt sie. Mich, so wie ich bin. Oder ihren Sohn so wie sie ihn sich vorstellt. Was, wenn ich nicht so werde, wie sie es sich vorstellt. Sie hat Hyperion weggegeben, weil er nicht ihren Vorstellungen entsprach. Wird sie das gleiche bei mir tun?"

Hermione seufze und verstärkte den Griff um Draco.

„Ich kann es dir nicht sagen. Ich kenne sie kaum. Aber sie war bereit mit mir auszukommen, wenn es dich rettet und das bedeutet auch etwas. Ich glaubte nicht, dass sie es verdient hat, verteufelt zu werden."

Hermione spürte Dracos nicken und er fügte hinzu.

„Vielleicht hast du Recht. Schließlich hat es auch mein Vater über sich gebracht seinen Bruder um Hilfe zu bitten als herauskam, dass Hyperion ein Squib ist. Ich wünschte mir nur er hätte nicht zugelassen, dass man ihn weggibt. Das er stark gewesen wäre für uns, weil er mal verstanden hatte, dass Hyperion nicht wertlos ist."

Draco atmete tief den wunderbaren Duft von Hermiones Haaren ein. Eine kalte Briese fegte über die Klippe.

Sein Vater hatte versucht mit einem Psychopaten Machtspiele zu spielen und als es so weit gewesen war. Als er bemerkt hatte, dass er nicht bereit war diesen Weg zu gehen, war es zu spät gewesen. Es hatte keinen Ausweg mehr gegeben.

Einen Moment war Draco Hitman fast dankbar, dass er diese Lektion auf die sanfte Tour gelernt hatte. Weil er einfach hatte Zaubern können, als ihm klar wurde, dass der Preis zu hoch war. Sein Vater hatte das nicht tun können. Er hatte sich verkalkuliert und dafür einen Preis bezahlt, der sein Weltbild in seinen Grundfesten erschüttert hatte.

Aber vielleicht war es noch nicht ganz zu spät. Er hatte versucht Hyperion gut unterzubringen. Hatte mit seinem Bruder gesprochen nach der Verbannung und ihn um Hilfe gebeten, auch wenn das verboten war. Draco presste die Lippen zusammen als er darüber nachdachte und allein der Umstand, dass er es seinem Vater positiv anrechnete, anstatt wütend zu sein, dass er nicht einfach nachgegeben und gestanden hatte, um Hyperion ein Zuhause zu geben zeigte, wie sehr er selbst in diesem verkorksten Weltbild gefangen war. Das er mehr davon akzeptierte, als richtig sein sollte.

„Ich muss mit meiner Mutter reden", sagte Draco plötzlich und löste sich etwas von Hermione.

„Sie wird nächsten Zyklus wieder im tropfenden Kessel sein", sagte Hermione verständnisvoll, doch Draco schüttelte den Kopf.

„Ich muss jetzt mit ihr reden. Ich weiß nicht, ob du das verstehst, aber ich muss."

Er musste mit ihr reden. Weil er es vielleicht irgendwie akzeptieren konnte, dass sein Vater ihn nicht liebte. Es hatte immer eine gewisse Distanz zwischen ihnen gegeben. Er war sein Sohn, der Erbe der Familie und er hatte nie emotionale Nähe von ihm erfahren. Das war okay gewesen und er hatte gelernt damit umzugehen. Es fühlte sich normal an, dass sie auf eine gewisse generationenvertragliche Distanz immer gut miteinander ausgekommen waren. Er schätzte seinen Vater für das, was er für die Familie, für den Namen Malfoy getan hatte. Aber er liebte ihn nicht so, wie er seine Mutter liebte.

Seine Mutter war immer für ihn da gewesen. Eine Vertrauensperson, von der er gedacht hatte, dass sie immer auf seiner Seite war. Aber so wie die Welt heute aussah, mit den Dingen, die diese grauenvolle Zeitschleife zutage gefördert hatte, war er sich nichtmehr so sicher, wer seine Mutter war. Ob sie ihn um seiner selbst willen liebte. Oder ob sie nur sich selbst liebte und ihre Vorstellung von der kleinen Zissy Black, der jüngsten Tochter, eines jüngsten Sohnes, einer an Einfluss und Ruhm verlierenden Reinblutfamilie. Die durch Intrigen zur vornehmen Narzissa Malfoy geworden war. Der Hausherrin über das größte Vermögen, dass eine britische Zauberfamilie besaß. Zusammen mit einer perfekten Familie die nur ihre eigene Großartigkeit unterstrich. Er selbst nur ein Vorzeigeobjekt für die Perfektion seiner Mutter.

