Hi, viel Spaß beim Lesen! Die Geschichte ist schon fertig und ich poste die Kapitel wöchentlich. Insgesamt sind es 20 Kapitel.


Der Anker

von Thaia Marold

Kapitel 1:

Auf der Spitze des Richtfeuers verhallte der Waffenlärm und Dr. Cid sank auf die Knie, fiel nach vorne. Besiegt und doch triumphierend. Sein Werk war getan, das Sonnengespinst fast gänzlich seiner Mysth beraubt. Die Bahamut war erwacht und Vayne hatte jetzt die Macht den Occuria die Herrschaft über die Geschichte zu entreißen.

Eilige Schritte hasteten heran, stoppten plötzlich, weckten den Wissenschaftler aus seinen Gedanken. Der junge Luftpirat der Prinzessin von Dalmasca wurde von Venat gehindert zu ihm zu kommen. Unwichtig.

„Lass ihn. Es ist vorbei", sprach er seinen Verbündeten an, verabschiedete sich. „Dank dir waren es sechs wundervolle Jahre."

Mühsam stemmte Dr. Cid sich hoch. Er würde nicht auf den Knien liegend vergehen. Er war Cidolfus Demen Bunansa. Dr. Cid! Nicht mal Vayne hatte jemals einen Kniefall von ihm erhalten. Sein abtrünniger Abkömmling hatte das noch viel weniger verdient!

Venat, der einzige Occuria, der sich je dazu herabgelassen hatte, mit einem Menschen zusammenzuarbeiten wendete sich zu ihm. „Es war mir eine Ehre."

Ein langer, letzter Blick, dann bewegte der Occuria sich zur Seite und schwand aus der Sicht der Prinzessin und ihres Anhangs. Auch aus Cids Sicht verschwand Venat und er wusste, dass das Ende nah war.

„Gab es keinen anderen Weg?"

Ffamrans – nein – Balthiers Stimme klang vordergründig verärgert, doch der Mann, der einst sein Sohn gewesen war, hatte sich nicht so sehr verändert, als dass Cid nicht seinen Schmerz hören konnte. Was maßte sich dieser arrogante Jungspund an? Schmerz, Bedauern, Mitleid? Für ihn, Cid?

„Spar dir dein Mitleid", wehrte Cid ihn ab. Jetzt, wieder stabil auf den Füßen, spürte er, wie die überwältigende Macht des Nethizit an seiner Gestalt nagte, begann ihn von innen heraus zu verzehren.

Ffamrans Blick ging zu seiner – Cids – rechter Hand, die sich in goldener Mysth zu verlieren begann. Sollte der Junge sehen, wie er den nächsten Schritt auf seiner Reise tat? Doch das Sonnengespinst war kurz vor seiner kritischen Phase. So sehr er Ffamrans feige Flucht verabscheute, wünschte Cid doch nicht seinen Tod. Sein Sohn, trotz allem war er das, sollte überleben. „Warum bist du zurück anstatt das Weite zu suchen, du toller Pirat?"

Balthier starrte seinen Vater an. Er konnte kaum glauben, was er da sah. Der alte Mann war doch tatsächlich dabei sich in Mysth aufzulösen. Wieder wollte er sich aus dem Staub machen. Er schüttelte den Kopf.

Im Hintergrund hörte er, wie Ashe und Vaan sich einander etwas zuriefen. Ein Seufzen und Penelos Ruf ließen Balthiers Kopf herum fahren. Fran war zusammengebrochen. Mysth-Überlastung. Doch Basch eilte schon hinüber um die Viera aufzuheben.

Zornig fuhr der Luftpirat zum Wissenschaftler herum. „So leicht machst du dich nicht aus dem Staub, alter Mann!" Er griff durch die Mysth-Schleier und packte die immer noch solide Schulter Cids. „Nein, du bist mir noch ein paar klare Antworten schuldig!"

Cid starrte ihn erst empört, dann verächtlich an. „Du Narr. Glaubst du etwa, du kannst das hier stoppen?"

„Und ob." Balthier ballte die andere Hand zur Faust und rammte sie dem verblendeten Wissenschaftler unter das Kinn. Mit einem saftigen Klatschen traf er sein Ziel und Cid taumelte mit einem verblüfften Keuchen nach hinten. Balthier trat entschlossen vor und packte den jetzt glücklicherweise wieder soliden Arm seines Vaters. „Du kommst jetzt mit!"

