Setting: AU Post-War
Kommentar: Es war einmal ein weiteres Fest im englischen Fandom, bei dem ich nicht widerstehen konnte, mich anzumelden... ^^ Dieses Mal unter dem Titel "Questival" und der Name ist Programm. Hermine und/oder Severus sollten auf eine Mission geschickt werden. Dafür musste ich mir aus einer Reihe Kategorien Prompts aussuchen und in die Geschichte einbauen. Ich werde sie am Ende auflisten für alle, die es interessiert, jetzt würde es zu sehr spoilern. ;)
Jedenfalls dachte ich, diese Geschichte würde euch auch gefallen, also habe ich sie übersetzt und gebe damit auch mal wieder ein kleines Lebenszeichen von mir. Ja, ich schreibe noch. Nicht unbedingt das, was ich schreiben sollte, aber das, worauf ich Lust habe, ein bisschen querbeet von allem etwas und dieses Mal ist es das hier geworden. Ganz ehrlich, ich habe unangemessen viel über meinen eigenen Humor gelacht beim Schreiben... XD
Wie dem auch sei, ich hoffe, ihr habt genauso viel Spaß an der Geschichte wie ich und deswegen höre ich jetzt mal auf zu quatschen. ^^
Ein Dankeschön an dieser Stelle an vulnus_sanare, auch wenn sie diese Version der Geschichte wohl niemals lesen wird. Aber sie hat mein endloses Gejammer beim Schreiben des Actionteils ertragen (ich hasse Actionszenen!) und das verdient ein wirklich großes Dankeschön, ich sag's wie's ist.
Warnings: Andeutungen von Depressionen, Suizidgedanken und Alkoholmissbrauch, aber nichts Detailliertes.


Otherside


Kapitel 1

Das eigene Spiegelbild auf der gekrümmten Oberfläche einer gläsernen Prophezeiungskugel zu sehen, war an sich schon eine unangenehme Erfahrung. Nicht nur, weil die Krümmung die Größe der eigenen Nase gnadenlos überspitzte, sondern auch, weil es einem bewusst machte, wie alt man tatsächlich geworden war.

Zwei von zahlreichen Gründen, warum Severus es hasste, bei der Zuteilung der anstehenden Aufgaben in der Mysteriumsabteilung den Kürzeren zu ziehen – mal wieder!

Aber wenn es eine Sache gab, die das Ganze noch schlimmer machte, dann dass sich sein Spiegelbild plötzlich bewegte.

Ohne dass er selbst sich bewegte.

„Heilige Sch…" Fast wäre ihm die Kugel aus der Hand gerutscht.

„Pst!", wurde er prompt angezischt.

Was zum …

Vielleicht hätte er sie fallen lassen sollen.

Aber irgendetwas veranlasste ihn dazu, sich stattdessen umzusehen. Zu prüfen, ob er beobachtet wurde. Nein, niemand in der Nähe. Also vermutlich kein Trick seiner Kollegen.

Was dann? Was hatte das zu bedeuten?

Kurzerhand zog er seinen Zauberstab aus dem Ärmel und begann, eine Reihe von Zaubersprüchen zu wirken um herauszufinden, was zum Teufel hier vor sich ging. Das hier hätte ein langweiliger Tag werden sollen, nur Prophezeiungen einsortieren, nichts Großes – und schon gar keine spirituelle Begegnung mit dem Geist der zukünftigen Weihnacht!

„Bist du jetzt fertig?"

„Nein!" zischte Severus zurück und fühlte sich beim Anblick seiner eigenen krummen Nase seltsam unbehaglich. Der Anblick des Dunklen Lords höchstpersönlich hätte ihn wahrscheinlich nicht so sehr aus dem Konzept gebracht wie sein eigenes Gesicht, das aus einer verdammten Prophezeiung heraus zu ihm sprach!

Hatte er den Verstand verloren? Oder hatte er aus Versehen etwas Dunkles entfesselt, das in der Mysteriumsabteilung verborgen war?

Merlin, er durfte diesen Job nicht verlieren …

Aber alle seine Zaubersprüche fielen negativ aus, nichts deutete auf Schwarze Magie hin – oder auf irgendeine aktive Magie außer der Prophezeiung selbst.

Also richtete er seine Aufmerksamkeit widerwillig auf … nun ja, sich selbst, wie es schien.

Oder etwas, das vorgab, er zu sein.

„Wer bist du? Was zum Teufel tust du hier? Und wie?"

„Du. Ich erkläre es dir später. Das ist unwichtig."

„Beweise es!"

„Was beweisen?"

„Dass du ich bist, du Schwachkopf!"

Die schwarzen Augen in der Kugel verengten sich um einen Hauch von Verärgerung. „In der Nacht vor der letzten Schlacht stand ich auf dem Astronomieturm und habe ernsthaft darüber nachgedacht zu springen, weil ich den Gedanken nicht ertragen konnte, Potter in den Tod zu schicken."

Severus atmete scharf ein.

„Stattdessen bin ich auf die Knie gefallen und habe Lily um Vergebung angebettelt, weil ich nicht nur sie, sondern auch ihren Sohn im Stich gelassen habe. Ich habe geheult wie ein Baby."

Mühsam schluckte er die Galle hinunter, die ihm die Kehle hinaufstieg.

„Brauchst du noch mehr Beweise?"

„Nein", murmelte er. Genau das hatte er getan. Und niemand wusste es.

Niemand außer ihm selbst.

Und obwohl durchaus die Möglichkeit bestand, dass er irgendwann mal jemandem davon erzählen würde, dass er in jener Nacht auf dem Astronomieturm gewesen war und überlegt hatte zu springen, würde er auf keinen Fall jemandem von seinem Zusammenbruch erzählen. Niemand musste wissen, dass er es nicht hatte durchziehen können.

Dieser Mann, der ihn von der Oberfläche einer zufälligen Prophezeiungskugel in der Halle der Prophezeiungen aus ansah … das war also tatsächlich er – aus der Zukunft.

Bei Salazar …

Plötzlich verstand er, warum Regel Nummer eins für die Benutzung eines Zeitumkehrers lautete 'Niemand darf dich sehen'. Denn der Gedanke, die Kugel fallenzulassen, kehrte mit aller Macht zurück. Das alles hier war einfach … falsch in absolut jeder Hinsicht! Es war seine zweite Woche in der Mysteriumsabteilung nach fast einem Jahr in Untersuchungshaft nach dem Ende des Krieges – er war nicht bereit für den nächsten Albtraum! Nicht, während immer noch alle auf ihn herabblickten, weil er die Dreistigkeit besessen hatte, nicht nur den Krieg zu überleben, sondern auch seinen (unverdienten) Freispruch zu nutzen, um sich als Unsäglicher zu bewerben – und eingestellt zu werden! Er musste sich beweisen, hatte einen Ruf wiederherzustellen und schon genug Albträume während er schlief, da brauchte er nicht noch mehr, wenn er wach war!

Und alles, was sein Gesicht trug, konnte nur ein verdammter Albtraum sein.

Aber als er blinzelte, hielt seine Hand immer noch die Glaskugel und er wurde immer noch von seinem eigenen, etwas älteren finsteren Blick getroffen. „Nun?", fragte sein Nicht-Spiegelbild ungeduldig, „Wirst du mir zuhören?"

„Habe ich denn eine Wahl?"

„Die hast du. Aber wenn du mich ignorierst, wirst du jemanden sterben lassen, den du nicht verlieren willst, wenn du irgendwann in meiner Haut steckst."

Er griff sich an die Nasenwurzel. Das konnte doch nur eine Katastrophe werden.

Und dennoch …

„Was willst du?"


