„Das Dorf der Dunedaín" (15.12.)
Der Morgen erwachte mit einem strahlend blauen Himmel und die Sonne ließ den frisch gefallenen Schnee vom Vortag funkeln. Die Luft war kalt, aber frisch und klar. Aragorn war mit den ersten Strahlen der Sonne erwacht und fühlte sich ausgeruht und erholt. Er hätte viel darum gegeben, die Erfüllung seiner Pflichten noch einen weiteren Tag aufzuschieben, doch die Kunde von seiner Rückkehr hatte sich längst im Lager verbreitet. Es klopfte an der Türe und Halbarad steckte seinen Kopf in das Zimmer, um sich wahrscheinlich zu vergewissern, dass Aragorn sich nicht heimlich aus dem Fenster auf und davon gemacht hatte. Dieser grinste, als er seines Freundes ansichtig wurde.
„Mach nicht so ein verdrießliches Gesicht. So schlimm wird es schon nicht werden." Halbarad nahm ihn in Augenschein. „Bereit?" „Fast."
Aragorn nahm Dolch- und Schwertgurt und legte ihn sich um. Als er die Schließe festgezogen hatte, wollte er Halbarad schon folgen, als dieser ihn aufhielt. „Du hast etwas vergessen."
Sein Freund deutete auf seine Hand und als Aragorn dessen Blick folgte, sah er das Funkeln von Barahirs Ring in der Sonne. Bedächtig hob er die linke Hand. „Danke, Hal. Ich hätte es tatsächlich vergessen." Mit dem Daumen drehte er den breiten Reif so weit, dass die Schlangen und der Stein vor aller Augen verborgen waren. Jetzt war es nur ein schlichter, silberner Ring, der seinen Zeigefinger zierte. Und so machte er sich, erfüllt von gemischten Gefühlen, gemeinsam mit Halbarad und Serothlain auf den Weg zum großen Platz, dem Mittelpunkt der Siedlung. Mehrere Feuerstellen umgaben die freie Fläche und an jeder hatten sich bereits die Gruppen der Männer versammelt. Als sie Aragorn erblickten, neigten diese beinahe in einer gemeinsamen Bewegung ihre Häupter und führten ihre rechte Faust zur Brust. Ein Schauer lief über Aragorns Rücken. Er kannte fast jeden dieser Männer, hatte die meisten bereits auf ihren Patrouillen begleitet und in den zurückliegenden Jahren an deren Seite gekämpft. Und er hatte auch schon etliche von deren Verletzungen und Wunden versorgt oder auch die Krankheiten von deren Familienmitgliedern geheilt. Nur wenige waren zu jung, um mit ihm bereits in einen Kampf gezogen zu sein und er war zu oft und zu lange fort gewesen, dass sie sich noch an ihn erinnerten. Doch bei jenen, die sich erinnerten, waren es die gemeinsamen Erlebnisse, auf denen deren Respekt und Anerkennung beruhten und was ihn neben dem Blut der Númenor zu ihrem Anführer gemacht hatte. Nur Halbarad und Serothlain wussten wer sein Vater gewesen war und sie behielten seinen wahren Namen für sich. Selbst ihre Frauen kannten diesen nicht. Es war deren bestgehütetes Geheimnis zum Schutz seines Lebens. Und auch zum Schutze des Dorfes. Aragorns schlechtes Gewissen regte sich. Er konnte es noch so sehr abstreiten, sich selbst noch so viele plausible Gründe nennen, warum es so bitter nötig war, seine Abstammung vor den Männern zu verschweigen. Er log diese Krieger an und machte ihnen etwas vor. Halbarad und Serothlain würden ihm gehörig den Kopf zurechtrücken, wenn sie wüssten, was ihm gerade durch den Kopf ging. Unzählige Male war er schon in Versuchung gewesen, es den Waldläufern zu offenbaren, doch seine Vettern hatten ihn immer davon abgehalten. Und wenn er ehrlich war, fürchtete er sich auch vor dem, was geschehen würde, wenn die Männer erfahren würden, wer er war.
Aragorn riss sich zusammen und erwiderte den respektvollen Gruß in die Runde und nahm Stellung unter der großen Eiche, die am Rande des Platzes stand. Seine Vettern stellten sich links und rechts an seine Seite.
