Jahr 6
Kapitel 10 - Poker
Der zweite Schultag startete für Amina genauso entspannt wie der erste. Sie wachte seit Monaten das erste Mal wieder neben Severus auf, konnte ihren Morgensport mit ausreichend Platz ausüben, wobei sie für ihr Ausdauertraining eine Runde über die Ländereien joggte. Der Unterricht war, wie bei jedem Schuljahresanfang, ohne großen Druck gehalten.
In den darauffolgenden Tagen bemerkte sie, dass viele der Klassenmitglieder nicht zufrieden waren mit dem Verteidigungs-Unterricht. Soweit sie die Gedanken der Schülerschaft verstand, unterrichtete Dolores lediglich Theorie und keinerlei Praxis. Amina fragte sich, wie sich ihre Kollegin die praktische Prüfung vorstellte. Die Lernenden würden in Massen durchfallen. Bei Potter und seinen Anhängsel schien auch nicht alles in Ordnung zu sein. Der Schwarzhaarige schien einen konstanten leichten Schmerz zu spüren, welcher mit jedem Tag ein wenig stärker wurde. Zudem schien er gestresst und genervt. Nichts Ungewöhnliches für einen Fünftklässler. Doch der Schmerz beunruhigte sie ein wenig.
Am Mittwoch hatte sie dann zum ersten Mal die fünfte Klasse in ihrem Arithmantik-Unterricht. Wie immer trat sie mit kühlem Blick vor die Klasse. „Ich denke, ich kann mir die Ansprache bezüglich Ihrer ZAGs sparen. Sie dürften sie bereits mehrmals gehört haben. Sollte ich jedoch bemerken, dass die Botschaft nicht zu Ihnen durchgedrungen sein sollte, werde ich es mir nochmal überlegen. Schlussendlich ist es Ihre Zukunft, die sich entscheidet, nicht meine.", begann sie ihren Unterricht.
Als die Stunde vorbei war, packten die Klasse ihre Sachen zusammen. „Miss Granger, Sie bleiben noch einen Moment.", wies Amina die braunhaarige Schülerin an. „Ja, Frau Professor?", fragte die Schülerin, sobald sie allein im Raum waren. „Sie und ihre beiden Freunde scheinen es mit der Okklumentik nicht so streng zu sehen. Jedes Mitglied des Ordens riskiert tagtäglich sein Leben dafür, Mr. Potter zu beschützen und Sie drei halten es offensichtlich für selbstverständlich. Ändern Sie daran etwas.", sagte sie zu der Schülerin. Diese nickte eifrig. „Ich werde es den anderen beiden ausrichten, Frau Professor. Wir werden uns bessern.", antwortete sie. Amina quittierte es mit einem nickten, war jedoch nicht vollends überzeugt. „Dann gehen Sie jetzt.", wies sie die Schülerin an und wandte sich ihren Unterlagen zu.
Am Nachmittag desselben Tages hatte sie zum ersten Mal die Klasse des siebten Jahrgangs in Alchemie. Die Klasse bestand aus drei Ravenclaws, zwei Hufflepuffs, einem Slytherin und den Weasley-Zwillingen. Eine relativ große Klasse für dieses Fach. Zumindest seitdem die Zwillinge dazugekommen waren. Kurz nachdem sie den Unterricht begonnen hatte, meldete sich ein Ravenclaw-Schüler. „Ja, Mr. Davies?", fragte Amina desinteressiert. „Frau Professor, was machen die beiden hier?", fragte er und zeigte auf die Zwillinge. Diese grinsten vor sich hin. „Sie werden hier offensichtlich unterrichtet.", antwortete sie ihm gleichmütig. „Aber…", fing eine Hufflepuff-Schülerin an. „Kein aber. Ich treffe die Entscheidung, wer hier in meinem Unterricht sitzen darf und die Weasleys haben es durch eine praktische Prüfung in diesen Kurs geschafft. Sollte einer von Ihnen damit ein Problem haben, dürfen Sie sich gerne an die Hauslehrkräfte oder den Schulleiter wenden." Sie bedachte die Klasse mit einem kühlen Blick und brachte damit die Proteste zum Schweigen. „Da das nun geklärt ist, können Sie sich alle wieder Ihrer Arbeit zuwenden. Weasleys, packen Sie sofort diese Süßigkeiten wieder in Ihre Taschen." Ertappt grinsten die Zwillinge sie an, machten dann aber, was sie ihnen gesagt hatte.