Nun, zunächst einmal wollte sein älteres Ich offenbar, dass er nicht nur seinen frisch angetretenen Job riskierte, sondern auch eine direkte Rückkehr nach Askaban, weil er eine verdammte Prophezeiung gestohlen hatte!

„Hättest du dir nicht eine andere Oberfläche aussuchen können, um dich zu … manifestieren? Musste es wirklich eine verdammte Prophezeiung sein?", murmelte er, die Augen auf die kleine Anzeige gerichtet, die die Stockwerke des Ministeriums hinaufzählte. Die Kugel in seiner Tasche wog so schwer wie eine Bleikugel und um ihn herum surrten ein Haufen Papierflieger, die ihm den Schweiß auf die Stirn trieben.

„Beruhige dich", erklang seine eigene gedämpfte Stimme, „ich arbeite immer noch im Ministerium, also bin ich anscheinend nicht erwischt worden."

„Was soll das heißen, du bist anscheinend nicht erwischt worden?", grollte Severus zurück.

Nur um dann abgespeist zu werden mit … Moment mal, war das etwa ein Stöhnen?!

„Es gibt nur eine Zeitlinie, du Schwachkopf!", äffte sein älteres Ich ihn nach. „Was du jetzt tun wirst, liegt in meiner Vergangenheit, was ich tun werde, liegt in deiner Zukunft."

Sein Kopf begann zu schwimmen und jedes Pingen der vorbeiziehenden Stockwerke trieb ihn tiefer in diesen Zustand von -

Severus streckte die Hand aus, drückte die Notbremse und zog die Kugel aus seiner Tasche, um seinem älteren Ich zu einem seiner eigenen finsteren Blicke zu verhelfen. „Du hast mich also belogen, als du sagtest, ich hätte eine Wahl!" Wenn es nur eine Zeitlinie gab, wenn das, was mit dem Idioten in seiner Hand passiert war, auch ihm passieren musste, dann -

„Ich habe nicht gelogen", unterbrach sein älteres Ich seine wirbelnden Gedanken, „das, was du tun wirst, liegt in meiner Vergangenheit – aber ich weiß nicht, was es sein wird."

„Aber du -"

„Ich weiß, was ich gesagt habe!" Ein weiteres Stöhnen, dann griff er sich an die Nasenwurzel. „Könntest du uns bitte zuerst hier rausbringen? Dann werde ich dir alles erklären, was ich weiß."

Er schnaufte und brachte den Aufzug wieder in Gang. „Klar, ich verliere wahrscheinlich sowieso den Verstand, also kann ich genauso gut weitermachen und tun, was du mir sagst …"

„Oh, beruhige dich! Du verlierst nicht deinen Verstand! Und tu nicht so, als wärst du nicht froh, dass dir endlich wieder jemand sagt, was du tun sollst!"

Was zum … „Wichser", murmelte Severus mürrisch und es war wohl zum Besten, dass ihr Streit vom Öffnen der Türen beendet wurde. Erst als er schon im Begriff war, den Aufzug zu verlassen, bemerkte er, dass er auf der falschen Ebene war. Die Memos zischten jedoch an ihm vorbei hinaus auf den Gang.

Als er schließlich die überfüllte Eingangshalle erreichte, warf er dem Mann am Empfang einen finsteren Blick zu und überraschenderweise ging kein Alarm los, als er das Ministerium mit einer Prophezeiung in der Tasche verließ, die nicht ihm gehörte und die er nur mit nach Hause nehmen konnte, weil sie noch nicht wegsortiert gewesen war. Waren die Prophezeiungen erst einmal abgelegt, konnten sie nur noch von den Menschen aus dem Regal genommen werden, die von ihnen betroffen waren. In diesem Stadium jedoch …

„Das wird eine Katastrophe", murmelte Severus noch einmal, bevor er sich auf Spinner's End konzentrierte und disapparierte.


Aber mit einer Sache hatte sein älteres Ich recht: Er war insgeheim froh, dass ihm endlich wieder jemand sagte, was er tun sollte.

Das Überleben eines Krieges, von dem er überzeugt gewesen war, dass er ihn umbringen würde, und etwa ein Jahr in Askaban – wenn auch nur in einer Arrestzelle weit weg von jedem Dementor - hatten einen höchst merkwürdigen Effekt auf Severus gehabt. Er hatte intensiv getrauert um etwas, das er nicht einmal in Worte fassen konnte, wochenlang geschwiegen, war in tiefe Depressionen verfallen und geplagt worden von einer Angst, die er vorher so niemals empfunden hatte. Und als sie ihn schließlich entlassen hatten, stand er plötzlich vor einem Leben, dem er sich nicht gewachsen fühlte.

Bisher war er immer von jemandem gelenkt worden. Meistens von Dumbledore, zeitweise vom Dunklen Lord, hin und wieder von Lucius. Es hatte immer jemanden gegeben, der seine Entscheidungen beeinflusst hatte – wenn sie nicht gleich ganz für ihn getroffen worden waren. Jetzt … war niemand mehr da. Und er hatte keine Ahnung, was er tun wollte.

Er wusste nur, was er nicht wollte: zurück nach Hogwarts. Er würde nie wieder einen Fuß in ein Klassenzimmer setzen. Aber abgesehen davon …

Was sollte ein Spion tun, wenn es niemanden mehr gab, den er ausspionieren konnte?

Nun, offenbar mit Selbstmordfantasien spielen wie ein Kind mit Bauklötzen.

Also hatte er begonnen, sich auf jede freie Stelle zu bewerben, die er finden konnte, unabhängig von den erforderlichen Qualifikationen oder seinem Wunsch, dieser Tätigkeit überhaupt nachzugehen.

Die Unsäglichen waren die Einzigen gewesen, die ihn zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatten. Und er war sich immer noch nicht ganz sicher, ob sie ihm eine Chance gegeben oder seine Situation ausgenutzt hatten. Er wusste eine Menge über die Dinge, mit denen sich die Mysteriumsabteilung beschäftigte – aber sein Gehalt war vermutlich nicht am Wert seines Wissens bemessen worden.

Andererseits … Sie ließen ihn sowieso nur die Drecksarbeit machen, also bezahlten sie ihm vielleicht sogar zu viel.

Wie auch immer … Es war ein Job, der seine Rechnungen tilgte, ihn morgens aus dem Bett trieb und ihm etwas Zeit verschaffte, um mit seinen Anfällen pubertärer Angst fertigzuwerden; wie zum Teufel sollte das Leben ohne Hogwarts und Krieg bloß funktionieren?!

Nun, vermutlich nicht, indem er Prophezeiungen stahl.

„Leg los!", befahl er daher, nachdem die Tür in Spinner's End hinter ihm zugefallen war. Er packte die Kugel härter als nötig auf seinen ranzigen Küchentisch und blickte sein älteres Ich finster an.

Das seine Oberlippe kräuselte. „Ich habe dir die Wahrheit gesagt. Soweit wir wissen, gibt es nur eine Zeitlinie, und was du tun oder nicht tun wirst, ist meine Vergangenheit – und doch ist es ein Teil meiner Vergangenheit, an den ich mich nicht erinnern kann. Damit bleiben uns zwei mögliche Erklärungen: Entweder ist jede Theorie über Zeit, die jemals aufgestellt wurde, falsch und wir schreiben die Zeitlinie in diesem Moment neu. Nicht sehr wahrscheinlich, denn allein unser Treffen würde einen so starken Welleneffekt auslösen, dass ich davon sicherlich nicht unberührt bleiben würde. Oder … Zeitmagie ist mächtiger, als wir alle dachten, und wird korrigieren, was nicht sein darf, nämlich -"

„Regel Nummer eins", schaltete sich Severus ein, „niemand darf dich sehen."

