XVII.


ADMIRALSSOHN EROBERT WELT DER MUSIK IM STURM!"

Die fettgedruckte Schlagzeile beherrschte den Bildschirm des Laptops mit riesigen Buchstaben und einer beinahe bedrohlichen Präsenz, was vermutlich auch daran lag, dass sie mit einem ausgesprochen kriegerisch wirkenden Rahmen aus blinkenden winzigen Sternzerstörer-GIFs umzingelt war, was wohl die militärische Herkunft des stürmischen jungen Eroberers noch zusätzlich unterstreichen sollte.

„Admiralssohn ...Mar wird zerspringen, wenn er das sieht!", sagte Luke Vader amüsiert.

„Sein Onkel auch. Wahrscheinlich wird er den Reporter eigenhändig erschießen ... oder gleich die Redaktion von Galaxy News aus dem Orbit bombardieren lassen, nur um ganz sicher zu gehen, dass sie es nie wieder wagen, so etwas zu veröffentlichen", erwiderte seine Schwester trocken.

„Zuzutrauen wäre es dem Mann. Er gehört zu der radikalen Sorte. Und er tut immer noch so, als wäre Mars bloße Existenz eine Art Fluch für ihn." Luke lachte. „Stell dir nur vor, er wollte neulich tatsächlich eine einstweilige Verfügung gegen Mar erwirken, um ihn dazu zu zwingen, den Namen Shelmerdee abzulegen – wegen Diffamierung und Rufschädigung! Ist das zu glauben?"

„Also ich glaube das sofort. Und es wäre kein großer Verlust für Mar, wenn er einen anderen Namen annehmen würde. Ehrlich gesagt, wäre das sogar viel besser für ihn. Immerhin könnte es eines Tages ihm peinlich sein, mit so einer Verwandtschaft in Verbindung gebracht zu werden. Ich meine, wer will schon der Neffe von einem Kriegsverbrecher sein?", sagte Leia scharf. (Sie träumte übrigens selbst schon lange davon, ihren Namen zu ändern – aus ganz ähnlichen Gründen. Aber das war natürlich undenkbar. Leider!).

Luke runzelte die Stirn. „Kriegsverbrecher?! Also wirklich, Süße, du musst nicht immer gleich so maßlos übertreiben!"

Leia verdrehte die Augen, verzichtete aber darauf, sich schon wieder auf eine völlig überflüssige Diskussion über dieses leidige Thema einzulassen. Stattdessen fragte sie: „Und? Wie ist die Sache ausgegangen?"

„Ach, ist natürlich alles im Sand verlaufen. Mars Anwältin hat den Antrag vor Gericht auseinander gepflückt und abgeschmettert. Ihr Auftritt dort muss ziemlich spektakulär gewesen sein. Mar hat gesagt, dass sie Admiral Stinkstiefel so eingeheizt hat, dass er Blut und Wasser geschwitzt hat, als sie mit ihm fertig war. Sie gehört offenbar zu der energischen Sorte."

Leia lächelte, während sie bereits weiter klickte und flüchtig die anderen Zeitungsartikel durchstöberte, die ihr Bruder freundlicherweise für sie markiert hatte. („Neuer Stern am Geiger-Himmel – Menurins letzter Schüler tritt in die Fußstapfen des Meisters...", „Rauschender Erfolg bei Jubiläums-Konzert in Romina-Opernhaus...", „Lindir-Klassik-Festival seit Wochen ausgebucht..." und andere enthusiastische Kundgebungen, die alle dem brandneuen Ruhm ihres Freundes huldigten.)

Energische Anwältinnen, die nicht davor zurückschreckten, hochrangigen Imperialen gründlich einzuheizen und ihre absurden Ansprüche auseinander zu pflücken, waren ganz nach ihrem Geschmack. Tatsächlich hatte sie sogar eine Zeitlang mit dem Gedanken gespielt, sich auf die Rechtswissenschaften zu verlegen, wenn sie sich schon nicht auf dem politischen Sektor betätigen durfte. Aber ihr energischer Vorstoß in diese Richtung war ebenfalls im Sand verlaufen. Die Durchsetzung von Leias Ansprüchen bezüglich ihrer eigenen Zukunft hatte sich als ebenso unmöglich erwiesen wie eine Namensänderung. Ein Jurastudium war für sie genau so unerreichbar wie die ursprünglich von ihr angestrebte Karriere im Senat. Leider...

