Englischer Originaltitel: A Raven's Story
worrywart hat derzeit leider alle ihre Geschichten offline genommen, hat mir aber freudlicherweise per PM auf erlaubt, diese Übersetzung zu veröffentichen.
Autor: worrywart u/2659111/worrywart
Übersetzt von Wine Witch
Betakorrektur: wandbreaker
Disclaimer: Harry Potter gehört JK Rowling. Autor und Übersetzer spielen lediglich in deren Sandkasten. Kein Geld, nur Spaß.
Anmerkung der Übersetzerin:
Meinen herzlichen Dank an worrywart für die Erlaubnis zur Übersetzung, obwohl ihre Originalgeschichte nicht mehr zugänglich ist.
Ganz lieben Dank an wandbreaker für die Betakorrektur.
A Raven's Story – Geschichte eines Raben
Kapitel 1 – Eine alte Kiste
Die Federn des Raben, der auf seiner Sitzstange saß, glänzten aufgrund seines Alters nicht mehr so sehr. Er murmelte vor sich hin, als ein Geräusch seinen Schlaf störte. Die Quelle der Störung lag linker Hand, wo ein Kleiderschrank mit weit geöffneten Türen stand. Auf dem Boden daneben lagen Kleidungsstücke gestapelt.
Hermione Snape kniete zwischen den Roben und Stiefeln nieder, um die unterste Schublade zu öffnen. Die Hände, die die Griffe fassten, schmerzten, als sie die Schublade aufzogen; mit einhundertzwölf litt sie unter den üblichen Zipperlein und Schmerzen der Hochbetagten. Als die Schublade offenstand, griff sie hinein und zog eine alte Kiste hervor. Liebevoll streichelte sie über die abgegriffene Oberfläche des Wellenahornholzes; Severus hatte ihr die Kiste an ihrem zehnten Hochzeitstag geschenkt. In die Oberseite waren ein Löwe und eine Schlange geschnitzt, die zum Tattoo an ihrem Handgelenk passten. In die anderen Flächen waren keltische Symbole und Runen graviert.
„Gran?", rief eine weibliche Stimme aus dem Wohnzimmer.
„Hier drin!"
Eine hochgewachsene Frau mit Brille ging in Hermiones Schlafzimmer. „Was machst du?"
„Ausmisten. Das ist notwendig."
„Aber Gran, es ist erst eine Woche her! Warum wartest du nicht?"
„Je länger ich warte, desto schwieriger wird es", stellte Hermione traurig-resignierend fest.
„Oh, Gran." Glennis ließ sich neben ihrer Urgroßmutter auf den Boden fallen, die die Hand ausstreckte und über das Haar der 34-jährigen Frau strich. Es war so schwarz und glatt, wie Severus' gewesen war. Sie hatte seine schwarzen Augen, aber sie besaß die gleiche, unbändige Neugier wie Hermione. „Ich vermisse ihn so sehr."
„Genau wie ich. Er war mein Herz und meine Seele."
„Er war wirklich dein Seelengefährte, oder?", fragte Glennis zurückhaltend.
„Ja, das war er wirklich", lächelte Hermione.
„Sie sind selten, nicht wahr?"
„Echte Seelengefährten sind selten. Sicher, viele Leute sagen, dass sie Seelengefährten sind, und sie hegen eine tiefe, dauerhafte Liebe und Empathie füreinander, aber nur wenige sind echte Seelengefährten." Hermione drehte ihr Handgelenk, um Glennis das Tattoo ihrer Bindung zu zeigen. „Als die Bindungszeremonie an unserem Hochzeitstag abgeschlossen war, erschien dieses Symbol. Es ist über die Jahre niemals verblasst oder hat an Farbe verloren. Dein Urgroßvater und ich hatten Gründe zu glauben, dass wir Seelengefährten waren, aber dies war der absolute Beweis." Hermione schnaubte bei der Erinnerung. „Das Ministerium besaß sogar die Frechheit, unsere Anwesenheit bei einer Anhörung zu verlangen, um die Zeichen zu untersuchen, und sie schwätzten über das andere Tattoo deines Urgroßvaters und über dunkle Magie allerhand dummes Zeug." Hermione fuhr die Kontur des vertrauten Tattoos ehrfürchtig nach; ein goldener Löwe mit einer grünen Schlange, die sich um seinen Körper wand. Die Stirn der Schlange und des Löwen berührten sich; ihre Augen waren geöffnet, und sie sahen einander an.
„Gran …" Glennis zögerte, ehe sie ihren nächsten Gedanken aussprach. „Ich habe gehört, wenn ein Seelengefährte stirbt, dass der andere nicht lange danach stirbt."
„Ja. Deshalb bin ich nicht so traurig. Ich werde sehr bald wieder bei Severus sein." Hermione sprach nachdrücklich, aber sanft, als Glennis in Tränen ausbrach. „Weine nicht!", sagte Hermione schnell. „Es ist eine Freude für mich, dies zu wissen! Lenni, ich vermisse ihn so sehr. All die ärgerlichen kleinen Dinge, die er getan hat, all die liebevollen Dinge. All das vermisse ich so sehr." Hermione durchstöberte ihre Robentaschen, dann zog sie ein Taschentuch hervor. Liebevoll wischte sie über die Wangen ihrer Urenkelin und drückte Glennis dann das Taschentuch mit festem, aber zärtlichem Griff in die Hand. „Aber wir wissen, was jenseits des Schleiers ist, und ich weiß, dass ich sehr bald dort mit ihm für alle Ewigkeit zusammen sein werde. Sei nicht traurig für uns. Sei glücklich!", bat sie mit einem freudigen Lächeln, während sie die Hand ihrer Urenkelin entschieden tätschelte, bevor sie ihren Blick wieder der alten Kiste zuwandte.