„Exakt. Mich das alles vergessen zu lassen, scheint eine elegante Lösung zu sein, findest du nicht?"

Er brummte nachdenklich und studierte das Gesicht seines älteren Ichs mit zusammengezogenen Brauen. „Deine Kontaktaufnahme mit mir war also ein Schuss ins Blaue."

„Ja", sagte der Mann in der Kugel, „ich musste es versuchen …" In seinen Augen blitzte ein Schmerz auf, der …

„Wen versuchst du zu retten?"

„Das ist für dich nicht von Bedeutung."

„Du willst, dass ich dir einfach vertraue?"

„So sieht es aus."

Severus schnaubte. „Dumbledore färbt also ab …"

Sein älteres Ich zog eine Augenbraue hoch.

Und am empfangenden Ende dieser Augenbraue zu sein, war maßlos frustrierend! Severus nahm einen tiefen Atemzug. „Also, wie hast du das gemacht? Das hier …" Er deutete vage auf die Kugel.

„Wir haben nicht genug Zeit, um das jetzt zu klären, aber du wirst es herausfinden. Ich arbeite im Raum der Zeit und habe die Aufgabe, nach Alternativen für Zeitumkehrer zu forschen."

„Nun, du scheinst noch eine Menge Arbeit zu haben, wenn diese Alternative ist, dich auf einer zufälligen Prophezeiungskugel in der Mysteriumsabteilung zu manifestieren", stellte er trocken fest.

Die Augen seines älteren Ichs verengten sich wieder. „Ich bin hier und rede mit dir, weit zurück in einer Vergangenheit, die für Zeitumkehrer unzugänglich gewesen ist. Was hast du vorzuweisen?"

„Genug, dass du mich um Hilfe bittest", sagte er feixend.

„Hör zu, du kleiner Scheißkerl, ich komme nicht zu dir, weil du irgendein Wissen hättest, das ich bräuchte! Du bist nur zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort, klar?"

Severus schnalzte mit der Zunge. „Mehr als zehn Jahre später und ich gehe immer noch bei der kleinsten Kritik an die Decke … erbärmlich."

Der einzige Grund, warum sein älteres Ich ihm nicht den Mittelfinger zeigte, war, dass er absolut in der Lage war, das mit seinen Augen zu tun.

Severus' Feixen wurde breiter. „Also, wofür brauchst du mich?", kehrte er dann zum eigentlichen Thema zurück.

„Ich brauche dich, um ein Buch zu holen."

Er wartete auf weitere Erklärungen, doch sein Nicht-Spiegelbild blieb stumm. „Warum drückst du es nicht noch ein bisschen vager aus? Ich könnte verstehen, was das alles soll …"

Sein älteres Ich atmete langsam aus und rieb die Zähne gegeneinander, als würde er nun doch noch Zweifel bekommen.

Bisschen spät, nach allem, was ich schon getan habe …

Eine Schlussfolgerung, die der ältere Severus offenbar auch zog, denn er sagte: „Ich brauche das Buch des Thoth."

Für etwa vier Sekunden war es still in der Küche. Dann begann Severus sehr dunkel zu lachen. „Einen Moment lang dachte ich wirklich, du meinst das Buch des Thoth! Das Buch allen Wissens. Das Buch, das vor Jahrhunderten durch den Schleier in der Kammer des Todes geworfen wurde, weil es zu mächtig war, um in den Händen der Menschen zu liegen." Er wurde schlagartig wieder ernst. „Aber du kannst nicht dieses Buch meinen."

Der ältere Severus lachte nicht. „Das ist genau das Buch, das ich meine."

Er sprang auf, der Stuhl schabte laut über den Boden, und wandte sich dem Fenster zu. „Das soll wohl ein Scherz sein!"

„Beruhige dich."

„Sag mir nicht, was ich tun soll!", rief er, wirbelte herum und zeigte mit dem Finger auf die Kugel. „Es gibt keine Möglichkeit, durch diesen Schleier zu gehen und lebend zurückzukehren!"

„Doch, die gibt es."

„Mach dich nicht lächerlich! Menschen sind beim Sturz durch den Schleier gestorben!"

„Deshalb musst du dich vorbereiten."

„Vorbereiten auf was?!"

Ein weiterer tiefer Atemzug wurde erst eingeatmet, dann langsam wieder ausgeatmet. „Auf den Ur-Dementor."

„Der Ur-Dem…", wiederholte er leise, während die Bedeutung dieser Worte in seinen Geist sickerte wie Blut in Schnee. „Das ist ein Scherz", murmelte er wieder.

„Können wir festhalten, dass keiner von uns beiden im Moment scherzt?"

„Nein …"

„Reiß dich zusammen!", knurrte sein älteres Ich, „Ich lebe, dir wird es gut gehen!"

„Vorausgesetzt, deine Theorien stimmen."

„Haben unsere Theorien jemals nicht gestimmt?"

„Die ganze verdammte Zeit!"

Er verdrehte die Augen. „Warum machst du überhaupt so einen Aufstand? Liebäugelst du nicht sowieso mit dem Tod?"

„Fick dich." Er drehte sich um und holte den Feuerwhisky aus dem Schrank. Ohne sich die Mühe zu machen, ein Glas zu nehmen, trank er einen großen Schluck direkt aus der Flasche.

„Hör zu, du wirst nicht sterben! Ich habe es bereits getan und -"

„Ich habe keine Lust mehr auf deine verdammten Wenn-ich-noch-lebe-bedeutet-das-du-wirst-leben-Theorien!"

„Hör auf mich zu unterbrechen!"

Severus, der Jüngere, war sich nicht zu fein, seinem älteren Ich den Mittelfinger zu zeigen.

Doch der Bastard ließ sich nicht noch einmal provozieren. „Ich habe das schon einmal getan", begann er von vorn, geradezu widerlich ruhig, „und ich meine nicht, als ich in deinem Alter war. Ich bin vor drei Tagen durch den Schleier gegangen und wieder hier, gesund und weitestgehend unversehrt. Ich weiß, wie ich dich durch diese Sache führen kann."

„Warum muss ich gehen, wenn du schon dort warst?", murmelte Severus.

„Weil das Buch nicht mehr da war."

Severus erstarrte. Was zum … Dann stieß er ein freudloses Lachen aus. „Du glaubst, es war in deiner Zeit nicht mehr da, weil ich es in meiner Zeit schon geholt habe."

„Ja."

„Und was ist, wenn es jetzt auch nicht mehr da ist?"

„Darum kümmere ich mich, falls es so sein sollte."

„Wunderbar …" Den Feuerwhisky immer noch in der Hand, warf Severus der Kugel einen düsteren Blick zu. „Für wen auch immer du das tust, er sollte besser wichtig sein."

Der ältere Severus schluckte. „Das ist sie."

Mit einer Sekunde Verzögerung schnaubte der Jüngere. „Es geht immer um eine Frau, nicht wahr?" Dann trank er einen weiteren, großen Schluck Whisky.

„Tja, nun … Wirst du es machen?"

Würde er? Severus schloss die Augen und rieb seine Zunge in den Geschmack des Whiskys. „Ja", murmelte er schließlich.

„Gut! Dann hör auf zu trinken, du musst ein paar Zaubertränke brauen."

Das wird ja immer besser …


„Du brauchst genau zwei Gramm des gemahlenen Dyers-Thymians!"

„Ich habe zwei Gramm!"

„Lass es langsam in den Trank rieseln. Ich sagte langsam!"

„Das ist langsam!"

„Und jetzt rühren! Ein bisschen schneller! Schneller! Schneller!"