Ihr Lächeln erlosch sofort wieder, als sie an die Aussichtslosigkeit ihrer eigenen Situation erinnert wurde. Ein wenig wehmütig betrachtete sie das 3D-Foto, das den letzten Artikel krönte. Im Hintergrund war ein Ausschnitt des Lindir-Symphonie-Orchesters zu sehen. Und im Vordergrund stand Mar in einem maßgeschneiderten mitternachtsblauen Frack, der ihm wunderbar stand, den Kopf leicht zur Seite geneigt, die berühmte und unglaublich wertvolle Umati-Geige, die Yerudi Menurin ihm hinterlassen hatte, unter sein eckiges Kinn geklemmt, seine Augen geschlossen, sein schmales Gesicht ernst vor Konzentration und intensiver als je zuvor.

Der geschickt platzierte Spot, dessen Lichtstrahl auf ihm ruhte, brachte seine hohen Backenknochen ausgesprochen vorteilhaft zur Geltung und verlieh seinem welligen rabenschwarzen Haar, das er nun meistens in einem eleganten Knoten trug, einen seidigen Schimmer und eine deutlich sichtbare Textur, die man beinahe fühlen konnte. Zumindest bildete Leia sich das ein, als sie langsam und fast zärtlich mit den Fingerspitzen die Umrisse von Mar Shelmerdees Hinterkopf auf dem Monitor nachzeichnete...

„Wie erwachsen er jetzt aussieht", murmelte sie versonnen vor sich hin.

„Tun wir das nicht alle?" Luke strich unwillkürlich über den weichen, aber noch ziemlich dürftigen goldblonden Flaum, der seine Wangen bis jetzt nur unzureichend bedeckte und auch das Grübchen in seinem Kinn noch nicht wirklich versteckte.

Sein Plan, sich möglichst schnell einen einigermaßen imposanten Bart wachsen zu lassen, um mit seinen neunzehn Jahren endlich sehr viel reifer und männlicher zu wirken (oder jedenfalls nicht mehr ganz so jungenhaft wie als halbgarer Teenie!), war noch nicht aufgegangen. Im Moment sah er nämlich eher rührend aus als erwachsen – ungefähr wie ein wuschelpelziger Welpe.

Tun wir das? Oh nein – ganz im Gegenteil!, dachte Leia, die nur mit ihrer ganzen Willenskraft das kleine Feixen unterdrückte, das unbedingt heraus wollte.

Sie fand, dass ihr Bruder mit diesen unregelmäßigen fedrig-flauschigen Daunen auf seinem Unterkiefer aussah wie ein Trillvogelküken mitten in der allerersten Mauser (also ziemlich zerzaust, aber einfach niedlich!), war aber zu taktvoll, um ihm die Wahrheit zu sagen. Luke war sehr empfindlich in diesen Dingen – vor allem seit er die Akademie vorzeitig verlassen hatte, um auf dem Sternzerstörer Warbride eine Art Praktikum als Kommando-Offizier anzutreten, das er unter den ewig missbilligenden Argusaugen eines anderen stinkstiefligen ... pardon! ... übellaunigen Admirals absolvierte. Man musste seinen Stolz schonen – wenigstens ein bisschen.

„Oh ja, das tun wir!", erklärte sie daher mit so viel Überzeugung, wie sie nur aufbringen konnte.

Sie bedachte ihren Bruder mit einem besonders honigsüßen Lächeln, als er sie misstrauisch ansah, und überlegte gleichzeitig, dass es immer schwieriger wurde, Luke etwas vorzugaukeln. Er war so verdammt sensibel und aufmerksam – wenn es nicht gerade um die galaxisweiten Massaker und all die anderen alltäglichen Schurkereien der gesamten imperialen Armee ging!

Wie auf Stichwort ...

Verflixt! Das kann doch jetzt kein Zufall sein, oder?

... brummte ihr Zwilling plötzlich: „Sag mal, siehst du deinen Alderaaner eigentlich noch?"

„Nicht wirklich", sagte Leia ausweichend. „Er ist sehr ... beschäftigt."