Am Freitagabend traf sie sich nach dem Abendessen mit Severus und ihrem Urgroßonkel im Lehrkräftezimmer. Viele aus dem Kollegium waren ebenfalls anwesend und wollten sich das Spiel nicht entgehen lassen. Dolores war zur Freude aller Anwesenden nicht dabei.
„Die Karten sind verzaubert, damit nur jemand, der die Karten in den Händen hält sehen kann, was es für welche sind, bis sie ausgespielt werden. Filius, würden Sie sie bitte nochmal als neutrale Person überprüfen?", bat Amina ihren kleinen Kollegen und überreichte ihm den Kartensatz. „Es gelten die Regeln des Texas Holdem Spiels. Es darf keine bewusste Legilimentik eingesetzt werden und auch keine sonstige magische Handlung. Hilfe von außerhalb ist ebenfalls verboten.", erläuterte Amina und wartete bis ihre beiden Mitspieler zustimmend nickten.
Filius reichte die Karten wieder an Amina. „Die Karten sind in Ordnung.", erklärte er. Sie begannen das Spiel. Nach etwa einer Dreiviertelstunde deckten sie dann ihre Karten auf. Albus begann: „Full House" Er zeigte ein unschuldiges Lächeln. Amina war als nächstes dran: „Straight Flush" Albus machte große Augen. Severus deckte seine Karten auf: „Royal Flush" In seinem Gesicht entstand ein bösartiges Lächeln. Die Lehrkräfte um die drei herum jubelten. „Damit hat Severus die Runde gewonnen.", stellte Filius begeistert fest. „Nur diese.", erwiderte Amina und gab die Karten an Charity weiter, welche sie mit einem Zauber mischte. „Hast du etwa an meiner Aussage gezweifelt?", fragte Severus sie spöttisch. „Selbstverständlich. Ein zweites Mal lasse ich dich nicht gewinnen und wenn ich Albus zum Sieg verhelfe.", antwortete sie ihm. „Ich denke, dafür benötige ich keine Hilfe.", warf dieser selbstsicher ein.
Eine weitere Runde später hatte Albus tatsächlich gewonnen. Die dritte Runde gewann wieder Severus und die zwei darauffolgenden Amina. Ihre Kollegen verabschiedeten sich nach und nach bis irgendwann nur noch die drei Spieler an dem großen Tisch saßen. Nach drei weiteren Runden beendeten sie dann das Spiel. „Ich habe noch nie eine so angenehme Pokerrunde gehabt.", gestand Amina zufrieden. Die beiden Männer nickten zustimmend. „Ein gutes Spiel, das ist wahr.", stimmte Albus ihr zu.
„Sagt ihr beiden, wie machen sich die Lernenden so?", fragte er dann neugierig. Amina zuckte mit den Schultern. „Bis jetzt benehmen sie sich, wie immer. Allerdings scheint Dolores sehr schlechten Unterricht zu machen. Mit Mr. Potter scheint auch etwas nicht ganz zu stimmen. Er hat Schmerzen und sie werden jeden Tag ein wenig stärker.", antwortete sie ihm. „Das mit Dolores hatte ich bereits befürchtet. Sag, was sind das für Schmerzen bei Harry?", fragte er weiter. „Körperliche, mehr kann ich nicht sagen." Albus nickte verstehend.
„Und wie stellen sich die drei mit ihrer Okklumentik an?", fragte er nach einigen Sekunden. „Die drei sind erbärmlich, Direktor.", antwortete Severus ihm ehrlich. Ihr Urgroßonkel musste lächeln. „Versucht es ruhig immer weiter. Irgendwann werden sie es beherrschen.
