Disclaimer:

Peter, Caine, Kermit und alle anderen Charaktere von Kung Fu:Im Zeichen des Drachen gehören mir nicht. Sie sind Eigentum von Michael Sloan und dem dazu gehörenden Team von Schöpfern, als auch Trademark und Copyright Haltern. Für diese Geschichte habe ich sie nur ausgeborgt und gebe sie weitgehendst unbeschadet zurück.

The Orphanage (Memories)

Peter wanderte, ohne sich Gedanken über sein Ziel zu machen. Er setzte einfach einen Fuß vor den anderen, ließ sich treiben und seinen Geist entschweben. Er war sich sicher, dass er den richtigen Weg, wo auch immer er ihn hinführen würde, gewählt hatte. Er konzentrierte sich auf die Schwingungen seiner Umgebung, die Energien, die in der Luft lagen und sich von ihm aufnehmen ließen. Meistens waren es gute Energien, nur selten dunkle. Auf einer Lichtung, an der er einen Tag zuvor vorbeigekommen war, hatte er gespürt, dass hier etwas Schlimmes passiert war. Deutlich hatte er die Bilder eines Gewaltverbrechens vor sich gesehen, als er sich auf das Laub gesetzt hatte und meditiert. Diese Energie war so stark in ihn eingeflossen, dass er es nicht lange ausgehalten hatte. Der einzig positive Aspekt war gewesen, dass er auch gespürt hatte, dass dieses Verbrechen gesühnt worden war. Überhaupt reagierte er absolut sensibel auf alles, was sich um ihn herum befand. Die Stimmungen der Menschen, denen er begegnete, die Erinnerungen von Orten, die er betrat.

Er dachte viel an seinen Vater, meditierte über ihn, und war inzwischen sicher, dass er es schaffen würde, den Verlust anzunehmen. So wie er sich gefühlt hatte, als er Kermit 'Auf Wiedersehen' gesagt hatte, so fühlte er sich jetzt meistens auch. Irgendwie selig. Aber manchmal kam die Trauer auch zurück. Dann weinte er wie ein Junge um seinen Vater. So, wie er es vor zwanzig Jahren getan hatte, verzweifelt und einsam. Dann fühlte er den Riss in seinem Herzen, spürte, dass etwas fehlte. Aber in der Tempelruine hatte er gesehen, dass es Caine gut ging, sein Vater hatte sein Schicksal angenommen, also musste er es auch akzeptieren. Caine war tot, aber sein Geist würde seinen Sohn immer begleiten.

Vor zwei Wochen hatte er das Krankenhaus verlassen. Seine Wunden waren mittlerweile verheilt, den Gips am Handgelenk hatte er nach zehn Tagen abnehmen können, die Rippenbandage schon nach einer Woche. Seine Selbstheilungskräfte hatten ihre Arbeit getan. Seitdem streifte er ziellos durch die Wälder und Wiesen, mied Dörfer, Städte, allgemein andere Menschen. Er wollte Ruhe und Frieden. Aktuell brauchte er die Einsamkeit, um zu sich zu finden. Er nahm sich auch viel Zeit, um zu meditieren und Tai Chi zu laufen, meist verbrachte er damit die Hälfte seiner Tage, manchmal auch länger. Es gab ihm die Ruhe, die er brauchte. Den Rest der Zeit setzte er seine Reise fort, den Geist seinerseits auf Reisen schickend. Er wusste nicht, wo er war und welche Strecke er zurückgelegt hatte, aber es war ihm auch egal. Darum ging es nicht mehr.

Peter wurde plötzlich seinen Gedanken gerissen, seine Shaolin-Instinkte schlugen an. Abrupt blieb er aus der Bewegung stehen und horchte mit allen Sinnen auf die Umgebung. Ganz leise hörte er ein 'Hilfe'. Es war erstickt, leise, verzweifelt. Der junge Mann rannte los, sein Gefühl verriet ihm die Richtung, die Schreie wurden lauter. Nach etwa hundertfünfzig Metern blieb Peter stehen und blickte nach unten. Er stand direkt an der Kante eines alten Brunnens. Um das Loch herum lagen Holzstücke, vermutlich war das Loch nur mit Brettern abgedeckt worden und...

"Hilfe!"

...ein Junge beim Spielen eingebrochen. Peter sah im Augenwinkel einen Rucksack auf dem Waldboden liegen, ignorierte ihn aber vorerst. Zunächst musste er dem Jungen helfen.

"Hilfe." Die Stimme wurde schwächer, die Zeit knapp.