Draco war sich bewusst, dass dieser Gedanke böswillig und überspitzt war und trotzdem ließ er ihn nicht los. Weil in ihm so viel Wahrheit steckte.

„Dann komme ich mit", sagte Hermione, doch Draco schüttelte den Kopf.

„Sie ist in Malfoy Manor. Das ist kein Ort, den du besuchen solltest. Das Risiko ist viel zu groß."

„Du gehst dieses Risiko auch ein."

„Für mich ist es ungleich geringer. Ich bin ein Todesser, du erinnerst dich. Todesser töten andere Todesser in der Regel nicht aus Spaß."

„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Sie zu Beginn des nächsten Zyklus zu fragen ist deutlich einfacher."

Doch Draco schüttelte den Kopf.

„Geh nach Paris. Wir treffen uns im Hotel. Sollte ich bis um 9 Uhr nicht da sein kannst du durch das Verschwindekabinett nach Hogwarts und wir treffen uns dort. Hogwarts ist sicherer."

„Warum sicherer", wollte Hermione alarmiert wissen, doch Draco tat ihren Einwand mit einer Handbewegung ab.

„Reine Vorsichtsmaßname."

„Draco, ich will mitkommen. Du bist komplett durcheinander."

Doch Draco schüttelte nur den Kopf.

„Das muss ich allein machen. Nicht weil ich dir nicht traue. Ich vertraue dir mehr als jedem anderen. Aber ich werde nichts aus meiner Mutter herausbekommen, wenn du dabei bist. Dich allein in Malfoy Manor rumlaufen zu lassen ist keine Option. Tante Bella ist dort und noch ein paar andere Gestalten, denen du auf keinen Fall begegnen willst. Rowle wird auch im Laufe des Tages dort auftauchen. Ich will nicht, dass du in seine Nähe kommst."

Hermione hatte ein ungutes Gefühl bei seiner Aufzählung. Das klang nach keinem Ort an den Draco gehen sollte. Allerdings sah sie auch ein, dass es keinen Sinn machte, wenn sie mitging. Das konnte alles noch verkomplizieren.

„Du weißt, dass wenn wir in der linearen Zeit wären, ich dich davon abhalten würde solchen Schwachsinn zu machen", sagte Hermione ärgerlich und Draco nickte.

„In der linearen Zeit würde ich auch auf dich hören", sagte Draco und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.

Hermione war vollkommen perplex, doch Draco schien es nicht zu bemerken. Er löste sich von ihr und nickte grimmig. „Morgen um 9 Uhr. Sollte ich nicht da sein, geh nach Hogwarts."

Hermione nickte noch immer verblüfft und beobachtete wie Draco disapparierte.

Er musste ziemlich durch den Wind sein. Mehr als sie erwartet hatte. Draco hatte ihr nicht widersprochen als sie angedeutet hatte, dass sie in der linearen Zeit noch irgendwie zusammen sein würden. Hermione wusste nicht, wie sie das bedeuten sollte.

Draco schritt die Auffahrtsstraße zwischen den hohen Eibenhecken entlang. Vor ihm wuchs das Herrenhaus empor. Nur wenige Fenster waren erleuchtet und Draco wusste genau zu welchen Räumen sie gehörten. Normalerweise mochte er diesen Anblick. Doch heute schien es, als hätte sich ein düsterer Schleier über den Stammsitz der Familie Malfoy gelegt. Bedrohlich, zerstörerisch wie ein Vorbote dessen, was seiner harrte.

Mit einem Wink seines Zauberstabs öffnete sich das große Hausportal und er trat ein. Ohne innezuhalten, schritt er durch die Eingangshalle. Licht war unter der Schwelle des Salons zu erkennen und Draco stieß die Tür auf. Er brauchte nur einen Augenblick, um seine Mutter im Gespräch mit ihrer Schwester zu erspähen, wie sie zusammen in einer Sofaecke saßen.