Auch das entsprach keineswegs der Wahrheit. In Wirklichkeit hatte Bail Organa in letzter Zeit alle seine Aktivitäten stark heruntergefahren, sowohl seine offiziellen als auch seine heimlichen. Seit der aufsehenerregenden Flucht von Mon Mothma, die sich nur in letzter Minute ihrer drohenden Verhaftung durch den imperialen Geheimdienst hatte entziehen können, hatte er jedes Treffen mit Leia vermieden – und das aus gutem Grund. Sämtliche Mitstreiter der ehemaligen Senatorin von Chandrila (und sehr gegenwärtigen Anführerin der Allianz!) standen unter Generalverdacht und unter Beobachtung, seit sie untergetaucht war. Unter diesen Umständen wäre eine Kontaktaufnahme mit Leia viel zu gefährlich gewesen – für sie beide!

„Und ich bin es auch", behauptete sie, obwohl das nun wirklich maßlos übertrieben war.

Denn niemand, der seine fünf Sinne noch einigermaßen beieinander hatte (also nicht einmal ihr unter Illusionen leidender Bruder!), konnte ernsthaft glauben, dass sie wirklich beschäftigt war, seit sie ihre Schule beendet hatte. (Übrigens mit einem glänzenden Abschlusszeugnis, was aber hier in diesem Haus vollkommen ignoriert worden war – so wie alle hervorragenden Leistungen, die sie in vier grauenhaft monotonen Jahren in diesem hoffnungslos elitären Elfenbeinturm für egozentrische Einfaltspinsel erbracht hatte, obwohl ihre guten Noten ihr zugegebenermaßen nicht allzu viel Arbeit oder Mühe gemacht hatten.)

Was hatte Leia schon groß zu tun, seit sie von diesem totalen Vakuum an echten intellektuellen Herausforderungen erlöst worden war? Gar nichts – wenn man von dem immer gleichen Unsinn absah, mit dem Padmé ihre Zeit totschlug und inzwischen auch ihrer Tochter den allerletzten Nerv tötete. Auch sonst hatte Leia nichts vorzuweisen, rein gar nichts. Es war zu schade ...

Es ist eine schreckliche Zeitverschwendung!

... aber aufgrund der allgemeinen Hexenjagd, die momentan im Gang war und sowohl gut getarnte Rebellen als auch weniger risikofreudige Opponenten des Regimes in Atem hielt (und mit Todesangst erfüllte!), lagen wirklich alle ihre Talente brach.

Aber Luke nickte nur, sichtlich zufrieden. Er hegte immer noch keine große Sympathie für den alderaanischen Vizekönig – seiner Meinung nach hatte auch Dankbarkeit ihre Grenzen. Und er konnte einfach dieses unangenehme Prickeln irgendwo am Rand seines Verstandes nicht loswerden, dass er jedes Mal empfand, wenn er an Mars Gönner denken musste. (Organa hatte sich nämlich zu guter Letzt doch noch dazu genötigt gesehen, sich als spendabler Sponsor zu erweisen. Dass der eigentliche Sinn und Zweck seines Patronats sich bis dahin sozusagen in Luft aufgelöst hatte, weil er eingesehen hatte, dass es ihm nie gelingen würde, sich diesen wetterwendischen jungen Vader ernsthaft zu verpflichten, hatte er schließlich mit der für ihn typischen Nonchalance unter dem Kapitel Lebenserfahrung verbucht.)

„Gut!", sagte er und er meinte es auch so, das konnte man schon an der Bestimmtheit erkennen, mit der er jetzt seine Arme über der Brust verschränkte – eine Geste, die jeden Widerspruch im Keim erstickte. Eine Geste, die er von seinem Vater übernommen hatte, ohne es auch nur zu ahnen.

Der bloße Anblick machte Leia nervös. Ein Ablenkungsmanöver war angebracht, damit ihr Bruder gar nicht erst auf den Gedanken kam, noch mehr unangenehme Fragen in diese unerwünschte Richtung zu stellen.

„Und wo findet Mars nächstes Konzert statt?"

Es kam so betont beiläufig heraus, dass Luke rein theoretisch sofort noch misstrauischer hätte werden müssen, aber zu Leias Erleichterung ließ er sich tatsächlich ablenken.

„Keine Ahnung. Wir können ihn ja fragen, wenn er in ein paar Tagen nach Hause kommt."

„Er kommt nach Coruscant zurück? Warum denn das? Macht er etwa bei dieser heuchlerischen Riesen-Benefiz-Gala mit?"

Leia verzog angewidert den Mund. Diese mit großem Brimborium angekündigte Veranstaltung, die irgendein Ausschuss von umtriebigen, aber nicht wirklich mildtätigen Damen für die Finanzierung eines neuen Heims für Kriegswaisen geplant hatte, war seit Wochen das einzige Gesprächsthema zwischen ihr und Padmé – oder eher der derzeitige Hauptgrund für die täglichen Grabenkämpfe zwischen Mutter und Tochter ...