Und so eröffnete Aragorn den Rat, hörte sich die Berichte über die vergangenen Monate an und versuchte sich ein Bild darüber zu machen, was in seiner Abwesenheit im Dorf und über die Grenzen hinaus geschehen war.
Die Waldläufer hatten es vermocht, die Grenzen des Auenlandes erfolgreich zu schützen, doch die Horden der Orks und dunklen Geschöpfe hatten zugenommen. Immer häufiger und weiter wagten sich die Kreaturen vor und schienen ihre Furcht vor den geübten Kriegern mehr und mehr zu verlieren. Auch die Siedlung der Dunedaín war vermehrt in den Blick der Diener Saurons gefallen, doch den Waldläufern war es bisher gelungen, diese zu schützen. Aragorn versuchte, sich seine Sorge ob dieser Nachrichten nicht allzu sehr anmerken zu lassen. „Wann wurde das Dorf das letzte Mal angegriffen?", fragte er Haleth, der gerade gesprochen hatte. „Es sind zwei Wochen vergangen, Herr. Selbst der starke Schneefall hat die Orks nicht davon abgehalten. Im Gegenteil. Der Himmel wird von den schweren Wolken verdunkelt und so warten sie nicht einmal mehr bis zum Einbruch der Nacht. Selbst am Tag ist man vor ihnen nicht sicher." Ein bitteres Lächeln trat auf Aragorns Züge. „Diese Erfahrung musste ich leider auch machen. Auf der Ebene verhält es sich nicht anders. Überall läuft man Gefahr, unvorhergesehen verstreuten Gruppen von ihnen über den Weg zu laufen. Im Landesinneren sind es nicht viele, doch es werden mehr. Der Schatten Saurons wird länger…" Hinter sich konnte er spüren, wie Halbarad sich regte. Diesem gefielen die Neuigkeiten nicht weniger, als allen übrigen, doch die Vorstellung, dass Aragorn sich dem allein gegenüber gesehen hatte, weckte selbst jetzt noch seine Schuldgefühle. Er hätte nie zulassen dürfen, dass sich dieser sich erneut ohne ihn auf die Suche ins Nebelgebirge begeben hatte. „Wir werden die Zahl der Männer erhöhen, die sich an den Wachposten aufhalten. Jeder Mann soll sich außerdem jederzeit bereit halten, um im Fall eines Angriffs zur Unterstützung herbei eilen zu können", entschied Aragorn. „Und wir sollten dafür sorgen, dass uns die Pfeile nicht ausgehen." Zustimmendes Nicken erfüllte die Reihen. Die Frauen und Kinder würden noch heute beginnen, sich in ihre Stuben zu setzen und die Pfeile aus Gänsefedern und Zweigen zu fertigen. Es war ihr Beitrag, ihre Väter, Männer und Söhne zu unterstützen. Serothlain trat ein Stück vor. „Ich werde mich darum kümmern, die Männer neu einzuteilen, Streicher. Noch heute Mittag werden die Posten zahlreicher bemannt sein." Aragorn warf ihm einen durchdringenden Blick zu. Er wusste, was er nun sagen würde, würde Hal und ihm nicht gefallen. „Ich werde mich selbst davon überzeugen. Heute Nachmittag werde ich an den Grenzen entlang reiten und mir ein genaues Bild machen. Ab Morgen werde ich selbst einen Dienst übernehmen."
Was auch immer Serothlain bei diesen Worten durch den Kopf ging – er war klug genug den Mund zu halten, doch sein Nicken fiel knapp aus und er warf seinem Bruder einen raschen Blick zu. Doch für Aragorn war dieses Thema vorerst beendet und er forderte mit einer Geste, mehr über die Ereignisse in seiner Abwesenheit zu erfahren.
In diesem Winter waren die Bewohner des Dorfes größtenteils von Hunger und Krankheit verschont geblieben und nur wenige waren an Altersschwäche gestorben. Die Dorfgemeinschaft war gewachsen, da Kinder geboren worden waren und es hatten mehrere Eheschließungen stattgefunden. Alles in allem waren es mehr gute als schlechte Neuigkeiten, die Aragorn vernahm, doch der Morgen verstrich und auch der große Teil des Mittags und frühen Nachmittags, bis sich die Versammlung langsam aufzulösen begann.
Als sich auch der letzte der Männer verabschiedet hatte und Aragorn sich mit seinen Vettern alleine wusste, fuhr er sich in einer müden Geste mit der Hand über das Gesicht.