Ein anderes Drama spielte sich hinter ihnen beim immer heller glühenden Sonnengespinst ab, als Reddas sich mit dem Königsschwert darauf stürzte.

Ashe rannte an Balthier vorbei. „Weg hier!"

Balthier zerrte am Arm des widerspenstigen Wissenschaftlers.

„Verschwinde endlich, Ffamran!", brüllte Cid und versuchte Balthiers Hand abzustreifen. „Mein Werk ist vollendet! Ihr könnt es nicht mehr ändern!"

„Trotzdem, du kommst mit!", knurrte er zurück, doch Cid sträubte sich weiter.

Da tauchte Vaan an Cids anderer Seite auf. Er warf dem Wissenschaftler einen skeptischen Blick zu. „Bist du dir sicher, Balthier?"

„So wahr die Strahl mein Schiff ist!"

Wortlos packte Vaan Cids anderen Arm und gemeinsam schafften sie es ihn hinter den anderen her zu zerren. Das Sonnengespinst war so blendend grell, dass der Weg zur Treppe versperrt war. Die einzige Möglichkeit war der oberste Rundgang unter freiem Himmel, dort wo Gabranth und Cid hergekommen waren. Doch welche Transporter die zwei Gegenspieler genommen hatten, waren nicht mehr hier.

„Wie kommen wir jetzt runter?", fragte Penelo nervös.

Balthier zerrte mit Vaans Hilfe Dr. Cid zur Kante des Gangwegs. „Sieh zu und lerne!" Er warf seinen freien Arm nach vorne. „Levitega!", skandierte der Luftpirat und alle Anwesenden hoben vom Boden ab, schwebten.

Vaan, der immer noch Cids Arm gepackt hielt, warf einen halb ungläubigen, halb aufgeregten Blick zu Balthier und zu dem Abgrund vor ihren Füßen.

„Bist du irre?", fuhr der Wissenschaftler seinen Sohn an.

„Verwechsle mich nicht mit dir selber", schoss Balthier zurück. „War doch immer dein Problem, oder?" Er nickte Vaan zu und gemeinsam traten sie über die Kante.

„Du-!", brachte Cid heraus, ehe es hinab ging.

Der Schwebezauber verhinderte, den freien Fall, doch es war beileibe kein friedliches Gleiten. Stattdessen taumelten sie in schnellem Tempo hinab, grob durch den Zauberer geleitet in Richtung der tief unten wartenden Strahl. Immer wieder trudelten die Gefährten durch Balthiers Sicht und die zerrenden Windböen machten es schwer den Wissenschaftler festzuhalten. Doch irgendwie schafften sie es hinab zum Ausgangspunkt, zur Strahl.

Balthier taumelte, doch sein Blick ging zu seinen Gefährten. Alle wohlbehalten. Ashe stemmte sich gerade vom Boden hoch. Penelo stützte Basch, der bei Bodenkontakt unter seiner Last fast selbst gestürzt war. Fran, in Baschs Armen erwiderte den Blick ihres Partners. Vaan, immer noch Cids anderen Arm gepackt, starrte zur Spitze des Richtfeuers hinauf. „Oh Mann, das war ja haarscharf."

Die anderen folgten dem Blick des Straßenjungen und rissen die Augen auf. Die Turmspitze – fehlte. Ein gewaltiger Mysth-Blitz breitete sich dort aus, wo sie gerade noch gewesen waren, verschlang alles.

„Siehst du es jetzt, du blinder Luftpirat?", zischte Cid in Balthiers Ohr. „Du kannst es nicht aufhalten. Niemand kann das!"

„Leg' mal 'ne andere Platte auf, alter Mann. Das wird langweilig", schoss Balthier zurück und bugsierte Cid hinter den anderen her zur Laderampe der Strahl.

„Lebensmüde bist du also auch noch, Balthier?", schnarrte Cid bissig. „Wenn ich dort drin vergehe, nehme ich euch alle mit, dein ach so kostbares Schiff eingeschlossen!"

Doch so sehr der Wissenschaftler sich sträubte, konnte er nicht verhindern, dass die zwei jungen Männer ihn in das Schiff hinein zerrten. Dort bugsierten Balthier und Vaan ihn zu einer Frachtkiste, wo der Pilot den widerspenstigen Wissenschaftler hinab drückte, ihn zwang sich zu setzen.

