Nachdem er sich wieder berappelt hat fallen Jims Augen auf den Stoffbeutel, der vergessen am Strand liegt.
Vorsichtig hebt Jim den Beutel hoch und überlegt was er jetzt machen soll. Vom Inhalt her zu urteilen würde Luna all das Spielzeug sicher nicht unbedingt vermissen aber er hatte nun mal jetzt auch eine Ausrede heute noch bei Molly oder wenn er ehrlich war bei Chris vorbei zu gehen.
Langsam geht er den Weg ab, der zum Wohngebäude der beiden führte. Irgendwo hatte er doch auch gehofft Chris irgendwo noch sitzen zu sehen. Aber so viel Glück sollte er wohl heute nicht haben.
Im Kopf versucht Street auch den Punkt zu finden an dem die Situation eskaliert ist. Was hätte er anders machen sollen? Tief im Inneren weiß er auch, dass es unfair war Chris Vorwürfe zu machen. Es war eine unglaubliche Chance gewesen für sie das Training in Deutschland zu machen. Und trotzdem, dieser kleine Fleck in seinem Herzen war immer noch getroffen und einsam.
Tief in Gedanken ist er mittlerweile vor dem Gebäude angekommen und steht vor den Klingeln. Seine Augen kleben an den zwei Schildern die ihm so vertraut und doch fremd zugleich sind.
Street wirft einen Blick über die Schulter nach hinten in den Park. Die Szenerie heute ist friedlich aber vor seinem inneren Auge ist wieder dieser Moment als er Chris das erste Mal wieder gesehen hat. Unerwartet und unerwünscht und jetzt gerade wünscht er sich nichts mehr, als das sie am Ende des Weges auftaucht. Aber kein Glück.
Also drückt er ihre Klingel und wartet.
Nach mehreren Minuten ohne Reaktion blickt Jim fast verzweifelt zum Himmel. Hatte sie ihn auf dem Bildschirm gesehen und entschieden sie wollte ihn nicht sehen? Sollte er gehen?
Dann fällt Street aber wieder der Beutel ein, den er noch bei sich trägt und er drückt Mollys Klingel.
Er hält gleich den Beutel ein wenig an, sodass sie weiß er ist hier um etwas abzugeben.
Molly wundert sich ein bisschen wer heute, an einem Samstag an ihrer Tür steht aber vielleicht ist es ja auch eine Lieferung. Sie legt die Unterlagen sortiert auf den Tisch und geht zu Türanlage. Als sie Jims Gesicht auf dem Bildschirm sieht und den Beutel mit Lunas Sachen erkennt, ahnt sie schreckliches. Und wo war Chris?
Sie drückt auf den Türöffner und öffnet ihre Wohnungstür, bevor Molly nach ihrem Telefon greift und Chris' Nummer wählt. Sie macht sich ein bisschen Sorgen um ihre Freundin.
Chris nimmt schon nach dem zweiten Klingeln ab und Molly hört in ihrer Stimme, dass sie die Fröhlichkeit nur spielt.
"Hey, keine Panik wir sind auf dem Heimweg."
"Seid ihr noch weit weg?" fragt Molly vorsichtig und blickt auch den Gang runter um zusehen ob Jim schon oben ist. Als Chris antwortet sieht Molly ihn um die Ecke kommen. "Nein, wir sind gleich unten im Park. Wir könnten uns doch ein schattiges Fleckchen suchen und noch die angenehme Temperatur genießen."
Molly verzieht kurz den Mund und hält einen Finger zu Jim, dass er kurz warten soll. "Okay, ich räume noch kurz Lunas Sachen weg und komme dann mit was kleinem zu Essen runter. Einverstanden?"
Das leicht entsetzte Ausatmen am anderen Ende der Leitung und auch in ihrer Tür verheißt nichts Gutes.
"Kannst du ihm einfach sagen, dass es heute keinen Sinn mehr macht. Ich..." stammelt Chris noch raus und Molly beeilt sich sie zu unterbrechen. "Ich tu was ich kann. Ich bin gleich bei euch."
Nachdem sie aufgelegt hat richtet Molly ihren Blick auf Street der etwas betreten im Türstock steht. Sie holt nochmal tief Luft.
"Ich nehme an du kannst dir denken was Chris grade gesagt hat. Ich weiß wirklich nicht warum, aber sie will dich heute nicht mehr sehen. Danke, dass du Lunas Sachen vorbei gebracht hast, aber jetzt solltest du gehen."
Jim hört die Distanz in Mollys Stimme und ist darüber ein bisschen irritiert. Während der Zeit hier im Dienst hatten sie sich doch ziemlich gut verstanden. Er überlegt kurz ob das ansprechen soll, aber als er Mollys Haltung und Gesichtsausdruck sieht weiß er, dass er jetzt besser verschwinden sollte. "Kannst du ihr sagen, dass es mir Leid tut. Es war so nicht geplant." murmelt er noch leise und nachdem Molly stumm genickt hat geht Jim.
Draußen in der Grünanlage sieht er Chris auf einer Bank sitzen und sie dreht sich demonstrativ weg, als er aus der Tür tritt. Somit bleibt ihm nichts übrig als es in den kommenden Tagen nochmal zu versuchen. Und jetzt musste er erstmal einen Weg finden das Karussell in seinem Kopf wieder anzuhalten.
