Jahr 6
Kapitel 1 - Die Enthüllung
Das erste offizielle Treffen des Ordens des Phönix fand am ersten Tag der Sommerferien statt. Es waren um die zwanzig Zauberer und Hexen, die sich im Hauptquartier versammelt hatten. Einige Mitglieder des früheren Ordens waren zurückgekehrt, doch es gab auch neue Gesichter, wie Albus ihr mitgeteilt hatte. Sie selbst gehörte ebenfalls zu den Neuen. In der kurzen Zeit zwischen ihrem Schulabschluss und dem Fall des Dunklen Lords hatte sie sich vollständig aus dem Krieg rausgehalten. Diesen Fehler würde sie nicht noch einmal begehen.
Sie saß zwischen Severus und ihrem Urgroßonkel und sah in die Runde. Sie konnte Misstrauen, Angst und Entschlossenheit wahrnehmen. Wobei das meiste Misstrauen Severus galt. Ihr Blick traf den von Aberforth, der ihr ein kurzes Nicken schenkte. Seine Art, sie ein wenig zu beruhigen. Albus hatte ihn lange überreden müssen, zu dem Treffen mitzukommen. Aberforth unterstützte den Orden zwar mit Informationen, war aber nicht weiter in die Machenschaften involviert und wollte dies auch nicht. Dementsprechend sah er auch keine Notwenigkeit zu den Treffen zu erscheinen. Amina konnte ihren Urgroßvater verstehen. Wäre sie in seiner Lage, würde sie die Treffen auch nicht besuchen.
„Es ist schön, dass ihr alle gekommen seid. Es freut mich, dass der Orden des Phönix immer noch Mitglieder hat, die für unsere Sache zu kämpfen bereit sind.", eröffnete Albus das Treffen. Er erzählte allen, was bei der dritten Aufgabe des Trimagischen Turniers passiert war, bevor er fortfuhr: „Hagrid und Olympe werden sich in den kommenden Tagen aufmachen, um mit den Riesen in Kontakt zu treten. Vielleicht haben wir eine Chance, sie für uns zu gewinnen, bevor Voldemort seine Anhänger zu ihnen schicken kann.", erklärte er. Amina konnte Hagrids Stolz spüren. Er freute sich sichtlich über Albus' Vertrauen. Madame Maxime war selbst nicht anwesend. Sie musste sich noch um die Angelegenheiten in ihrer Schule kümmern und war in Frankreich geblieben.
„Severus wird uns auch in diesem Krieg als Spion dienen. Er hat bereits erfolgreich Kontakt zu Voldemort und seinen Todessern aufgenommen.", verkündete er, was Severus einige böse Blicke einbrachte. „Und wer garantiert uns, dass er nicht für Ihr-wisst-schon-wen spioniert?", fragte ein Mann, den Amina nicht kannte, voller Abscheu. Severus neben ihr verspannte sich. Sie legte ihm unauffällig eine Hand auf den Oberschenkel. „Ich, Dädalus. Severus genießt mein volles Vertrauen.", sagte Albus mit voller Entschlossenheit.
Weitere Stimmen des Misstrauens wurden laut, doch Albus unterbrach sie mit einem einfachen Lächeln und den Worten: „Severus Snape genießt mein volles Vertrauen und ich wünsche nicht, dass seine Loyalität gegenüber mir oder dem Orden infrage gestellt wird. Er gehört seit geraumer Zeit zu meiner engsten Familie und dies hätte ich sicher nicht zugelassen, wenn ich auch nur einen Zweifel ihm gegenüber hätte."
Plötzlich herrschte Schweigen. Severus und Amina starrten, wie alle anderen, Albus ungläubig an. Selbst Aberforth, der von Albus Plan die Verwandtschaft aufzudecken wusste, konnte nichts anderes tun. Amina fühlte Freude, die sowohl von ihr als auch von Severus ausging. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Albus ihn als Familie bezeichnen würde. Ihr Urgroßonkel lächelte noch breiter. „Was mich zu meiner nächsten Ankündigung bringt: Ich möchte euch allen Amina Tahnea vorstellen. Meine Urgroßnichte, die Urenkelin von Aberforth und Severus Verlobte." „Onkel!", entfuhr es ihr überrascht. Alle Augen richteten sich auf Amina, welche noch immer ungläubig Albus anstarrte. Sie hatte ein wenig mehr Diskretion erwartet und war nicht davon ausgegangen, dass er direkt mit dem Drachen ins Ballett gehen würde.