Cid schüttelte den Kopf, die Augen zugekniffen, Schweiß stand auf seiner Stirn. Er sah nicht gut aus.

„Pass auf, dass er sich nicht verdünnisiert, Vaan", wies Balthier an.

„Klar." Vaan nickte. „Schaff uns hier weg."

Balthier hastete aus dem Frachtraum tiefer in die Strahl und stoppte an der Seite seiner Partnerin. Frans Atem war hektisch, ihr Gesicht schmerzverzerrt, doch Penelo und Basch umsorgten sie.

„Fran", weckte er ihre Aufmerksamkeit.

Zitternd drehte die Viera ihren Kopf zu ihn. „Balthier."

„Wie geht es dir?"

„Die Mysth brennt – wie Feuer."

Balthier biss die Zähne zusammen. „Halte durch, ja?"

Fran nickte. „Tu was du musst. Ich habe noch Zeit. Er kaum."

Mit einem wütenden Fluch warf der Luftpirat sich aus Frans Kabine, stürzte ins Cockpit und schob Ashe zur Seite, die die Flugvorbereitungen übernommen hatte. Kaum im Pilotensitz riss Balthier die Strahl heftig in die Luft und steuerte vom Ridorana-Katarakt fort, raste in eine genau festgelegte Richtung davon.

Im Frachtraum studierte Vaan den Wissenschaftler der eine Faust gegen die Stirn gedrückt hatte. Sein Atem war harsch, hastig und – Vaan blinzelte verblüfft – er schien heller zu werden. Der Straßenjunge schüttelte ihn. „Hey, Balthier sagte, du sollst hierbleiben."

Cid riss die Faust herab und funkelte Vaan an. „Er ist ein Narr. Es ist unmöglich eine Mysth-Überlastung zu stoppen! Selbst ich habe keinen Weg gefunden! Und jetzt soll ein nutzloser Luftpirat das besser wissen? Lächerlich."

„Ach? Und ich dachte Balthier ist wenigstens genauso brillant wie du", schoss Vaan zurück, „warum bist du sonst so sauer, dass er seinen Posten als Richter in den Wind geschossen hat? Oder hab' ich da was falsch verstanden?"

Überrascht und mit frischen Augen starrte Cid den Jungen an. Doch dann griff er nach seinem Kopf, stöhnte. Vaan fuhr auf und runzelte die Stirn. Cids Fingerspitzen begannen wieder in goldener Mysth zu glühen.

„Balthier! Cid glüht schon wieder!", rief er zum Cockpit.

Der Luftpirat brüllte zurück: „Er soll mal die Arschbacken zusammenkneifen und sich nicht so anstellen! Und wenn das nicht hilft, dann hau ihm eine rein, Vaan!"

Cids Augen flogen auf, er starrte verblüfft in Richtung des Cockpits. „Impertinenter Bengel", knurrte er.

Vaan lachte halb ungläubig auf. „Das funktioniert wirklich", meinte er, „das Glühen hat schon wieder aufgehört."

„Die Überlastung aufzuschieben heißt nicht, dass sie gestoppt ist, du ungebildeter Straßenköter", biss Cid hervor.

Bevor Vaan etwas erwidern konnte, ging die Strahl abrupt in einen steilen Sinkflug.

„Hä? So schnell sind wir doch nie und nimmer in Balfonheim, was...", meinte der Dieb überrascht, während er sich an einem Frachtnetz festhielt.

Das Rütteln und Schütteln das folgte, zeigte deutlich, dass das Luftschiff hastig zur Landung ansetzte. Doch anders als sonst wurden nicht die Anker abgeworfen, sondern ein gewaltiges Rauschen und Klatschen ertönte. Das Luftschiff wankte heftig, dann ließ das Schwanken nach, hörte aber nicht vollständig auf.

Balthier schoss nach der Wasserlandung in der Bucht einer namenlosen kleinen Insel aus dem Pilotensitz und hastete in den Frachtraum hinab. „Ashe! Mach die obere Luke auf!", rief er über die Schulter. „Basch, Penelo, bringt Fran nach oben!"