Ohne darüber nachzudenken setzte Peter sich an den Rand des Schachtes und glitt hinein. Das Loch war schmal, Peter konnte sich je links und rechts an den glitschigen Steinen abstützen. Es war kalt hier unten, und da die Steine feucht waren, musste der Brunnen noch Wasser führen. Der Junge würde innerhalb kürzester Zeit erfrieren. Peter bahnte sich seinen Weg nach unten. Seine Hände und Füße saßen fest auf den mit Algen bewachsenen Steinen, langsam, aber sicher, kam er immer tiefer. Die Dunkelheit hinderte ihn nicht, seine Sinne zeigten ihm vor seinem inneren Auge die Umgebung taghell, sodass er alles erkennen konnte. Nachdem er etwa 15 Meter nach unten geklettert war, erlaubte er sich innezuhalten und nach unten zu schauen. Der Junge trieb bewusstlos, aber mit dem Gesicht über der Oberfläche, im Wasser. Es waren noch drei Meter. Die Schritte wurden größer, den letzten Meter ließ sich Peter neben den Jungen in das eisige Nass fallen. Er konnte in dem Restwasser stehen, was ihm die Sache erleichterte. Sanft schlug er ihm auf die Wange.

Das Gesicht war blass und eiskalt. Der Junge war nicht wach zu bekommen.

Kurz entschlossen wuchtete Peter den Körper des Jungen, der etwa 14 Jahre alt sein musste, aus dem Wasser und legte ihn über seine Schulter. Er wusste, dass er sich beeilen musste. Der Shaolin stemmte seine Füße und Hände wieder an die Seitenwände und drückte nun das Gewicht seines Körpers und dem des Jungen nach oben. Er brauchte wesentlich länger für die knapp zwanzig Meter, als er erwartet hatte, allerdings musste er Vorsicht walten lassen, durfte nicht riskieren, abzurutschen und neu anfangen zu müssen. Oben angekommen legte er den Jungen auf das Laub. Er legte ihm eine Hand auf die Brust, die andere auf die Stirn.

Er war schwach.

Peter griff blind nach dem Rucksack, den er gesehen hatte, und schüttete ihn aus. Er fand trockene Kleidung des Jungen. Schnell und ohne Rücksicht auf die Kleidungsstücke zog Peter den Jungen aus und legte ihm trockene Sachen an. Dann legte er die seine Fingerspitzen auf die Schläfen des Kindes und teilte sein Chi mit ihm, um den leblosen Körper aufzuwärmen.

Kermit saß im Delancys am Tresen und starrte eher teilnahmslos auf den Fernseher, als plötzlich die Nachrichten in der Halbzeitpause des Footballspiels einen sensationellen Fall von Selbstlosigkeit ankündigten. Während die Kollegen in ihr Gespräch vertieft waren, schaute Kermit aufmerksam zum Fernseher, auch wenn er sich selbst nicht genau beantworten konnte, warum. Eine innere Stimme schien es ihm zu befehlen. Eine blonde Reporterin mit offener, in großen Wellen geföhnter Mähne, dezent geschminktem Gesicht und einer grünen Blazer-Jacke trat vor die Kamera.

"Guten Abend, sehr verehrte Damen und Herren. Ich bin Sandra Kerr und berichte ihnen heute von einer selbstlosen Rettungsaktion, die über die Grenzen des Bundesstaates Kalifornien Schlagzeilen macht."

Es wurde Bilder eines Erdloches eingespielt, die Stimme von Sandra Kerr begleitete den Film aber weiterhin.

"In diesen Brunnen fiel heute ein Junge, als er aus dem Waisenhaus weglaufen wollte. Seine Hilferufe wurden einem Wanderer gehört",

Kermit horchte auf,

"der selbstlos und ohne Seil oder anderen Hilfsmitteln den fast zwanzig Meter tiefen Brunnen hinabkletterte, den bewusstlosen Jungen auf seine Schulter nahm und durch die schmale Öffnung wieder ans Tageslicht brachte."

*Peter* dachte Kermit, und er hatte keinerlei Zweifel. Er stieß Jody, die neben ihm stand, in die Rippen, um ihre Aufmerksamkeit auf den Fernseher zu lenken. Die anderen reagierten ebenfalls und nach wenigen Sekunden saßen sie alle regungslos auf ihren Barhockern und starrten in die Mattscheibe.

"Aber damit noch nicht genug, meine Damen und Herren. Der Wanderer zog dem Jungen die nassen Kleider aus und wickelte ihn in trockene, ehe er ihn drei Meilen weit in die nächste menschliche Ansiedlung trug, wo ein Krankenwagen verständigt werden konnte."

Die Freunde sahen sich an. Das war das erste seit über zwei Wochen, was sie von Peter hörten.

"Leider wollte sich der Retter nicht für ein Interview zur Verfügung stellen, auch sein Name ist uns leider nicht bekannt. Wir wissen nur, dass er Priester ist und sich auf einer Wanderung befindet, wie er mir selbst abseits der Kamera sagte. Wir werden seinen Wunsch selbstverständlich respektieren und bitten auch sie, liebe Zuschauer, seine Identität nicht zu verraten, selbst wenn sie ihn kennen sollten. Das schulden wir einem solchen Helden, wie dieser Fremde einer ist."

Kermit konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Auch die anderen schmunzelten.

"Das war Sandra Kerr, live aus dem schönsten aller Bundesstaaten", schloss die Reporterin und sogleich befanden sich die Bilder wieder im Footballstadion.

Die Freunde ließen vom Fernseher ab.