„Mutter, wir müssen reden", sagte er noch bevor er den Salon auch nur halb durchquert hatte.

„Draco!" Narzissa sprang sofort auf und eilte ihm entgegen.

„Hat es funktioniert hast du-", wollte seine Mutter sich nach der Zeitschleife erkundigen doch Draco schnitt ihr da Wort ab.

„Ja, alles hat funktioniert. Komm ich muss mit dir reden. Allein", fügte er mit einem grimmigen Blick auf seine Tante hinzu.

„Hast du etwa Geheimnisse, Draco?", wollte Bellatrix wissen und musterte ihn eingehend.

„Nichts, was dich etwas anginge, Tante Bella. Komm Mutter", sagte er in herrischen Tonfall.

„Wo ist dein Benehmen geblieben, Draco", sagte seine Mutter und schürzte missbilligend die Lippen.

„Es lässt gerade zu wünschen übrig", antwortete er herablassen und maß seine Mutter mit einem kalten Blick. Noch immer spürte er die Wut in sich kochen bei dem Gedanken, was sie getan hatte.

„Draco, du-", begann sie aufgebracht, doch Draco packte sie am Handgelenk.

„Nein, Mutter. Du bist mir ein paar Antworten Schuldig und ich habe heute nicht die Geduld mir deine Vorträge anzuhören. Du wirst jetzt mitkommen und du wirst mir antworten. Glaub mir du möchtest meinen Zorn nicht erleben."

Draco bemerkte wie seine Mutter etwas blasser wurde und als sie nickte, ließ er sie mit einem Ruck los.

„Wie redest du denn mit deiner Mutter", echauffierte sich Bellatrix die ebenfalls aufgestanden war.

„Das sind Malfoy Familienangelegenheiten. Du bist keine Malfoy also halte dich da raus", sagte Draco und warf ihr einen düsteren Blick zu. Bellatrix Rolle in dieser Misere war ihm vollkommen egal. Es spielte keine Rolle, da Bellatrix keine Rolle spielte. Sie war zwar seine Tante, aber sie war die meiste Zeit seines Lebens in Askaban gewesen und wenn er ehrlich war, hätte er auch nichts dagegen, wenn sie wieder dorthin verschwand.

„Ich bin deine Tante. Wenn der Dunkle Lord davon erfährt, wie dreist du dich hier aufführst dann-", keife Bellatrix doch Draco machte eine schneidende Bewegung mit der Hand und unterbrach sie.

„Dann renne zu ihm. Renne zu ihm und sag, dass dein Neffe dich in seinem Haus auf deinen Platz verwiesen hat und ich bin mir sicher, Tante Bella, er wird dich auslachen über die Naivität und Nichtigkeit mit der du seine Zeit verschwendest."

Bellatrix sah ihn fassungslos an und Draco kam seiner Mutter sein Zeichen ihm zu folgen. Draco ging voran und hörte die Schritte seiner Mutter die ihm folgten. In der Tür blieb er stehen und bemerkte, dass sie noch einmal unsicher einen Blick zu ihrer Schwester warf.

„Mutter", sagte er streng und sie beeilte sich ihm zu folgen.

Draco führte sie die Treppe ins obere Stockwerk bis in das Büro seines Vaters. Dort verschloss er die Tür und sicherte sie magisch ab, bevor er sich an den Schreibtisch lehnte und seine Arme verschränkte. Er musterte seine Mutter eindringlich. So als würde ihr Anblick allein ihm seine Fragen beantworten. Doch sie sah aus wie immer. So wie sie seit Jahren aussah. Schön, würdevoll und erhaben. Das war der Eindruck, den sie schon immer auf ihn gemacht hatte.

„Ich hatte eine Unterhaltung mit Magnus", sagte Draco frei heraus und sah sofort die Empörung auf dem Gesicht seiner Mutter.

„Er ist verstoßen! Du darfst nicht mit ihm reden. Es ist verboten!", fauchte sie aufgebracht und stemmte die Hände in die Hüften.

„In der linearen Zeit vielleicht. Aber ich bin hier in einer Zeitschleife. Es gibt keine Gesetze innerhalb einer Zeitschleife. Jedenfalls", fuhr Draco ungerührt fort, „hat er mir von Melinda Summer erzählt.