Im Frachtraum angekommen stoppte er und starrte. Das Gesicht seines Vaters war von Schweiß überströmt und blassgrau. Jetzt wurde es wirklich knapp. Eilig packte er Cid mit Vaans Hilfe und zerrte ihn nach oben, zur oberen Ausstiegsluke. Der Wissenschaftler machte keine Anstalten sich zu wehren, doch die Überlastung hatte ihn schon sehr geschwächt.

„Hab ich dir nicht gesagt, dass du in Rente gehen solltest, alter Mann?", keuchte Balthier. „Aber nein, du musst ja immer deinen Kopf durchsetzen!"

Cid schüttelte ruckartig den Kopf. „Deine Bemühungen in Ehren, Ffamran, aber –", er stockte und stöhnte, währen der von den zwei jungen Männern unsanft eine Leiter hinauf und durch eine Luke auf das Dach der Strahl gezerrt wurde. Balthier und Vaan hievten ihn auf den Füßen, hielten ihn aufrecht. „– es ist zu spät. Du bist zu spät, wie üblich!"

Ffamran riss ihn herum, packte seine Schultern und schüttelte ihn hart. „Es ist erst dann zu spät, wenn es vorbei ist, kapiert?", fauchte er. „Ich habe auch nichts dagegen dir noch eine Tracht Prügel zu verpassen!"

Cid griff nach Balthiers Handgelenken, konnte den Griff aber nicht lösen. „Darum geht es dir? Du willst mich mit eigenen Händen umbringen? Dann mach schon!"

Balthier knurrte, schüttelte den Kopf und stieß Cid heftig von sich weg. Der Wissenschaftler stürzte mit einem Schrei nach hinten vom Dach des Luftschiffes. Mit einem lauten Klatschen landete er im kalten Wasser des Ozeans.

Vaan stürzte zum Rand der Strahl, warf sich dort auf die Knie und starrte hektisch ins aufgewühlte Wasser.

Balthier fuhr herum, sah zu Fran, die auf der anderen Seite des Schiffes mit Hilfe von Penelo und Ashe ins Wasser stieg. Die Viera blickte auf und nickte ihrem Partner ernst zu.

„Wir kümmern uns um Fran", meinte Ashe. „Vielleicht ist Dr. Cid ja noch zu helfen."

Der Luftpirat trat wortlos neben Vaan und stürzte sich ohne Zögern mit einem Hechtsprung ins Wasser. Er tauchte zu Cids sinkender Gestalt und zerrte ihn wieder an die Oberfläche. Als Balthiers Kopf durch die Wasseroberfläche brach, schnappte er nach Luft und änderte seinen Griff, so dass er von hinten seinen linken Arm unter Cids linker Achsel um seine Brust schieben konnte. So bugsierte er sie beide mit kräftigen Beinschlägen zur Strahl zurück.

Der Wissenschaftler rang nach Luft und hustete. „Du hast doch keine Ahnung, was du hier machst, elender Abschaum! Mein Werk ist vollendet und ist unmöglich aufzuhalten!"

„Natürlich geht das", biss Balthier heraus, während er mit der rechten Hand nach einem Halt an der Hülle des Luftschiffes tastete und schließlich eine Kante zu fassen bekam.

„Ich habe es selbst erforscht und keine Abhilfe gefunden. Niemand kann mir noch helfen, also lass mich gehen", stieß Cid hervor.

Balthier lachte knapp auf. „Und da irrst du dich, alter Mann. Ich weiß sehr genau, was ich hier mache."

„Aha. Durch deine jahrzehntelange Forschung etwa?", spottete Cid. „Du bist doch die letzten Jahre ständig nur weggerannt!"

„Ich weiß es von Fran!", fuhr Balthier dazwischen. „Viera neigen zur Mysth-Überlastung und wissen sehr genau, was dagegen hilft."

Cid schwieg verblüfft.

Eine andere Wasseroberfläche tauchte in Balthiers Erinnerung auf.

Ein frühsommerlicher Tag, ein kleiner See in einem friedlichen Wald. Fran lag lang ausgestreckt im klaren Wasser des Seeufers, den Kopf gegen einen Felsen gelehnt, die Augen geschlossen. Balthier saß auf dem Felsen, hielt ihre Hand und studierte seine erschöpfte Partnerin.

Das war ein genialer Coup, den wir da gelandet haben, meinst du nicht auch, Fran? Rein und raus, wie ich es dir gesagt habe", versuchte Balthier sie aufzuheitern.

