Im Jahre 26 nach der Schlacht von Yavin - Ein Jahr, neun Wochen und ein Tag nach dem Einmarsch der Yuuzhan Vong in die weit, weit entfernte Galaxis - auf dem Planeten Etha im Mittleren Rand

Der weißgetünchte Raum mit seinen Stuckverzierungen an der hohen Decke hatte für Dannis Geschmack etwas Einschüchterndes, denn der Stuck, der sich oberhalb der Wände im Viereck um das Deckenrechteck herumwand, wies viele spitz auslaufende Wirbel auf, die schräg oder senkrecht vom Deckenrelief abstanden und so teilweise direkt nach unten auf die Besucher wiesen. Danni selbst und neben ihr die Königin von Artorias sowie ihr Sohn Finn saßen auf bequem gepolsterten Stühlen vor einem riesigen Schreibtisch, hinter dem ein Beamter thronte, wie Danni den Typus von ihrer Heimatwelt Commenor nur zu gut kannte.

„Sie haben also eine gefährliche Tierart auf unserer Welt gesichtet", sagte der schwarzbebrillte Mensch hinter dem Schreibtisch zu den Besuchern.

Danni nickte, während Nina Galfridian das Wort ergriff. „Es handelt sich um Vornskrs vom Planeten Myrkr."

Die Königin überreichte dem Beamten die Flimsiplastbögen, die sie sich nach Prowls Aufnahmen hatte ausdrucken lassen, und er schien sie aufmerksam zu studieren.

„Ach", er schaute von den Bögen auf, „sie meinen Khanivs."

„Vornskrs – so heißen sie", beharrte die Königin von Artorias. „Es gibt dazu umfangreiche Datensammlungen in den Archiven von Obroa-skai und auf Coruscant, wenn Sie …"

„Ich möchte ja gar nicht in Abrede stellen, dass es diese Tiere auch anderswo unter einem anderen Namen gibt", unterbrach sie der Beamte mit einem routinierten Lächeln, oder war es schon gezwungen?, „aber hier heißen sie Khanivs und wir dulden sie hier, da sie vorschriftsmäßig eingeführt wurden und seitdem keine Probleme bereitet haben."

In Ninas grünen Augen blitzte etwas auf. „Eingeführt? Wer hat sie eingeführt und von woher?"

Der Beamte zog die Stirn kraus. „Ich dachte eigentlich, Sie wollten uns Hinweise geben – als besorgte Besucher. Ich finde nicht, dass es Ihnen zusteht, sich derart in unsere inneren Angelegenheiten einzumischen. Glauben Sie etwa, wir werden mit unseren Tieren hier nicht selbst fertig?"

„Wenn Sie noch nicht einmal ihren wahren Namen kennen, dann nein", erwiderte die Königin skeptisch. „Selbst gut ausgebildete Jedi haben große Schwierigkeiten, mit diesen Tieren fertigzuwerden. Um wieviel schlimmer werden sie einfachen Bauern und Pferdezüchtern auf Etha mitspielen, wenn niemand sie unter Kontrolle hat? Erst gestern wurde eine Stute im Gestüt von Hamorr gerissen."

Die dunklen Augen des Beamten schauten Nina ausdruckslos an. „Glauben Sie wirklich, dass wir uns um jedes Tier kümmern können, das von einem Raubtier gerissen wird? Dafür sind die Berufsversicherungen zuständig."

„Wie lange gibt es schon Vornskrs hier?"

Der Beamte nahm den Flimsiplaststapel, den Nina ihm gegeben hatte, und legte ihn demonstrativ auf eine Ecke des ansonsten leeren Schreibtischs. Dann reichte er der Königin von Artorias mit seiner aufgedunsenen Hand einen Bogen weißen Papiers, auf dem eine Art Tabelle mit Fragen in jedem der Kästchen abgebildet war. „Ich würde vorschlagen, Sie tragen all ihre Fragen zu diesen Tieren in dieses Formular ein und werden in ein paar Tagen von uns detaillierte und hoffentlich zufriedenstellende Antworten erhalten – schriftlich und mit Quellen belegt. Ich selbst kann nicht alles wissen und all Ihre Fragen aus dem Stegreif beantworten, aber dafür habe ich meine Mitarbeiter und bis dahin", er rieb sich eifrig die Hände, „geben Sie der hiesigen Bürokratie eine Chance. Ihr Besuch hat mich sehr geehrt, Königliche Hoheit."