„Wie zahlreich sind die Spuren der Orkhorden, Serothlain? Und wie weit wagen sie sich tatsächlich an die Grenzen und Siedlungen heran?" Serothlain zuckte mit den Schultern. „Vor vier Wochen erspähten wir eine kleine Horde in den felsigen Hügeln im Norden. Es waren nicht mehr als zwei Dutzend und wir konnten viele von ihnen töten. Der Rest flüchtete und streunte vereinzelt durch die Höhen. Aber selbst jene wurden größtenteils aufgespürt und vernichtet." Aragorn entging nicht der kurze Blickwechsel, den die Brüder miteinander tauschten und er vermutete zutreffend. „Aber es war nicht der einzige Zwischenfall dieser Art, oder? Es werden mehr…"
Halbarad nickte. „Wie Haleth bereits sagte. Vor zwei Wochen griffen sie uns ganz offen an. Ich bezweifle, dass dies das letzte Mal gewesen sein wird. Bist du sicher, dass du dich den Wachposten anschließen willst? Aragorn. Wir können nicht riskieren…" Aragorn unterbrach ihn scharf. „Du vergisst deine Vorsicht, Hal. Du solltest, selbst wenn wir allein sind, nicht diesen Namen benutzen. Die Späher des Feindes sind überall." Halbarad errötete und Serothlain sah sich um, doch sie waren allein. Aragorn seufzte und wandte sich dann in Richtung seiner eigenen Behausung. Er musste seine Vettern nicht auffordern ihn zu begleiten. Sie folgten ihm durch die Gassen, doch die Stimmung zwischen ihnen war schweigsam und angespannt. Schließlich gelangten sie an Aragorns Hütte. Alle drei Männer zuckten zusammen, als sich ein kleiner Schwarm Krähen krächzend vom Dach erhob und sich in Richtung Norden entfernte. Halbarad machte ein flüchtiges Abwehrzeichen. Aragorn versuchte dies zu ignorieren und stemmte sich mit der Schulter gegen das dicke Holz seiner Türe, die daraufhin mit einem leisen Knarzen nachgab und er betrat den dahinter liegenden Raum.
Durch die geschlossenen Läden fielen vereinzelte Strahlen der sinkenden Sonne, in denen feine Staubkörner tanzten. Doch das Licht reichte aus, um die einzelnen Möbelstücke zu erkennen. In der Nische neben dem Kamin befand sich sein Bett, auf dem ordentlich gefaltete Decken, wärmende Felle und einige Kissen lagen. Davor an der Wand stand eine wuchtige Truhe, die Aragorns Kleidung und seinen spärlichen, persönlichen Besitz beherbergte. Ein alter, verschlissener Sessel nahm den Platz vor der Feuerstelle ein und Halbarad hatte keine Schwierigkeiten damit, sich den Besitzer des Hauses vor Augen zu rufen, der darin saß und von dem Buch aufsah, in dem er gerade gelesen hatte.
Der vordere Teil des Raumes, gleich vor dem Fenster, wurde von einem Tisch mit Stühlen und einer langen Bank beherrscht und an der Wand daneben wurde eine Anrichte von Kerzen und Büchern bedeckt. Auf der rechten Seite des Kamins führte eine Türe in das hintere Zimmer des kleinen Hauses. Dieses beherbergte Aragorns Behandlungsraum, der mit einem Kohlebecken, einer weiteren, einfachen Lagerstätte, einem großen Tisch und Regalen mit der beachtlichen Sammlung von Heilkräutern, Tränken und Verbandsmaterial bestückt war. Auch hier im Hauptraum hingen Bündel mit getrockneten Kräutern von der Decke und deren schwacher Duft mischte sich mit dem nach erkaltetem Feuer, Büchern, Staub und dem fast verflogenen Hauch von Pfeifenkraut. Aragorn nahm einen tiefen Atemzug und während Serothlain die Läden der Fenster öffnete, machte er sich daran, Holz im Kamin aufzuschichten und es zu entzünden. Licht und Wärme breiteten sich aus und nachdem Aragorn weitere Kerzen entzündet hatte, verbreitete sich das Gefühl von Gemütlichkeit.