Unmerklich stieß Blake seine Kollegin Jody in die Rippen und flüsterte ihr etwas zu, unhörbar für die anderen. "Ich hab dir doch gesagt, es geht ihm gut."

Jody musste lächeln.

Kermit blickte nachdenklich. "Der Junge war aus einem Waisenhaus, nicht wahr?", fragte er mehr zu sich selbst, als seine Freunde.

Skalany sprang sofort darauf an. "Und Peter lebte auch in einem... meinst du...", hakte sie nach.

"Das wäre aber ein mächtiger Zufall", gab T.J. seinen Senf dazu.

"Aber immerhin...", begann der Chief.

"...ist Peter ein Shaolin!", vollendete Jody, "Und bei denen gibt es keine Zufälle!"

Jetzt mussten sie alle lachen. Es bestand kein Zweifel daran, dass es sich um eben dieses Waisenhaus handelte, welches Peter vor so vielen Jahren verlassen hatte, um bei den Blaisdells einzuziehen.

Das Gelächter versiegte bald, und für einen Moment gaben sie sich wieder der Sentimentalität und der Trauer um die Verluste hin, ehe nach und nach wieder die normalen Feierabendgespräche Einzug hielten.

Peter saß auf einer niedrigen Mauer und lehnte sich an den Zaun. Das Haus hatte sich nicht wirklich verändert, nur dass es heute nicht mehr so groß wirkte. Aber er war ja auch erwachsen geworden. Die Erinnerungen daran, wie er das Gebäude zum ersten Mal sah, kamen wieder hoch. Neben Ping Hai hatte er den gepflasterten Weg betreten, der auf die Pforte zuführte, den Blick an den riesenhafte Bau gerichtet. Damals war der Putz alt und grau gewesen. Heute erstrahlte es in einem hellen Gelb und wirkte freundlicher. Hinter Peter wuselten Reporter und Fotografen, ließen ihn aber Gott sei Dank in Ruhe. Er hatte zuvor kurz mit einer blonden Reporterin gesprochen und sie gebeten, seinen Wunsch nach Ruhe und Anonymität zu respektieren. Und sie hielten sich daran.

Eine ältere Dame stellte sich zu Peter und sprach ihn an. "Möchten sie vielleicht einen warmen Tee? Und ihre Sachen zum Trocknen aufhängen? Wir könnten bestimmt etwas finden, das ihnen passt, bis ihre Kleider trocken sind."

Die Stimme der Dame war freundlich und gütig, Peter beschloss, ihrem Angebot zu folgen. Er hatte noch gar nicht wirklich wahr genommen, dass auch er nasse Sachen trug. Nur die Sanitäter hatten ihn mitnehmen wollen, um ihn wie den Jungen durchzuchecken, aber er hatte dankend abgelehnt. Es ging ihm gut.

Die ältere Dame führte ihn zunächst in die Umkleideräume des männlichen Personals und gab ihn einen Satz Kleider, die von dem Küchenpersonal stammte. Sie lächelte verlegen. "Es tut mir leid, das ist das einzige, das ich auftreiben konnte. Aber es ist ja nur für den Moment. Dort ist die Heizung, sie können ihre Kleider darauf legen", sagte sie freundlich und verließ dann den Raum.

Das Gefühl der trockenen Kleidung war gut, Peter war dankbar für die Aufmerksamkeit. Er trug jetzt eine lange weiße Hose und ein weißes Sweatshirt. Dazu weiße Socken und weiße Krankenhaussandalen. Bei dem Blick an sich hinab musste er schmunzeln. Er dachte daran, was seine Freunde wohl sagen würden, wenn sie ihn so sehen könnten. Sie würden sich sicherlich über ihn lustig machen. Wehmut schlich sich in diese Gedanken.

Die Dame hatte vor der Tür gewartet und führte Peter jetzt in einen wohnzimmerartigen Raum. Auf dem kleinen Tisch dampften schon zwei Teetassen.

Dankbar setzte sich Peter und nahm einen kräftigen Schluck des wärmenden Getränks. Er kam nicht umhin, sich ständig umzusehen, das Waisenhaus hatte sich stark verändert.

"Ich weiß gar nicht, wie ich ihnen danken soll", begann die Dame, aber Peter winkte ab.

"Es ist mein Ernst, Mister...", startete sie einen zweiten Versuch.

"Caine. Peter Caine."

Sie setzte ihre Ansprache fort. "Nicht jeder wäre einfach in den Brunnen geklettert. Viele hätten Hilfe geholt, ja, aber selbst hineinklettern... nein! Zumal es zu spät gewesen wäre, wenn man Hilfe geholt hätte. Sie haben Steve das Leben gerettet, Mister Caine!", sagte sie in einem Tonfall, der keine Widerrede zuließ.

"Bitte, nennen sie mich Peter, Miss..." Verlegen schlug sie eine Hand vor den Mund.

"Herrje, verzeihen sie bitte! Mein Name ist Helen Gillesby, ich bin die Heimleiterin." Sie schüttelten sich die Hände.

"Seit wann?", fragte Peter.

"Seit acht Jahren. Waren sie schon mal hier? Mir ist nicht entgangen, dass sie sich permanent umschauen." Sie lächelte ihn aufmunternd an.

