Jahr 5

Kapitel 8 - Der Auftakt

Aminas Nerven, hingen am vierundzwanzigsten Dezember nur noch am seidenen Faden. Sie hatte in den letzten Wochen ausnahmslos jedes kleinste Liebesdrama mitbekommen. Jedes Glücksgefühl, wenn jemand eine Ballbegleitung gefunden hatte und jede Enttäuschung, wenn der Wunschpartner abgelehnt hatte. Sie hatte keine Lust mehr auf das Ganze. Schon kurz nach der Ankündigung hatte sie ihre Seromentik so weit verstärkt, dass sie mit ihrer Legilimentik nur einen Radius von guten fünfzehn Fuß hatte. Doch es hatte ihr bei Weitem nicht so viel erspart, wie sie sich gewünscht hatte.

Der einzige Lichtblick war, dass Aberforth wohl beschlossen hatte, Severus nicht mehr ganz so zu hassen, wie er es in der Vergangenheit getan hatte. Er hatte auch mehrmals darauf bestanden, dass Severus sie zu ihren Treffen begleitete. Dieser hatte den Aufforderungen auch kein einziges Mal widersprochen oder sich beschwert. Woher dieser plötzliche Friedenswille kam, konnte sich Amina allerdings nicht erklären.

Was sie an diesem Tag aufmunterte, war, dass Severus und sie mit den Weihnachtsexperimenten starten würden. Auf diese freute sie sich schon lange. Dieses Jahr würden sie zwar weniger ausprobieren können wie sonst, aber wenigstens konnten sie etwas tun.

„Kannst du mir die Vipern-Zähne geben?", fragte Amina und streckte die Hand aus, ohne hinzusehen. Wortlos reichte Severus ihr die Zähne, während sie mit der anderen, nicht ausgestreckten Hand, das Gebräu vor ihr umrührte. „Danke.", sagte sie und verarbeitete die Zähne zu einem feinen Pulver. Plötzlich zuckte Severus neben ihr zusammen und stöhnte schmerzerfüllt auf. Amina sah ihn besorgt an. „Was hast du?", fragte sie. „Das Mal. Es brennt.", stöhnte er und hielt sich den Unterarm. „Zeig mal her." Amina wandte sich von dem Kessel ab, schnappte sich seinen Arm und begann die Knöpfe an seinem Ärmel mit flinken Fingern zu öffnen. Dann schob sie den Ärmel hoch.

Das Mal war gerötet und bewegte sich leicht. „Er ruft euch nicht, oder? Er macht das absichtlich." Severus nickte und lehnte sich angestrengt an den Tisch. Amina ließ den Arm los und fing ihren Zauberstab. Diesen richtete sie auf ihre Hosentasche mit den fertigen Tränken und Gegenständen. Eine Salbe schoss heraus. „Was ist das?", fragte der Schwarzhaarige sie, als sie anfing, die Salbe auf das Mal aufzutragen. „Eine Salbe, die hoffentlich den Schmerz ein wenig lindert und die Rötung verschwinden lässt. Sie ist eigentlich für Fluch- und andere Hautreizungen.", erklärte sie und schaute zufrieden dabei zu, wie die gerötete Haut sich normalisierte.

Erlöst seufzte Severus auf. „Was würde ich nur ohne dich tun?", fragte er mit einem warmen Funkeln in den Augen. „Vermutlich Schmerzen erleiden.", sagte sie trocken und packte die Salbe wieder weg. Er schmunzelte belustigt und küsste sie kurz auf die Stirn. Sie richtete seinen Ärmel wieder und knöpfte gewissenhaft seinen Gehrock wieder zu. Dann küsste sie einmal kurz die Stelle seiner Kleidung, an der das Dunkle Mal liegen musste. „Lass uns weiter machen, wie haben noch ein paar Experimente vor uns.", sagte sie.