Severus, ich denke es ist aber an der Zeit, dass wir dieses alberne Siezen lassen. Gehören wir doch in gewisser Weise zu einer Familie, denkst du nicht auch?" Überrascht sah Severus Albus an. Dann nickte er langsam. „Danke, Di…Albus.", sagte er schließlich. Ihr Urgroßonkel strahlte. „Schon viel besser. Sagt, ihr beiden, wie habt ihr euch eigentlich eure Hochzeit vorgestellt? Ich meine, ihr seid jetzt fast ein Jahr verlobt. Habt ihr euch schon Gedanken gemacht?", fragte er interessiert.
Severus und Amina sahen sich an. Sie hatten im Sommer darüber gesprochen. „Wir haben beschlossen kein großes Fest daraus zu machen.", sagte Amina. „Der Zeitpunkt steht noch nicht genau fest, wir wollten abwarten, wie sich die Situation entwickelt.", erklärte Severus weiter. „Allerdings wird es wohl noch in diesem Schuljahr sein. Nicolas und Perenelle haben nur noch genug Alkahest bis ungefähr Mitte Mai und wir würden sie gerne dabeihaben.", ergänzte Amina. Verstehend nickte Albus. „Wen wollt ihr denn noch dabeihaben?", fragte er schließlich. „Dich und Aberforth.", sagte Amina knapp. „Sonst niemanden?" „Wir hatten uns überlegt die Hochzeit möglichst geheim zu halten. Das erspart uns den Interessenskonflikt in der aktuellen Situation.", sagte Severus und lehnte sich dabei auf seinem Stuhl zurück.
„Verstehe. Ich kenne einige Leute im Ministerium, die mir noch heute einen Gefallen tun würden. Wenn ihr einen Tag habt, könnt ihr mir Bescheid geben. Ich werde mich um jemanden kümmern der euch traut und die Dokumente verschwinden lässt, bis sie nicht mehr versteckt werden müssen.", bot er ihnen an. „Danke Onkel." „Nicht dafür, meine Liebe."
Nach einer weiteren halben Stunde des gemütlichen Zusammenseins lösten sie die kleine Runde auf. Albus hatte angekündigt, dass Newt an einem der nächsten Wochenenden noch vorbeikommen würde, um sich endlich den Basilisken in der Kammer des Schreckens anzuschauen. Er hatte es eigentlich schon im letzten Schuljahr machen wollen, doch ihm hatte die Zeit gefehlt und das Skelett würde ja nicht davonlaufen.
Amina machte sich allein auf den Weg in ihre Räume. Severus würde in dieser Nacht in seinen eigenen Räumen schlafen, da er noch jemanden zum Nachsitzen am folgenden Tag erwartete. Amina würde das Wochenende nutzen, um an ihrem Todesbrecher weiter zu forschen.
Auf der Höhe des ersten Stocks hörte sie dann Schritte. Verwundert weitete sie ihren Geist aus und bemerkte Dolores. Wenige Sekunden später sah sie ihre kleine Kollegin auch. Sie hatte wieder einmal ihr falsches Lächeln aufgesetzt und schien zufrieden mit irgendetwas zu sein. Nach wenigen Schritten hatte die pink gekleidete Lehrerin Amina ebenfalls bemerkt. „Amina, so spät noch unterwegs?", fragte sie sie scheinheilig. Amina nickte, hielt es aber nicht für nötig zu antworten. „Wer hat Ihr Spiel denn gewonnen?", fragte ihre Kollegin weiter und lief dabei neben ihr her. „Wir spielten mehrere Runden. Die Siege waren recht ausgeglichen." „Sie müssen deswegen bestimmt frustriert sein.", kicherte die pinke Lehrerin gekünstelt. „Keineswegs. Es ist schließlich nur ein Spiel." „Aber natürlich ist es das. Nun denn einen schönen Abend noch, meine Liebe." Mit diesen Worten bog Dolores in einen anderen Gang ab. Amina war froh sie losgeworden zu sein.
Am Samstagabend traf sie sich mit den anderen Lehrerinnen im Drei Besen. Wobei Lehrerinnen eigentlich der falsche Ausdruck für ihre Runde war, denn auch Irma und Poppy kamen immer dazu. Lediglich Dolores wurde nicht eingeladen.
Als Amina die Drei Besen betrat waren die anderen zehn Frauen bereits anwesend. Sogar Sybill war gekommen.
