5. Dezember: Tischgespräche
Aber auch danach hatte Harry keine Ruhe, denn kurz darauf kamen Dädalus und Hestia auf sie zu.
„Harry Potter, wie schön, Sie mal wieder zu sehen, es ist schon so lange her", sagte er und schüttelte Harry überschwänglich die Hand. „Seit wir den Orden aufgelöst haben, gibt es ja kaum noch Möglichkeiten, uns zu sehen. Was für eine schöne Gelegenheit heute! Sind Hochzeiten nicht etwas Wunderbares? Und so ein guter Anlass, endlich einmal meinen neuen Festumhang zu tragen. Mir ist nicht entgangen, wie viel Aufsehen ich damit errege. Nicht war, Hestia?"
Hestia grinste. „Oh ja, du ziehst alle Blicke auf dich. Damit stiehlst du sogar der Braut die Show."
Dädalus schaute erschrocken zu Susanna, die mittlerweile mit Dudley zusammen dazu übergegangen war, irgendwelche von den dämlichen Hochzeitsspielen zu spielen, die üblich waren. Im Moment zersägten sie zusammen einen Baumstamm. Harry war heilfroh, dass Ginny und er damals bei ihrer Hochzeit darauf verzichtet hatten.
„Oh je, das wollte ich nun wirklich nicht. Hoffentlich nehmen die beiden mir das nicht übel", sagte Dädalus besorgt.
Ginny verkniff sich ein Grinsen. „Ich glaube, sie werden darüber hinwegkommen."
„Hoffentlich", sagte Dädalus. „Ich hatte mich so gefreut, dass Dudley uns eingeladen hat. Dieses Jahr damals auf der Flucht hat uns schon sehr zusammengeschweißt, nicht wahr, Hestia?" Sie nickte, auch wenn sie das Gesicht verzog. „Sicher, dein Onkel und deine Tante waren nicht so aufgeschlossen, aber Dudley war wirklich super. Als wir wieder nach Hause konnten, habe ich mir sogar einen Fernseher mit einer Playstation gekauft, das macht wirklich Spaß. Manchmal kommt Hestia vorbei, um mit mir zu spielen, nicht wahr?" Sie nickte widerwillig und Harry musste grinsen. „Und ich bin so froh, dass Dudleys Frau über unsere Welt Bescheid weiß und ich endlich wieder Eulen schicken kann. Die Muggelpost ist ja sowas von kompliziert, wie die Muggel damit zurechtkommen, ist mir wirklich ein Rätsel." Er schüttelte den Kopf und erzählte Harry und Ginny dann zehn Minuten, was für Probleme er damit gehabt hatte, Briefmarken zu kaufen und die Umschläge richtig zu beschriften, während Hestia nur kopfschüttelnd danebenstand und hin und wieder amüsiert grinste.
Harry war heilfroh, als sich die ganze Gesellschaft schließlich auf den Weg zum Restaurant machte, in dem der Empfang stattfinden würde. Es war ganz in der Nähe, sodass sie sogar zu Fuß hingehen konnten. Es war ein hübscher Italiener mit einem riesigen Buffet. Hungrig suchten die Gäste ihre Plätze, ließen ungeduldig einige Toasts über sich ergehen und stürzten sich dann auf das Essen.
„Schmeckt wirklich gut", sagte James anerkennend, den Mund voller Spagetti. Ginny verdrehte die Augen. Harry seufzte. Sie hatten sich wirklich Mühe gegeben, ihren Kindern gute Manieren beizubringen, aber sobald sie Hunger hatten, was bei James beinahe dauernd der Fall war, vergaßen sie alles und stürzten sich wie eine Horde Wilder auf das Essen. Er hoffte nur, dass die Hochzeitstorte in Sicherheit war.
Susanna hatte Harrys Familie zu Katies Familie, Hestia, Dädalus und Mrs Figg gesetzt, was sehr umsichtig war, da sie so weit genug von Onkel Vernon und Tante Petunia entfernt saßen, um deren missbilligende Blicke zu ignorieren, und sie sich keine Sorgen darüber machen mussten, dass die Kinder sich verplapperten und Harry und Ginny nicht vortäuschen mussten, dass sie über aktuelle Ereignisse in der Muggelwelt Bescheid wussten. Harry bemühte sich zwar, halbwegs informiert zu sein, aber mit seiner Arbeit und den Kindern hatte er so viel zu tun, dass ihm das nicht immer gelang. Meistens erfuhr er das Wichtigste von Hermine und Audrey.
Dädalus plapperte genug für alle am Tisch und war bald in eine sehr detailreiche Diskussion über die Quidditchsaison von 1977 mit Mr Bell verwickelt. Das war wohl das letzte Mal, als die Chudley Cannons im oberen Drittel der Tabelle gewesen waren.
