Titel: One More Thing …

Autor: ChrissiTine

Disclaimer: Alle Potter- und Weasley-Kinder gehören J.K. Rowling, selbst wenn die meisten nur in Interviews erwähnt worden sind. Alle Ehepartner und Freunde der nächsten Generation sind allerdings meine eigenen Erfindungen.

A/N: Diese FF gehört in mein 10 kleine Dinge-Universum, kann aber auch separat und ohne Vorwissen gelesen werden. Kein Bezug zu The Cursed Child.

Ich war mir lange nicht sicher, ob ich dieses Jahr wieder einen Adventskalender schreiben werde. Meine Ideen für dieses Universum sind langsam erschöpft und es ist wirklich nicht einfach, etwas zu finden, was 24 Kapitel füllt. Im Sommer ist außerdem meine Mutter völlig überraschend gestorben, was mich sehr aus der Bahn geworfen hat und womit ich immer noch sehr zu kämpfen habe.

Aber wie ihr seht, ist mir doch noch genug eingefallen, und letzten Endes war es auch eine ganz nette Ablenkung von der Trauer, auch wenn ich nicht beurteilen kann, wie sehr das unterschwellig mitreinspielt in die Geschichte und die Stimmung. Dieses Mal ist es keine so lange und zusammenhängende Geschichte mit einem Paar in der Hauptrolle wie in den letzten Jahren. Stattdessen gibt es dieses Mal fünf etwas kürzere Geschichten, die mir noch im Kopf herumgespukt sind und die ich sowieso irgendwann zu Papier bringen wollte. Die Kapitel sind ebenfalls kürzer als in den letzten Jahren, damit ich überhaupt auf 24 Stück komme, aber besser als nichts. In den Geschichten geht es um Dudley (als kleine Fortsetzung von seiner Geschichte in Hidden Voices, was mehrere von euch gerne lesen wollten), Dominique und Steven, Molly und Justin und Lily und Henry. Also vor allem Charaktere, die schon mal einen Adventskalender hatten, aber deren Geschichte ich noch nicht ganz auserzählt hatte.

Ich wünsche eine schöne Vorweihnachtszeit und würde mich freuen, wenn ihr einen Kommentar hinterlasst.


1. Dezember: Muss das sein?

20. Oktober 2010

„Ich weiß nicht, Gin", sagte Harry Potter unsicher und zerrte an dem Kragen seines Festumhangs. Er war ganz neu und sah zwar sehr gut aus, war aber nicht sonderlich bequem. Eigentlich müsste man doch annehmen, dass Kleidungsstücke bequemer wurden, je mehr man dafür bezahlte, aber bei diesem Festumhang war das eindeutig nicht der Fall. Wenn Harry die Wahl hätte, würde er diesen Mist sowieso nie anziehen, aber wenn es nun mal nicht anders ging …

Merlin sei Dank musste er so schicke Sachen nicht häufig tragen als Auror, der auch als Abteilungsleiter oft genug im Außeneinsatz tätig war. Da waren so schicke Klamotten nur hinderlich. Aber weil er nun mal auch der Harry Potter war, war er ein gefragter Gast auf jeglichen Spendengalas, die die Zauberwelt veranstaltete und Harry hatte ein zu schlechtes Gewissen, allzu häufig abzusagen, also kam er nicht umhin, sich mindestens einmal im Jahr einen neuen Festumhang zu kaufen. Und da hatte er es noch tausendmal besser als seine Frau Ginny. Er kam mit einem Umhang locker durch, aber wenn Ginny auch nur zweimal das gleiche Kleid anzog, wurde sie von der Hexenwoche in der Luft zerrissen. Anfangs hatte sie das noch gestört, mittlerweile war es ihr egal. Und sie hatte die perfekte Lösung gefunden, damit alle Ruhe gaben, indem sie einfach den Stoff nach jeder Veranstaltung in einer neuen Farbe einfärbte. So reichte es, dass sie fünf verschieden geschnittene Kleider hatte, es aber wirkte, als hätte sie fünfzig. Was irgendwann zu der Kritik geführt hatte, dass Ginny viel zu verschwenderisch war mit ihrem Kleidungsfimmel, aber zu diesem Zeitpunkt hatte Ginny längst akzeptiert, dass sie es der Klatschpresse niemals würde recht machen können.