„Aber…", Minerva rang um Fassung. Sie hatte nichts von der Verwandtschaft gewusst und kam sich verraten vor, wie Amina feststellen musste. „Ist es bestätigt, dass sie mit dir verwandt ist?", fragte Alastor, welcher Amina misstrauisch beobachtete. Der Echte unterschied sich im Charakter kaum von seinem Nacharmer. Bartemius hatte seine Sache sehr gut gemacht, stellte Amina bitter fest. Albus nickte immer noch mit einem Lächeln im Gesicht. „Ist es. Es besteht absolut keinen Zweifel.", sagte er stolz. „Glaubst du ich erkenn meine Urenkelin nicht?", grunzte Aberforth verstimmt. Keiner antwortete ihm.
„Die Tahneas waren Todesser.", stellte ein dunkelhäutiger Zauberer fest. „Meine Eltern waren es.", stimmte Amina ihm in neutralem Tonfall zu. „Und jetzt sind sie tot. Getötet von ihrer eigenen Tochter.", ergänzte sie. Albus legte ihr eine Hand auf ihre Schulter, während Aberforth leicht das Gesicht verzog. Er hatte sich noch immer nicht damit abgefunden, dass er seinen Enkelsohn nicht gekannt hatte und dieser sich auch noch den Todessern anschloss. „Amina wird uns mit alchemistischen Gegenständen versorgen. Sollte jemand eine Idee haben, was der Orden gebrauchen könnte, kann er sie gerne an Amina weitergeben. Sie wird eine mögliche Umsetzung prüfen." „Etwas, was die Unverzeihlichen aufhält, wäre nicht schlecht.", sagte ein kleiner Zauberer mit rotblondem Haar spöttisch.
„An einem Schutz für den Todesfluch arbeite ich seit einigen Jahren, aber bis zur Fertigstellung wird es noch einige Zeit dauern. Den Imperius kann man bereits mit einem gewissen Grad an Können verhindern und den Cruciatus kann man zumindest abblocken, aber auch dieser steht bereits auf meiner Liste.", antwortete Amina ihm ungerührt. Er schaute sie mit großen blutunterlaufenen Augen an. Er hatte wohl nicht mit einer Antwort gerechnet. „Trottel.", dachte sie sich.
„Da wir das nun geklärt hätten, würde ich gerne Severus' Bericht über die Pläne Voldemorts hören.", sagte Albus und sah Severus abwartend an. Der nickte und fing an zu erzählen: „Der Dunkle Lord versammelt gerade möglichst viele seiner ehemaligen Anhänger wieder um sich. Er hat bereits Kontakt mit einigen Dementoren aufgenommen und auch die Riesen sind im Gespräch. Sein Hauptziel ist es jedoch herauszufinden, warum ihm Potter auf dem Friedhof zum dritten Mal lebendig entkommen ist. Er verspricht sich die Antwort in einer Prophezeiung, welche in der Mysteriumsabteilung gelagert wird." „Was ist das für eine Prophezeiung?", fragte eine Frau mit rosa Haaren. Amina schätze ihr Alter auf Mitte bis Ende zwanzig. „In der Prophezeiung geht es um Harry und Voldemort. Mehr wissen wir nicht über ihren Inhalt.", antwortete Albus ihr. „Wir sollten verhindern, dass er die Prophezeiung in die Hände bekommt.", sagte der Dunkelhäutige und blickte in die Runde. Zustimmendes Gemurmel. „Das werden wir.", stimmte Albus zu. „Wir sollten auch Harry im Auge behalten.", warf Remus ein. Wieder erklang zustimmendes Gemurmel.
Nachdem die ersten Wachpläne eingeteilt waren und das weitere Vorgehen besprochen wurde, löste sich die Versammlung auf. Amina würde mit Severus zurück nach Hogwarts gehen und dort alles Wichtige zusammenpacken. Dann würde sie über die Sommerferien in das Hauptquartier ziehen. Auch die Weasleys und Granger würden in dem Haus der Blacks wohnen. Die Aussichten, mit ihren Lernenden im selben Haus zu wohnen und das auch noch außerhalb der Schulzeit gefiel ihr nicht, doch würde sie nicht drum herumkommen. Auch die Begeisterung über die Anwesenheit des Blacks hielt sich in Grenzen. Da dieser sich aber verstecken musste, dürfte er nicht aus dem Haus gehen.