„Draco hör nicht auf Magnus ich weiß nicht, was er sich ausgedacht hat", sagte seine Mutter aber Draco bemerkte genau ihre Verunsicherung.

„Er hat mir erzählt, dass diese muggelstämmige Aurorin eine Beziehung mit meinem Vater hatte."

„Es war in der Schule Draco. Lucius hat eingesehen, dass sie Wertlos ist. Lass dich da nur nicht verunsichern."

„Ich bin nicht verunsichert. Ich möchte nur etwas wissen. Eine einzige Sache", sagte Draco und musterte sie eindringlich. „Als du Melindas Platz eingenommen hast, um den Moment ihres Verschwindens zu kaschieren, wusstest du, das Vater sie ermorden würde?"

Die Lippen seiner Mutter zuckten und Draco konnte fast auf ihrem Gesicht lesen, wie sie ihre nächsten Worte abwog. Sie wie sie versuchte herauszufinden was er wusste und wie viel Wahrheit sie ihm offenbaren musste. Bei Merlin er kannte seine Mutter einfach zu gut.

„Nicht damals", sagte sie schließlich. „Bella bat mich ihr zu helfen dieses Mädchen zum Dunklen Lord zu bringen und ich sah keinen Grund es nicht zu tun. Ich weiß, du findest es sicher furchtbar, dass dein Vater sie getötet hat, Draco. Aber sie war der Feind. Er hat nur richtig und ehrenvoll gehandelt. Verurteile ihn nicht dafür. Sie war ein Schlammblut und jedes Schlammblut ist besser tot."

Draco musterte sie eindringlich und war sich nicht sicher, ob sie log oder nicht.

„Was geschah, als Magnus verstoßen wurde?", fragte Draco weiter.

„Ich weiß es nicht, Draco. Dein Vater und Abraxas hatten einen Streit mit Magnus. Und ja, es ging auch um dieses Schlammblutmädchen. Lucius wusste nicht, dass ich mit in ihren Tod verwickelt war und Magnus wollte mich anzeigen. Dein Vater hat mich beschützt. Aber Magnus verrat hat ihn hart getroffen. Er war danach nie wieder ganz der Alte."

Narzissa seufze und Draco sah ihre Niedergeschlagenheit. Sie schien aufrichtig. Sie ließ sich auf einen Stuhl neben dem Schreibtisch nieder und sah auf ihre Hände, bevor sie wieder hochsah.

„Magnus und Lucius waren unzertrennlich trotz der zwei Jahre Altersunterschied. Sie waren das, was Brüder sein sollten. Doch durch den Krieg und unterschiedliche Ansichten haben sie sich immer weiter voneinander entfernt. Bis es zu diesem Bruch kam. Ich verstehe, wie es ist einen geliebten Menschen an falsche Ansichten zu verlieren. Es tut weh. Ich habe versucht deinen Vater durch diese Schwere Zeit zu begleiten, doch er hat niemanden an sich herangelassen."

Draco nickte. Er glaubte ihr. Entweder sie wusste tatsächlich nichts oder sie war eine brillante Lügnerin. Draco war geneigt ersteres eher in Betracht zu ziehen. Sie wusste schließlich auch wenig über die Magie des Dunklen Mals.

„Es hätte nicht so kommen müssen. All das, was unsere Familie auseinandergerissen hat, ist ein verbohrtes eingeengtes Denken. Sollte ich diesen Krieg überleben, werde ich es ändern. Ich werde anpassen, wofür die Malfoys unter den Unantastbaren stehen, denn die Reinblutideale sind nichts, was uns stärker macht. Sie sind nur etwas das uns schwächt."

„Das kannst du doch nicht ernst meinen", brauste Narzissa auf und sah ihn entgeistert an. Draco begegnete ihrem Blick mit Ruhe. Er verschränkte die Arme vor der Brust und stieß die Luft aus.

„Ich sehe es absolut so. In Lacock Abby herrscht Ausnahmezustand. Alle sind verunsichert. Alle Verwandten, die helfen könnten sind verbannt, weil sie abweichende Meinungen haben. Mein Bruder ist in einer Jugendgang zwischen Dogenschmuggel und Konsum gefangen. Wer weiß was aus ihm wird, wenn ich ihn da nicht bald raushole. Der Reinheitsgedanke führt diese Familie in den Untergang. Dezimiert uns effektiver als es der Dunkle Lord vermag."

