Jahr 5
Kapitel 11 - Das Geschenk
Der Januar fing ruhig an. Amina hatte bemerkt, dass sich Hagrid und Madame Maxime seit dem Ball aus dem Weg gingen und auch viele der Teenager hatten ähnliche Probleme, aber ansonsten schien alles wie immer. In Severus' Büro wurde nochmals eingebrochen, was ihn dazu brachte, Aminas Angebot, einen Schutzzauber zu wirken, dann doch anzunehmen. Es war kein sonderlich komplizierter, doch er würde zumindest lästige Lernende abhalten und die Vermutung lag nahe, dass es sich bei dem Einbrecher um Lernende handelte.
In der ersten Schulwoche im Januar diskutierten Amina und Severus auf dem Weg in sein Büro gerade einige von Aminas Forschungsansätzen zu ihrem Todesbrecher, als ein Poltern im inneren des Büros zu hören war. Sofort eilte Severus zu seiner Bürotür und riss sie auf.
In dem Büro stand Alastor, welcher die beiden misstrauisch mit beiden Augen beäugte und keine Anstalten machte, sich ertappt zu fühlen. „Was machen Sie in meinem Büro?", fauchte Severus den Ex-Auror zornig an. „Ich bin hier, um das Büro zur durchsuchen. Dumbledore hat mich beauftragt, alles Verdächtige genau unter die Lupe zu nehmen." Severus Gesicht verfinsterte sich noch mehr.
„Was hat Ihnen dieses Büro denn getan? Sie beleidigt?", fragte Amina mit sarkastischem Unterton. „Wundert mich nicht, Sie hier zu treffen, Amina.", sagte der Ex-Auror, ohne auf ihre Frage einzugehen. „Mich dafür umso mehr, Sie hier zu sehen, Alastor. Meines Wissens ist ihr Büro im ersten Stock, nicht in den Kerkern.", antwortete sie ihm mit ruhiger Stimme, seine vorhergegangene Erklärung ignorierend. „Ihres ist auch noch dran, Amina.", grunzte der Verteidigungslehrer. „Dazu müssten Sie es erst mal betreten können.", stellte Amina fest. Wenn Sie eine Person nicht einlassen wollte, dann würde die Person die Schwelle nicht überschreiten können oder die Tür nicht aufgehen.
„War das eine Drohung?", fragte Alastor angriffslustig. Amina schüttelte den Kopf. „Eine Feststellung.", stellte sie richtig und wandte sich wieder Severus zu. Dieser fixierte immer noch den ungebetenen Gast, welcher grade damit anfing, das Büro weiter zu durchsuchen. Sie konnte seine Wut spüren und sie verstand sie nur zu gut.
Nach einer Stunde mit einigen hitzigen Wortwechseln hatte der Ex-Auror die Durchsuchung abgeschlossen. Er fixierte Amina mit seinem nicht magischen Auge. „Jetzt ihres.", sagte er. Sie verzog spöttisch das Gesicht und stand auf. Sie hatte sich zwischendurch an Severus Schreibtisch gesetzt und ihren Kollegen genau beobachtet.
Sie nickte Severus zum Abschied zu und verließ, gefolgt von Alastor, das Büro. An ihrem Büro angekommen öffnete die Tür und betrat den Raum. In aller Ruhe lief sie zu ihrem Schreibtisch und drehte sich dann zur Tür. Im Türrahmen versuchte der Verteidigungslehrer vergeblich einen Schritt über die Schwelle zu setzen. Er fluchte. „Sagte ich Ihnen nicht, sie müssten erst hineinkommen?", fragte Amina ihn in ruhigem Ton. „Lassen Sie mich rein!", fuhr Alastor sie an. „Damit Sie mein Büro durchsuchen, aufgrund einer Anordnung, die es nicht gibt? Ich wüsste nicht, warum ich dies tun sollte. Albus vertraut sowohl Severus als auch mir. Er hat keinen Grund Sie um solch eine Maßnahme zu bitten und würde es auch nicht, wenn er einen hätte.", antwortete sie ihm gleichmütig. Dabei verschränkte sie ihre Arme und lehnte sich lässig gegen ihren Schreibtisch. „Dass er Leuten, wie Ihnen vertraut, ist mir klar. Sieht immer nur das Gute in den Menschen.", spie er aus. Sie antwortete ihm nicht, sondern beobachtete ihn genau.
„Versuchen Sie gar nicht erst in meinen Kopf zu schauen.", zischte er wütend. „Das hatte ich nicht vor. Wenn Sie mich entschuldigen würden, ich habe Besseres zu tun, als Ihnen bei den Versuchen mein Büro zu betreten, zuzusehen.", sagte sie und sah ihn abwartend an. Er schnaubte immer noch wütend und drehte dann aber ab. Anscheinend wusste er, wenn er verloren hatte. Wieder einmal war Amina froh, so viel Zeit in die Schutzzauber investiert zu haben. Vielleicht sollten Severus und sie ein Wochenende für Schutzzauber auf seinem Büro freihalten.