Harry hatte diese Lektion schon in der vierten Klasse gelernt, aber das musste wohl jeder für sich alleine herausfinden. Und wie ihm Hermine immer predigte, war es für Frauen noch hundertmal schlimmer als für Männer. Besonders, weil die Zauberwelt es nie wirklich übers Herz brachte, ihm richtig böse zu sein, nachdem er sie so oft vor Voldemort gerettet hatte.

„Jetzt stell dich nicht so an", sagte Ginny erbarmungslos, während sie an ihrem Schminktisch saß und ihre Lippen mit einem dezenten Lippenstift nachzog. Sie hatte ihr schlichtestes Kleid an, das im Moment in einem hübschen Blau schimmerte. „Sie haben uns eingeladen, du hast zugesagt, wir gehen."

„Aber-"

„Außerdem rechnen sie fest mit Lily als Blumenmädchen. Du willst doch deine kleine Tochter nicht enttäuschen, nachdem sie sich schon so gefreut hat, endlich auch einmal das Blumenmädchen sein zu dürfen." Leider waren schon fast alle Freunde und Familie verheiratet gewesen, als Lily endlich alt genug gewesen wäre, um selbst das Blumenmädchen zu sein. So hatte sie sich immer nur damit begnügen müssen, neidisch auf die ganzen Hochzeitsfotos zu schauen, auf denen Bills Tochter Victoire diese Aufgabe erfüllte.

Und jetzt hatte sie so unverhofft doch noch die Gelegenheit bekommen, auch einmal das Blumenmädchen zu sein, dass sie die ganze Woche vor Aufregung kaum hatte schlafen können und jeden Tag darauf bestanden, das Kleid, das Ginny ihr gekauft hatte, anzuziehen und zu üben. Harry war mindestens zehnmal auf irgendwelchen Blütenblättern ausgerutscht und er konnte es gar nicht mehr erwarten, bis die Hochzeit endlich vorbei war und dieser ganze Unsinn ein Ende hatte. Auch wenn Lily wirklich herzallerliebst ausschaute in dem zitronengelben Kleidchen und er sich für sie freute, dass ihr Traum doch noch wahr werden konnte.

Nur dass es ausgerechnet diese Hochzeit sein musste …

Manchmal hielt er das ganze immer noch für einen schlechten Scherz. Und wenn Lily nicht gewesen wäre, dann hätte er wirklich ernsthaft in Erwägung gezogen, alles hinzuschmeißen und einfach nicht hinzugehen. Es kam ihm vor wie damals vor dem Weihnachtsball vom Trimagischen Turnier. Lieber hätte er sich zehnmal dem Drachen gestellt als Cho um eine Verabredung zu bitten. Um sein Leben zu kämpfen war manchmal so viel einfacher als dieser ganze zwischenmenschliche Kram.

„Und du meinst wirklich, dass es eine gute Idee ist, die Jungs mitzunehmen?", fragte er unsicher. Lily hatte wenigstens eine Aufgabe, aber James und Albus … James war fast sechs und Albus fünf und Harry wollte sich gar nicht vorstellen, was für ein Chaos die beiden zusammen anrichten konnten. Alleine war Albus ja noch halbwegs vernünftig, aber sobald ihn sein großer Bruder zu irgendwelchem Unsinn anstiftete, gab es kein Halten mehr. Tatsächlich war Lily von allen dreien noch die folgsamste und umsichtigste und konnte sich, obwohl sie erst drei war, besser gegen James durchsetzen als Albus. Das war wohl Ginnys Sturkopf, den Lily geerbt hatte. Und der Harry jetzt zum Verhängnis wurde.

„Die Einladung war explizit für uns alle", erwiderte Ginny schulterzuckend. „Susanna hat mir versichert, dass sie sich freut, wenn wir alle kommen, und dass es genug andere Kinder gibt, mit denen die Jungs spielen können. Außerdem ist es nicht fair, Lily mitzunehmen und die beiden hierzulassen. Du weißt doch noch, wie du dich gefühlt hast, wenn dein Onkel und deine Tante dich zuhause gelassen haben."

