3. Dezember: Neue Erkenntnisse
„Na wie dem auch sei", überging Tante Petunia Mrs Figg mit lauter Stimme. „Diese Hochzeit wird nichts und niemand ruinieren. Endlich hat unser Diddimatz eine vernünftige Frau gefunden, die wirklich zu schätzen weiß, was für ein großer Schatz er ist und vielleicht werden wir dann auch endlich Enkelkinder bekommen, die wir verwöhnen können, deshalb-"
„Aber ich bin eingeladen", unterbrach Harry seine Tante, nur damit sie endlich Ruhe gab. Und es war schon ein befriedigendes Gefühl, als er ihr die Einladung zeigte, die Susanna ihnen geschickt hatte.
Fassungslos riss Tante Petunia sie ihm aus der Hand. „Wie bitte? Das kann doch nur ein schlechter Scherz sein!" Mit großen Augen starrte sie auf das Stück Papier, das sie wortlos an Onkel Vernon weiterreichte, der noch roter anlief als sowieso schon. „Das verstehe ich nicht", sagte sie und schaute hilflos zu Onkel Vernon. „Woher …? Wieso …? Warum …? Habt ihr etwa noch Kontakt?"
Harry schüttelte den Kopf. „Wir sind uns vor ein paar Monaten zufällig über den Weg gelaufen und Susanna hat uns eingeladen."
„Uns?", wiederholte Onkel Vernon entsetzt und schaute sich hektisch um. „Sind etwa noch mehr von deiner Sippschaft hier?"
Mrs Figg schnaubte abfällig.
Harry zuckte mit den Schultern. „Sie brauchten ein Blumenmädchen."
„Ein Blumenmädchen?", wiederholte Tante Petunia schockiert. „Was für ein Blumenmädchen? Susanna hat nichts von einem Blumenmädchen gesagt."
Harry öffnete den Mund, aber bevor er antworten konnte, kam Lily aufgeregt auf ihn zu gerannt. „Daddy, Daddy, Daddy, die Blüten sind ganz toll! Und die nette Frau hat mir einen Kranz für meine Haare gegeben, ist der nicht super?", rief sie ihm zu und drehte sich einmal im Kreis, damit Harry sie ausgiebig bewundern konnte.
Harry musste unwillkürlich lächeln. Lilys Freude war immer so ansteckend.
„Ah, du musst die kleine Lily sein", sagte Mrs Figg grinsend und reichte Lily die Hand. Onkel Vernon und Tante Petunia schauten Harrys Tochter nur sprachlos und mit weit offenen Mündern an. „Ich hab schon so viel von dir gelesen."
Lily nickte erfreut. „Ich bin das Blumenmädchen!", verkündete sie stolz. „Das ist ganz wichtig, ohne mich kann die Hochzeit gar nicht losgehen."
„Ja, eine wirklich wichtige Aufgabe, in der Tat", versicherte Mrs Figg.
„Ihr Hut ist klasse", sagte Lily begeistert und deutete auf das Ungetüm, das auf Mrs Figgs Kopf schwankte.
Mrs Figg lief vor Freude rosa an. „Vielen Dank", sagte sie geschmeichelt. „Den habe ich ganz günstig erworben." Harrys Meinung nach hätte man sie eher dafür bezahlen müssen, ihn zu tragen, aber über Geschmack ließ sich bekanntlich nicht streiten.
Mrs Figg machte Lily ein Kompliment zu ihrem Blumenmädchenkleid und dem Blumenschmuck in ihrem Haar. Harry wurde von Tante Petunia abgelenkt, die den Blick nicht eine Sekunde von Lily abgewandt hatte und das kleine Mädchen mit glasigen Augen anstarrte. „Lily", murmelte sie beinahe lautlos.