Er nickte und hatte sich gerade zu der Arbeitsfläche umgedreht, als von draußen ein Poltern zu hören war. „Professor Moody, wissen Sie, wo Snape ist?", fragte die aufgebrachte Stimme von Karkaroff. Amina sah alarmiert zu Severus. In seinem Gesicht lag ebenfalls ein Ausdruck der Überraschung. Sofort weitete Amina ihre Legilimentik aus. Tatsächlich standen der Schulleiter Durmstrangs und der Verteidigungslehrer direkt neben der Tür des Alchemie-Klassenzimmers. Von Alastor war kein Gefühl wahrzunehmen, während Karkaroff pure Panik ausstrahlte. „Nein, hab ihn nich gesehen.", hörten sie die Stimme des Ex-Aurors sagen. „Er muss uns beobachtet haben.", zischte Amina. „Sie stehen direkt vor der Tür. Karkaroff hat Panik.", informierte sie Severus. „Verflucht.", flüsterte der Tränkemeister.

Bis zum nächsten Tag waren sie sowohl Karkaroff als auch Alastor aus dem Weg gegangen. Durch ihren Aufenthalt in dem Klassenzimmer war dies auch kein größeres Problem. Gegen achtzehn Uhr beendeten sie ihre Experimente. Amina wollte sich für den Abend fertig machen und da sich die Lehrkräfte schon gegen halb acht in der Großen Halle trafen, wollte sie sich nicht hetzen müssen. Severus hatte sie damit aufgezogen, dass sie zweieinhalb Stunden einplante, um sich für den Ball fertigzumachen, doch sie war nicht auf seine Sticheleien eingegangen.

Pünktlich um halb acht betrat sie dann die Große Halle. Sie hatte tatsächlich deutlich mehr Zeit eingeplant, als sie gebraucht hatte. Sie trug ein schwarzes knielanges Kleid mit V-Ausschnitt. Dazu die silberne Kette mit grünem Stein, welche Severus ihr Mal zu Weihnachten geschenkt hatte. Ihre Haare hatte sie hochgesteckt. Lediglich die geflochtene Strähne auf ihrer linken Kopfseite viel ihr noch über die Schulter. Über dem Kleid trug sie einen dunkelgrauen Festumhang, welcher um den Hals gebunden war, sodass ihr Kleid und die Kette zu sehen waren. Ihre Füße waren wie immer nackt. Doch sie hatte sie mit aufwendigen grünen Mustern verziert, die bis über die Knöchel gingen. Das grün passte zu ihrer Kette.

Es waren bereits einige aus dem Kollegium da, doch Severus fehlte noch. Auch die drei Schulleitenden konnte sie nirgends entdecken. „Amina, Sie sehen umwerfend aus.", sagte Charity, die ihr entgegenstrahlte. „Danke Charity. Sie auch.", antwortete ihr Amina. Die Muggelkundelehrerin hatte einen blauen Festumhang an und ihre Haare waren zu einem strengen Dutt gebunden.

Amina besah sich die Halle. Sie war mit unzähligen Eiszapfen geschmückt worden. Alles war in eisige Farben getaucht. Sie fand es wunderschön. „Filius, Sie haben ganze Arbeit geleistet. Haben Sie das alles heute Nachmittag gemacht?", lobte Amina ihren kleinen Kollegen. Dieser strahlte sie an und nickte eifrig.

„Oh ja, die Hauselfen haben mir geholfen. Die Feen waren begeistert, als ich sie fragte, ob sie die Deko für diesen Abend sein wollen.", erklärte er ihr. „Das kann ich mir gut vorstellen. Für eine Fee muss es eine Ehre sein, bei dem Weihnachtsball des Trimagischen Turniers die Dekoration zu sein.", stimmte Amina ihm zu. Sie wusste, dass Feen sehr eitel waren und sich bestimmt gefreut hatten sich als Dekoration anzubieten, doch so viele hatte sie in Hogwarts noch nie gesehen, wie an diesem Abend. „Sie sollten mal die Feen auf dem Gelände sehen! Das sind bestimmt Tausende.", mischte sich auch Bathsheda in die Unterhaltung ein. „Oh, ja. Das kommt gut hin.", bestätigte Filius stolz. An ihn war ein Dekorateur verloren gegangen.