Fran schwieg.

Ich meine, wie du diesen Wachmann mit einem Kick in die Vitrine befördert hast – einfach nur hinreißend. So dumm hat der sicher noch nie aus der Wäsche geguckt." Balthier grinste.

Sein Grinsen verblasste, als die Viera nicht antwortete.

Fran?" Er rieb ihre Hand.

Keine Reaktion.

Soll ich dich allein lassen, Fran?"

Ihre Hand packte fester zu. „Nein, bleib."

Also... ich hatte nicht gedacht, dass diese Falle so heftig sein würde. Aber wir haben den Schatz der Gräfin. Die wird schäumen vor Wut! Fast schade, dass wir das nicht erleben."

Fran schwieg.

Sagst du mir was los ist?" Balthier studierte die Viera. „Ich meine, wir sind noch nicht lange Partner, aber sollte ich nicht wissen, wie ich dir helfen kann?"

Frans Augen öffneten sich, sahen zu dem Hume hoch. „Das tust du schon."

Balthier rieb sich mit der freien Hand durch die Haare. „Fran. Bitte keine kryptischen Metaphern."

Ein feines Lächeln huschte über ihre Lippen. „Drei Dinge musst du beachten..."

„Distanz. Erdung. Nähe", legte Balthier dar. Cid hatte den Kopf gedreht, so dass sein Stirnrunzeln sichtbar war.

„Distanz." Der Luftpirat nickte zum Turm des Richtfeuers, so weit weg, dass nur noch ein blasser Strich zu sehen war. „Das Opfer der Mysth-Überlastung schnellstens von der Quelle wegschaffen. Erster Punkt."

„Zweiter Punkt: Erdung", führte er weiter aus. „Helfen, die Mysth abzulassen. Geht am einfachsten im Wasser. Je mehr, desto besser. Und hier haben wir einen ganzen verdammten Ozean."

Balthier stoppte als seine Finger begannen von der Strahl abzugleiten. Cid hakte nach: „Dritter Punkt?"

Der Arm um Cids Brust packte fester zu. „Drittens: Nähe. Physische Nähe, ja. Aber noch wichtiger ist emotionale Nähe. Und wer –" Balthier stoppte, um sie beide wieder zur Strahl zurück zu ziehen, „– wer könnte dir emotional näher gehen als dein eigener verdammter Sohn?"

„Emotionale Nähe?", wiederholte Cid bissig. „Willst du mir jetzt vorjammern, wie sehr du mich vermisst hast, du fliegender Abschaum?"

Balthier knurrte. „Nettigkeiten sind überflüssig. Bei dir reicht es völlig, dich zur Weißglut zu treiben." Er blickte auf, als etwas mit lautem Platschen neben ihm ins Wasser fiel und erkannte, dass Basch und Vaan eine Strickleiter herabgelassen hatten. Dankbar griff Balthier nach den Sprossen und verankerte sich auch mit einem Bein an der Leiter. Der Luftpirat schüttelte das Wasser aus dem Gesicht und wendete sich wieder Cid zu.

„Also, wenn du nicht wirklich wegen eines läppischen Steins draufgehen willst, Vater, konzentrierst du dich jetzt auf mich."

Cid, dessen Augen zugefallen waren, fuhr auf. „Ein läppischer Stein? Bist du so borniert, dass du die Macht des Nethizit immer noch nicht erkennst?"

„Und was für eine großartige Macht das doch ist!", schoss Balthier zurück, während er seinen Arm durch die Leiter fädelte, so dass er Cid mit beiden Armen packen konnte. „Magie auslöschen oder explodieren, echt toll!" Er studierte das Wasser um sie herum und sah, wie sich darin langsam Mysth ausbreitete, mit Cid als Ausgangspunkt. Gut.

„Richtig eingesetzt stärkt Nethizit körperliche und magische Kräfte!", widersprach Cid heftig.

Balthier schnaubte. „Jetzt kommst du mir aber nicht sonderlich stark vor. Eher ausgebrannt!"

Der Wissenschaftler schwieg, schnaubte selbst. Die Mysth sickerte weiter heraus.

„Außerdem, hast du aus dem Nethizit irgendwas herausbekommen, das nichts mit Krieg zu tun hat?", bohrte Balthier nach. „So was wie – oh, ich weiß nicht – Heilung? Anregung des Pflanzenwuchs? Bessere Materialien? Oder eine simple, stabile Barriere, die nicht nach ein paar Minuten zusammenbricht?"