Harry seufzte. Das war wirklich immer ganz darauf angekommen. Sicher hatte es ihn gestört, wenn sie nur Dudley mitgenommen hatten zu etwas, das Spaß gemacht hatte, wie dem Zoo oder dem Vergnügungspark, aber andererseits hatte er so auch eine Weile Ruhe gehabt. Und er war richtig froh gewesen, wenn sie ihn gezwungen hatten, sich vor irgendwelchem Besuch zu verstecken, den er sowieso nicht gemocht hatte.

Ginny schraubte ihren Lippenstift zu und verstaute ihn sorgfältig bei ihrem anderen Makeup. Dann richtete sie noch einmal ihre Frisur, bevor sie entschlossen aufstand, sich ihr Kleid glattstrich und dann Harry mitleidig die Wange tätschelte. „Gib es auf, mein Schatz, da kommst du nicht raus. Wir haben zugesagt und mit uns wird fest gerechnet."

Harry stöhnte gequält und folgte Ginny langsam aus dem Schlafzimmer. „Ich halte das trotzdem für keine gute Idee. Keiner wird sich freuen, mich zu sehen, unsere Anwesenheit wird alles durcheinanderbringen. Außerdem ist das eine Muggelhochzeit, was, wenn die Jungs-"

„Jetzt hör endlich auf!", fauchte Ginny und warf Harry einen genervten Blick zu. „Es gibt genug Leute, die sich freuen, dich zu sehen. Katie und ihre Familie zum Beispiel, und mit Susanna hast du dich doch auch gut verstanden. Außerdem sind auch Hestia und Dädalus eingeladen, das hat er mir erst letzte Woche erzählt, als ich ihn in der Winkelgasse getroffen habe, das ist doch schon eine ganze Menge. Und so anders klang das jetzt auch nicht, was mir Susanna erzählt hat. Außerdem war die Hochzeit von Percy und Audrey doch auch eine Muggelhochzeit, ich weiß gar nicht, was du hast."

„Aber da waren trotzdem viele magische Komponenten und wir hatten noch keine Kinder, die wer weiß was für ein Chaos anrichten können", widersprach Harry verzweifelt. Er wusste ganz genau, dass er auf verlorenem Posten kämpfte, aber so ganz konnte er sich immer noch nicht geschlagen geben. Er hatte einfach kein gutes Gefühl bei der Sache.

„Ich weiß gar nicht, was du hast", erwiderte Ginny augenverdrehend. „Unsere Kinder sind die reinsten Engel." Sie stieß die Wohnzimmertür auf und blieb wie angewurzelt stehen, als sie ihre Kinder erblickte. Lily saß auf dem Sofa und weinte herzzerreißend, während sie ihre großen Brüder gleichzeitig mit den Sofakissen bewarf.

„Ich hasse euch beide, ihr seid so doof!", rief Lily aufgebracht und wischte sich ein paar Tränen aus dem Gesicht. James und Albus hatten sich hinter dem Sofa in Sicherheit gebracht, dafür traf das Kissen Ginnys Lieblingsblumenvase, die wie in Zeitlupe vom Beistelltisch fiel und in tausend Stücke zerbarst.

Alle drei Kinder starrten entsetzt auf die Scherben und fuhren dann erschrocken herum, als Ginny sich laut räusperte.

„Lily war's", rief James sofort und zeigte anklagend auf seine kleine Schwester.

„Aber nur, weil er mein Kleid kaputt gemacht hat", schrie Lily aufgebracht und zeigte auf einen großen Schokoladenfleck, der mitten auf ihrer Brust war. „Jetzt ist alles ruiniert! Einmal kann ich Blumenmädchen sein und er macht alles kaputt! Immer macht er alles kaputt! Er ist so doof, ich hasse ihn!"

James schaute Lily verletzt an. Er hatte den Mund schon geöffnet, aber eine Erwiderung schien ihm im Hals stecken zu bleiben. Albus hielt sich wohlweißlich aus dem Streit heraus, auch wenn er wahrscheinlich nicht ganz unbeteiligt an dem Ganzen war, wenn man bedachte, dass seine Hände und sein Mund verschmiert waren mit Schokolade.

Ginny seufzte den Seufzer, den wohl alle Eltern kannten, wenn sie ihre Kinder mal wieder am liebsten auf den Mond schicken würden.

„Euer Vater und ich haben euch gebeten, dass ihr euch eine halbe Stunde ruhig verhaltet, damit wir uns für die Hochzeit fertig machen können. War das wirklich so viel verlangt?"

