KAPITEL 12

Die nächsten Tage vergehen im Flug. Lucy wird zur Beobachtung noch zwei Tag im Krankenhaus behalten. Sie ist dehydriert und hat noch mit den Nachwirkungen ihrer Gehirnerschütterung zu kämpfen. Nach einigen Stunden versucht sie Tim nach Hause zu schicken. Er braucht dringen Schlaf und Ruhe. Die Schussverletzung ist noch nicht ausgeheilt, seine Not-OP und die letzten Tage, die er mit der Suche nach ihr verbracht hat, haben Kraft gekostet. Und als er nicht einmal mehr im Krankenhausstuhl sitzen kann, ohne alle dreißig Sekunden seine Position zu verändern, ist es für Lucy zu viel. Es folgt eine kleine Diskussion, bei der niemand aufgeben will, als Tamara das Krankenhauszimmer betritt, Lucy um den Hals fällt und dann Tim des Stuhles verweist, weil die Girls den Klatsch der letzten Wochen aufholen müssen. Tim versteht, wenn er auf verlorenem Posten ist und macht sich auf den Weg nach Hause. Nicht ohne sich vorher zu versichern, dass er spätestens jede Stunde eine Nachricht von einem der beiden erwartet.

Mit Lucys gesammelten Informationen erfolgt der Zugriff auf das Containerschiff mit der Waffenlieferung. Es kann die gesamte geschmuggelte Ware sichergestellt werden, die Hintermänner werden verhaftet. Es wird noch einiges an Arbeit kosten, aber die Auflösung des Waffenringes ist nur eine Frage von Tagen. Ein voller Erfolg für das FBI und das LAPD.

Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus bringt Tim Lucy zu sich nach Hause. Er hat es beim Einkaufen etwas übertrieben, da er sich nicht entscheiden konnte, was Lucy wohl am liebsten essen will, und so ist der Kühlschrank und die Vorratskammer so gut ausgestatten, wie selten zuvor. Beide haben die nächsten Tage dienstfrei. Es dauert nicht lange, bis sie wieder in ihrem gewohnten Rhythmus fallen. Und dann ist es so, als wären sie nie voneinander getrennt gewesen. Sie gehen mit Kojo lang und ausgiebig spazieren. Schauen gemeinsam Top Chef und auch ein Footballspiel der Rams. Tim versucht ein TikTok-Rezept nachzukochen, mit dem angeblich der beste vegetarische Burger gelingt. Der Burger ist zwar nur mittelmäßig, aber das macht keinem der beiden etwas aus. Und mit dem Verblassen von Lucys Wunden heilen auch langsam die seelischen Narben der beiden. Aber ihnen ist auch klar, dass sie ein Thema meiden. Lucys Undercover-Arbeit. Das Trauma ist noch zu frisch und so vergehen einige Tage, bis es zur Sprache kommt.

Lucy genießt gerade den Sonnenuntergang auf Tims Terrasse. Sie liegt in seiner Gartenmuschel und die Farben, die sich gerade am Himmel zeigen, sind einfach nur eines … fantastisch. Sie hört seine Schritte, obwohl sie leise sind. Er hat eine Decke in seinem Arm und ohne, dass sie Worte brauchen, rückt Lucy ein Stück nach vorne. Wenige Sekunden später ist Tim hinter ihr, sie lehnt sich mit ihrem Hinterkopf gegen seine Schulter. Seine Arme umfassen automatisch ihre Hüften und seine Arme bleiben auf ihrem Bauch liegen. Seine Füße umschlingen die ihren. Gemeinsam schaffen sie es die Decke über sich auszubreiten. Es ist der sicherste Platz der Welt für Lucy. In seinen Armen. Umgeben von seinem Duft, diesem ganz speziellen Tim-Geruch. Sein Atem, der an ihrer Wange vorbeistreicht. Seine Hände, die sie festhalten. Hier könnte sie ihr ganzes Leben lang liegen und nicht mehr aufstehen.

Die Sonne ist nur noch als kleiner Strich am Horizont zu sehen. Der Moment ist perfekt.

„Wunderschön.", flüstert Lucy. Der Sonnenuntergang. Der Augenblick.

„Ja wunderschön." Und damit meint Tim nicht das Farbenspiel am Himmel.

Lucy lächelt. Dieses vollkommen glückliche Lachen, dass nur ihm gilt.

Und dann denkt sie, dass es Zeit ist, das Thema, dass seit Tagen im Raum liegt, anzusprechen. Weil es keinen besseren Moment dafür geben wird.