Molly nimmt noch 2 Wraps und Wasser aus dem Kühlschrank bevor sie auch nach unten geht. In ihrem Kopf rasen auch tausend Gedanken und als sie dann Chris fast schon in sich versunken auf der Bank sitzen sieht und wie Luna den Kopf auf ihren Knien ablegt, seufzt Molly.
"Hey," sagt sie leise und setzt sich neben Chris. Chris sieht auf und nimmt eine Flasche Wasser sowie den Wrap und wickelt das Papier stumm ab.
Molly versorgt noch kurz Luna mit ein wenig Wasser und widmet sich dann wieder ihrer Freundin.
"Er hat gesagt es tut ihm leid," fängt Molly vorsichtig an aber stoppt direkt als sie bemerkt das Chris zittert.
Molly nimmt Chris in den Arm. "Was ist passiert? Ihr, du wolltest doch reden? Hab ihr gestritten?"
Chris schüttelt den Kopf. "Nicht wirklich. Ich, " sie holt nochmal tief Luft. "Ich weiß nicht ob ich dir das wirklich sagen kann. Ich will.."
Molly legt eine Hand auf Chris nervös zuckendes Bein. "Chris, nach allem was du mir in den letzten Tagen erzählt hast, was soll da noch kommen." sie versucht es mit ein bisschen Humor zu untermalen aber der verzweifelte Gesichtsausdruck von Chris lässt Molly wieder verstummen.
"Ich, er, wir.." Chris Gedanken fahren Achterbahn und ihr Gefühlschaos hilft ihr grade nicht den Satz zu sortieren. Wie kann sie denn das jetzt sagen?
"Ich habe wegen letztem Jahr gefragt, warum er gegangen ist. Wir haben uns gegenseitig Vorwürfe gemacht und ich musste gehen. Er hat mich aufgehalten und," Chris schluckt nochmal und blickt mit großen Augen in Mollys verständnisvolles Gesicht. "Ich weiß nicht genau wie oder was passiert ist aber wir haben uns geküsst und dann musste ich nur noch weg. Deshalb hatte ich auch Lunas Sachen verloren." Chris senkt ihren Blick. Sie kann jetzt Molly nicht anschauen. Es fühlt sich ein bisschen so an als ob sie ihre Freundin wieder hintergangen und enttäuscht hat. Aber Molly schafft es den eigenen Schock zur Seite zu schieben und zieht Chris wieder in ihre Arme. "Alles wird gut. Vielleicht redet ihr bei einem Essen nochmal über alles. Und Chris, bitte verbiete dir nicht Gefühle zu zulassen."
Chris schüttelt den Kopf und setzt sich etwas aufrechter.
"Nein, ich brauche jetzt wieder Abstand. Das war einfach... ich hätte es nicht zulassen dürfen. Wir können nicht..."
Molly greift nach Chris Händen die ausladende Bewegungen machen und wartet bis Chris ihr direkt in die Augen sieht.
"Chris was ist genau das Problem?" sie wartet kurz und als Chris einmal kurz nach unten und dann wieder in mit einer entschuldigenden Miene in ihre Augen blickt fügt Molly hinzu. "Ich zähle hier nicht. Also?"
"Wir müssen uns einfach eingestehen, dass es nicht klappen kann. Es ist zu viel passiert und ich weiß nicht ob ich ihm nochmal vertrauen kann."
Chris Stimme ist fast nicht mehr hörbar so leise wird sie am Schluss und spielt mit dem Label ihrer Wasserflasche.
"Okay, ich verstehe. Aber wenn ihr nicht miteinander redet wird sich auch nichts an dieser Situation ändern. Ich glaube wirklich, dass er das klären möchte zwischen euch. Ihr wart immer so gute Freunde." Mollys Stimme bleibt vorsichtig und ruhig. Am liebsten würde sie Jim gerade anrufen und ihn zur Rede stellen.
Die Frau vor ihr hatte einfach so gar nichts mit der taffen Polizistin zu tun die sie kannte. Seit Jim Street sich wieder dauerhaft in LA befand hatte er nicht nur ihre Freundschaft sondern scheinbar auch das Selbstbewusstsein von Chris durcheinander gebracht.
Luna hatte auch erkannt, dass Chris jetzt mehr Aufmerksamkeit brauchte und versucht sogar, zur Belustigung beider Frauen, auf die Bank zu klettern.
"Hey, du bist leider zu groß aber wir kommen zu dir runter okay?" Chris redet in einer sanften Stimme auf den kuschelwilligen Labrador ein und Molly muss lächeln. "Sie kann heute auch bei dir bleiben wenn du magst."
Gesagt getan, die Hündin würde den Rest des Tages mit Chris verbringen und Molly könnte in Ruhe arbeiten. Als Molly jedoch alleine in ihrem Appartement steht zieht sie nochmal ihr Telefon raus.
Doch bevor sie eine Nachricht tippt lässt sie das Telefon wieder auf den Tisch gleiten.
Nein, sie würde sich nicht weiter einmischen. Das müssten die zwei alleine klären. Und außerdem, was sollte sie Jim eigentlich sagen?