Mitten in der Nacht wachte Amina durch ein lautes Poltern und Kreischen auf. Müde öffnete sie ihr Auge. „Severus? Hörst du das auch?", murmelte sie. „Ja. Bleib liegen. Ich seh mir an, was los ist.", sagte er und stand auf. Nur mit seinem grauen Nachthemd bekleidet verließ er Aminas Schlafzimmer. Sie schloss wieder die Augen. Nach einigen Minuten hörte der Krach auf und sie schlief wieder ein.
Als sich die Matratze neben ihr senkte, wachte sie erneut auf. „Was war los?", nuschelte sie müde. „Ich erzähl es dir morgen. Schlaf jetzt.", sagte er leise. Sie nickte und kuschelte sich an ihn, bevor sie wieder einschlief.
Am nächsten Morgen erzählte Severus ihr von seiner Begegnung mit Filch und Alastor. Filch hatte ein goldenes Ei gefunden, das wohl die Treppe heruntergefallen war und dabei aufging. Severus war sich sicher, dass Potter unter seinen Tarnumhang anwesend war. Er hatte die Karte des Rumtreibers erkannt. Außerdem hatte jemand den neuen Schutzzauber auf seinem Büro gebrochen. Damit war für Amina klar, dass es sich um keinen Schüler handelte, der die Zutaten stahl.
Nachdem Alastor eingebrochen war, hatte sie einen stärkeren Schutzzauber gewählt. „Wir sollten Albus darüber informieren, dass jemand sich an deinen Vorräten bedient. Soll ich den Schutzzauber noch mal verstärken? Ich könnte dein Büro ähnlich sichern wie meines. Es dauert allerdings ein paar Stunden und das über mehrere Tage hinweg." Amina sah fragend zu Severus, welcher gerade seinen Gehrock zuknöpfte. „Bevor du das tust, sollten wir mit dem Direktor sprechen. Wer weiß, was er wieder für einen Plan hat.", antwortete er ihr. Sie nickte.
Das Frühstück verlief ruhig. Sie hatte sich neben Madame Maxime gesetzt, welche ihr von ihren geflügelten Pferden vorschwärmte. Wie Amina erfahren hatte, waren die Pferde keine Mischlinge, wie sie zuerst gedacht hatte, sondern Abraxaner. Eine Rasse der geflügelten Pferde, die für ihre Größe und Kraft bekannt war. Amina hatte sich vorgenommen, Newt mal nach diesen Tieren zu fragen. Der Magiezoologe würde bestimmt einiges zu erzählen haben, was noch nicht in seinem Buch stand.
Er hatte damals einige Tiere weglassen müssen und auch einige Fakten nicht aufgeschrieben. Hauptsächlich um die Tiere vor Wilderei zu schützen, aber auch, weil sein Lektor einige der Tiere für zu langweilig hielt. Warum er das Qilin nicht in sein Buch aufgenommen hat, blieb ihr allerdings ein Rätsel. Selbst die Muggel, vor allem die Chinesen, kannten dieses Tier und seine Eigenschaften. Sie wussten nur nicht, dass es wirklich existierte.
Als die Post kam, war sie überrascht. Bess und Hibou flogen mit einem großen Paket in den Krallen auf den Lehrkräftetisch zu. Doch die Eulen schienen verwirrt. Bess flog auf Amina zu und Hibou auf die andere Seite des Lehrkräftetisches. Ein Entsetzensschrei kam von den Eulen, als sie das Paket fallen ließen und es mit einem lauten Knall aufschlug. „Bess, Hibou.", sprach Amina, um die Eulen zu beruhigen, die sich wild mit den Flügeln schlagend ankreischten.
Sie stand auf und umrundete den Tisch. Die Eulen saßen bekümmert neben dem Paket. Amina gab ihnen je einen Eulenkeks. Die Eulen schuhuten begeistert und ließen sich auf ihren Schultern nieder. Sie hob das Paket auf. Es war an Severus und sie adressiert. Die Eulen waren sich wohl nicht einig, wem sie das Paket überreichen sollten. Sie schmunzelte und setzte sich wieder. Viele Augenpaare folgten ihren Bewegungen.
„Da 'aben sie aber zwei komische Hibous.", stellte Madame Maxime fest, als Amina sich setzte. Hibou sah abwartend zu der Schulleiterin, als sie ihren Namen hörte. Die Flamels nannten ihre Eulen alle Hibou, was auf Französisch Eule bedeutete. „Hibou, du warst nicht gemeint. Hier ist noch einen Keks.", sagte sie zu der Eule und gab beiden noch einen Keks. „Nur die Schleiereule, Bess, ist meine. Hibou hier gehört den Flamels.", erklärte Amina und öffnete neugierig das Paket. Darauf bedacht, den Inhalt vor neugierigen Blicken zu schützen, bis sie wusste, was darin war. Zuerst nahm sie den Brief in die Hand, der oben auf lag.