Wohlweißlich hatten sie erst die Kinder in ihre schicken Sachen gesteckt, bevor sie sich selbst umgezogen hatten, auch wenn Harry jetzt nicht mehr so sicher war, ob das wirklich die beste Entscheidung gewesen war. Aber vielleicht hatte das Ganze ja doch sein Gutes …

Hoffnungsvoll schaute er zu Ginny, die aber nur entschieden den Kopf schüttelte. „Denk nicht mal dran, Harry!" Sie hob drohend ihren Zauberstab und eine Minute später war die Vase wieder heil, Lilys Kleid sah aus wie neu und alle Schokoladenspuren waren von den Händen der Jungen wieder verschwunden. „Über eine Strafe sprechen wir später noch", kündigte sie dann unheilvoll an. „Aber es ist wohl selbstverständlich, dass ihr euch für den Rest des Tages wie die reinsten Engel benehmt. Wenn sich heute auch nur eine einzige Person über euch beschwert, dann wird sich die Strafe verdoppeln. Haben wir uns verstanden?"

Die Kinder schauten Ginny entsetzt an und selbst Harry kam das etwas grausam vor, aber er musste zugeben, dass es auch eine sehr effektive Drohung war. Keines der Kinder wollte so lange auf den Nachtisch verzichten oder Stubenarrest haben oder seine Lieblingssendungen nicht mehr im Fernsehen sehen oder nicht mit seinem Lieblingsspielzeug spielen oder was Ginny sonst so alles einfiel. Harry war heilfroh, dass Ginny meistens diejenige war, die die Strafen verhängte. Zum einen wurde Harry durch den Hundeblick seiner Kinder viel zu schnell weichgekocht (ironisch, da er kein Problem hatte, mit den Verbrechern fertig zu werden, die verhaftet wurden). Zum anderen hatte Harry durch seine eigene Kindheit ein sehr verqueres Bild, was angemessene Strafen betraf. Sein Cousin Dudley war nie bestraft worden, Harry dafür ständig. Was meistens daraus bestand, dass er ohne Essen oder das kaputte Spielzeug von Dudley in den Schrank unter der Treppe verbannt worden war. Freunde hatte er sowieso keine gehabt, also hatte man ihm auch nicht verbieten können, mit ihnen zu spielen, und der Nachtisch war meistens sowieso nicht existent gewesen, weil Dudley fast immer seine Portion bekommen hatte.

Ginnys Mutter hatte stattdessen bei ihren sieben Kindern immer kreativer mit ihren Strafen werden müssen, besonders bei Fred und George, sodass Ginny eine unerschöpfliche Quelle von immer kreativeren Strafen war. Auch wenn der Nachtisch und das Spielzeug wirklich die effektivsten Methoden waren. Eine Weile hatten sie auch versucht, die Gute-Nacht-Geschichte zu streichen, aber ohne bekam Lily immer Albträume und Harry musste zugeben, dass ihm diese Zeit, wo alle drei Kinder ruhig waren und langsam (oder schnell, je nachdem, wie viel sie am Tag getobt hatten) einschliefen, zu sehr fehlte. Und manches Spielzeug, wie zum Beispiel Lilys Lieblingspuppe Evelyn oder Albus' Plüscheule, war tabu, da die Kinder sich weigerten, ohne einzuschlafen.

Aber Ginny würde schon was Passendes einfallen und blöderweise hatte Harry jetzt eine Ausrede weniger, weil die beiden Jungen jetzt mindestens die nächsten zwei Stunden brav genug sein würden, um der Strafverdopplung zu entgehen. Zumindest so lange, bis einer von beiden das vergessen hatte und vom anderen zu irgendwelchem Unsinn angestiftet wurde. Aber hoffentlich waren sie dann lange genug auf der Hochzeit gewesen und konnten sich unauffällig wieder verdrücken.

Das war wahrscheinlich sowieso die einzige Hochzeit, wo Harry unbekannt genug sein würde, dass sein Fehlen nicht weiter auffallen würde. Wenigstens etwas Gutes. Auch wenn er sich für sein Wochenende wirklich etwas Schöneres hätte vorstellen können als auf die Hochzeit von seinem Cousin zu gehen.

TBC …