Katie verdrehte die Augen. „Dad und Quidditch", sagte sie zu Harry und Ginny. „Ich mag Quidditch ja auch sehr gerne, sonst hätte ich nicht seit der zweiten Klasse gespielt, aber diese ganzen Spielstatistiken von vor Jahrzehnten …" Sie schüttelte den Kopf. „Was ist denn daran interessant?"
Ginny seufzte. „Ich weiß, was du meinst. Diese Statistiken sind auch das langweiligste, wenn ich für den Propheten berichte. Wer wie viele Tore pro Spiel und Saison schießt, wer die meisten durchlässt, wie lange es durchschnittlich dauert, den Schnatz zu fangen …" Sie verdrehte die Augen. „Als ich noch gespielt hab, war es natürlich wichtig, wie viele Tore ich gemacht habe, aber schließlich ging es auch um meine Karriere. Ich find's immer irgendwie unheimlich, wenn ich irgendwelchen Fans begegne, die besser über meine Karriere Bescheid wissen als ich."
„Willkommen in meiner Welt", seufzte Harry. „So geht es mir schon seit ich elf bin. Alle wussten mehr über mein Leben als ich."
„Aber jetzt ist das wenigstens nicht mehr so, oder?", sagte Hestia mitfühlend.
Harry zuckte mit den Schultern. „Mittlerweile glauben alle, sie wüssten mehr über unser Leben als wir. Auch wenn das meiste nur erfunden oder aus dem Kontext gerissen oder extrem aufgebauscht ist. Alle zwei Monate wird mir eine Affäre mit Hermine angedichtet, wenn sie sonst nichts haben, worüber sie schreiben können. Merlin sei Dank haben wir den Kindern von Anfang an eingetrichtert, dass sie bloß nichts glauben sollen, was sie sehen."
„Ja, die Leute sind schon komisch", stimmte James zu. „Was die alles wissen wollen über uns. Welche Marmelade Dad gerne hat und wo Mum zum Friseur geht und so komisches Zeug. Warum die das interessiert …"
„Und woher sollen wir das überhaupt wissen?", erwiderte Albus verständnislos. „Mum nimmt uns doch nicht mit zum Friseur."
„Merlin sei Dank nicht, es ist schon schlimm genug, euch dorthin zu kriegen", erwiderte Ginny und wuschelte James durch sein Haar. Der lehnte sich sofort von ihr weg.
„Mum!", sagte er peinlich berührt und schaute sich verstohlen um.
Ginny seufzte. „Fängt das jetzt schon an", sagte sie bedauernd. „Schlimm genug, dass Teddy schon in Hogwarts ist."
„Das ist der Junge von Remus und Tonks, oder?", erkundigte sich Hestia interessiert. „Ist der schon so alt? In welchem Haus ist er denn?"
„In Hufflepuff, wie seine Mutter", erwiderte Harry. „Wir waren uns alle nicht sicher, wo er hinkommt, Remus war schließlich in Gryffindor und Andromedas gesamte Familie, abgesehen von Sirius, war in Slytherin. Und Ted und Tonks waren beide in Hufflepuff."
„Und gefällt's ihm?", fragte Hestia. „Ich war ja in Ravenclaw, aber ich hatte mal einen Freund in Hufflepuff und ich fand es wirklich sehr angenehm, nicht immer diese blöden philosophischen Fragen beantworten zu müssen." Sie verdrehte die Augen. „Und immer diese ganze Treppen, die man in den Turm hochsteigen musste …"
„Aber dafür war die Aussicht super", erwiderte Ginny schulterzuckend. „Hat alles Vor- und Nachteile."
„Solange er nicht nach Slytherin gekommen ist", sagte James entschieden. „Alles ist besser als Slytherin!"
„Na na na!", sagte Ginny tadelnd. „Lass das bloß nicht Andromeda hören, sonst hält sie dir einen einstündigen Vortrag über die Vorzüge von dem Haus."
James verzog das Gesicht. „Nicht schon wieder", murmelte er.
„Dann überleg dir lieber gut, was du sagst, junger Mann!", mahnte Ginny. „Jedes Haus hat seine Vorzüge und du weißt nicht, wo du später mal landest."
James verdrehte die Augen. „In Gryffindor, wo sonst? Ihr seid doch alle in Gryffindor gewesen, wo sollte ich denn sonst hinkommen?"
„Das heißt gar nichts", erwiderte Ginny. „Schau dir Sirius an, seine ganze Familie war in Slytherin und er ist nach Gryffindor gekommen. Es gibt wirklich keine Garantie."
„Ganz genau", stimmte Dädalus zu. „Meine ganze Familie war in Ravenclaw, aber ich und meine Geschwister sind alle in Hufflepuff gewesen. Wir haben eine ganz neue Tradition begonnen. Und wer weiß, was die neue Generation der Weasleys machen wird. Ihr seid doch mittlerweile so viele, würde mich nicht wundern, wenn ein paar von euch woanders hinkommen."