„Können wir reden?"

Sie spürt Tims Lippen auf ihrer Wange. „Wir müssen nicht reden Lucy. Du solltest keine Entscheidung aus dem Augenblick heraustreffen. Gib dir noch ein paar Tage. Oder Wochen. Solange du brauchst."

Und Lucy weiß nicht, wie sie ihn überhaupt verdient hat. Nach allem, was geschehen ist … nach allem, was sie durchgemacht haben … nach allem, was er durchgemacht hat … drängt er sie zu nichts. Überlässt ihr die Entscheidung. Geht den Weg mit, den sie gehen will. Ihr kommt eine Erinnerung an ein Gespräch mit Isabel.

Und du willst wissen, ob es das wert war? Das kann ich nicht beantworten.

Doch Lucy kann es beantworten. Konnte es schon beantworten, bevor die Operation den Bach runterging. Und es gibt keinen einzigen guten Grund, warum sie noch länger warten sollte, um ihm dies mitzuteilen.

Ihre Stimme ist leise und sie muss damit kämpfen ihre Emotionen zu kontrollieren. „Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie sehr ich dich liebe. Allein nur deshalb dafür, dass du immer hinter mir stehst."

Sie hört, wie er tief die Luft einzieht und spürt, wie seine Finger unter ihr Oberteil wandern und seine Daumen über ihre Haut streichen. Er schweigt. Bereit ihr zuzuhören. Sie das sagen zu lassen, was sie sagen will.

Sie fährt mit leiser Stimme fort. Aus Angst diese angenehme Stille, die um sie herum herrscht zu zerstören. „Als ich dich gefragt habe, ob ich die Operation ablehnen soll, hat sich ein großer Teil von mir gewünscht, dass du ja sagst." Seine Arme drücken sie noch ein bisschen fester an sich. „Erst später ist mir klar geworden, dass das nicht fair war. Ich hätte dir nie diese Entscheidung aufbürden sollen. Du hättest dich immer schuldig gefühlt." Ihre Hände fangen an, an der Innenseite seiner Oberschenkel auf- und abzuwandern. Ihr Daumen ziehen dabei langsame Kreise. „Dass ich deinetwegen auf meine Karriere verzichte. Und wer weiß, vielleicht wäre das immer wie eine ungelöste Frage zwischen uns gestanden." Ihre Hände verharren auf seinen Knien und drücken diese kurz. „Als ich auf dieser Matratze lag, angekettet an ein Ofenrohr und …", sie muss schlucken, weil die Erinnerungen an diese Stunden immer noch zu schwer sind, „… und ich dachte, dass du tot wärst, da war das, was ich am meisten bereut habe, dass ich nicht mutig genug war."

„Lucy du bist einer der mutigsten Menschen, die ich kenne."

„Nein, bin ich nicht. Denn, wenn ich mutig gewesen wäre, hätte ich schon in Greys Büro das getan, was mein Herz tun wollte. Ich hätte die Mission abgelehnt."

Sie dreht sich nun in Tims Armen um. Sie muss ihm in die Augen schauen, damit er versteht.

„Ich habe mir eingeredet, dass ich gehen muss. Weil ich den Platz in Sacramento bekommen habe. Weil das FBI mich wollte. Weil es wichtig für meine Karriere wäre. Weil ich viele Leute enttäuschen würde." Sie nimmt sein Gesicht in ihre Hände. „Aber in Wahrheit ist das alles unwichtig. Ich liebe Undercover. Ja. Ich liebe es wirklich. Und ich will aufsteigen. Ja. Auch das will ich. Aber, was ich mehr als alles andere will, bist du Tim." Sie kann die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie fangen an ihr über Gesicht zu laufen. „Ich will dich. Ich will uns. Ich liebe dich so unendlich und so tief, dass es manchmal wehtut, wenn du nicht da bist." Sie sieht, wie sich in Tims Augen Tränen bilden und sie muss mit sich kämpfen, dass sie auch noch die restlichen Worte herausbringt. Denn sie sind wichtig. „Schon bevor sich alles in Chaos verwandelt hat, stand meine Entscheidung fest, dass ich Langzeit-Undercover nicht mehr machen werde. Und du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich es bereut habe, dass ich dir das nicht mehr sagen konnte. Dass ich dir nicht mehr sagen konnte, dass du für mich das Allerwichtigste auf der Welt bist. Dass ich mich für dich entscheide. Für uns entscheide."