Zum Teufel … Severus schnippte mit seinem Zauberstab und die Kugel begann, um sich selbst zu wirbeln. „Schnell genug?", fragte er spitz und grinste in sich hinein.

„Lustig … Jetzt hör auf damit!"

„Nur wenn du mir sagst, warum ich einen Verknüpfungstrank braue, wenn ich mich für den Ur-Dementor wappnen soll." Nachdem sein älteres Ich ihn erst losgeschickt hatte, um einige seltene und ziemlich teure Zutaten zu kaufen, und ihn jetzt in seinem eigenen Labor herumkommandierte, schwand seine Geduld zusehends.

„Weil du mich auf der anderen Seite des Schleiers brauchen wirst und die Prophezeiung nicht mitnehmen kannst. Und jetzt hör auf damit!"

„Wird dir etwa schlecht?", stichelte er und hielt die Kugel an.

„Nein. Ich will nur sichergehen, dass du uns nicht beide mit einem fehlerhaften Trank umbringst."

„Ich bin genauso ein Tränkemeister wie du!"

„Und betrunken."

„Bin ich nicht!"

„Der Trank!"

Severus zuckte zusammen und blickte in den Kessel hinunter – aber der Trank war absolut in Ordnung. „Lustig", kommentierte er ebenso trocken wie der Ältere zuvor. „Was soll das heißen, ich werde dich auf der anderen Seite des Schleiers brauchen und kann die Prophezeiung nicht mitnehmen?"

„Ich meine, dass es gefährlich ist und dass ich es gerade so lebend wieder herausgeschafft habe. Das Risiko, die Prophezeiung zu zerstören, ist zu hoch und da meine Anwesenheit in deiner Zeit in der Kugel verankert ist, müssen wir einen anderen Weg wählen, damit ich dich führen kann."

Severus atmete langsam aus, als ihm klar wurde, wofür genau er diesen Verknüpfungstrank braute. „Du willst in meinen Kopf, nicht wahr?"

„Ja."

„Natürlich willst du das …" Seine geflüsterten Worte gingen beinahe im Blubbern des Trankes unter.

Und für eine unerwartet lange Zeit kam nur Stille von der Kugel. Erst als Severus den Blick hob, sagte sein älteres Ich: „Vergiss nicht, dass ich du gewesen bin. Es gibt nichts Neues für mich in deinem Geist zu finden."

„Das heißt nicht, dass ich meine Gedanken vor dir ausbreiten will."

„Falls es dich tröstet, du wirst zwangsweise auch von mir ein paar Details erfahren."

Severus verzog das Gesicht, aber wahrscheinlich hatte er recht. Die Art von Verbindung, die er zwischen ihnen aufbauen wollte, war wie Legilimentik ohne die Möglichkeit zu okkludieren. Was auch immer ihnen durch den Kopf gehen würde, der andere würde es wissen.

„Bist du immer noch dabei?"

„Ja", murmelte Severus. Es gefiel ihm nicht, aber …

Als der Trank fertig war, nahm er den Kessel vom Feuer. „Bist du sicher, dass das durch die Zeit funktioniert?"

„Das werden wir sehen", antwortete sein älteres Ich. „Da wir bereits in Kontakt sind, hoffe ich, dass der Trank den Zweck erfüllen wird."

„Du hoffst."

„Ja. Das ist noch keine Wissenschaft." Er griff nach links und holte ein Fläschchen mit dem gleichen Trank, den Severus gerade gebraut hatte.

„Warte, du willst es jetzt machen?"

Sein älteres Ich sah ihn ungeduldig an. „Ich muss wissen, ob es funktioniert! Falls nicht muss ich eine Alternative finden, bis du morgen ins Ministerium zurückkehrst. Ich kann nicht ewig hier sitzen."

„Und was ist, wenn es funktioniert? Ich werde dich die ganze verdammte Nacht und den morgigen Tag in meinem Kopf haben!" Da der Trank und der Zauber, der für die Herstellung dieser mentalen Verbindung nötig war, massiv in die Hirnchemie eingriffen, konnte dies nur mit ausreichend zeitlichem Abstand wiederholt werden. Und ausreichend zeitlicher Abstand war nicht die paar Stunden, die sie hatten.

„Hör auf zu jammern!", murmelte sein Nicht-Spiegelbild, „Du wirst es überleben!" Im Gegensatz zu anderen. Er sprach es nicht aus, aber Severus konnte es trotzdem laut und deutlich hören.

Er kräuselte die Lippen, holte aber ein Becherglas und füllte eine Dosis des Trankes darin ab. „Kennst du die Beschwörungsformel?", fragte sein älteres Ich, während Severus das Glas schwenkte, um den Trank abzukühlen.

„Ja."

Schließlich prostete sein etwa zehn Jahre älteres Ich ihm zu und Severus sah ihn gereizt an, dann stürzten sie den Trank hinunter.

„Ich zähle bis drei", sagte der Ältere, „Eins …"

„… zwei …"

„… drei."

Und sie begannen, die Beschwörungsformel zu rezitieren, um einen Geist mit dem anderen zu verbinden.

Augenblicklich konnte Severus spüren, wie sich ein Faden von ihm zu seinem älteren Ich spannte, ausbreitete und verdickte, mehr als zehn Jahre in die Zukunft. „Unglaublich …"

In der Tat …

Severus stöhnte auf, als er seine eigene Stimme in seinem Kopf hörte.

„Ich bin auch nicht gerade glücklich", sagte sein älteres Ich, diesmal aus der Prophezeiungskugel, „aber es hat funktioniert und das ist gut." Trotzdem, je schneller wir das hier hinter uns bringen, desto besser …

„Amen …"

Diesmal zuckten sie beide zusammen.

„Also", begann Severus, „wirst du nur hören, was ich denke, oder wirst du auch sehen, was ich sehe?"

Er sah sein älteres Ich in der Kugel die Augen schließen. „Ich sehe, was du siehst, wenn ich meine Augen schließe."

„Dann tust du das besser auf der anderen Seite des Schleiers, ich werde keinen Live-Kommentar abgeben."

„Wir werden sehen … Zuerst musst du einen anderen Trank brauen."

„Welchen?"

Sein älteres Ich feixte selbstzufrieden. „Flüssiger Patronus."


Es war schon nach Mitternacht, als der zweite Trank fertig wurde, und es war ein so delikates Meisterwerk von einem Trank, dass Severus es kaum wagte, die Phiole zu berühren, die in dem Patronus-typischen sanften bläulichen Licht glühte.

Nun, er hatte ein halbes Dutzend seiner Patroni als Zutat dafür verwendet, also sollte es ihn wahrscheinlich nicht so sehr überraschen, wie es das tat.

„Ist das deine Entwicklung?", fragte er ehrfürchtig.

„Ja", antwortete sein älteres Ich laut – und im Stillen konnte Severus hören, wie er hinzufügte, Hat mich zwei Wochen ohne Schlaf, fast meinen Job und wahrscheinlich ein oder zwei Freundschaften gekostet.

„Das war es wert …"

„Das war es", stimmte seine Nicht-Spiegelbild zu, „aber nicht so, wie du es meinst. Ich kann nicht riskieren, dass dieser Trank von jemand anderem benutzt wird, um das Buch von jenseits des Schleiers zu bekommen. Dieser Trank darf niemals öffentlich werden."

Er blickte auf. „Was ist mit Leuten, die keinen Patronus beschwören können? Eine abgeschwächte Version davon könnte eine große Hilfe sein."

„Hilfe für was? Es gibt keine Dementoren mehr."

„Keine Dementoren?"

„Keinen einzigen – außer dem hinter dem Schleier. Niemand braucht diesen Trank noch, es sei denn, er will etwas Zwielichtiges damit anstellen."