„Kann sein", erwiderte Luke mit einem Achselzucken. „Höchstwahrscheinlich ja. Er wird so etwas auf die Dauer auch kaum vermeiden können – egal, was er im Grunde seines Herzens davon hält. Er muss sich von Anfang an einen gewissen Ruf aufbauen, wenn er sich nicht selber auf ein Abstellgleis manövrieren will. Solche Sachen sorgen immer für viel Reklame – gute oder schlechte Reklame, je nachdem. Es würde bestimmt ganz schön negativ auffallen, wenn ein aufstrebender junger Star wie er sich an einem so wichtigen Wohltätigkeits-Dingsbums nicht beteiligt, oder?

Aber ich weiß nicht genau, was er hier so alles vorhat. Ich weiß nur, dass er nebenbei die Junggesellen-Bude einrichten will, die er sich gerade in Sektor Drei gekauft hat."

„Mar hat sich eine Eigentumswohnung im Manarai-Bezirk gekauft? Das muss ihn ja ein Vermögen gekostet haben."

„Ich schätze, er kann sich so etwas jetzt leisten. Seine letzten Konzerte waren alle ausverkauft und er muss sich inzwischen allein mit seinen Tantiemen von diesen ganzen Live-Streams fast eine goldene Nase verdienen. Millionen von verknallten Fangirls bringen eben ganz schön viel Kohle ein." Luke lachte, als seine Schwester eine weitere Grimasse schnitt.

„Keine Sorge, so etwas steigt Mar ganz bestimmt nicht zu Kopf. Du weißt doch, wie vernünftig und bodenständig unser großer Musikus ist. Tatsächlich hat er mir gesagt, dass es sich bei seiner neuen Absteige nur um ein kleines Appartement handelt. Er braucht schließlich irgendwo eine eigene Unterkunft, wo er seinen ganzen privaten Kram abstellen kann. Er kann sein Zeug ja nicht ständig mit sich herumschleppen, von Hotel zu Hotel, von Welt zu Welt."

„Ja, das verstehe ich schon. Aber warum ausgerechnet hier auf Coruscant? Imperial City ist doch so … so durch und durch..." Leia suchte krampfhaft nach einem Wort, das absolute Verdammung ausdrücken sollte ...

Verrucht? Verdorben? Pervertiert?

... fand aber auf die Schnelle keines, das auch nur annähernd vernichtend genug gewesen wäre, um diesen seelenlosen, alles verschlingenden Moloch von einer Stadt zu beschreiben, in der sie gefangen war wie eine Mücke in dem todbringenden geschlossenen Blütenkelch einer fleischfressenden Pflanze.

„Ich meine, wer will schon freiwillig hier hausen, wenn er woanders leben kann?", fuhr sie schließlich fort.Ichhabe gedacht, dass Mar auf Nujorkana bleiben wird. Es ist so schön dort. Fast wie auf Naboo ..." Die Sehnsucht in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

Luke sah seine Schwester forschend an. Dann sagte er mit Nachdruck: „Leia, auch wenn du hier todunglücklich bist, für die meisten Leute ist Coruscant immer noch das funkelnde Zentrum des Universums."

„Eher das faulige Zentrum einer universellen Giftmülldeponie, wenn du mich fragst ..."

Luke stieß einen resignierten kleinen Seufzer aus, den er von Padmé übernommen hatte, auch wenn ihm das gar nicht bewusst war. Aber eines war ihm sehr wohl bewusst: Manchmal war es besser einfach nachzugeben, wenn Leia in dieser Stimmung war.

„Na schön, wenn du meinst. Aber vergiss bitte nicht, dass Coruscant nicht nur dein ganz persönliches Inferno oder deine Gruft oder was auch immer ist, sondern auch noch ganz nebenbei so etwas wie der kulturelle Mittelpunkt des Imperiums – was für die Zukunft eines Künstlers schließlich nicht ganz unwichtig ist, das musst sogar du zugeben. Und es ist der ideale Transitpunkt für alle, die so viel unterwegs sind wie Mar. Wer ständig kreuz und quer zwischen den Kernsystemen hin und her reisen muss, ist hier ganz gut aufgehoben – zumindest wenn es um die Buchung von Direktflügen geht ..."