Halbarad und Serothlain zogen sich Stühle in die Nähe des Feuers und Aragorn ließ sich in den Sessel fallen, sodass der Staub daraus aufwirbelte. Er rümpfte die Nase. Er hätte nach seiner langen Abwesenheit damit rechnen müssen! Fast alles war schließlich mit einer dünnen Staubschicht bedeckt und in den Ecken hatte er Spinnweben entdeckt. „Hätten wir geahnt das du kommst, hätten wir das Haus vorher hergerichtet", beeilte sich Halbarad zu sagen, doch Aragorn führte eine vage Geste mit der Hand aus. „Ich werde mich selbst morgen darum kümmern. Ich muss ohnehin den Bestand meiner Kräuter prüfen. Bestimmt sind etliche davon verdorben." Serothlain nickte verstehend, doch Aragorn sah ihm an, dass er sich nicht sonderlich für dieses Problem interessierte. Wie es dessen Art war, kam er auch gleich auf ein anderes Thema zu sprechen. „Es hat dich nicht sonderlich überrascht, dass sich die Orks so nah an unsere Siedlung herangewagt haben. Und verzeih mir meine Offenheit, aber du trägst die deutlichen Spuren von nicht wenigen Kämpfen mit diesen Monstern an dir, um mir zu zeigen, dass deren Zahl im Gebirge ebenfalls stark zugenommen hat. Was hast du zu berichten, Streicher? Wie steht es um unsere Lande? Und was ist mit deiner Suche nach dieser anderen scheußlichen Kreatur, auf die dich Gandalf gesandt hat?"
In seiner Stimme schwang ein gewisser Vorwurf gegen den Zauberer mit, der deutlich machte, was er davon hielt Aragorn wissentlich einer solchen Gefahr ausgesetzt zu haben. Doch er war nicht dumm. Dass Gandalf niemand anderen damit beauftragt hatte, offenbarte, dass es sich um eine verdammt wichtige Angelegenheit handeln musste, die das Schicksal von ihnen allen bestimmen konnte.
Aragorn bedachte ihn mit einem langen Blick, bevor er ihm eine Antwort gab. „Du hast recht, Serothlain. Es überrascht mich nicht. Und gefallen tut es mir noch viel weniger. Im Gebirge mag ich mir die große Zahl der Horden noch erklären können, doch dass sie sich bereits so weit in die Ebenen wagen, ist kein gutes Zeichen."
Er ließ unausgesprochen, welche Vermutung nahe lag, warum die Orks ausgerechnet hier aufgetaucht waren. „Ich musste die Suche nach Gollum vorerst beenden, weil es beinahe unmöglich war, noch ein Versteck oder einen Unterschlupf in der Nacht zu finden. Orks mögen dumm sein, doch sie besitzen feine Sinne und spüren ihre Opfer rasch auf, wenn sie diese einmal gewittert haben." Ein Schatten huschte über seine Züge und er rieb sich eine Stelle an der Seite, an der Halbarad gestern deutlich die Spuren einer verheilenden Schwertwunde gesehen hatte. Er spürte, wie ihn Zorn und Selbstvorwürfe von Neuem erfassten. „Doch je weiter ich das Gebirge hinter mir ließ, desto weniger Spuren waren von Orks zu sehen. Was nicht bedeutet, dass es nicht andere Schergen Saurons gibt, die weniger gefährlich sind. Ich fürchte, es wird nicht mehr lange dauern, bis dieser erneut versuchen wird, die Macht zu ergreifen und alle Völker Mittelerdes zu unterdrücken."
„Was gedenken Gandalf und sein Weißer Rat dagegen zu unternehmen?", brauste Serothlain auf. „Gandalf streift durch die Lande, Saruman versteckt sich untätig in seinem Turm, während unsere Männer…" Halbarad legte seinem Bruder beschwichtigend eine Hand auf den Arm. „Ich habe Gandalf auf meinem Rückweg in Bree getroffen. Er wird so rasch wie möglich dem Rat darüber Bericht erstatten. Er hat mich gebeten, mit den Waldläufern die Grenzen des Auenlandes stärker zu schützen und ihm umgehend Nachricht zu schicken, sollten dort dunkle Gestalten auftauchen und den Frieden bedrohen."