Harry erinnerte sich unwillkürlich an Snapes alte Erinnerungen aus dem Denkarium, als seine Mutter und Tante Petunia kleine Mädchen gewesen waren und sich gut verstanden hatten. Lily war Harrys Mutter nicht so auf dem Gesicht geschnitten wie Harry und seine Söhne seinem Vater, dafür waren Ginnys Gene zu stark, aber trotzdem sah sie ihrer Großmutter ähnlich genug, dass schwer sein musste für Tante Petunia.
„Geht's dann endlich los, Daddy? Ich hab schon so lange gewartet!", fragte Lily schließlich ungeduldig.
Harry zuckte mit den Schultern.
„Das Brautpaar müsste bald kommen", versicherte Mrs Figg Lily. „Die werden uns bestimmt gleich sagen, dass wir auf unsere Plätze können. Keine Sorge."
„Bild dir bloß nicht ein, dass du vorne bei der Familie sitzen kannst, Bursche", brummte Onkel Vernon verstimmt. „Nur weil Susanna ein zu weiches Herz hat, heißt das nicht, dass du hier willkommen bist mit deiner Sippschaft. Keiner kennt dich und-"
„Harry! Wie schön, dich zu sehen!" Katie Bell, die ebenfalls ein gelbes Brautjungfernkleid trug, kam mit ihren Eltern im Schlepptau und einem großen Grinsen im Gesicht auf Harry zu. „Wie schön, dass du doch gekommen bist, Susanna meinte, dass Dudley sich nicht sicher sei, ob du die Einladung auch wirklich annimmst."
„Da hatte er nicht Unrecht", murmelte Harry. Er würde immer noch am liebsten verschwinden, aber seine Familie hatte sich gegen ihn verschworen. Und die entsetzten Blicke von Onkel Vernon und Tante Petuia waren wenigstens eine kleine Wiedergutmachung.
„Woher kennen Sie denn Harry, Katie?", fragte Tante Petunia und schaute hektisch zwischen Harry und Katie hin und her.
„Oh, wir waren zusammen in der Schule", erwiderte Katie unbekümmert und umarmte erst Harry und dann Lily zur Begrüßung, bevor sie ausgiebig Lilys Kleid und ihre Blumen bewunderte.
„In der Grundschule?", fragte Tante Petunia hoffnungsvoll.
Katie schaute sie irritiert an. „Nein, in Hogwarts."
„In Hogwarts?!", rief Tante Petunia entsetzt und schlug sich dann erschrocken eine Hand vor den Mund. Sie schaute so unauffällig wie möglich nach rechts und links, aber keiner schien ihnen groß Beachtung zu schenken. „Aber Susanna ist doch nicht … sie ist doch nicht etwa auch … sie kann doch nicht …"
Katies Mutter, Mrs Bell, schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin die erste aus der Familie, die Magie hat. Meine Schwester hat leider keine. Ich hab ihr immer so viel wie möglich von Hogwarts erzählt, aber natürlich ist das nicht dasselbe. Sie hat immer gehofft, dass wenigstens Susanna die Magie geerbt hat, aber leider …" Sie zuckte mit den Schultern. „Aber sie ist ganz begeistert, dass sie jetzt mit Harry Potter verwandt sein wird. Und wir auch." Harry lächelte schwach und ließ sich von Mrs Bell den Arm tätscheln. „Immerhin wäre unsere Katie wahrscheinlich ohne ihn gar nicht mehr da. Diese verfluchte Halskette damals …"
„Das war wirklich nur Zufall", verteidigte Harry sich. „Wenn wir Katie damals nicht gefunden hätten, dann hätte jemand anderes-"
„Ach Papperlapapp!", unterbrach Katie ihn unwirsch. „Nimm das Kompliment einfach an, Harry, wir sind dir alle dankbar, dass du damals zur richtigen Zeit am richtigen Ort warst. Wie so oft. Wer weiß, wie die Zauberwelt aussehen würde, wenn du nicht immer zur Stelle gewesen wärst."