Doch seine Schwester sah nicht überzeugt aus und er fragte sich, warum sie bei all ihrer Intelligenz und ihrem unbestreitbaren Einfühlungsvermögen nicht das naheliegendste Motiv von Mar Shelmerdees Heimkehr erkannte. Ziemlich interessant, dieser blinde Fleck ...

„Außerdem will er ganz offensichtlich mit uns in Kontakt bleiben. Wir haben uns so selten gesehen, seit er damals nach Nujorkana gegangen ist. Jetzt will er wenigstens ab und zu die Möglichkeit haben, uns zu treffen, mit uns zusammen zu sein. Immerhin sind wir seine besten und engsten Freunde. Nein, viel mehr als das ... Wir sind alles, was er noch an Familie hat. Er hat doch niemanden mehr außer uns, seit er Menurin verloren hat ..."

„Ach so ... Ja, natürlich", murmelte Leia.

Es bestürzte sie, dass ihr das so völlig entfallen war. Dabei erinnerte sie sich nur zu gut an die Verzweiflung und die Einsamkeit in Mars Augen, an seine Tränen, als er sie damals angerufen hatte, um ihnen davon zu erzählen. Der plötzliche Tod seines Mentors und Ersatzvaters hatte ihn schwer getroffen, zumal der gesundheitlich schon etwas angeschlagene alte Herr ausgerechnet während der stressigen Generalprobe vor dem Debüt-Auftritt seines Zöglings mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen war.

Dieses traumatische Erlebnis hatte solche Schuldgefühle in Mar ausgelöst, dass es ihn beinahe paralysiert hatte. Er war sogar drauf und dran gewesen, seinen Auftritt abzusagen, was ihn weit mehr als nur sein hart erkämpftes Examen gekostet hätte. Doch am Ende hatte er sich seinem Schicksal in Form einer zwölfköpfigen Prüfungskommission des Guillard-Konservatoriums doch noch gestellt – aber erst nachdem die Zwillinge sich zweieinhalb Stunden lang mit vereinten Kräften und mit Hilfe einer Konferenzschaltung zwischen Coruscant und der Warbride fast den Mund fusselig geredet hatten, um ihn wieder ein wenig zu beruhigen und aufzubauen, wenn sie ihn schon nicht trösten konnten. (Vielleicht war diese plötzliche Aufwallung von Mut aber auch nur dadurch verursacht worden, dass Luke, dem wie üblich irgendwann der Geduldsfaden gerissen war, damit gedroht hatte, sofort nach Nujorkana zu fliegen und die kleine Heulboje notfalls von einem Sturmtruppen-Kontingent vor seine Prüfer schleifen zu lassen – übrigens eine leere Drohung, denn er hätte es nicht einmal mit dem schnellsten Shuttle der Warbride rechtzeitig dorthin geschafft!)

Es war also kein Wunder, wenn Mar sich mittlerweile etwas isoliert fühlte, zumal es bei seinem hektischen Leben auch nicht gerade leicht sein konnte, neue Freunde ... richtige Freunde zu finden. Ganze Völkerscharen von hörigen Fangirls, die via Holonet seine Aufnahmen kauften, waren eindeutig keine richtigen Freunde. Sie waren einfach nur ...

Eine Horde von albernen und völlig besessenen kleinen Mädchen!

... eine ganz bestimmte Form von zahlungswilligem Publikum, das war alles.

Hoffe ich jedenfalls.

Es war daher durchaus nachvollziehbar, dass Mar bestrebt war, seinen alten Freunden auch räumlich gesehen wieder näher zu kommen, indem er in ihre Nachbarschaft zog. (Nun ja, nicht gerade in die unmittelbare Nachbarschaft, aber immerhin!) Leia schämte sich ein bisschen dafür, dass sie so sehr in ihre eigenen Probleme verstrickt gewesen war, dass sie gar nicht darauf gekommen war. Und natürlich freute sie sich darauf, ihn wieder zu sehen, sie freute sich sogar sehr. Sie hatte nicht das Geringste dagegen, ihn so oft wie nur möglich zu sehen, wenn er erst mal wieder da war. Denn Mar Shelmerdee war nicht der einzige Mensch, der sich isoliert fühlte. Aber er war garantiert der einzige Mensch weit und breit, den Leia tatsächlich sehen wollte ...