Peter wünschte sich inständig, dass die Heimleitung damals auch so freundlich gewesen wäre. Er nickte. "Ich bin hier aufgewachsen. Als ich zwölf war, starb mein Vater; das dachte ich jedenfalls. Meine Mutter war schon länger tot. Und da hat mich ein älterer Priester hier her gebracht", erklärte Peter und ließ seine Augen wieder schweifen. Es wirkte jetzt alles so hell und freundlich.

"Ein Priester?", fragte sie nach.

"Ja. Mein Vater war auch einer, so wie ich heute. Wir lebten in einem Tempel, der dann allerdings zerstört wurde. Ich glaubte meinen Vater tot, und er mich."

"Dann lebte er aber noch?"

"Ja. Vor fünf Jahren haben wir uns durch Zufall wieder getroffen." Peter machte eine kurze Pause, die von Helen Gillesby nicht unterbrochen wurde. "Aber vor wenigen Wochen ist er dann tatsächlich gestorben."

"Mein Beileid", bekundete sie mit gesenktem Kopf.

Peter nickte dankend.

"Dann sind sie der Shaolin-Junge? Ich habe von ihrem Fall gehört, man hat mir davon erzählt. Sie müssen ein schwieriger Fall gewesen sein. Ein Einzelgänger", referierte sie, was sie gehört hatte.

Peter schmunzelte. "Ja, das war ich. Impulsiv und aufbrausend. Und unglücklich", Peter nahm noch einen Schluck Tee und schaute zu Boden. Er wollte das Thema wechseln. "Wo sind denn eigentlich die Kinder?", fragte er plötzlich, als ihm auffiel, dass es verdächtig leise war.

Helen lächelte. "Sie essen grade. Warten sie noch fünf Minuten, dann bricht hier die Hölle los", sagte sie lächelnd.

Peter spürte, dass diese Frau ihren Job der Kinder wegen machte. Sie liebte es, diesen armen Wesen zu helfen, sie über die erlittenen Verluste hinwegzutrösten, ihnen Kraft fürs Leben zu geben. Er bewunderte sie. "Sagen sie, dürfte ich vielleicht noch etwas hier bleiben und mich umsehen? Der Erinnerungen wegen?", fragte Peter höflich.

"Selbstverständlich, solange sie möchten! Kann ich ihnen vielleicht auch ein Zimmer anbieten? Es wird gleich schon dunkel. Seien sie unser Gast, bitte. Und wenn sie sich beeilen, bekommen sie in der Küche sogar noch etwas zu essen."

Peter lächelte. "Nicht nötig, ich bin nicht hungrig. Aber das Zimmer nehme ich gerne", sagte Peter, dem der Gedanke an ein richtiges Bett gut gefiel. Er hatte sich in der letzten Zeit stark verausgabt, ohne seinem Körper etwas zurückzugeben. Er hatte sehr wenig geschlafen, viel meditiert, wenig gegessen, viel trainiert. Er wusste, dass er sein Verhalten bald ändern musste, sonst würden alle Shaolin-Kräfte dieser Welt den Zusammenbruch seines Körpers nicht mehr verhindern können. Aber auf der anderen Seite wollte er nicht schlafen, weil er nicht träumen wollte. Und er wollte nicht essen, weil sein Magen dagegen rebellierte.

Helen Gillesby zeigte ihm ein freies Zimmer und verabschiedete sich dann von ihm, allerdings nicht ohne ihm das Versprechen abzunehmen, dass sie sich zum Frühstück am nächsten Morgen noch einmal wiedersehen würden. Dann ließ sie Peter mit seinen Erinnerungen allein. Langsam öffnete Peter die Tür und trat auf den Flur. Die Wände waren in diesem Teil in einem freundlichen Grün gestrichen, die Türen passen dazu lackiert. Helen hatte hier eine Menge Liebe rein gesteckt.

Zwei kleinere Kinder rannten an Peter vorbei, sie spielten Fangen und lachten laut. Peter sah ihnen wehmütig nach. Dann veränderte sich das Bild vor seinen Augen und er war wieder zwölf Jahre alt.

Der Flur war grau, ebenso der Linoleum-Fußboden, auf dem die Schuhe immer quietschten, wenn man zu schnell darüber lief. Er hatte es noch in den Ohren, dieses Geräusch, welches es unweigerlich nach sich zog, dass ein Erwachsener um die Ecke kam und einen tadelte. Rennen auf den Fluren war verboten. Lautes Lachen auch. Und nach dem Abendessen durfte man ohnehin nicht mehr das Zimmer verlassen, außer man musste aufs Klo.