Einige Momente später wischte sich Glennis über die Nase. Mit dem feuchten Taschentuch deutete sie auf die Kiste und fragte: „Was hast du da auf dem Schoß, Gran?"
„Das? Sieh es dir an!", sagte Hermione fröhlich. Sie zog ihren Zauberstab hervor, warf einen schnellen Schnittzauber auf ihren Daumen und drückte ihn dann auf einen abgenutzten Fleck auf dem Verschluss. Auf ein weiteres Antippen des Zauberstabs hin öffnete sich die Kiste. Darinnen befanden sich Hunderte von Briefen, einige lose, die meisten mit verschiedenen farbigen Bändern gebündelt. „In meinem siebten Jahr in Hogwarts begannen Dein Urgroßvater und ich eine Korrespondenz. Es war nach dem Krieg, und er hatte endlich die Freiheit zu tun, was immer er wünschte. Was lediglich als eine Bitte um Freundschaft begann, dauerte ein Leben lang", sagte Hermione liebevoll.
„Während unseres Liebeswerbens schrieben wir weiter. Ich habe die Briefe mit farbigen Bändern gebündelt, je nachdem, wann sie geschrieben wurden. Diese hier", sie deutete auf ein Bündel, das mit rotem und grünem Band zusammengebunden war, „wurden geschrieben, während ich in Hogwarts war. Die blauen, während ich im Glasgow Institut war und während unserer Werbezeit; die mit silbernem Band sind diejenigen, die wir geschrieben haben, nachdem wir verheiratet waren."
Als Glennis dies hörte, schaute sie Hermione verwirrt an. „Immer, wenn wir einen Streit hatten, den wir nicht beilegen konnten, begannen wir wieder, Briefe zu schreiben", erklärte Hermione, dann wandte sie sich wieder der ganzen Kiste zu. „Manche Briefe enthalten nicht mehr als einige Zeilen, in denen wir dem anderen viel Glück oder so etwas wünschen; manche Briefe sind sehr traurig." Ihre Finger strichen über ein kleines Bündel, das mit schwarzem Band zusammengefasst war. Sie tätschelte die Kiste. „Ein ganzes Leben … alles hier. Komm, meine Liebe; lass uns einen bequemeren Platz zum Sitzen finden, und ich zeige dir einige davon."
Urgroßmutter und Urenkelin standen beisammen, Letztere half Ersterer auf die Füße, ehe sie zu dem Bett hinübergingen, das Hermione und Severus in den letzten 88 Jahren geteilt hatten. Hermione hatte mit der Zeit unvermeidlich an Gewicht zugelegt, war aber im Vergleich zur verstorbenen Molly Weasley immer noch dünn. Ihr geflochtenes Haar war taillenlang und noch immer sehr lockig (obgleich Schwangerschaft und Alter seine frühere Buschigkeit reduziert hatten) und von Grau durchsetzt. Sie hatte es nie kurz geschnitten, weil Severus ihr Haar liebte und sie darum gebeten hatte. Besonders liebte er es, wenn sie es als geflochtenen Zopf trug, an dem er spielerisch zupfen konnte, wenn er tagsüber gelegentlich an ihr vorbeiging; dies war seine Art zu sagen: ‚Ich liebe dich'. Insbesondere mochte er es, den Zopf mit ihren Locken abends zu lösen, ehe sie sie ausbürstete. Sie hatte nichts dagegen, sich die Zeit zu nehmen, ihr Haar zu flechten; wenn etwas so Simples ihrem Liebsten Freude machte, dann machte sie ihm diese Freude willig.
Die beiden setzten sich gemütlich gegen die Kissen am Kopfende des Bettes nieder. Hermione beschwor für jede einen Becher heiße Schokolade auf und ließ sich nieder, um mit ihrer Geschichte zu beginnen.
„Nach dem Krieg verbrachte dein Urgroßvater mehrere Monate in St. Mungo, um gesund zu werden. Als das Schuljahr im September begann, kehrte er nach Hogwarts zurück, um zu unterrichten. Professor McGonagall, die zu der Zeit Schulleiterin war, ließ ihm die Wahl, Verteidigung gegen die Dunklen Künste oder Zaubertränke zu unterrichten. Er entschied sich für Zaubertränke, obwohl er zuvor die Verteidigungsstelle gewollt hatte. Dazu habe ich auch einen Brief."
„Wollte Granddad nicht wieder Schulleiter werden?", fragte Glennis und legte ihre Hände um den angenehm wamen Becher heißer Schokolade.
„Absolut nicht!", rief Hermione aus. „In unseren frühen Briefen schrieben wir uns darüber; ich werde einen für dich heraussuchen. Egal, Onkel Ron, Onkel Harry und ich kehrten zurück, um unser siebtes Schuljahr abzuschließen. Es war etwa drei Wochen nach Beginn des Schuljahrs, als ich den ersten Brief bekam, denjenigen, mit dem alles anfing."