„Ich nicht", sagte James im Brustton der Überzeugung. „Ich komme auf jeden Fall nach Gryffindor. Al vielleicht nicht, aber ich schon."
„Hey!", protestierte Albus sofort. „Nimm das sofort zurück! Wenn du nach Gryffindor kommst, dann ich erst recht!"
Harry seufzte. Es war doch bisher so gut gelaufen. Aber wenn James und Albus erst damit anfingen, sich zu streiten …
„Muss man sich denn immer über die verschiedenen Häuser streiten?", sagte Mrs Bell kopfschüttelnd. „Manchmal glaube ich, es wäre wirklich besser, wenn es gar keine Häuser gebe. Dann gäbe es viel weniger Streitereien und es würde nicht eine ganze Gruppe von Schülern vorverurteilt werden, nur weil sie einem bestimmten Haus zugeordnet wurden."
„Träum weiter, Mum", erwiderte Katie augenverdrehend. „Die Häuser gibt es, seit es Hogwarts gibt, das wird jetzt auch keiner mehr abschaffen. Außerdem schadet so ein bisschen Rivalität auch nicht. Beim Quidditch war das immer sehr sinnvoll."
Mrs Bell schaute skeptisch drein. „Na ich weiß ja nicht. Was bei euren Spielen immer alles schief gelaufen ist … Dementoren, Schädelbrüche, Massenprügeleien …"
„Massenprügeleien?!", fragte James begeistert. „Davon habt ihr ja gar nichts erzählt!"
Harry seufzte. „Also das ist übertrieben. Das Temperament ist vielleicht ein bisschen hochgekocht, aber-"
„Wart ihr nicht ein ganzes Schuljahr suspendiert? Ich kann mich noch an die Briefe erinnern, in denen sich Katie darüber aufgeregt hat", bohrte Mrs Bell weiter in der Wunde.
„Ihr wart suspendiert", wiederholte James und schaute seine Eltern aufgeregt an. „Echt?"
Ginny hob abwehrend die Hände. „Ich hab damit nichts zu tun. Das waren Fred und George und dein Vater. Das war der einzige Grund, warum ich überhaupt in die Mannschaft gekommen bin, weil sie einen Sucher gebraucht haben, nachdem euer Vater nicht mehr mitmachen durfte."
James schüttelte anklagend den Kopf. „Und du hast uns immer erzählt, dass du nur wegen wichtigen Sachen Nachsitzen bekommen und die Regeln gebrochen hast!"
Harry stöhnte gequält. Er hatte sich bemüht, nicht wie der reinste Engel zu klingen, wenn er James von seiner Zeit in Hogwarts erzählt hatte, weil das nun wirklich nicht der Wahrheit entsprach, aber er wollte auch verhindern, dass James sich zu ermutigt fühlte, ihm nachzueifern und in Hogwarts alles auf den Kopf zu stellen. Und Harry hatte nun mal meistens einen recht guten Grund gehabt, wenn er die Regeln gebrochen hatte.
„Wir wurden provoziert! Und die Strafe war wirklich nicht verhältnismäßig, Umbridge hat die nur als Vorwand genutzt, um mir das Leben so schwer wie möglich zu machen. Die Frau war wirklich …" Er suchte vergeblich nach einem passenden Wort, um sie zu beschreiben. Er schaute auf seinen Handrücken hinunter, auf dem er immer noch schwach die Narben erkennen konnte, die das Nachsitzen bei ihm hinterlassen hatte. Bei den wenigen Malen, die er ihr im Ministerium über den Weg gelaufen war, war es ihm kalt den Rücken heruntergelaufen.
„Unmöglich", beendete Ginny den Satz. „Aber wenigstens wird sie euch in Hogwarts erspart bleiben. Wenn sie wenigstens eine gute Lehrerin gewesen wäre, so wie Snape-"
„Also bitte", unterbrach Katie sie. „Als ob Snape ein guter Lehrer gewesen wäre! Er kannte sich gut mit Zaubertränken aus, aber als Pädagoge war er doch eine Niete. Da war ja Trelawney besser, und die hat sich fast alle Prophezeiungen nur ausgedacht. Ich hab mich immer gewundert, nach was für Kriterien die Lehrer ausgewählt werden. Wenn ich daran denke, was Susanna alles für pädagogische Kurse machen musste, bevor sie ihren Abschluss als Lehrerin bekommen hat, da könnte sich die Zauberwelt wirklich mal eine Scheibe abschneiden."
„Wahrscheinlich schon", stimmte Harry ihr zu und dachte an Lockhard, der weder unterrichten konnte noch sein Unterrichtsfach beherrscht hatte. Wenigstens war die Stelle vom Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste nicht mehr verflucht. Teddy sprach in den höchsten Tönen von seinem Lehrer und Neville fand ihn auch sehr kompetent, also musste man sich darum wenigstens keine Sorgen mehr machen.
TBC …