„Vielleicht hast du ja Recht ...", sagte sie widerstrebend. (Sie gab nicht gerne zu, dass ihr Bruder Recht hatte – es war eine Frage des Prinzips!)

„Natürlich habe ich Recht!" klang es markig zurück. „Ich habe immer Recht!"

Nur in deiner Fantasie, du selbstgefälliger kleiner Angeber!, dachte Leia, aber sie dachte es voller Nachsicht.

Und dieses Mal bestand kein Zweifel daran, dass Luke ihre Gedanken oder vielleicht doch eher ihre Emotionen aufgeschnappt hatte, denn jetzt grinste er sie an, breit und besonders strahlend, um ihr zu zeigen, dass er es ihr nicht übel nahm. Er konnte wirklich sehr, sehr liebenswert sein, wenn er wollte, beinahe unwiderstehlich. Und er war immer so hilfsbereit... Was Leia prompt auf eine Idee brachte ...

„Luke, ich würde mir diese ganzen Artikel hier ...", sie tippte mit ihrem Zeigefinger auf sein Laptop, „... nachher gerne in aller Ruhe durchlesen. Kannst du sie bitte für mich runterladen und auf einen Datenkristall kopieren?"

„Warum denn das? Ich kann dir doch einfach die Links zumailen."

„Ja, aber das würde mir nicht viel nützen." Leia zögerte, doch die fragend hochgezogene Augenbraue ihres Zwillings forderte eine Erklärung. „ER hat mir wieder mal meinen Holonet-Zugang sperren lassen. Und ich habe noch die ganze Woche Hausarrest. Eigentlich sogar Stubenarrest. Denn eigentlich dürfte ich jetzt nicht einmal in deinem Zimmer sein. Die üblichen Schikanen ..."

Luke stöhnte auf. „Das darf doch wohl nicht wahr sein!"

„Ja. Aber es ist wahr."

Das habe ich nicht gemeint! Ich kann es nicht fassen, dass du dich schon wieder mit Dad angelegt hast. Leia, ganz im Ernst: Wie lange soll das noch so weiter gehen?"

„So lange, bis ER mich gehen lässt!"

„Aber das wird Dad nie tun!" Luke schwieg einen Moment lang, sichtlich aufgewühlt, bevor er energisch fortfuhr: „Ich habe dir schon damals gesagt, dass er es niemals zulassen wird, dass du für den Senat kandidierst oder dich auf sonst einen politischen Mumpitz einlässt. Und dass du versucht hast, es hinter seinem Rücken abzuziehen, hat alles noch viel schlimmer gemacht. Aber dass du dann auch noch Großpapa und Tante Sola und sogar Tante Sabé mit reingezogen hast, das hat die Sache getoppt und ihn wirklich auf hundertachtzig gebracht.

Du hast doch gewusst, dass Dad immer sofort hochgeht wie eine Neujahrsrakete, wenn die Naberries sich einmischen. Und Tante Sabé konnte er schon vorher nicht ausstehen. Die Lage war sowieso schon so angespannt. Es war doch vollkommen klar, wie das ausgehen wird. Und sag selbst: War es diesen Riesenkrach wirklich wert? Jetzt sind sie alle so wütend, dass sie jeden Kontakt zu uns abgebrochen haben. Keiner von ihnen will noch etwas mit uns zu tun haben. Sie ignorieren alle unsere Anrufe und Briefe – sogar Dirdra und Sorel lassen nichts mehr von sich hören, wenn wir uns bei ihnen melden. Alle Brücken sind jetzt abgebrochen. Mum hat deswegen tagelang geweint... Sie ist bis heute nicht darüber weg. Und das alles nur wegen dir!"

„Es ist nicht nur meinetwegen! Sei nicht so verdammt unfair, Luke!"

Leia wischte sich zornig mit dem Handrücken über ihre Augen, aber das verdächtige Brennen und Stechen war schon dabei, sich in Tränen aufzulösen. Sie hatte nicht gewollt, dass ihr Versuch, die Naberries und Sabé Jimolara als moralische Unterstützung für ihren großen Plan zu mobilisieren, so ausging. Sie hatte nicht gewollt, dass es zu einem totalen Bruch zwischen den ohnehin schon stark auseinander gedrifteten Familien kam. Sie hatte einfach nur Hilfe gewollt.