Tim bringt nur ein Schluchzen heraus, dass sich nach Luce anhört und dann drückt er sie so fest an sich, dass ihr fast die Luft wegbleibt. Aber sie weicht nicht zurück, denn sie will nicht, dass dieser Moment endet. Und sie braucht dies genauso wie er.


„Dass ich mich für dich entscheide. Für uns entscheide."

Tim kann die Tränen nicht zurückhalten, die sich in seinen Augen bilden. In seinem ganzen Leben hat sich noch nie jemand für ihn entschieden. Sein Vater hat sich für den Alkohol entschieden. Isabel hat sich für die Drogen entschieden. Rachel für ihre Karriere. Und Ashley. Ashley hat sich für sich selbst entschieden.

Nur Lucy. Nur Lucy entscheidet sich für ihn. Hat sich schon immer für ihn entschieden. Aber jetzt mit einer Deutlichkeit, dass so viele Emotionen auf ihn einprasseln, dass er sie momentan nicht händeln kann. Und so schließt er sie in seine Arme und drückt sie so fest an sich, wie er kann.

Er weiß nicht, wie lange sie in dieser Position verharren. Es könnten Minuten sein, aber auch Stunden. Dann hört er ihre Stimme. „Ich glaub ich brauch Luft."

„Oh. Tut mir leid." Er lässt sie los und dreht sie weiter herum. Lucy schwingt ihre Beine über die seinen und dann sitzt sie in seinem Schoß. Hinter ihr ist nur noch das Schimmer des aufgehenden Mondes und der Sterne zu sehen. Es ist wie ein Bild aus einem Film.

Und dann lächeln sich beide an. Und dann legt Lucy ihre Hände um seine Schultern und lässt ihre Finger durch seine kurzen Haare fahren. Seine Hände wandern zu ihren Hüften. Und dann küsst sie ihn. Langsam, vorsichtig, sinnlich. Mit all ihrer Liebe. Und genauso küsst er sie zurück. Und es vergehen wieder Minuten. Bis beide nach Luft schnappen müssen. Tim legt seine Stirn an Lucys Stirn.

„Gott Luce, du bist der wunderbarste Mensch, den ich kenne."

„Bin ich das?" fragt sie auf diese neckische Lucy-Art. „Was ist denn so wunderbar an mir?"

„Dass du immer das Gute in Jedem siehst. Egal wie gestört machen sind." Und damit lässt er seinen Mund über ihr Tattoo auf ihrem Hals wandern. Ihr entweicht ein leises Stöhnen.

„Dass du allen helfen willst. Egal, wie wenig sie manchmal deine Hilfe verdienen." Seine Hand streift ihr ihr Oberteil von der Schulter und seine federleichten Küsse wandern von ihrem Hals abwärts, an ihrer Schulter entlang und dann ihr Schlüsselbein herab. Lucy legt ihren Kopf leicht in den Nacken.

„Dass du mir jeden Tag zeigst, was diese Welt Schönes zu bieten hat." Seine Hände nehmen ihr Oberteil und ziehen es ihr über den Kopf. Er sieht, dass sie keinen BH trägt und grinst. Seine Hände wandern zu ihren Brüsten und er lässt seine Daumen federleicht über diese streichen. Er sieht, dass sie sofort darauf reagiert. Er hört sie erneut leise stöhnen.

„Dass du aus mir einen besseren Menschen machst." Sein Mund findet den Weg zu ihrer linken Brustwarze und saugt an dieser. Lucys Hände krallen sich in seine Oberarme, so als müsste sie sich an diesen festhalten. Ihr entweicht ein wesentlich lauteres Stöhnen. Dann nimmt er seinen Kopf hoch und schaut ihr direkt in die Augen.

„Dass du immer diese kleinen Geräusche machst, die mich wahnsinnig machen. Dass du so unglaublich fucking schön bist, dass es mir alle Sinne vernebelt und ich nicht mehr geradeaus denken kann." Er sieht, wie sie rot wird. Eines der wunderbaren Dinge an Lucy ist auch, dass sie immer etwas unbedarft ist, was ihr Schönheit angeht.

Es wandert ein Strahlen über Lucys Gesicht und sie legt den Kopf leicht schräg.

„Tim?"

„HHhmmm?"

„Zeig es mir!"

Und er zeigt es ihr.


Danke für's Lesen. Es ist meine erste längere Geschichte. Und ich hoffe, sie ist einigermaßen geworden. Und sie soll die Zeit überbrücken, bis endlich Staffel 6 erscheint.