Kapitel 19 – Elfen helfen
Den ganzen Tag warteten Harry, Ginny und ich vor dem Krankenflügel. Die beiden diskutierten, wie das Ganze geschehen konnte, doch ich blieb still und hoffte, dass es Ron wirklich gut ging. Als wir endlich abends um acht eintreten durften, lag Ron kreidebleich in dem einzigen belegten Bett und mir kamen erneut die Tränen. Ein paar Minuten später kamen Fred und George, die den Tag in Hogsmeade verbracht hatten.
„So haben wir uns die Geburtstagsbescherung eigentlich nicht vorgestellt", sagte George bitter und legte ein Geschenk auf Rons Nachttisch.
Harry wiederholte für die beiden, was geschehen war, und sie begannen erneut zu überlegen, wie das Gift in Rons Körper gelangt sein konnte. Mir war es im Augenblick egal. Ich wollte einfach nur, dass er wieder aufwachte. Eine Woche musste er laut Madame Pomfrey mindestens im Krankenflügel bleiben – das zeigte, wie ernst die Lage war.
Gerade überlegten sie, dass Slughorn die Flasche für Dumbledore zu Weihnachten gekauft hatte.
„Dann hat der Giftmischer Slughorn nicht besonders gut gekannt", sagte ich, als ich doch halb zugehört hatte. „Jeder, der Slughorn kennt, hätte gewusst, dass er so einen köstlichen Tropfen mit ziemlicher Sicherheit selbst behalten würde."
Plötzlich meldete sich Ron zu Wort und krächzte kaum verständlich meinen Namen. Ich lächelte ihn an und drückte kurz seine Hand.
Dann kam Hagrid in den Krankenflügel gestürmt, der den ganzen Tag im Wald gewesen war und daher erst jetzt etwas gehört hatte. Er war natürlich auch besorgt und fragte, was geschehen war.
Ich beteiligte mich jetzt doch an der Diskussion, denn ich glaubte, dass es einen Zusammenhang zwischen dem tödlichen Halsband für Katie und dem Gift für Ron gab: Beide sollten tödlich enden und beide haben ihr eigentliches Ziel verfehlt. „Natürlich macht das die Person, die dahintersteckt, in gewisser Weise sogar noch gefährlicher, weil es ihr offenbar egal ist, wie viele Leute sie tötet, bis sie tatsächlich an ihr Opfer kommt."
Auf meine Worte folgte betretene Stille, bis Mr und Mrs Weasley hereinstürmten, die sich ausgiebig bei Harry dafür bedankten, dass er immer wieder die Weasleys rettete: erst Ginny, dann Mr Weasley und nun auch Ron.
Als Madame Pomfrey uns sagte, dass es zu viele Besucher waren, gingen Harry, Hagrid und ich. Ich wäre gerne bei Ron geblieben, aber seine Familie hatte natürlich Vorrang. Auf dem Korridor draußen erzählte Hagrid uns, dass der Schulbeirat überlegte, Hogwarts zu schließen, wie damals bei der Kammer des Schreckens.
„Wundert mich nich, dass Dumbledore wütend is' auf Sn-" Hagrid verstummte plötzlich und lief rot an, aber Harry und ich wechselten einen erstaunten Blick.
„Dumbledore ist wütend auf Snape?", hakte Harry nach. Aber Hagrid wusste nichts Genaues, nur dass sich die beiden abends im Wald gestritten hatten.
„Also", flüsterte Hagrid, „ich hab Snape nur sagen hör'n, Dumbledore würd zu viel als selbstverständlich nehmen und vielleicht würd er - Snape - es nich mehr tun woll'n."
„Was tun wollen?", fragte Harry sofort.
Ich presste auf meine Lippe. Das klang, als würde Snape nicht mehr für Dumbledore arbeiten wollen. Aber das konnte doch nicht sein?
Hagrid gab Harry noch den Rat, sich wegen Snape nicht in etwas hineinzusteigern, doch wir wurden von Filch unterbrochen und Harry und ich mussten schnell zurück in den Gemeinschaftsraum, wo ich gleich ins Bett ging. Was für ein Tag. Erst Rons Vergiftung und dann Severus Streit mit Dumbledore... Am liebsten wäre ich sofort zu ihm gegangen, um ihn danach zu fragen, aber ich musste bis zum nächsten Morgen warten.
HGSS
Als er beim Frühstück nicht erschien, ging ich nach meinem direkt zu seinem Büro und klopfte. Als niemand antwortete, versuchte ich es an seiner Wohnungstür. Er öffnete und sah mich verwundert an.
„Hermine?"
„Können wir reden?"
Der Flur hinter mir war zum Glück leer und so konnte ich eintreten, ohne dass es ein paar Stunden später die halbe Schule wusste und Gerüchte entstanden, warum Severus Snape eine Schülerin in seine privaten Räume gelassen hatte...
Er schloss die Tür hinter mir. „Was gibt es denn so Dringendes?"