Zwei Tage nach dem ersten Treffen betrat Amina das Hauptquartier. Bess hatte sie zu den Flamels geschickt. Diese würden die Eule bis zum Ende der Sommerferien bei sich aufnehmen. Am liebsten hätte Amina sie bei sich behalten, um wenigstens nicht vollkommen allein in dem Haus zu sein, doch einen Sommer in Gefangenschaft ohne richtig fliegen zu dürfen, wollte sie dem Schleiereulenweibchen nicht antun.
Sie hatte alles Wichtige aus Hogwarts in ihren Hosentaschen verstaut und sich auch ausgiebig bei einer Tasse (oder eher Kanne) Tee bei Minerva für die Geheimniskrämerei entschuldigt.
Im Haus war es ruhig und Amina stellte fest, dass lediglich Black anwesend war. Zumindest war er der einzige Mensch. Die Weasleys waren demnach noch nicht eingezogen. Sie lief in die Küche, wo er mit der Zeitung in den Händen auf seinem Stuhl saß. Als sie die Küche betrat, legte er die Zeitung weg. „Wenn das nicht die Urgroßnichte persönlich ist.", begrüßte er sie mit einem spöttischen Unterton. „Hallo, Mr. Black.", begrüßte sie ihn mit monotoner Stimme. „Nenn mich Sirius und sag Du. Wir sind fast gleichalt.", bot er ihr an, auch wenn sein Ton nicht als freundlich bezeichnet werden konnte. Sie nickte. „Amina.", sagte sie.
„Das Haus wurde in den letzten Jahren nicht mehr bewohnt. Nur Kreacher war hier. Die Räume sind in einem schlechten Zustand und vermutlich greift dich einiges an.", erklärte er ihr. „Kreacher ist ein Hauself?", fragte sie, die Antwort bereits kennend. „Genau. Im Flur musst du leise sein. Das Bild meiner Mutter ist genauso gut auf mich zu sprechen, wie meine Mutter selbst." Sie nickte. „Welche Zimmer kann ich beziehen?", fragte sie. „Brauchst du gleich mehrere?", fragte der Schwarzhaarige zurück. „Ich brauche Platz für mein Labor. Da dieses öfter mal in die Luft fliegt, würde ich ungern im selben Raum schlafen.", erwiderte sie. „Verstehe. In ersten Stock gibt es zwei Zimmer am Ende des Gangs. Aufräumen musst du aber selbst.", sagte er und schnappte sich wieder die Zeitung.
Sie durchschritt den Eingangsbereich mit einigen alten Vorhängen an den Wänden und lief die Treppe nach oben. Zuerst betrat sie das Zimmer, dass direkt am Ende des Ganges lag. Es war ein Schlafzimmer mit einem alten, nicht benutzbaren Bett und einigen Schränken darin. Sie verließ den Raum und öffnete die Tür des Raumes nebenan. Es war ein Kaminzimmer. Darin standen einige Sofas und Sessel sowie Bücherregale. Ein Hauself lief auf sie zu. „Eindringlinge in dem Haus der Herrin. Sterben sollen sie. Schlammblüter, Muggelfreunde und Blutsverräter.", murmelte er vor sich hin.
Amina betrachtete ihn einige Sekunden, dann zog sie ihren Zauberstab und lief zu dem Bücherregal, ohne weiter auf den Elf zu achten. Die Titel waren alle schwarzmagischer Natur. Sie überprüfte, ob ein Zauber auf den Büchern lag und löste diesen. Dann nahm sie eines der Bücher hinaus und blätterte es durch. „Merkwürdige Frau beherrscht schwarze Magie. Kreacher wird sie im Auge behalten.", sprach der Hauself zu sich selbst und musterte Amina. Sie sah kurz zu dem Hauself. „Sind das alle Bücher in diesem Haus? Gibt es eine Bibliothek?", fragte sie ihn. „Kreacher wird der Blutsverräterin nicht antworten.", sagte er. Amina zog eine Augenbraue hoch. „Dann finde ich sie eben selbst.", sagte sie und stellte das Buch zurück an seinen Platz. Nach einem weiteren Zauber war das Regal staubfrei. Sie widmete sich dem restlichen Zimmer. Darauf bedacht nichts anzufassen, was sie nicht genaustens überprüft hatte. Sie legte sämtliche Gegenstände auf das Bücherregal und verkleinerte zum Schluss auch noch die Sitzmöbel bis nur noch der Kamin und das Regal im Zimmer standen. Der Hauself war mittlerweile verschwunden.