Severus ertappte sich dabei, wie er erst sein älteres Ich und dann den Trank anstarrte. Keine Dementoren mehr …

Du wirst feststellen, dass vieles in meiner Realität es wert ist, deine Realität zu überstehen.

Er kräuselte die Lippen. Klugscheißer.

Von Natur aus … Er zuckte mit den Augenbrauen. „Du solltest jetzt schlafen gehen. Morgen wird ein anstrengender Tag."

„Was du nicht sagst … Und was ist mit dir?" Severus stützte sich mit den Händen an der Kante seines Labortisches ab.

„Ich werde hier warten und den Kontakt im Auge behalten. Er muss aktiv bleiben, ich kann das kein zweites Mal machen und ich weiß nicht, ob unsere geistige Verbindung ohne ihn bestehen bleibt."

Er verengte die Augen. „Was hast du getan, um mich zu kontaktieren?"

Die Lippen seines älteren Ichs wurden schmaler, aber er antwortete trotzdem. Sagen wir einfach, bald werde ich vielleicht nicht mehr in der Mysteriumsabteilung arbeiten.

Severus schnaubte. „Für wen zum Teufel tust du das?"

Er lächelte schwach. „Das wirst du schon noch herausfinden."

„Ugh …"

„Geh schlafen."

Und das tat er – allerdings erst, nachdem er ihm einen letzten finsteren Blick zugeworfen hatte.


Seit er nach dem Angriff von Nagini das Bewusstsein wiedererlangt hatte, hatte Severus Albträume gehabt.

Nun, genau genommen hatte er auch vorher schon Albträume gehabt, aber er hatte sich großzügig mit Schlaftränken abgeschossen, um sie nicht zu haben. Ein Meister der Tränke zu sein, hatte definitiv seine Vorzüge und er war sich nicht zu fein, jeden einzelnen davon auszunutzen. Auch seine Sammlung von Ausnüchterungs- und Katertränken war beeindruckend, ganz zu schweigen von der einen oder anderen Freizeitdroge.

Er hatte genug um die Ohren gehabt, um sich ein paar verdammte Pausen zu verdienen, okay?

Das St.-Mungos allerdings hatte sich geweigert, ihm irgendetwas davon zu geben. Nein, nicht einmal die Schlaftränke, obwohl das viele schreckliche Nächte für ihn und die Medimagier bedeutet hatte. Aber da er allergisch gegen den Traumlos-Schlaftrank war, hätte er den Trank der Lebenden Toten gebraucht und bei dem wurden Heiler immer unangemessen nervös …

Nun, nachdem er nach Askaban verlegt worden war, hatte er sowieso keinen einzigen Trank mehr gesehen, also war es wahrscheinlich das Beste gewesen, dass er sich schon im Krankenhaus daran gewöhnt hatte.

Seine Zeit im Gefängnis war trotzdem hart gewesen, nicht nur wegen der Albträume, sondern auch wegen einiger anderer medizinischer Nöte, die die Gefängnisleitung nicht als ihr Problem betrachtet hatte. Zum Beispiel die schmerzhaften Nervenschäden, die er durch wiederholte Cruciatus-Flüche erlitten hatte. Oder seinen empfindlichen Magen.

Zugegeben, letzterer war hausgemacht. Alle Vorteile auszunutzen, die es hatte, ein Meister der Tränke zu sein, hatte auch seine Nachteile …

Aber überraschenderweise waren die Albträume in den zehn Monaten seiner Haft immer weniger geworden. Während er anfangs kaum mehr als eine Stunde ununterbrochenen Schlaf bekommen hatte, hatte er jetzt etwa alle zwei Wochen eine wirklich schlimme Nacht – und der eine oder andere Albtraum in normalen Nächte war nicht der Rede wert. Daher hatte er seit seiner Entlassung aus Askaban kein einziges Mal den Trank der Lebenden Toten genommen, obwohl er es hätte tun können.

Und in dieser Nacht zahlten sich das harte Jahr und all die Albträume endlich aus, denn nicht einmal sein älteres Ich war in der Lage, fünf Stunden lang nicht an rosa Drachen zu denken – obwohl er es mit Hilfe eines Buches versuchte.

Mit den Bruchstücken einer Theorie über die Vererbung magischer Fähigkeiten und allem, was heute passiert war, fiel es Severus schwer einzuschlafen und so dachte er in den wenigen Stunden, die ihm noch blieben, bevor er wieder zur Arbeit musste, darüber nach, welche Frau ihm wichtig genug werden würde, um so viel für sie zu riskieren. Würde er wirklich so dumm sein, sich noch einmal zu verlieben? Hatte er tatsächlich nichts aus der Vergangenheit gelernt? Nun, in Anbetracht der Dummheiten, die sein älteres Ich gerade beging – offenbar nicht. Seinen Job, sein Leben für eine Frau zu riskieren … Er hatte gedacht, er hätte das hinter sich gelassen.

Ugh, wer zum Teufel würde ihn wieder zu dieser Art von Dummheit verleiten?!

Er wiederholte diese Frage still in seinem Kopf in der Hoffnung, dass sie sein älteres Ich dazu bringen würde, versehentlich etwas preiszugeben.

Und nach etwa zwanzig Minuten funktionierte es tatsächlich!

„Weil du mein bist." Gesprochen von einer Stimme, die ihm vage bekannt vorkam, und beantwortet mit einem „Bin ich das?" in einer Stimme, die er sofort als seine eigene identifizierte. „Ja. Du hast mir das geschenkt und jetzt bist du mein." Da war eine schlanke Hand und das Funkeln eines goldenen Rings.

Dann riss sein älteres Ich sich zusammen und kehrte zu seinem Buch zurück.

Verdammt!

Aber er hatte eine neue Information dazugewonnen: Er würde diese Frau heiraten.

Unglaublich …

Er hatte sich nie vorstellen können zu heiraten, nicht einmal Lily in einer Welt, in der er ihre Freundschaft nicht ruiniert und sie sich schließlich auch in ihn verliebt hatte. Seit er gesehen hatte, wie seine Eltern zu unglücklichen, verbitterten Menschen verkommen waren, dazu gezwungen zusammenzubleiben, und nicht nur sich selbst, sondern auch ihm das Leben ruiniert hatten, war er fest entschlossen gewesen, niemals – NIEMALS! – jemanden zu heiraten. Niemals jemanden auf eine Weise an sich zu binden, die es unmöglich machte – oder zumindest sehr schwer – getrennter Wege zu gehen.

Wer würde ihn umstimmen?

Severus grübelte so lange darüber nach, dass seine Müdigkeit ihn in einen leichten Schlummer lullte bis …

… die Gedanken seines älteren Ichs wieder zu wandern begannen.

„Du musst aufhören, Liebling. Es gibt nichts -" - „Nicht! Wage es nicht …"

Heilige Scheiße … Diese Erinnerung war mit so vielen Emotionen beladen, dass Severus' Herz auf einmal zu heftig pochen begann und ihn mit einem Keuchen aufschrecken ließ.

Entschuldige, murmelte sein älteres Ich, es wird nicht wieder vorkommen. Schlaf weiter.

Severus stöhnte, verbot sich jedoch jeden klar ausformulierten Gedanken dazu. Als ob er so einfach wieder einschlafen könnte …

Er starrte an die dunkle Decke seines Schlafzimmers und konnte sich nicht davon abhalten, immer wieder zu wiederholen, was die Frau in diesen Erinnerungen gesagt hatte. Du bist mein … Du musst aufhören … Er war sich sicher, dass er ihre Stimme kannte! Aber er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wem sie gehörte.

Nach einer Weile sickerte Belustigung in sein Bewusstsein, die nicht seine war.