Peter schüttelte den Kopf. Jetzt war der Flur wieder grün und freundlich, und Kinderlachen erfüllte das Haus. Langsam schlenderte der Shaolin den Flur entlang und kam ins Treppenhaus. Hier standen bunte Sessel locker auf dem riesigen Podest verteilt, der Boden war in gelb-blaues Schachbrettmuster aufgeteilt, die Sessel in entsprechender Farbe dazu ausgewählt. Auf den breiten Fensterbänken lagen Kissen. Lange starrte er sie an. Dann sah er sich selbst. Einen trotzigen, traurigen Jungen, die Haare kaum zwei Zentimeter lang. Er saß auf der Fensterbank, die Beine aufgestellt und starrte in die Dunkelheit. Er hatte nicht hier sein dürfen, es war bereits Schlafenszeit. Aber wie alles andere auch, war ihm das egal. Er wollte hier sitzen, weil sein Zimmer kein Fenster hatte. Und er wollte in die Nacht hinein sehen, er hoffte, die Stimme seines Vaters vom Himmel her zu hören. Aber er antwortete nie. Einer des Personals, *Norman irgendwie erinnerte sich Peter, hatte ihn damals entdeckt und ihn am Oberarm ins Büro des Heimleiters gezerrt. Er hatte sich in einen der schweren Ledersessel fallen lassen und ablehnend die Arme vor der Brust verschränkt. Mindestens einmal die Woche landete er hier.

"Peter, du machst mir wirklich Kummer", hatte Mr. Glick damals gesagt, ohne dass wirklich Besorgnis in seiner Stimme zu hören gewesen wäre. Mr. Glick war ein übergewichtiger Mann, mit Halbglatze und vor Schweiß glänzender Stirn, der den ganzen Tag hinter seinem Schreibtisch saß und dicke Zigarren rauchte. Alle Kinder hassten ihn. Seine Methoden der Erziehung waren Zuckerbrot und Peitsche, wovon Peter in der Regel letzteres zu spüren bekam. Er hielt sich nicht an die Regeln, dafür wurde er regelmäßig bestraft, bekam kein Abendessen, oder musste Reinigungsdienste verrichten. Die Kinder, die Mr. Glick in den Hintern krochen allerdings bekamen Schokolade und durften länger aufbleiben. Sie waren seine Geheimpolizei, denn die größten und besten Belohnungen gab es dafür, Regel-Brecher zu enttarnen.

"Alles in Ordnung, Mister?"

Peters Blick klarte auf. Er starrte noch immer die bunten Kissen auf der Fensterbank an.

"Mister?" fragte die Stimme noch einmal. Peter drehte sich und sah ein jugendliches Mädchen in einem der Sessel sitzen. Sie hatte die Beine angezogen und ein Buch in der Hand.

Der junge Mann sah sie verlegen an. "Entschuldigung. Ich war in Gedanken und habe gar nicht bemerkt, dass jemand hier ist", erklärte er sich.

"Sie sind der Mann, der Steve aus dem Brunnen geholt hat, nicht wahr?", fragte sie interessiert. Sie war bestimmt schon sechzehn. Peter nickte.

"Danke. Ich mag den Kleinen zwar nicht, aber niemand hat es verdient zu sterben", sagte sie, und ihre Stimme wurde leiser.

Peter kam auf sie zu. "Wie lange bist du schon hier?", fragte er sie, um das Maß ihrer Trauer darüber, eine Waise zu sein, abschätzen zu können.

"Seit acht Monaten", beantwortete sie bereitwillig, den Blick jetzt auch ins Leere gerichtet.

Peter spürte deutlich, dass sie die Vergangenheit jetzt noch einmal durchlitt, und es war seine Schuld.

"Es tut mir leid", entschuldigte er sich.

"Das muss es nicht", gab sie zurück. Sie wirkte erwachsener, als sie in diesem Alter sein sollte. "Warum sind sie noch hier?", fragte sie plötzlich und legte ihr Buch gänzlich bei Seite, als wollte sie symbolisieren, dass sie jetzt ein richtiges Gespräch führten und sie sich voll und ganz darauf konzentrierte.

Peter zog sich einen Sessel heran und setzte sich ihr gegenüber. "Ich bin hier, um mich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen; damit ich meine Zukunft finden kann."

Das Mädchen guckte ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an.

Peter schmunzelte. "Ich habe selbst hier gelebt. Für einige Jahre", erklärte Peter, jetzt nickte sein Gegenüber.

"Dann sind sie auch eine Waise?!", stellte sie nüchtern fest.

Peter dachte wieder an seinen Vater, sah ihn vor sich, dann das Grab. "Ja", antwortete er knapp. Jetzt war er wirklich eine Waise.

Ein großer, athletischer Mann betrat den Flur, sein Gesicht wirkte freundlich. Er kam auf das Mädchen zu. "Auf geht's June, los", scheuchte er sie scherzend.

Ergeben hob sie die Hände, stand auf und klemmte ihren Roman unter den Arm. Sie drehte sich noch einmal zu Peter und wünschte ihm eine gute Nacht.

"Peter Caine!", sagte jetzt der Mann, und der junge Shaolin starrte ihn überrascht an.