„Guten Abend zusammen.", begrüßte Amina die Runde. „Ah, Amina, gut dass Sie da sind. Wir dachten schon Sie haben unsere Verabredung vergessen.", begrüßte Bathsheda sie lachend. „Oder die Zeit.", ergänzte Poppy. „Ich habe nur noch etwas fertig gemacht. Hallo, Rosmerta." Amina begrüßte die Wirtin, die in diesem Moment mit Getränken an ihren Tisch kam. „Und was gibt es Neues aus Hogwarts zu berichten die Damen?", fragte die Wirtin gut gelaunt. Die meisten Schnaubten verächtlich. „Unsere neune Kollegin ist ein ganz reizendes Exemplar eines Drachens.", antwortete ihr Charity. Die anderen nickten zustimmend. „Oh, so schlimm. Sie ist vom Ministerium, oder? Will wohl Dumbledore im Blick behalten.", überlegte Rosmerta. Amina nickte mit den anderen.
„Wahrscheinlich will sie auch noch mehr.", warf sie dann ein. „Ja und so, wie sich der Minister benimmt, bekommt sie es wahrscheinlich auch.", stimmte Minerva ihr zu. „Fragt sie euch auch unterschwellig nach eurer Loyalität aus?", fragte Wilhelmina. Wieder zustimmendes Nicken von fast allen. „Ihr wird noch vor dem Ende des Schuljahres etwas schreckliches wiederfahren.", prophezeite Sybill mit ihrer rauchigen Stimme. „Das höre ich doch gerne.", lachte Pomona und hob ihren Krug zum Toast: „Alles ist vergänglich, nur der Durst bleibt lebenslänglich. Auf uns!" Amina hob ihre Teetasse mit den anderen und trank einen Schluck.
Am nächsten Morgen erwachte sie erst kurz vor dem Frühstück. Sie war mit den anderen Lehrerinnen bis weit nach Mitternacht im Drei Besen geblieben und hatte keinerlei Lust verspürt früher als nötig aufzuwachen. Auch wenn sie, im Gegensatz zu ihren Kolleginnen, keinen Alkohol getrunken hatte.
„Bist du endlich wach?", fragte Severus sie. Sie stöhnte kurz und blickte zum Bettende. Er stand vollständig angezogen und mit einem Ausdruck diebischen Vergnügens im Gesicht vor ihrem Bett. „Morgen.", murmelte sie und drehte sich auf den Bauch. Severus lief auf ihre Seite des Bettes und strich ihr über den Rücken. Sie brummte zufrieden. „Du solltest aufstehen. Das Frühstück beginnt gleich." „Das beginnt auch ohne mich.", murrte sie und vergrub ihr Gesicht in ihrem Kissen. „Korrekt, doch wird die Abwesenheit sämtlicher Lehrerinnen auffallen, denkst du nicht?", fragte Severus mit ruhiger tiefer Stimme.
„Vermutlich. Du hast den anderen Hauselfen auf den Hals gehetzt, oder?" Sie drehte ihren Kopf zu ihm, ohne ihre Liegeposition aufzugeben. „Zusammen mit je einem Stärkungstrank.", bestätigte er. „Dir macht es viel zu viel Spaß uns leiden zu sehen.", stellte Amina trocken fest und setzte sich seufzend auf. Severus küsste sie kurz, ohne ihre Aussage zu kommentieren.
Beim Frühstück wurde Amina dann schlagartig wach, als sie einen Blick in Severus Zeitung warf. Dolores würde Großinquisitorin von Hogwarts werden, was wohl bedeutete, dass sie in Zukunft nicht nur den Lernenden das Leben schwer machen würde. Sie konnte die Unruhe auf diese Mitteilung in der ganzen Großen Halle spüren. Nur wenige schienen mit der Entscheidung zufrieden zu sein. Allen voran Dolores selbst.
Noch am selben Tag bekam sie von der neuen Großinquisitorin die Mitteilung, dass sie ihren Unterricht, sowohl den für Arithmantik als auch für Alchemie an einem Mittwoch inspizieren wollte, um die Qualität des Unterrichts und Aminas Kompetenzen zu bewerten.