Aber Ruwee Naberrie, ohnehin schon verbittert über die zunehmende Entfremdung von Padmé, hatte sich so sehr darüber aufgeregt, dass es seiner jüngeren Tochter und seinen beiden Enkeln verwehrt worden war, an der Beerdigung seiner Frau Jobal teilzunehmen, dass Leias Flehen um Beistand nur wenige Monate später ihn endgültig auf die Barrikaden gebracht hatte. Und Tante Sola (Ruwees Älteste) und Tante Sabé hatten sich mit der gleichen Aggression auf den gemeinsamen Feind (also Vader!) geworfen, was dann unweigerlich das zur Folge gehabt hatte, was Luke ganz richtig als „Riesenkrach" bezeichnete. (Was übrigens noch ein milder Ausdruck für das war, war sich vor einem knappen Jahr abgespielt hatte: Die drei Besucher von Naboo, die ohne jede Vorwarnung in der Vader-Residenz erschienen und dem unangenehm überraschten Hausherrn sofort massiv auf den Pelz gerückt waren, waren nach einem lautstarken Wortgefecht unter farbenfrohen Flüchen und nicht gerade subtilen Drohungen hochkantig hinausgeworfen worden. Seither herrschte zwischen Naboo und Coruscant Eiszeit und totale Funkstille.)

„Ich bin nicht unfair, ich bin nur ehrlich. Denn es ist wahr, auch wenn du es nicht wahrhaben willst: Du und deine fixen Ideen, dieses ewige Helfersyndrom von dir: Ich rette die Galaxis und der ganze Quatsch. Das sind doch alles nur Luftschlösser, Leia. Wolkenkraxeleien. Hirngespinste!"

Er dachte vor lauter Ehrlichkeit offenbar nicht einmal im Traum daran, die Gefühle oder den Stolz seiner Schwester zu schonen! Leia knirschte inzwischen schon mit den Zähnen.

Fixe Ideen … Luftschlösser ... Wolkenkraxeleien ... Hirngespinste ... HA!, dachte sie aufgebracht.

Doch sie sagte kein Wort. Aber natürlich konnte sie Luke nichts vormachen. Er wusste genau, was in ihr vor sich ging – sie konnte es ihm ansehen. Zum Glück bereute er seinen brutalen Frontalangriff inzwischen schon wieder.

„Es tut mir Leid, Leia. Ich wollte dir nicht wehtun", sagte er sehr viel ruhiger. „Aber du solltest über das, was ich dir gerade an den Kopf geworfen habe, trotzdem mal nachdenken – in aller Ruhe. Denn du schadest dir mit deiner Uneinsichtigkeit, mit deiner Sturheit – und nicht nur dir allein. Du tust auch uns damit weh. Du hältst Dad für ein herzloses Ungeheuer, aber das ist er nicht. Er leidet unter deinem Verhalten, auch wenn er es nicht zeigen kann. Und er würde natürlich lieber tot umfallen als zuzugeben, dass es ihm etwas ausmacht. So ist er eben ...

Und Mum machst du mit deinem ganzen Getue und Gezänke einfach fertig. Fällt dir eigentlich gar nicht auf, wie schlecht sie in letzter Zeit aussieht? Sie ist viel zu dünn geworden und sie ist kreideweiß, wenn sie sich nicht gerade zwei Zentimeter Make-up aufgekleistert hat. Sie sieht krank aus. Ich mache mir wirklich Sorgen um sie. Ich will, dass sie endlich zu einem Arzt geht ... zu einem anderen Arzt, einem richtigen Arzt, nicht mehr zu diesem Quacksalber, der ihr ständig irgendwelche anderen bunten Pillen verschreibt. Sie muss wirklich damit aufhören, diese Tabletten zu nehmen, und das bald. Ich fürchte, sie ist schon richtig abhängig davon. Sie schluckt dieses Zeug runter wie Hustenbonbons, wenn sie denkt, dass niemand es sieht. Sie muss sich unbedingt gründlich durchchecken lassen. Aber auf mich hört sie ja nicht. Und Dad hat immer so viel um die Ohren, dass er nicht einmal merkt, was los ist.

Aber auf dich würde sie vielleicht hören, Leia – wenn du nur einmal nett zu ihr sein könntest, statt sie wegen jeder Kleinigkeit niederzumachen. Versuch es doch wenigstens mal. Bitte!"

Doch das nun ebenfalls kreideweiße Antlitz seiner Schwester war bereits zu der harten ausdruckslosen gläsernen Maske erstarrt, hinter der sie sich immer verschanzte, sobald sie sich unter feindlichem Beschuss sah.