Er brauchte eine ganze Weile um dem Mann zu erkennen. Sein Name war Joshua Larson, und er war mit Peter zusammen hier aufgewachsen. Er hatte zu den wenigen gehört, die sich nicht ihre Zeit damit vertrieben, andere zu schikanieren. Allerdings wäre der Begriff Freundschaft für ihre damalige Beziehung auch zu hoch gegriffen gewesen. Peter erinnerte sich an den Jungen Joshua. Seine Eltern waren bei einem Überfall getötet worden, als Joshua acht war. Auch er hatte starke Zurechtfindungsprobleme gehabt, ebenso wie Peter. Er hatte dem Shaolin-Jungen geholfen, sich hier einzufinden, ihm gezeigt, wann man rebellierte, und wann man besser die Klappe hielt.

Peter reichte ihm lächelnd die Hand. "Joshua! Was treibst du denn hier?"

"Das könnte ich dich ebenso fragen. Du hast Steve gerettet", stellte er fest.

Peter schaute verlegen, ein Held zu sein lag ihm nicht besonders, vor allem nicht in seiner aktuellen Stimmungslage, in der nur allein sein wollte. "Er wollte weglaufen?", fragte Peter, um von sich selbst abzulenken.

Joshua nickte. "Er hat es schwer gehabt. Vor vier Wochen ist er hier her gekommen, seine Mutter starb an Krebs, er hat es mit angesehen. Seinen Vater hat er nie kennengelernt, er steht nicht einmal in der Geburtsurkunde. Er kommt mit der neuen Situation nicht zurecht. Auch wenn wir uns hier alle Mühe geben."

Peter nickte. Er musste Joshua nicht erzählen, wie es sich anfühlte. Sie hatten diese Erfahrung auch machen müssen. "Es hat sich viel verändert hier. Der Grund, warum du hier bist?", fragte Peter direkt.

Joshua nickte. "Ich habe eine Ausbildung als Krankenpfleger gemacht, in Los Angeles. Und durch reinen Zufall habe ich gehört, dass die Heimleitung gewechselt hat. Es war wie eine innere Eingebung. Ich wollte, dass es anderen Kindern besser ergeht, als es mir, ...uns damals erging."

"Wenn ich mich hier umsehe...ich hätte mich hier vermutlich wohler gefühlt, als damals", stimmte Peter zu. Ihm gefiel das neue Konzept, endlich schienen wirklich die Kinder im Vordergrund zu stehen.

"Ich hab dir meine Geschichte erzählt, was ist mit dir? Das letzte was ich weiß, ist dass dich der Cop bei sich aufgenommen hat", sagte Joshua ungestüm.

Das Lächeln verschwand aus Peters Gesicht. "Und das war das Beste, was mir passieren konnte. Ich bin Polizist geworden und der Job hat mich ausgefüllt. Letztendlich bin aber dann doch meiner Bestimmung gefolgt und habe die Prüfungen zum Shaolin-Priester abgelegt." Peter blendete das Wiederauftauchen seines Vaters aus. Die Wunden waren in dieser erinnerungsschweren Umgebung noch zu empfindlich.

Joshua guckte Peter eindringlich an, dann sagte er: "Behäng dich nicht zu schwer mit den Erinnerungen. Es ist lange her und hier hat sich zu viel verändert. Ich bin dazu übergegangen, mich darüber zu freuen, wie es heute ist."

Peter lächelte abwesend, dann legte ihm Joshua die Hand kurz auf die Schulter und verabschiedete sich.

"Ich muss meine Runde weitermachen. Vielleicht sehen wir uns morgen noch einmal?"

"Ja, vielleicht."

Von den Erinnerungen getragen ging Peter durch das riesige Haus. Immer wieder verglich sein inneres Auge die aktuelle Erscheinung der Räumlichkeiten mit der von damals. Die grauen, traurigen Bilder überlagerten die schönen und bunten, die sich ihm boten. Vielleicht wäre er in einem solchen Heim glücklicher gewesen. Aber er glaubte nicht wirklich daran, denn es war nicht nur die Umgebung, sonder die gesamte Situation, die Menschen, die ihn damals unglücklich gemacht hatten. Er war allein gewesen, ohne Familie, ohne Freunde. Wertlos und unbeachtet hatte er seine Jahre hier abgesessen bis Paul gekommen war, um hinter die Fassade des frechen, verwahrlosten Jungen zu gucken. Er hatte sich von Peters Abwehrverhalten nicht verscheuchen lassen. In diesem Moment hatte es sich zum Besseren gewendet. Er hatte wieder eine Familie, hatte plötzlich Geschwister, die ihn mit offenen Armen empfingen, Freunde, die für ihn da waren. Und dann war sein Vater wieder da. Nach fünfzehn Jahren des Lebens als Waise lag er plötzlich vor ihm. Immer noch der Alte, nur der Blick hatte sich verändert, er war um so viele Erfahrungen und Erlebnisse reicher.

Peter holte sich selbst in die Gegenwart zurück, ehe er zu dem Teil kam, in dem Paul wegging und sein Vater starb. Der Teil, in dem es wieder bergab ging.