Serothlain schnaubte verächtlich. „Und du wirst dieser Bitte Folge leisten, nehme ich an. Und was wird unser Dank dafür sein? Dass die Halblinge uns weiterhin mit Verachtung und Misstrauen begegnen und beleidigen, sobald sie einen von uns zu Gesicht bekommen? Du selbst hast es schon zu spüren bekommen, Streicher. Ich erinnere mich daran, wie du einem wandernden, kranken Hobbit auf dem Grünweg geholfen hast und wie hat er es dir vergolten? Er hat dich beschuldigt, ihn anschließend bestohlen zu haben und die Stadtwache auf dich gehetzt." Aragorn erinnerte sich nur zu gut daran, denn immerhin war ihm daraufhin das Betreten von Bree verweigert worden und er hatte die Nacht im strömendem Regen zusammengekauert vor der Stadtmauer verbringen müssen.
Es bedrückte ihn, dass er seinen beiden Freunden nicht anvertrauen konnte, warum es so wichtig war, das Auenland zu bewachen und zu beschützen. Er vertraute Halbarad und Serothlain, doch zu viel Wissen bedeutete auch Gefahr. Er mochte sich nicht vorstellen, was den beiden Männern geschehen würde, wenn sie mit solchen Kenntnissen in die Hände des Feindes gerieten. Rasch verdrängte er diese schrecklichen Gedanken.
„Gandalf hat seine Gründe, Serothlain und es liegt nicht in deinem Ermessen, darüber zu urteilen", entgegnete er nur, doch seine Tonlage machte deutlich, dass er weder Widerspruch, noch weitere Zweifel an der Notwendigkeit zuließ. Verärgert erhob sich sein Vetter.
„Streicher. Ich zweifle nicht an den Gründen, aber wenn ich mich recht entsinne, weiß auch er, wer du bist. Es kann wohl nicht in seinem Sinne sein, dass dir etwas zustößt. Wir sollten deshalb dafür Sorge tragen, dass auch diese Grenzen sicher sind." „Sie werden sicherer sein, wenn ich das Dorf wieder verlassen habe", entgegnete Aragorn schlicht. Die Reaktion kam ohne Verzögerung. „Bitte was? Du bist gerade erst eingetroffen! Und verzeih mir meine Offenheit, aber so wie du aussiehst, bräuchte es gerade noch nicht einmal eine Handvoll Orks, um Sauron einen riesigen Gefallen zu tun. Ich bin mir sicher, dass die Söhne Elronds dir diesbezüglich auch einiges zu sagen hätten!"
Von einem Moment auf den nächsten versteinerte Aragorns Gesicht. „Nun, die Söhne Elronds sind nicht hier, Ser, also können sie mir diesbezüglich auch keinen Ratschlag erteilen. Mein Entschluss steht fest. Spätestens im Frühjahr werde ich das Dorf wieder verlassen." Der Waldläufer stieß ein missbilligendes Schnaufen aus. „Dann entschuldigt mich, Hauptmann. Es gibt noch genug Dinge, die meiner Aufmerksamkeit bedürfen, die sich in meinem Ermessen befinden." Ohne ein weiteres Wort abzuwarten, wandte er sich ab und war schon zur Türe heraus, bevor Aragorn reagieren konnte. Halbarad stand ebenfalls auf. „Nimm es ihm nicht übel, Streicher. Er macht sich Sorgen um die Männer… Aber vor allem um dich." Er klopfte seinem Hauptmann aufmunternd auf die Schulter und folgte seinem Bruder. Aragorn blieb allein in seinen vier Wänden mit seinen Gedanken zurück.
Langsam ließ Aragorn seinen Atem entweichen und hob seine Hand, an der er Barahirs Ring trug. Er starrte auf den Ring, der in Schein des Feuers rot schimmerte. Zahlreiche Emotionen durchströmten ihn, als er sich daran erinnerte, wie er diesen von Elrond erhalten hatte. Aber auch, wenn er daran dachte, wer dieses Kleinod bereits getragen hatte und welches Erbe er mit sich brachte. Er ballte die Hand zur Faust und umschloss so den grünen Stein. Vielleicht wäre es klüger, den Ring abzunehmen, doch er befand sich auch dort, wo er hingehörte. Ebenso gut hätte man von ihm verlangen können, sich die ganze Hand abzuschlagen. Er ließ die Hand zurück auf sein Knie sinken, lehnte den Kopf gegen die Rückenlehne des Sessels und schloss die Augen. Den Ring zu verbergen würde nicht helfen. Es war das Blut in seinen Adern, das dem Feind seine wahre Herkunft offenbaren würde.