„Stimmt es, dass du dich mit Dumbledore gestritten hast?"
Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber ich kannte ihn mittlerweile so gut, dass ich sah, wie er um Worte rang. „Woher hast du denn das?"
„Das ist irrelevant." Ich wollte Hagrid nicht reinreiten. „Also?"
„Und wenn es so wäre, warum solle das so wichtig sein? Jeder streitet sich mal, auch die besten Freunde. Oder hast du die letzten Monate etwa nicht kein Wort mit deinem angeblich besten Freund Ronald ausgetauscht?"
Ich lief rosa an, aber fuhr unbeirrt fort. „Du sollst gesagt haben, dass du eine bestimmte Sache nicht mehr für Dumbledore machen willst und dass Dumbledore vielleicht zu viel von dir verlangt."
Er sagte nichts, sondern ging weiter in den Raum, sodass ich sein Gesicht nicht mehr sehen konnte.
„Severus", sagte ich mit leiser Stimme. „Du willst doch nicht... Du hast doch nicht vor..."
„Was?", fragte er, ohne mich anzusehen.
„Naja", murmelte ich und mir kamen Tränen bei der Vorstellung. „Dass du zurückgehst zu..."
Er wirbelte herum. „Dass ich die Seite wechsle?", fragte er mich verblüfft.
Ich nickte vorsichtig.
Seine Maske fiel und er sah mich fassungslos an. Dann sah er verletzt aus. „Das glaubst du von mir?", flüsterte er entsetzt.
„Nein", sagte ich schnell. „Eigentlich nicht."
„Eigentlich?"
„Ach, ich weiß es doch auch nicht." Jetzt waren die Tränen kurz vorm Überlaufen.
„Hermine", sagte er und trat vor mich. „Ich dachte, du vertraust mir."
„Aber wie soll ich das denn machen, wenn du mir nichts verrätst. Worüber hast du dich denn sonst mit Dumbledore gestritten?"
Sein Blick sah gequält aus. „Das kann ich dir nicht sagen."
„Siehst du? Und so soll ich dir vertrauen können?"
„Ja", sagte er ernst. „Weil Freunde das machen."
Ich sah ihn mit großen Augen an.
„Wir sind doch Freunde, oder?"
Ich nickte langsam, dann warf ich mich an ihn und begann zu weinen.
Er legte seine Arme um mich und strich mir über den Rücken.
„Ich will einfach nur, dass das alles vorbei ist", schluchzte ich. Ich wünschte mir keine Geheimnisse mehr und kein Voldemort. Dass Severus und ich normal befreundet sein konnten, ohne dass immer etwas zwischen uns stand.
„Ich weiß", seufzte er. „Ich weiß."
HGSS
In der nächsten Woche besuchte ich Ron ein paar Mal und wir näherten uns langsam wieder an. Ich merkte erst jetzt, wie sehr ich ihn vermisst hatte, aber es waren definitiv keine romantischen Gefühle für ihn da.
Bei Severus war ich nur einmal am Donnerstag, weil ich wirklich viel zu tun hatte und arbeiten musste und da es ihm ähnlich ging, unterhielten wir uns kaum, sondern arbeiteten in Stille gemeinsam. Es war schön und irgendwie alltäglich.
Am nächsten Samstag stand das nächste Quidditchspiel an: Gryffindor gegen Hufflepuff. Da Zacharias Smith mitspielte, konnte er zum Glück nicht der Kommentator sein, doch stattdessen war Luna am Mikro, die meist über alles sprach außer das Spiel. Professor McGonagall neben ihr tat mir leid und ich fragte mich, warum sie nicht einfach selbst das Spiel kommentierte.
Ich hatte die Ränge abgesucht, doch Severus war nicht da. Anscheinend kam er wirklich nur zu den Slytherinspielen.
Das Spiel war das reinste Chaos, weil Cormac anscheinend nichts tat, was er sollte, und obwohl Harry ihn auf seinen Posten zurückschrie, schoss Hufflepuff ein Tor nach dem anderen. Und dann hatte Cormac einen Schläger in der Hand und als Harry auf ihn zuflog, um ihn erneut auf seinen Posten zurückzuschicken, bekam er einen Klatscher voll ins Gesicht und fiel von seinem Besen.
Ich schrie auf. Als Harry Potters beste Freundin müsste ich es mittlerweile gewohnt sein, dass er sich dauernd verletzte, aber es war immer noch schlimm, ihn blutend und oder bewusstlos zu sehen...
Die Treiber Coote und Peakes fingen Harry auf und zum Glück waren sofort Freiwillige und Madame Pomfrey da und Harry wurde in den Krankenflügel gebracht. Mich interessierte das Spiel sowieso nicht wirklich, daher lief ich hoch zum Schloss. Wie ich erwartet hatte, ließ Madame Pomfrey mich nicht rein. „Kommen Sie morgen wieder", sagte sie nur. „Potter braucht absolute Ruhe."
Wenigstens würde Ron bei ihm sein, wenn er aufwachte.