Ich werde herausfinden, wer sie ist!, informierte er den Bastard.

Natürlich wirst du das. Du wirst sie heiraten.

Er brummte innerlich, drehte sich auf die Seite und schloss die Augen. Etwa eine Stunde lang waren die einzigen Informationen, die ihn von seinem zukünftigen Ich erreichten, weitere Fragmente des Buches, die so fortschrittlich klangen, dass Severus zweifellos ein weiteres Jahrzehnt würde warten müssen, um es selbst lesen zu können. Er war so vertieft darin, dass er fast vergessen hätte, wieder einzuschlafen.

Beinahe.

Und gerade, als er wieder einschlafen wollte -

„Severus?"

Severus – der Jüngere – brauchte nur die kribbelnde Panik zu spüren, um zu realisieren, dass dies keine Erinnerung war!

„Ja."

Er setzte sich auf. Sieh sie an, beschwor er sein älteres Ich, sieh – sie – an!

„Was machst du hier?"

Nur ein paar Nachforschungen. Geh wieder ins Bett, ich komme gleich nach."

„Sieh sie an!" zischte Severus und kniff die Augen zusammen, fest entschlossen, nichts von dem zu verpassen, was mehr als ein Jahrzehnt in seiner Zukunft geschah.

Aber dieser Schwachkopf von seinem älteren Ich fand irgendwie einen Weg, nichts zu sehen! Vielleicht tat er nur so, als sei er müde und rieb sich die Augen. „Feigling!", knurrte Severus, wohl wissend, dass der Bastard ihn hören würde.

Halt die Klappe!

„Sag mir nicht, was ich tun soll! Das ist lächerlich!"

„Du versuchst doch nicht immer noch, einen Weg zu finden, mich zu heilen, oder? Du weißt, dass das sinnlos ist."

„Tue ich nicht. Es geht um mein aktuelles Projekt."

Die Frau, die er nicht ansah, gab einen nachdenklichen Ton von sich und Severus glaubte, die leiseste Berührung von … Fingern in seinem Haar zu spüren?

Genug! Das war sogar mehr als lächerlich! Er würde hinunter ins Labor sprinten und versuchen, einen Blick in die Kugel zu erhaschen.

Aber er hatte sich noch nicht einmal von seiner Decke befreit, als es seinem älteren Ich gelang, sie – wer auch immer sie war – wegzuschicken.

„Verdammt! Wer ist sie? Warum sagst du es mir nicht?"

Warum willst du es so unbedingt wissen?

„Weil ich mein verdammtes Leben für sie riskieren werde!"

Das wirst du nicht. Ich habe offensichtlich überlebt, also …

„Ach, hör auf damit! Wenn ich es sowieso vergessen werde, kannst du mir genauso gut sagen, für wen wir das alles tun!"

Einige Sekunden herrschte Schweigen in Severus' Kopf. Dann: Nein.

Warum nicht?!"

Weil du ohnehin schon kurz davor bist, den Verstand zu verlieren, und wenn ich dir sage, wer sie ist, wirst du gar nicht mehr aufhören, mir auf die Nerven zu gehen.

„Warum?", spottete er, „Ist es Dolores Umbridge?"

Jetzt machst du dich lächerlich.

„Tja, ich bin in guter Gesellschaft."

Geh einfach wieder schlafen, okay? Nimm etwas vom Trank der Lebenden Toten und lass mich in Ruhe, ich kriege Kopfschmerzen von deinem Gejammer.

„Das ist nicht mein Gejammer, das ist diese verdammte Gedankenverbindung." Die nächsten paar Tage würden sie beide höllische Kopfschmerzen haben.

Aber der Bastard hatte wahrscheinlich recht; wenn er morgen durch den Schleier gehen und lebend zurückkehren wollte, sollte er wenigstens ein paar Stunden Schlaf bekommen. Er kräuselte die Lippen und nahm ein Fläschchen von seinem Nachttisch. „Nur damit du es weißt: Du ruinierst meine Strähne!"

Eigentlich tue ich das nicht, denn du wirst es vergessen.

Jetzt weiß ich es aber", murmelte er und zählte vier Tropfen des Tranks in den Verschluss.

Das ist es wert, ich verspreche es.


Am nächsten Morgen steckte Severus zwei Phiolen ein, den Flüssigen Patronus und ein gutes Kopfschmerzmittel, sowie die Prophezeiungskugel. Es war das Letzte, was er tun wollte, den Beweis für seinen Diebstahl den ganzen Tag mit sich herumschleppen, aber keiner von ihnen wusste, wie schnell er seine Erinnerungen an das, was passiert war, verlieren würde, nachdem sein älteres Ich die Verbindung getrennt hatte, also musste er die Prophezeiung an ihren Platz legen, bevor er es tat – und sie würden wahrscheinlich beide dankbar sein, wenn Severus sich am Ende dieser ganzen Geschichte eine zusätzliche Apparation ersparen konnte.

Im Ministerium herrschte reges Treiben und er bahnte sich mit finsterem Blick den Weg zu den Aufzügen. Er stellte sich wie immer nach ganz hinten, hasste es immer noch, wenn Leute ihm den Nacken hinab atmeten. Und da er sowieso nach unten auf Ebene neun musste …

Heute gab es ihm außerdem die Möglichkeit, ein wenig zu plaudern.

Du hast mir noch gar nicht gesagt, wofür genau du das Buch brauchst.

Doch, habe ich, entgegnete sein älteres Ich mit einer Sekunde Verzögerung; seit Severus aus seinem Trank-erzwungenen Schlaf aufgewacht war, war die Stimme in seinem Kopf verdächtig still gewesen.

Du hast mir gesagt, dass du es brauchst, um sie zu retten, wer auch immer sie ist, erwiderte Severus, unfähig, sich den Spott zu verkneifen, aber du hast mir nicht gesagt, was es ist, das sie umbringt.

Während er auf eine Antwort wartete, pingte der Aufzug, drei Personen verließen ihn, zwei andere traten ein, trafen kurz Severus' Blick und drehten sich dann zu den Türen um.

Sie hat sich einen Fluch eingefangen, sagte sein älteres Ich schließlich.

Severus atmete langsam aus. Also kämpft ihr immer noch.

Das kleine Schnaufen war eine Überraschung. Nein, wir kämpfen nicht mehr. Der Krieg ist vorbei, ein für alle Mal.

Was ist es dann?

Berufsrisiko. Wie ich arbeitet sie in der Mysteriumsabteilung und untersucht obskure magische Objekte. Eines von ihnen war verflucht und sie … hat es sich eingefangen.

Severus' Oberlippe zuckte. Und du weißt nicht, wie man den Fluch aufhebt?

Nein. Ich habe nirgendwo etwas darüber gefunden – und wenn man die größte, nur eingeschränkt zugängliche Bibliothek in ganz Europa zur Hand hat, soll das etwas heißen.

In der Tat … Bist du sicher, dass es ein Fluch ist?

Bevor sein älteres Ich antworten konnte, hielt der Aufzug wieder an. Vier Zauberer stiegen aus, einer beeilte sich, ihn noch zu erwischen, hielt dann aber für irgendjemanden die Türen offen. Severus verdrehte die Augen.

Ja, ich bin sicher, lenkte die Stimme in seinem Kopf ihn jedoch ab. Abgesehen davon, dass sie es gespürt hat, als es passiert ist, sieht Lucius auch, wie sich der Fluch in ihrer Aura ausbreitet.

Severus erstarrte. Du hast wieder Kontakt zu Lucius?

Das habe ich, antwortete sein älteres Ich bedächtig.