Er fühlte sich, als wäre er wieder ein Junge, der so voller Wut, Hass und Trauer durch die Mauern schritt. Er hatte seine Gefühle nicht bändigen können und war damit zum trefflichen Ziel aller anderen Kinder geworden. Hier war der dunkle Kellerraum, in dem sie ihn einsperrten; heute eine Besenkammer. Dort war die Treppe, die sie ihn einmal hinunter gestoßen hatten. Und wieder wo anders erkannte er die Säule, gegen die er Tommy Scarlett damals mit aller Gewalt schubste, weil dieser seine Familie beleidigt hatte. Der Schmerz saß tief und Peter beschloss, sich hinzulegen und seinen Erinnerungen zu entfliehen. Er hoffte, nicht träumen zu müssen.

Er träumte nicht. Allerdings schlief er auch nicht. Mit offenen Augen lag er auf dem Bett und dachte nach. Er hatte denselben Weg eingeschlagen, wie sein Vater vor zwanzig Jahren. Allerdings wurde ihm jetzt etwas klar, das er vorher nicht wahrgenommen hatte. Er hatte sich so sehr auf seinen Vater fixiert, dass er aus einem Instinkt heraus sicher gewesen war, dass es Caines Weg war, den er ging. Er hatte erwartet an Orte zu kommen, an denen er die Präsenz seines Vaters spüren konnte, an denen Caine vor so langer Zeit vorbei gekommen ist. Er hatte es gehofft, weil er die Energie seines Vaters spüren wollte. Jetzt aber merkte er, dass es nicht Caines Weg war. Es war seiner. Auch wenn er versucht hatte, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, hatte er seine eigenen Spuren hinterlassen. Plötzlich wurde Peter klar, dass es gar nicht um seinen Vater ging, nie gegangen war, sondern darum, wer er selbst war und sein wollte. Er begriff, dass er zu lange wie sein Vater hatte sein wollen, und somit die vielen Abzweigungen seines Weges verpasst hatte. Peter sog dieses Gefühl in sich auf. Die Erkenntnis, dass er seinen Vater als Sohn lieben und vermissen durfte, ohne dabei wie er sein zu müssen, erleichterte ihn ungemein. Er hatte sich zu sehr darauf versteift, Caine folgen zu wollen.

Aber er war nicht Caine; er war Peter. Und wer Peter war, würde er jetzt herausfinden können. Denn die Reise wurde einfacher, wenn man wusste, warum man sie tätigte. Eine Menge Druck fiel nun von seinen Schultern, denn selbst mit seiner ziellosen Wanderung hatte er sich das Ziel gesetzt, wie sein Vater zu sein.

Peter wachte mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Er hatte tatsächlich geschlafen. Und geträumt. Aber es waren gute Träume gewesen, Träume von den schönen Momenten, die Caine und er verlebt hatten, Träume von seinen Freunden. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Aber er wusste auch, dass es nicht leicht werden würde, sich selbst wieder zu finden, wenn man sich vor so langer Zeit verloren hatte. Peter zog sich seine Kleider an und ging hinunter. Das Waisenhaus schien schon länger wach zu sein. Die Jungen rannten durch die Gänge, voller Kraft und Adrenalin, während die Älteren schlaftrunken Richtung Frühstück taumelten. Peter trat vor das Buffet und nahm sich ein Brötchen und eine Tasse Kaffee, dann setzte er sich zu der Heimleitung und den Betreuungskräften an den Tisch.

"Guten Morgen", wünschte er allen Anwesenden.

Helen Gillesby strahlte, als sie ihn sah und konnte kaum warten, bis Peter sich gesetzt hatte. "Ich habe heute Morgen schon mit dem Krankenhaus telefoniert. Sie können Steve heute entlassen, und er möchte ihnen gerne noch persönlich danken."

Peter lächelte verlegen und wandte sich dann seinem Brötchen zu, von dem er immer ein kleines Stück abriss und es sich dann in den Mund steckte. Sein Magen rebellierte gegen die plötzliche Nahrungsaufnahme, beruhigte sich aber schnell wieder. Allerdings fühlte sich Peter papp-satt, als er es intus hatte. Der Kaffee lag ihm doch mehr.

"Haben sie keinen Hunger?", fragte Helen skeptisch. Sie schien sich zu erinnern, dass Peter am Abend zuvor auch schon nichts gegessen hatte.

"Ich esse nicht viel", gab er eine schwammige Antwort. Wieder wechselte er das Thema. "Wann kommt Steve denn? Und wie geht es ihm?"

"Es geht ihm besser, sie haben ihn ordentlich aufgewärmt. Gott sei Dank hat er keine körperlichen Schäden durch die Unterkühlung davongetragen. Das hat er ihnen zu verdanken!"

Wieder senkte Peter den Blick.

"Joshua wird nach dem Frühstück losfahren, um ihn abzuholen. Er wird wohl die nächsten Tage noch etwas müde sein, sonst ist aber alles in bester Ordnung." Die Heimleiterin schien wirklich erleichtert. Das Schicksal ihrer Schützlinge lag ihr am Herzen. Wahrscheinlich hätte sie damals sogar ihn mit ihrer Art erweichen können, überlegte Peter. Aber wer wusste das schon.