Cid schwieg immer noch und Balthier studierte sein Gesicht. Die Augen des Wissenschaftlers sprangen von einem Punkt zum nächsten, die Stirn gerunzelt. Die aus Cid heraus sickernde Mysth breitete sich weiter aus, wurde heller. Der Luftpirat schüttelte ihn, diesmal etwas sanfter. „Komm schon, bleib bei mir."

Cid wendete sich mit flackerndem Blick zu Balthier. „Den Occuria muss die Kontrolle über die Menschen entrissen werden."

Balthier rollte die Augen. „Und weiter? Ist das ein Grund nur Waffen zu bauen? Ganze Landstriche zu verwüsten? Verheerende Kriege loszutreten?"

„Ihre Manipulationen führen uns doch erst in den Krieg! Darauf müssen wir vorbereitet sein, Ffamran!", beharrte er.

„Ja? Wie zerstört man denn einen Occuria? Was ich bisher gesehen habe, sind Kämpfe Mensch gegen Mensch", hielt Balthier dagegen. „Menschen, die du angeblich befreien willst. Und was machst du? Du baust Zeug, um noch mehr zu unterwerfen!"

Cid griff nach Balthiers Arm, die Finger zitterten, sein Atem keuchte, er schüttelte den Kopf. Die Mysth im Wasser glühte. „Es ist notwendig um die Mysth des Gespinsts vor dessen Zerstörung abzuleiten..."

„Lass mich raten, geradewegs zu Vayne?" Balthier schnaubte. „Ein Kerl, der seine Brüder und sogar den eigenen Vater für die Macht umbringt?" Er packte seinen Vater fester der langsam zu erschlaffen begann. Der Fluss der Mysth wurde langsamer. Gut. Aber er durfte nicht nachlassen.

„Was denkst du, was für ein Herrscher er wird?", drängte Balthier schonungslos. „Ich sage dir was, Vater. Vayne wird die Welt in Blut ertränken. Ihm geht es nur um Macht, nicht darum die Menschen zu befreien!"

Cids Kopf fiel nach hinten gegen Balthiers Schulter, er keuchte. „Ffamran..."

„Willst du das wirklich?", fragte Balthier leise. Besorgt starrte er seinen Vater an, der Fluss der Mysth wurde schwächer, genau wie Cid. Schafften sie es den Zyklus zu durchbrechen?

„... Ich..." Cids Stimme war schwach, die Augenlider flackerten.

Ffamran schüttelte ihn wieder. „Mach jetzt nicht schlapp. Komm schon, Vater! Wir haben es fast geschafft!"

Der Wissenschaftler schrak auf, seine Augen öffneten sich wieder. „Instabil..."

„Was? Vater, was ist instabil?"

„Der – der Energiefluss des Nethizit. In Bahamut. In – in Vayne." Sein Kopf rollte zur Seite und Balthier packte ihn am Kinn, drehte ihn zu sich.

„Was meinst du damit? Sag schon, du Super-Wissenschaftler, ich bin ganz Ohr", sagte er drängend. „Verblüffe mich mit deiner Genialität. Das wolltest du doch immer."

Ein schwaches Grinsen huschte über Cids Gesicht. „Nethizit ist inhärent instabil... er saugt entweder Magie auf oder gibt Mysth explosiv ab. Auch... auch in einem Menschen... Warum habe ich das nicht erkannt?"

Balthier runzelte die Stirn. „Jeder der Nethizit verwendet ist in Gefahr eine Mysth-Überlastung zu erleiden?"

Cid schüttelte mühsam den Kopf. „Bei eingepflanztem – Stein."

„Okay –", Balthier beäugte die Mysth im Wasser. Sie war fast völlig verblasst. Beinahe. „Wenn wir Vayne also so hart rannehmen wie dich, wird er –?"

Heftig packte Cid Balthiers Handgelenk. „Ffamran, die – die Bahamut wird auch – von Nethizit angetrieben. Instabil. Sie sieht mächtig aus, aber – " Er verstummte, seine Finger glitten von Balthiers Arm ab. „Mein – mein Gleiter – beim Katarakt – dort sind – sind Informationen ü-über Bahamut."