Draco gab ihr einen Moment die Worte sacken zu lassen, bevor er fortfuhr.

„Sanctimonia vincent Semper, Mutter. Reinheit ist nur eine Interpretation davon. Ich bin gewillt davon Abstand zu nehmen sollte es jemals mir obliegen diese Familie zu führen."

„Du kannst das doch nicht ernst meinen, dass kannst du nicht tun, Draco", erboste sich seine Mutter und stand auf.

„Ich bin absolut dazu in der Lage", bestimmte Draco kalt. „Du hast es mir oft genug gesagt. Ich bin der Erbe dieser Familie. Es ist meine verfluchte Pflicht. Aber in dieser Pflicht habe ich das Recht selbst zu entscheiden, wie ich sie ausüben will. Ich bin kein Hauself!"

„Dein Vater wird das niemals zulassen. Er wird dich verstoßen, bevor du die Familie so verraten kannst."

Doch Draco lachte nur hohl auf.

„Mit Vater werde ich fertig. Ich kenne seine Schwachstelle. Er ist erpressbar auf eine Art, die dir nicht bewusst ist. Weil du ihn nie gekannt hast. Aber ich kenne ihn. Ich verstehe ihn und du hast dafür gesorgt, dass ich ihn nie genug geliebt habe, um ihn mit dem Wissen darum nicht kaltherzig zu erpressen."

„Wovon sprichst du?", wollte sie wissen und Draco grinste siegesgewiss.

„Sag mir Mutter, was war das Hauptargument mit dem Vater sich herauswinden konnte und nach dem Fall des Dunklen Lords vor sechzehn Jahren nicht nach Askaban musste?", fragte er nach und seine Mutter runzelte irritiert die Stirn.

„Sie glaubten ihm, dass er unter dem Imperius Fluch stand", sagte sie.

„Genau. Sie glaubten ihm, weil er vorher für die Aurorenabteilung spioniert hatte."

Ein spöttischer Zug schlich sich um die Mundwinkel seiner Mutter.

„Natürlich hat das jemand für ihn ausgesagt. Dein Vater hat jemanden bezahlt, dass für ihn auszusagen. Die Verhältnisse damals waren sehr chaotisch."

„Magnus hat es behauptet. Das Melinda Summer ihn und Vater dazu überreden wollte zu spionieren. Magnus war zu feige, aber Vater sagte zu. Das war lange bevor ihr geheiratet habt. Damals, als er sie noch geliebt hat. Bevor er ein Todesser wurde."

„Selbst wenn, er hat seine Ansichten geändert. Hat auf den richtigen Weg zurückgefunden."

„Er war ein Spion bis zu dem Tag, als der Dunkle Lord ihn zwang Melinda zu töten. Die Frau die seine Kontaktperson im Aurorenbüro war. Die Person, die er bis zu diesem Moment geliebt hat."

Narzissa schüttelte ungläubig den Kopf.

„Das, was dich und Vater entzweit hat, als er es erfahren hat. Das Wissen wie genau Melinda in die Hände des Dunklen Lords fiel, war nicht Magnus, sondern das war dein Verrat. Weil du daran beteiligt warst, dass er Melinda töten musste um zu überleben. Er hat es dir nie verziehen."

Draco musterte seine Mutter eindringlich und wenn er jemals einen Zweifel an seiner Theorie gehabt hatte, dann verschwand er in dem Moment, als das Gesicht seiner Mutter zu einer Maske erstarrte. Als sie das Verhalten seines Vaters Revue passieren ließ und nur zu einem Möglichen Ergebnis kam, dass er Recht hatte.

„Nein", hauchte sie, aber selbst Draco spürte die Ungläubigkeit in ihrer Stimme. Sie hätte genauso gut „Ja" sagen können.

„Das ist der Grund, warum du nie zu ihm durchdringend konntest nach Magnus verschwinden. Denn es war nicht sein Verrat der Vater gebrochen hat. Es war dein Verrat."

Er gab ihr Zeit, wartete ab, während sie darüber nachdachte. Alle von Vaters Reaktionen abwog, die sie nicht hatte einordnen können. Er wusste nicht genau, was zwischen ihnen beiden alles vorgefallen war. Aber seine Mutter hatte die Entfremdung bemerkt. Sie hatte es selbst zugegeben.