Harry kratzte sich verlegen am Kopf und nickte schließlich. Er war diese Dankbarkeit zwar gewohnt, aber er wusste immer noch nicht so ganz, wie er damit umgehen sollte.
„Sie müssen so stolz sein, dass Harry Potter Ihr Neffe ist", wandte sich Mrs Bell an Tante Petunia und Onkel Vernon, die ihre Münder nur wie zwei Karpfen auf- und zuklappten. „Wir haben ihm alle so viel zu verdanken." Sie schluckte schwer und legte einen Arm um Katies Schultern.
„Mum", murmelte Katie peinlich berührt. „Ich hab dir doch gesagt, du sollst dich normal benehmen, wenn du Harry siehst! So besonders ist er jetzt auch nicht. Wir waren sechs Jahre im gleichen Haus. Gut, wenn es um Quidditch geht, dann ist das vielleicht was anderes. Dreimal haben wir den Pokal geholt, das war wirklich nicht einfach, mit deinem ewigen Nachsitzen und als Umbridge dich damals gesperrt hat, die war auch wirklich eine dumme Pute."
„Katie!", sagte ihre Mutter warnend. „Sie müssen entschuldigen", sagte sie und lächelte sowohl Harry als auch seine Tante und seinen Onkel entschuldigend an. „Katie ist manchmal etwas taktlos."
Harry zuckte mit den Schultern. „Stimmt doch. Umbridge war wirklich-" Er unterbrach sich gerade noch rechtzeitig, weil er sah, wie Lily ihn aufmerksam anstarrte. Seiner dreijährigen Tochter musste er wirklich noch nicht solche Schimpfworte beibringen, die für Umbridge passend gewesen wären. „Unmöglich", sagte er schließlich.
„Und dass sie immer noch im Ministerium tätig ist", sagte Mr Bell kopfschüttelnd. „Nachdem sie so mit euch Schülern umgesprungen ist! Und dass sie sogar Dementoren in eine Muggelgegend beordert hat, da muss sie doch gegen die Regeln verstoßen haben, dass man ihr das hat durchgehen lassen ..."
„Dementoren?", fragte Tante Petunia entsetzt. „Was für Dementoren? Waren das etwa diejenigen, die unseren Diddimatz angegriffen haben?"
Harry nickte. „Ich hab's mehrfach zur Sprache gebracht und Kingsley hat auch versucht, sich darum zu kümmern, aber man konnte es ihr leider nicht nachweisen."
„Was ist das denn für ein Saftladen?", fragte Onkel Vernon aufgebracht. „Was soll das denn für eine Regierung sein, wenn ihr so gemeingefährliche Subjekte nicht zur Rechenschaft ziehen könnt?!"
Katie schnaubte. „Als ob die Muggel das so viel besser drauf haben als wir! In eurer Regierung herrscht doch ständig Chaos."
„Also so würde ich das nun wirklich nicht beschreiben", ereiferte sich Onkel Vernon sofort. Harry stöhnte innerlich auf. Das hatte er schon immer gehasst, wenn Onkel Vernon seine unmöglichen politischen Ansichten zum Besten gegeben hatte, die keiner hören wollte.
„Ich glaube, es geht gleich los", unterbrach Mrs Figg alle und deutete auf den Eingang zur Kirche, auf den mittlerweile alle Gäste zuströmten.
„Oh, ich muss auf meinen Platz", rief Lily aufgeregt und rannte zurück zu Ginny, die bei den anderen Brautjungfern stand und Lily zu sich winkte.
Katie richtete sich auf und strich ihr Kleid glatt. „Dann werde ich wohl auch mal müssen." Sie lächelte Harry zum Abschied zu. „Wir sehen uns dann beim Empfang. Glaub bloß nicht, dass du dich so einfach davonstehlen kannst!"
Harry nickte seufzend. Dann würde er sich wohl wirklich nicht davor drücken können. Schöne Scheiße.
TBC …