"Nun gut. Aber dann werde ich mich auf meinen Weg machen. Ich möchte ihre Gastfreundschaft nicht weiter ausreizen, außerdem", Peter machte eine ausladende Handbewegung, "bin ich zu alt für dieses Haus, fürchte ich."

Peter lächelte, auch die anderen taten es ihm gleich.

Kermit verfolgte übers Internet die Berichterstattung über den geretteten Jungen, fand aber nicht viel. Jeder Bericht sagte in etwa das gleiche, wie der, den er schon im Fernsehen gesehen hatte. Die einzige neue Nachricht war, dass der Junge schon wieder entlassen werden konnte und keine Schäden davon trug. Kermit konnte sich bildlich vorstellen, wie Peter in diesen Brunnen gesprungen war, um den Jungen zu retten, ohne darauf zu achten, was ihm hätte passieren können. Er musste schmunzeln, Peter war schon ein ganz besonderer Mensch.

Es klopfte kurz und die Tür öffnete sich. Es war Skalany. "Also Kermit, nur zu Erinnerung. Die Weihnachtsfeier findet wie immer statt. Alle anderen Pläne haben wir soeben über den Haufen geworfen! Und vergiss es nicht!", informierte sie ihn und war schon wieder verschwunden.

Weihnachten. Es würde die erste Weihnachtsfeier des Reviers sein, an der Peter nicht teilnahm. In zwei Wochen würde deutlich auffallen, dass jemand fehlte. Sie hatten all die letzten Jahre immer am vierundzwanzigsten gefeiert, da keiner von ihnen eine Familie hatte, zu der an diesem Abend musste. Jedenfalls nicht zwingend. Selbst Paul hatte diesen Dienst immer geschoben, solange er am nächsten Morgen zu Hause sein und sehen konnte, wie seine Kinder die Geschenke auspackten.

Ihr neuer Kollege, der an Peters Schreibtisch saß, hatte einen anderen Vorschlag gehabt. Kermit hätte gerne gehabt, dass Peter mal einen Blick auf ihn wirft, weil er ihm nicht ganz geheuer war, aber leider kam er erst acht Tage später an, nachdem sie aus Kalifornien zurück waren.

Der erste Ersatz-Detective war eine absolute Niete gewesen, ängstlich und mit seinem Job überfordert. Vor allem Kermit hatte ihm Furcht eingeflößt, vermutlich mehr als jeder Verbrecher. Er hatte sich schnellstmöglich versetzen lassen. Und dann war der Neue gekommen. Alex Woods. Irgendwas an dem Kerl war faul. Er gehörte zu der Sorte, die sich für unglaublich tough hielt, zudem natürlich unbesiegbar und mit einer erotischen Ausstrahlung, die alle Frauenherzen höher schlagen lässt. Jedenfalls glaubte er das.

Kermit dachte mit einem Schmunzeln an Jodys Reaktion, als er sie auf einen Drink einladen wollte. Sie hatte ihn verbal zusammengefaltet, sodass er nicht mehr wusste, wie ihm geschah. Skalany hatte Beifall geklatscht und die männliche Belegschaft fies gegrinst. Damit war das Thema abgegessen.

Und jetzt bildete sich dieser Kerl ein, neue Vorschläge für die Revier-Weihnachtsfeier machen zu dürfen. Ab diesem Moment hatte sich Kermit von den Beratungen zurückgezogen, um das Risiko einzuschränken, dass er Alex Woods vielleicht erwürgte. Der Kerl nervte ihn ungemein!

Er dachte an Peter, wie er die rote Weihnachtsmütze auf dem Kopf trug und laut HO-HO-HO rief. Er wünschte sich, dass er ihn dieses Jahr wieder so sehen durfte.

Peter hatte sich lange mit Steve unterhalten. Er hatte lange versucht ihm zu erklären, dass es nicht half, wenn man weglief, und dass die Menschen hier sich um ihn sorgten. Das verdeutlichte er mit Geschichten von damals, machte dem Jungen klar, wie gut er es hier hatte und dass es hätte schlimmer kommen können. Er versprach dem Shaolin-Priester, nicht mehr wegzulaufen. Als sich Peter von Steve trennte und in die Halle trat, stand vor ihm ein riesengroßer Weihnachtsbaum. Viele Kinder waren damit beschäftigt, ihn zu schmücken, Girlanden aufzuhängen und künstlichen Schnee darauf zu sprühen. Peter hatte fast schon vergessen, dass bald Weihnachten war. Das Fest der Liebe und der Familie. Er fragte sich, wohin ihn sein Schicksal an diesem Abend wohl schicken würde und ob er wohl allein sein würde. Und obwohl er keine Familie mehr hatte und seine Lieben weit weg waren, freute er sich auf das Fest, wie auch immer er es begehen würde.

Peter verabschiedete sich von allen und trat aus dem Tor. Ein letztes Mal drehte er sich um sah am Waisenhaus empor. Jetzt hatte er einen anderen Blick darauf, einen friedlicheren. Tief im Inneren wusste er jetzt, dass er hier gestern Abend einige seiner Kindheits-Dämonen hatte begraben können. Wieder war er sich selbst ein Stückchen näher gekommen.

ENDE