„Ich wusste es nicht, du musst mir glauben", wimmerte sie schließlich und drückte ihre Finger entsetzt gegen ihre Lippen.

„Ich glaube dir", sagte Draco sanft. „Aber es ändert nichts an dem, was geschehen ist."

Er stieß sich vom Schreibtisch ab.

„Es wird eure Ehe nichtmehr kitten und meine Familie nicht wieder zusammenführen. Der Grund, aus dem das alles geschehen konnte, ist dieser Wahnsinn vom reinen Blut. Weil ihr euch da in etwas verrannt habt, aus dem ihr euch hättet raushalten sollen. Ihr habt Hyperion diesem Wahnsinn geopfert und wenn ich mich nicht selbst dort rausziehe, werde auch ich diesem Wahnsinn zum Opfer fallen."

Die Lippen seiner Mutter öffneten sich einen Spalt, als wollte sie etwas sagen, doch Draco fuhr unbeirrt fort.

„Wenn ich kann, werde ich es beenden. Ich weiß nicht, ob du mich noch lieben wirst, wenn ich es tue. Ob du darüber hinwegsehen kannst, weil ich dein Sohn bin."

Sie antwortete nicht sondern sah ihn nur erstarrt an, also fuhr Draco fort.

„Aber es wird nichts daran ändern. Ich kann ohne deine Liebe leben, wenn sie dort endet. Es bedeutet nicht, dass du mir nichts bedeutest."

Seine Mutter reagierte nicht und Draco machte Anstalten zu gehen. Gerade als er die Hand auf die Klinge legte platze sie heraus:

„Tu das nicht, Draco. Dann wäre alles umsonst gewesen. Alles Leid umsonst."

Draco maß seine Mutter mit einem langen Blick.

„Mir ist wichtiger zukünftiges Leid zu verhindern. Ich bin zu jung, um in der Vergangenheit zu leben."

Er öffnete die Tür und sah noch einmal zu seiner Mutter.

„Ich weiß du findest das herzlos, weil ich deine Opfer nicht würdige. Aber es ist nicht die Aufgabe der Nachfolgenden Generationen die Fehler der Älteren zu wiederholen, nur weil sie viel dafür geopfert haben."

Damit verließ Draco das Büro und irgendwie fühlte es sich an, als wäre eine große Last in diesem Raum zurückgeblieben.

Nachwort:

Ich denke nichts offenbart mehr Dracos Charakterentwicklung als diese Szene mit einer Mutter. Sie steht im starken Kontrast zur ersten Szene mit Narzissa Malfoy. Ich denke es passt zu der Malfoy Familie, dass die Verbohrtheit des Reinheitsgedankens von Narzissa kommt. Schließlich ist sie eine Black und für die gilt Toujours Pour.

Draco ist jetzt aus dem, was seine Mutter in ihm sehen will herausgewachsen. Er macht sich frei von ihren Ansichten und riskiert damit ihre Liebe, die ihm so unglaublich wichtig ist.

Ich habe lange darüber nachgedacht, warum Draco in einem Atemzug sagt, dass er glaubt das Regeln nicht für ihn gelten aber im nächsten seinen Eltern gegenüber so hörig ist. Die Antwort darauf hat er Hyperion vor ein paar Kapiteln gegeben. Ich denke durchaus, dass er in der Art wie ihre Familiendynamik gestaltet ist Angst hat auch verstoßen zu werden. Als unwert empfunden zu werden, weshalb er so unendlich viel Mühe da rein gesteckt hat seinen Eltern alles recht zu machen. Von dieser Angst hat er sich befreit. Draco Malfoy wird eines Tages das Oberhaupt der Malfoy Familie. Dazu wurde er erzogen. Aber wie er seine Familie führt und welche Entscheidungen er trifft, auch das obliegt seiner Verantwortung. Draco wendet sich nicht ab, von den Idealen der Familie Malfoy stets der Macht zu folgen, aber er nimmt andere Wege zu diesem Ziel. Dieser Weg lässt Draco weiterhin Draco Malfoy sein, aber mit der Option kein muggelhassender Rassist zu sein. Er verliert nicht seine Identität. Er überdenkt nur sein Wertesystem.

LG

Salarial