Aus dem Erdgeschoss hörte sie laute Stimmen und Gepolter. Das waren bestimmt die Weasleys und Granger. Sie fing an, die Schutzzauber auf die Tür zu legen, die auch ihr Büro in Hogwarts vor unliebsamen Eindringlingen schützte. Es waren nicht alle Zauber, die in Hogwarts waren, um einiges aufwendiger wie die, die sie jetzt sprach, doch es würde für den Sommer genügen.
Als sie gerade einen Weiteren beendet hatte, traten zwei Mädchen vor die geöffnete Tür. Die jüngste Weasley und Granger. „Oh. Hallo, Frau Professor.", begrüßte Granger sie überrascht. „Miss Granger, Miss Weasley.", begrüßte sie beide mit einem kurzen Nicken. „Sie wohnen auch hier? Gehören Sie etwa auch zum Orden?", fragte die Rothaarige. „Sonst wäre ich wohl kaum hier.", antwortete sie ihr und fing mit einem neuen Zauber an. Die beiden Mädchen wandten sich ab und betraten das Zimmer ihrem Labor gegenüber.
Nachdem sie mit dem Raum fertig war und auch das letzte Fläschchen seinen Platz in ihrem mitgebrachten Labor seinen Platz hatte, nahm sie sich das Schlafzimmer vor. Bis zum Abend war auch dieses bewohnbar. Sie hatte das Bett, das eigentlich in dem Zimmer stand, in einer Schublade verstaut und ihr eigenes aufgestellt. In dem Raum hatte sie alle fragwürdigen Gegenstände in einer Kommode eingeschlossen und einige Schutzzauber darübergelegt, damit die Gegenstände kein Eigenleben entwickeln konnten. Sie hatte schon lange nicht mehr so viel dunkle Magie benutzt wie an diesem Tag, aber es hätte zu lange gedauert, die Räume, ohne sie wieder bewohnbar zu machen.
„Es gibt Abendessen!", rief Mrs. Weasley von unten, was ein lautes Gebrüll seitens des Gemäldes im Erdgeschoss zur Folge hatte. Amina lief nach unten und wurde dabei von zwei Rotschöpfen auf der Treppe überholt. Die Weasley-Zwillinge waren an ihr vorbeigerannt, ohne zu bemerken, wer sie eigentlich war.
In dem Eingangsbereich zog Sirius gerade die alten Vorhänge wieder zu und deutete ihr leise zu sein. Sie verdrehte ihr Auge und lief an ihm vorbei.
In der Küche saßen bereits die Zwillinge und Potters Freund. „Hallo, Professorin.", begrüßten die Zwillinge sie einstimmig. „Hallo.", sagte sie knapp. „Mrs. Weasley.", begrüßte sie die Rothaarige. „Nennen Sie mich Molly, Professorin. Setzen Sie sich. Sirius sagte bereits, dass Sie ebenfalls hier sein werden.", lächelte Molly sie an. Sie nickte und setzte sich gegenüber einem der Zwillinge. Es musste George Weasley sein, seinem Geist nach zu urteilen. Black betrat die Küche, gefolgt von den beiden Mädchen. „Amina, hast du dich ein wenig durchgearbeitet?", fragte er. Sie nickte. „Die Zimmer sind bewohnbar. Ich werde nach dem Abendessen anfangen können."
Ihr Gastgeber sah sie überrascht an. „So schnell? Wir werden für das Haus vermutlich den ganzen Sommer brauchen." „Wenn man Feuer mit Feuer bekämpft, statt mit Wasser geht es um einiges schneller.", antwortete sie und sein Blick verfinsterte sich. „Kein Wunder, dass Schniefelus dich heiraten will." Aminas Blick verfinsterte sich ebenfalls. „Nenn ihn noch mal so und ich mache meine nächsten Versuche an dir als Lebendobjekt, Black.", zischte sie. „Genug Ihr beiden! Es sind Kinder anwesend.", ging Molly dazwischen. „Wir sind keine Kinder mehr!", widersprachen die Teenager im Chor. „Solange ihr noch nicht mit der Schule fertig seid, seid ihr das!" Amina seufzte. Das würden anstrengende Sommerferien für sie werden.