Er konnte das Schnaufen nicht verhindern – auch wenn sich daraufhin mehrere Köpfe zu ihm umdrehten. Und der Idiot, der die Türen aufhielt, wurde rot. Geschieht dir recht!

Severus wandte sich wieder seinem inneren Gespräch zu und schlussfolgerte: Wenn Lucius dir hilft, muss deine Frau reinblütig sein.

Einige Sekunden lang herrschte Stille. Dann erreichte der zweite Idiot, ein junger Mann, der einen Stapel Pergament trug, endlich den Aufzug. Die Türen pingten und schlossen sich.

Nun, fragte Severus weiter, als sie sich wieder in Bewegung setzten, welche Symptome hat sie?

Die Stimme seines älteren Ichs klang ein wenig heiser, sogar in seinem Kopf, als er sagte: Sie verkümmert langsam. Sie verliert Gewicht, ihr Haar, ihr Augenlicht und in letzter Zeit auch immer mehr ihrer Erinnerungen …

Severus schluckte unwillkürlich. Sie hat sich letzte Nacht an dich erinnert, murmelte er, und daran, dass sie verflucht ist.

Ja, schnaubte die Stimme in seinem Kopf, aber sie hat vergessen, dass …

Was?, bohrte Severus nach, als er nicht weitersprach.

Sie hat vergessen, dass wir einen Sohn haben.

„Einen Sohn?", rief Severus aus, er konnte sich einfach nicht davon abhalten.

Alle anderen Ministerialbeamten – und zwei Papierflugzeuge – drehten sich zu ihm um und beäugten ihn in unterschiedlichem Maße verwirrt und misstrauisch.

„Augen geradeaus!", knurrte Severus und warf ihnen allen einen finsteren Blick zu, bis sie sich wieder umdrehten.

Du hast ein verdammtes Kind?!, fuhr er dann sein älteres Ich an. Was zum Teufel?

Siehst du, und genau deshalb werde ich dir nicht sagen, wer sie ist.

Oh, bitte! Ich bin es nicht, der verrückt geworden ist! Wir wollten nie Kinder haben! Wir hassen Kinder!

Wir wollten auch nie heiraten und doch habe ich das … Die Dinge ändern sich, du wirst sehen.

Diesmal gelang es Severus, seinen Spott zu unterdrücken.

Aber ich kann ihn nicht allein großziehen. Ich brauche sie, verstehst du?

Severus schluckte. Nein, er verstand gar nichts mehr. Als der Aufzug endlich seine Etage erreichte, atmete er erleichtert auf und floh vor all diesen Offenbarungen.


Ich hatte völlig vergessen, was für ein Mistkerl Silverberry war, sagte sein älteres Ich einige Zeit später.

Dann werde ich ihn also irgendwann los?, fragte Severus mürrisch zurück, während er einen riesigen Karren voller Bücher durch die Bibliothek der Mysteriumsabteilung schob, um sie wegzusortieren – per Hand, denn die kostbaren Folianten waren empfindlich gegenüber Magie. Als ob …

Ja, das wirst du. Ziemlich bald, um genau zu sein. Er geht nach Brasilien um … Ich weiß es nicht mehr.

Solange er geht und ich nicht jeden Tag den Kürzeren ziehe, ist es mir egal. Silverberry, der leider sein direkter Vorgesetzter war, hatte es auf ihn abgesehen, seit Severus diesen Job angetreten hatte. Und weil er wusste, dass Severus keine Alternative hatte, hielt er sich nicht zurück. Wenigstens habe ich hier meine Ruhe …

Bevor er jedoch damit begann, die Bücher für die einzelnen Abteilungen vorzusortieren, zog er den Kopfschmerztrank aus seiner Tasche und nahm einen Schluck. Das Pulsieren in seinen Schläfen ließ nach.

Ich werde schweigen, verkündete sein älteres Ich, wahrscheinlich sein Versuch, diese mentale Verbindung für sie beide erträglicher zu machen.

Und so verging der Vormittag. Severus sortierte sich durch die Bücher, die seine Kollegen in der vergangenen Woche benutzt hatten, dachte über alles nach, was er über seine Zukunft erfahren hatte, und hatte gleichzeitig das Gefühl, dass er sich die letzten etwa siebzehn Stunden nur eingebildet hatte. Abgesehen von seinen Kopfschmerzen fühlte er sich völlig normal und nicht so, als würde ihn etwas mit sich selbst aus einer Zeit etwa zehn oder zwölf Jahre in der Zukunft verbinden.

Und schon gar nicht, als würde er heute Nacht durch den Schleier gehen, um ein Buch zu holen, das als zu gefährlich eingestuft worden war, um in dieser Welt zu existieren.

Im Ernst … Was zum Teufel stimmte nicht mit ihm? Warum wurde immer er in diese Verrücktheiten hineingezogen?

Severus atmete langsam aus und wartete auf die bissige Antwort seines älteren Ichs (das übrigens ein unerträglicher Klugscheißer war!), aber es kam nichts.

Er blieb stehen, ein Buch halb zurück an seinen Platz geschoben, und lauschte. War er nur abgelenkt oder war er … eingeschlafen?

Mit zusammengepressten Lippen schloss Severus die Augen und öffnete seinen Geist für das, was sein älteres Ich in diesem Moment sah. Und das war nichts. Hm. Er war also tatsächlich eingeschlafen.

Nun, wahrscheinlich war es für sie beide besser, wenn er heute Nacht wachsam sein konnte.

Er ließ ein bisschen los, genoss den Moment der Ruhe in seinem eigenen Kopf und ging seiner Arbeit nach, wieder einmal damit beschäftigt zu überlegen, wen er wohl heiraten würde – und mit wem er ein Kind bekommen wollte! Sie musste außergewöhnlich sein, wenn sie es geschafft hatte, ihn nicht nur bei einer, sondern gleich bei zwei seiner Hauptlebensentscheidungen umzustimmen. Zwar konnte er akzeptieren, dass er in die Heirat eingewilligt hatte – schließlich konnte man sich heute scheiden lassen, ohne gesellschaftlich geächtet zu werden –, aber ein Kind war eine Bindung, die man niemals lösen konnte.

Wer hatte ihn dazu gebracht, seine Meinung zu ändern? Würde er sich wirklich so sicher sein bei dieser Frau, dass er es riskieren würde, ihr Leben und das des Kindes zu ruinieren? Oder war er nur egoistischer geworden? Vielleicht einsamer?

Aber er war beides immer gewesen und hatte trotzdem nie an eine Heirat gedacht. Nicht einmal -

„Severus …"

Seine Gedanken fuhren gegen eine Wand, als sie so unvermittelt von einem Seufzen unterbrochen wurden, das sanft wie ein Rosenblatt in seinem Kopf widerhallte. Was zum … Er sah sich nach links und rechts um, aber die Bibliothek war immer noch menschenleer. Dann schloss er die Augen und …

… fand sein Gesicht zwischen den Beinen einer Frau.

Heilige Scheiße!

Sein Herz pochte plötzlich schneller, Severus riss die Augen auf und spürte nicht nur, wie die verräterische Hitze einer Röte in sein Gesicht kroch, sondern auch einige weiter unten gelegene Teile seines Körpers interessiert zuckten.

„Mhh, ja … genau da …"

„Fuck", murmelte er und krallte seine Finger in den Einband des Buches, das er gerade wieder an seinen Platz hatte stellen wollen, als seine Augen wie von allein zufielen und sein Rücken gegen das Regal sackte.