„Amina, du siehst großartig aus!", hörte sie plötzlich die Stimme ihres Urgroßonkels, welcher mit Severus, Ludo Bagman und Percy Weasley zusammen die Halle betrat. Er war selbst in einen silberweißen Umhang gekleidet mit passendem Hut. „Danke, Albus.", bedankte sie sich und sah ihm dabei in seine leuchtend blauen Augen.

Dann bemerkte sie eine Welle der Zuneigung. Diese ging von Severus aus. Sie blickte zu ihm. Seine schwarzen Augen musterten sie genau. Er hatte seinen üblichen Gehrock und Umhang gegen einen etwas längeren festlicheren Gehrock getauscht. Ebenfalls in Schwarz. Es stand ihm, auch wenn er kaum anders aussah als sonst. Sie schickte ihm ihre Gefühle zu. Zufrieden wandte er seinen Blick ab.

Albus unterhielt sich mit den Ministeriumsangestellten und machte auch den anderen Lehrkräften hin und wieder Komplimente. Amina hörte derweil weiter der Unterhaltung zwischen Bathsheda und Filius zu, welcher sich inzwischen auch Aurora angeschlossen hatte. Kurz vor acht kam dann Alastor an. Er trug einen Kilt und hatte sich augenscheinlich herausgeputzt. Zumindest für seine Verhältnisse. Karkaroff kam eine Minute nach ihm.

Lediglich Minerva fehlte noch und diese war bei den Schülern vor der Großen Halle. Die Lehrkräfte und Geladenen stellten sich an die entsprechenden Tische. Amina würde mit Hagrid, Severus, Charity, Minerva, Aurora und Poppy an einem Tisch sitzen.

Die Tür ging auf und die Schülerschaft strömte in die Halle. Amina war froh, dass sie ihren Legilimentik-Radius möglichst klein hielt. Die Lernenden waren noch aufgewühlter als am ersten Schultag und das sollte was heißen. Nachdem alle in der Halle waren, setzten sich auch die Lehrkräfte. Amina musterte die Teenager. Sie hatten sich alle herausgeputzt. Vor allem die Mädchen schienen allesamt Stunden damit verbracht zu haben, sich vorzubereiten.

Sie selbst hatte zwar auch einige Zeit gebraucht, trotzdem hatte sie gänzlich auf Make-up verzichtet und auch auf sonstige Kosmetik-Zauber. Ihre Füße waren das Einzige, was sie bearbeitet hatte. Alles in Handarbeit, weshalb sie auch so lange gebraucht hatte.

Das Essen war, im Prinzip, wie immer. Doch die Art, wie es auf den Teller kam, faszinierte Amina. Die Hauselfen hatten bestimmt einiges mit den vielen Bestellungen zu tun.

Nach dem Essen wurden die Tische beiseite geräumt und eine Band betrat die Bühne. Amina musterte sie. Die Lernenden und sogar einige aus dem Kollegium schienen begeistert. „Sind die berühmt?", fragte Amina Severus, welcher direkt neben ihr am Rand der Halle stand. „Ja. Das sind die Schwestern des Schicksals.", erklärte er ungerührt. „Das sind doch fast alles ehemalige Schüler von uns, die in den letzten Jahren ihren Abschluss gemacht haben. Wann sind die den berühmt geworden?" Amina zog eine Augenbraue hoch. Severus zuckte mit den Schultern. Sein Interesse schien sich in Grenzen zu halten.

Nach und nach schlossen sich immer mehr Tanzpaare an. Amina bemerkte, wie Severus immer wieder zu ihr sah und dann schnell wieder weg, wenn sie zu ihm blickte. Sie schmunzelte. „Du musst mich nicht zum Tanz auffordern. Ich kann ganz gut darauf verzichten.", erlöste sie ihn dann. Er atmete erleichtert aus. „Erschreckend, wie gut du mich kennst. Jede andere Frau wäre jetzt beleidigt.", sagte er. „Ich bin froh, dass wir uns in solchen Dingen einig sind.", antwortete sie und musterte kritisch die dämlich vor sich hin lächelnden Teenager. „Ich auch.", stimmte Severus ihr zu. Ein angenehmes Schweigen machte sich zwischen ihnen breit.