„Sch-sch", beschwichtigte Balthier seinen Vater. „Wir haben es geschafft. Ruh dich aus, ich lasse deinen Gleiter später –"

„Nein!", wehrte Cid hastig ab. „Nur du – die Luks – hör zu, Ffamran", seine Stimme stockte, er schüttelte den Kopf, mühte sich, wach zu bleiben. „Protokoll Nach-Nachkomme... dein Name – gewählt und – und ge-gegeben..."

Cid erschlaffte und Ffamran musste ihn festhalten, damit er nicht unterging. Der junge Mann keuchte, studierte das Wasser und blickte drängend nach oben. Vaan hatte das Ringen aufmerksam beobachtet.

„Ist der Mysth-Fluss komplett abgeklungen?", wollte Balthier wissen.

Vaan nickte grimmig. „Ist erloschen. Holen wir euch zwei da raus." Er griff nach einem Arm von Cid, während Basch neben ihm in die Hocke ging und den anderen Arm packte. Gemeinsam zogen sie den bewusstlosen Mann auf die Strahl.

Balthier kletterte unbeholfen die Strickleiter hoch, rutschte über die glitschige Hülle zu seinem Vater, tastete nach dessen Puls, prüfte seinen Atem. Beides stabil. Erleichtert ließ er sich auf den Rücken fallen, die Augenlider schlossen sich, er lachte lautlos. Geschafft!

Dann riss er die Augen auf, fuhr hoch und warf sich zur anderen Seite des Schiffes. Fran!

Die Viera war noch im Wasser, ließ sich treiben. Ihr Gesicht war ruhig, fast entspannt, aber erschöpft. Anders als Cid hatte sie das Bewusstsein nicht verloren, stattdessen unterhielt sie sich leise mit Penelo und Ashe.

„Fran. Alles gut?"

Die Viera begegnete seinem Blick und nickte ernst.

„Gut. Gut." Balthier atmete erleichtert durch. Beide hatten es überstanden. Auch wenn Cid noch länger brauchen würde, sich zu erholen, er hatte überlebt. Der junge Mann drückte sich hoch, setzte sich auf, strich die nassen Haare aus der Stirn.

Vaan beschäftigte sich damit die Strickleiter zu Fran hinüber zu lassen und Basch untersuchte Cid eingehender.

„Der wird eine ganze Weile nicht aufwachen", meinte Balthier.

Basch blickte auf. „Wo bringen wir ihn hin? Nachdem was Reddas zugestoßen ist, ist Balfonheim der denkbar schlechteste Ort."

„Die reißen ihn eher in Stücke, als dass sie ihn versorgen, Balthier", sagte Vaan, der gerade fertig war, die Leiter zu befestigen.

„Die Widerständler in Bhujerba –", setzte der Luftpirat an.

„Sind mit dem Marquis aufgebrochen", unterbrach Ashe, „genau wie die aus Rabanastre." Sie hielt die Strickleiter, damit Fran einfacher hinaufklettern konnte.

„Ah... nun", setzte Balthier ratlos an. Soweit hatte er nicht gedacht. Ihm war es nur darum gegangen, seinen Vater vor dem Tod zu bewahren. Doch was jetzt? Ihn nach Archadis zu bringen wäre möglich, aber eine komplette Dummheit.

„Wir bringen ihn nach Dorf Elt", sagte Fran, die das Deck gerade erreichte. Balthier reichte ihr die Hand, zog sie ganz herauf.

„Die Viera? Ich dachte, sie dulden keine Außenseiter."

„Diesmal ist es anders", meinte sie. „Auch ich sollte zurückkehren."

Die Hume tauschten Blicke aus.

„Also, dann nach Dorf Elt", meinte Ashe zögernd. „Oder hat jemand noch eine andere Idee?"

Als sie sich einig waren, schafften die Gefährten Fran und Cid in die Strahl und versorgten alle mit trockenen Klamotten. Etwas das bei dem bewusstlosen Wissenschaftler nicht ganz leicht war. Doch schließlich hatten sich alle im Cockpit eingefunden und sie machten sich zu ihrem nächsten Ziel auf.


A/N: Tja, Mysth-Überlastung gibt es in FF12 nicht wirklich. Nur habe ich mir angeschaut, was mit Fran passiert und dachte mir, was könnte passieren, wenn das auch Menschen/Hume betrifft?