„Bist du jetzt fertig oder willst du mich weiter niedermachen?", fragte sie schroff.

Luke seufzte (jetzt noch resignierter als ein paar Minuten zuvor!) und gab auf – zumindest vorläufig.

„Ist ja gut, ist ja gut. Du musst nicht gleich die Stacheln stellen und mich mit Blicken töten, nur weil ich mal Klartext geredet habe", sagte er beschwichtigend. „Sieh mich doch nicht so an – bitte! Ich bin nicht gegen dich. Ich bin für dich. Ich bin auf deiner Seite, Schwesterherz. Und wenn es nach mir ginge ..." Er zauderte, vollendete den gefährlichen Satz aber dann lieber doch nicht. (Sie hatte die Angewohnheit, ihn auf unbedachte Worte hin festzunageln!) Stattdessen sagte er sanft: „Ob du es glaubst oder nicht: Ich mache mir auch um dich Sorgen. Ich liebe dich, Leia."

Sie schlug den Blick nieder, aber ihr eisiges Gesicht taute wieder auf, wurde ein klein wenig weicher, nachgiebiger. Nicht viel, aber immerhin ...

„Ich gehe jetzt lieber, bevor sie merken, dass ich aus meinem Käfig ausgebrochen bin", sagte sie nach einer Weile leise und ohne ihn anzusehen. „Du kannst mir den Datenkristall nach dem Lunch geben. Aber pass auf, dass niemand es mitbekommt. Ich will nicht, dass ER es erfährt. Das gibt nur Ärger."

Luke rollte mit den Augen, verkniff sich aber eine Bemerkung über von Verfolgungswahn heimgesuchte Schwestern.

„In Ordnung. Nach dem Lunch also und so heimlich wie du willst. Ich werde ihn bei Tisch in deine Serviette einwickeln und ihn ganz diskret und unauffällig auf deine Füße fallen lassen. Dann kannst du ihn ebenso unauffällig und diskret aufheben und in deinem Strumpf verstecken, während ich ganz laut huste oder so tue, als würde ich an einem Hühnerknochen ersticken oder so was. Vielleicht schaffe ich es sogar, blau anzulaufen, wenn ich mir ein bisschen Mühe gebe. Null Problem!

Ich kann aber auch einfach heute Nacht durch die Luftschächte kriechen wie eine riesige Spinne und klammheimlich in dein Schlafzimmer hineinkrabbeln, wenn du das vorziehen solltest. Kein Weg ist Luke Vader zu weit, zu eng, zu dunkel, zu staubig oder sonst was, wenn er seinem anderen Ich einen Wunsch erfüllen kann. Und ich werde niemals auch nur ein Sterbenswörtchen darüber verlieren. Meine Lippen sind jetzt schon versiegelt. Ich nehme dein Geheimnis mit in mein kaltes Grab – Hand aufs Herz und nicht geflunkert! Ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist", verkündete er mit nicht ganz ernst gemeintem Pathos.

Leia musste lachen (obwohl ihr Zorn noch nicht ganz und gar abgeflaut war!) und gab ihm einen milden Klaps.

„Spinner! Also dann – bis nachher."

Und damit huschte sie hinaus, so leise und verstohlen wie eine Maus in einem Haus voller umherschleichender Katzen auf der Jagd.

Luke Vader sah ihr nach und das gleichermaßen mit Bedauern und mit Bedenken.

Es ist noch schlimmer als früher... Viel schlimmer... Ich muss irgendetwas dagegen tun. Aber was? Ach, was kann ich überhaupt tun...

Frustriert setzte er sich mit seinem Laptop an seinen Schreibtisch und holte einen funkelnagelneuen Datenkristall aus einer Schublade. Er betrachtete das Foto seines besten Freundes, während er den Kristall formatierte, um ihn gebrauchsfähig zu machen.

Er sieht wirklich erwachsen aus. Und wie das blühende Leben noch dazu. Warum auch nicht? Ich wette, er ist gerade munter wie ein Fisch im Wasser. Berühmt, beliebt, genug Geld in der Tasche, keine Sorgen und endlich frei, zu tun und zu lassen, was auch immer er will – da muss er ja gut drauf sein, dachte er ohne jeden Neid.

Und trotzdem brauchst du uns, Mar Shelmerdee.

Aber wir brauchen dich auch. Sogar dringend ...


Fortsetzung folgt ...