Liebe Amina, lieber Severus,
Was ist denn Liebe? Sag!
Zwei Seelen und ein Gedanke,
zwei Herzen und ein Schlag.
Ein Zitat von Friedrich Halm. Er war zwar jung und ist auch schon einige Jahre tot, aber dumm war er nicht, als er dies sagte. Wir wünschen euch alles Gute und Glück zu Eurer Verlobung.
Mögt Ihr viele gemeinsame Jahre haben.
In Liebe
N. & P. Flamel
Ps.: Ich habe die Wette dieses Jahr wieder einmal gewonnen ~ N.
PPS.: Verzeiht den großen Karton. Wir hatten keinen kleineren. ~ P.
Amina musste schmunzeln. Sie faste kurz ihre Kette unter ihrem Umhang an und dachte: „Die Flamels schicken uns ein Verlobungsgeschenk." Einige Sekunden später wurde ihr Medaillon warm. Das Zeichen, dass er ihr geantwortet hatte. „Dann öffne es.", konnte sie lesen. Sie faltete den Brief zusammen und schaute in das Paket hinein.
Amina klappte vor Erstaunen der Mund auf. Unglaublich! Amina, wer hat Ihnen das Geschickt?, kreischte Madame Maxime neben ihr schon fast. Vor Aufregung war sie in ihre Muttersprache gewechselt.
In dem Paket lag eine runde Scheibe mit mehreren Ringen am Rand und einer Sanduhr auf der Vorderseite. „Was wurde dir denn geschickt?", fragte jetzt auch Albus neugierig und versuchte einen Blick in das Paket zu werfen. „Die Zeitscheibe.", antwortete Amina ihm atemlos. Mit solch einem wertvollen Geschenk hatte sie nicht gerechnet.
Die Zeitscheibe war ein, als verschollen geltendes, magisches Artefakt, welches einst Merlin persönlich gehört haben soll. Das Prinzip der Scheibe war ähnlich, wie das eines Zeitumkehrers mit dem Unterschied, dass die Zeit nur innerhalb der Ringe außer Kraft gesetzt wurde. Man konnte sie beschleunigen, verlangsamen und umkehren. Wenn sich ein Mensch hineinstellen würde, könne man ihn innerhalb von einigen Minuten um Jahrzehnte altern lassen. So lauteten zumindest die Legenden.
„Das ist unmöglich! Die Zeitscheibe gilt seit über tausend Jahren als verschollen." Severus stand hinter Amina und besah sich die Scheibe, welche immer noch in dem Paket lag. Auch die anderen Lehrkräfte waren aufgestanden, um sich das Objekt anzusehen. Amina hob die Scheibe, aus dem Paket. Sofort vergrößerte sie sich so, dass sie genau die Breite des Tisches hatte. Jetzt erklärte sich auch Perenelles Entschuldigung bezüglich des Kartons. Die Scheibe war choranaptyktisch und passte sich den räumlichen Begebenheiten an. Wäre der Karton kleiner gewesen, wäre es auch die Scheibe. Jemand räumte den leeren Karton vom Tisch.
„Wir können es ja einfach ausprobieren.", überlegte Amina und nahm sich einen Apfel aus einer der Obstschalen. Diesen legte sie in die Ringe, dann drehte sie die Ringe so, dass der Apfel verjüngt werden würde. Als sie mit den Einstellungen zufrieden war versetzte sie der Sanduhr einen Stoß. Diese begann sich langsam und dann immer schneller zu drehen. Der Apfel wurde immer grüner und kleiner bis von ihm nicht mehr übrig war als eine kleine Knospe. Begeisterung machte sich bei den Lehrkräften breit. „Amina, von wem haben Sie das?" „Das ist unglaublich!" „So etwas kann man doch nicht per Eule verschicken!"
Erst nach einige Minuten ließen die Fragen schlagartig nach. Albus hatte einen Knallfrosch gezündet, um für Ruhe zu sorgen. „Ich bin sicher, dass dieses Artefakt dir große Freude bereiten wird, Amina. Verwahre es sicher und gut. Wenn ich Sie nun alle bitten dürfte, wieder Platz zu nehmen.", sprach ihr Urgroßonkel freundlich. Noch immer tuschelnd setzten sich alle wieder. Amina nahm die Scheibe, welche sofort bei ihrer Berührung auf Handgröße schrumpfte. Sie steckte sie sich in die Hosentasche. Schon allein der Gedanke an die unendlichen Möglichkeiten, die diese Scheibe Severus und ihr bot, waren überwältigend. Tränke und alchemistische Gegenstände, für die sie normalerweise Monate oder Jahre gebraucht hätten, könnten innerhalb eines Tages gebraut und hergestellt werden. Die Flamels hatten ihnen die Zeit selbst geschenkt.