Sofort befand er sich wieder in einem Traum, der ihn in eine der köstlichsten Positionen brachte, die er sich vorstellen konnte, die er bisher allerdings noch nicht selbst hatte erleben dürfen. Er war sich sicher, dass der Traum von seinem zukünftigen Ich noch mehr enthielt, irgendeine seltsame Verzerrung, die unheimlich vernünftig erschien, solange er schlief, und völlig verrückt, sobald er aufwachte, aber Severus nahm nichts davon wahr. Er sah nur dunkle Locken unter einem sich hebenden und senkenden Bauch, Schenkel zu seiner Linken und Rechten und verschwommene Hügel, die wahrscheinlich ein Paar ziemlich perfekte Brüste waren und träge wippten.

Leider kein Gesicht, aber um ehrlich zu sein, war ihm das im Moment herzlich egal …

Er fühlte sich wie ein Teenager, der seinen Vater versehentlich beim Pornogucken erwischt hatte. Er hielt den Atem an, versuchte, keinen einzigen Laut von sich zu geben, während sich der beunruhigend lebhafte Traum seines zukünftigen Ichs auch vor seinem geistigen Auge abspielte.

Doch es war nicht der visuelle Teil, der ihn am meisten erschütterte; es waren die Geräusche … Das Stöhnen und Seufzen und die leisen Worte, die mit einer Stimme gesprochen wurden, die zu vertraut war, um ihn kalt zu lassen, und doch zu verlockend, um diesen Mistkerl aufzuwecken und die Sache zu beenden.

Schließlich musste er ausatmen, gefolgt von einem hektischen Einatmen. Seine Hose wurde immer enger und unruhig seiner Beine zu bewegen, eigentlich um den Druck zu lindern, half nicht, sondern verstärkte nur die Reibung an einem Teil seines Körpers, den er zu lange vernachlässigt hatte.

Fuck, fuck, fuck …

Er blinzelte und sah sich wieder in der Bibliothek um, aber er war immer noch allein.

Sollte er das wirklich tun? Hier? Wenn ihn jemand dabei erwischte, wie er sich auf der Arbeit selbst berührte, würde er keinen Job mehr haben.

Andererseits … Sein zukünftiges Ich arbeitete immer noch in der Mysteriumsabteilung, also …

„Ah, ja! Severus …"

„Oh Merlin …" Er verschluckte das erstickte Keuchen, das aus seiner Kehle zu blubbern versuchte, legte das Buch zurück auf den Wagen und griff zögernd nach unten, um seine pochende Erregung zu reiben.

Bei der ersten Berührung zischte er auf. Merlin, es war zu lange her …

Und in der Tat brauchte er nur eine knappe Minute, bis ein weiteres eindringliches Stöhnen der Frau aus dem Traum seines zukünftigen Ichs ihn über die Kante schubste. Wie ein Teenager kam er in seiner Hose, sank sogar beinahe auf die Knie, weil es so verdammt gut war …

Unglücklicherweise weckte sein Höhepunkt oder der Höhepunkt der Frau oder etwas ganz anderes auch sein älteres Ich auf und beendete den Traum abrupt.

Scheiße!

Severus richtete sich wieder auf und kramte etwas kurzatmig in seinen Taschen nach seinem Zauberstab, um sich zu reinigen, bevor -

Und du nennst mich einen Wichser …


Nach dieser … Episode blieben sie für sich. Severus sortierte die Bücher weg und sein älteres Ich beschäftigte sich mit was auch immer er gerade tat. Die Satzfragmente, die Severus' Verstand erreichten, klangen wie eine Art Forschungsbericht, aber über welches Thema konnte er nicht sagen.

Die Bücher trieben Severus bis zum Mittagessen um und nach der Pause fand Silverberry noch einige andere lästige und unverdiente Aufgaben für ihn. Dass dieses Arschloch überhaupt noch nach Brasilien gehen konnte, war nur seinem älteren Ich zu verdanken, das an diesem Nachmittag in seinem Kopf wohnte.

Reiß dich zusammen, Voldemort war schlimmer und du hast es überstanden.

Voldemort? Severus schauderte, als er diesen Namen nur in Gedanken hörte; niemals würde er es wagen, ihn laut auszusprechen. Er hatte nicht erwartet, dass sich das jemals ändern würde.

Alles ändert sich, murmelte sein älteres Ich, das ist der Segen und das Elend des Lebens.

Was sind wir heute aber philosophisch …

Lieber philosophisch als ein depressiver, erbärmlicher Wichser.

Du kannst mich mal.

Danke, ich passe. Dem hast du bereits Genüge getan.

Mit glühend heißem Gesicht hielt Severus den Kopf gesenkt und ging seinem Nachmittag nach, dankbar für die Gnade der Magie, die ihn bald von den Erinnerungen an diesen Tag befreien würde.

Und doch fühlte er sich nicht bereit, als er schließlich im Raum des Todes stand, etwa eine Stunde nachdem die letzten seiner Kollegen Feierabend gemacht hatten und gegangen waren. Niemand hatte ihn beachtet, niemand hatte sich auch nur im Geringsten dafür interessiert, dass er sich immer noch mit Dingen beschäftigte, die wahrscheinlich seit Monaten, wenn nicht Jahren vernachlässigt worden waren.

Die Stille, die aus dem Torbogen drang, fühlte sich erdrückend an, jedes einzelne Haar auf seinen Armen und in seinem Nacken stellte sich auf.

Bist du sicher, dass mich das nicht umbringen wird?

Ja.

Severus atmete tief aus. Nun gut. Was muss ich jetzt tun?

Du nimmst den Flüssigen Patronus und bitte sei so gut, nicht durchzudrehen. Es lässt dich leuchten, genau das wird den Ur-Dementor in Schach halten.

Du verwandelst mich in eine Glühbirne? Wirklich?

Ich dachte, das wäre dir lieber, als sofort die Seele ausgesaugt zu bekommen.

Komm mir nicht mit diesem Was-mir-lieber-wäre-Mist! Ich würde lieber zu Hause sitzen und ein gutes Buch lesen!

Es ist kein Lesen, wenn du dir ein Buch auf den Schoß legst, während du dich betrinkst.

Severus schloss die Augen und griff sich an die Nasenwurzel. Weißt du was? Vergiss es … Sonst noch was?

Ja. Denk daran, die Prophezeiungskugel hier zu lassen. Und mach dir nicht die Mühe, deinen Umhang mitzunehmen. Er wird dich nur behindern.

Er antwortete nicht darauf und näherte sich dem Schleier. Der fast durchsichtige Stoff bewegte sich schwach, so als ob kleine Windstöße von der anderen Seite herüberwehten. Und als Severus das Podest, auf dem der Torbogen stand, bestieg, glaubte er, ein entferntes Flüstern zu hören, das ihn anlockte.

Ich werde Black dort nicht treffen, oder?

Nein.

Severus nickte langsam und nahm einen weiteren Schluck des Kopfschmerztranks, bevor er seinen Zauberstab und den Flüssigen Patronus aus seinem Umhang zog und eben jenen zusammenfaltete, um ihn hinter einer der Säulen des Torbogens zu verstauen; etwaige Wachen mussten ja nicht mehr als unbedingt nötig auf seine Anwesenheit hier aufmerksam gemacht werden. Dann schluckte er zuerst seine schwelende Übelkeit und schließlich den Trank.

Der ihn tatsächlich in eine verdammte Glühbirne verwandelte.

Das bläuliche Patronus-Licht sickerte aus seiner Haut und durchdrang sogar den Stoff seiner Kleidung. Die Kammer des Todes wurde in Licht getaucht und seine Kopfschmerzen verschlimmerten sich trotz des Trankes, den er gerade eben genommen hatte. „Großartig", murmelte er und blinzelte dagegen an.

Geh! Du hast nur zwei Stunden Zeit.

Und so tat Severus seinen möglicherweise letzten Atemzug und schritt durch den Schleier.