Er stand auf, um die drei Besucher zur Tür zu bringen, und erst jetzt sah Danni, wie klein er war – er reichte ihr gerademal bis zur Brust. Oberhalb des schwarzen Haarkranzes, der die Halbglatze des Beamten wie eine Sichel umschloss, gewahrte die junge Frau Schweißperlen, die bei ihrer Ankunft noch nicht dagewesen waren. Entweder er läuft nicht gern oder er gibt nicht gern Auskunft.

Der Pferdestallbesitzer, den sie an diesem Nachmittag wieder aufsuchten, legte eine ebenso gezwungene Verbindlichkeit an den Tag wie der Beamte im Land- und Forstwirtschaftsministerium, den sie vor Stunden besucht hatten. Er wirkte nicht besonders glücklich darüber, dass seine Reitgäste im Ministerium vorstellig geworden waren.

„Wissen Sie, ich einige mich normalerweise mit den Züchtern über eine Kompensation. Das hätten Sie wirklich nicht tun brauchen."

In Ninas grünen Augen zeigte sich im Zaum gehaltene Verachtung. „Sie vielleicht, aber haben auch andere Betroffene die Mittel, sich mit den Züchtern zu einigen?"

Der Stallbesitzer fasste sich kurz ans Kinn. „Für gewöhnlich regeln wir das untereinander."

„Wer sind diese Züchter? Können Sie mir einen Kontakt herstellen?", fragte Nina freundlich und Finn hinter ihr machte eine Geste mit seiner Hand, um den Mann für eine Antwort geneigter zu machen.

„Gehen Sie zur Grollorr-Bäckerei in der Innenstadt, der Inhaber ist ein Cousin des Züchters. Mit ihm rechne ich immer die Schäden ab, wenn es welche gibt."

Nina nickte verbindlich. „Vielen Dank, Mr. Prorr."

Die Königin und ihre beiden Kinder schlenderten über den Hof hin in Richtung Danni, die mit ihren Eltern auf einer Bank saß, um sich mit ihnen während einer Reitpause zu unterhalten. Als die junge Biologin sah, wer sich näherte, stand sie sofort auf, um zu ihnen außer Hörweite ihrer Eltern zu gelangen.

„Was habt ihr herausgefunden?", fragte Danni die Königin.

„Der Pferdestallbesitzer schickt uns zu einer Bäckerei in der Innenstadt, deren Inhaber Kontakt zu den Vornskr-Züchtern halten soll."

Danni überlegte. „Gestern hat mir der Pferdestallbesitzer erzählt, dass Rhôlhnds Onkel in zwielichtige Geschäfte verstrickt seien – und dass einer davon eine Bäckerei betreibt, die früher Rhôlhnds Eltern gehörte."

Finns Hand umklammerte sein Lichtschwert. „Wir sollten uns besser gut bewaffnet sofort zu dieser Ruine dort auf dem Berg begeben", schlug der junge Jedi vor. „Ich habe den Eindruck, dass der Pferdestallbesitzer uns damit lediglich hinhalten will, weil er selbst von der Anwesenheit der Vornskrs mehr profitiert, als er zugibt. Wer weiß, vielleicht warnt er gerade den Bäcker vor unserem Besuch."

Verstohlen schaute Danni in Richtung des Pferdestallbesitzers, der gerade mit wem über Komlink sprach, dann sah sie auf ihr Chrono. Es zeigte anderthalb Stunden vor zwölf Uhr mittags an. „Um diese Tageszeit sind die Vornskrs träge und halten Ruhezeit. Wenn wir jetzt in die Ruine gehen, dann haben wir eine große Chance, zu sehen, was dort vor sich geht, bevor jemand dort etwas vertuschen kann oder aber die Tiere uns erneut angreifen."

„Vielleicht haben die Tiere für diese Zeit einen Wächter abgestellt, den wir ablenken müssen", warf Finn ein.

„Das übernehme ich", meldete sich Kaye und zwinkerte ihrem Bruder zu. „Geht schon einmal vor, ich komme sofort nach."

Die Königin, Danni und Finn erklommen erneut den Berg und folgten der etwas fader gewordenen Blutspur der gerissenen Stute von gestern. Die Ruine auf dem Berggipfel rückte näher und Danni wurde mulmig, auch als sie wie zur Sicherheit den Blaster umklammerte, den sie noch nicht entsichert hatte. Werde ich schnell genug sein, wenn die Biester im Ansprung sind?

Ein Zaun aus verrostetem Stahl umgab das Bauwerk aus Felsen und davor hörte die Blutspur auf, um in einem Haufen Knochen und ein paar bereits eingetrocknete Sehnen zu enden, welche vom gestrigen Festmahl kündeten. Die drei Detektive beschlossen, den Zaun zunächst zu umrunden, um sich einen Überblick über das Gelände und seine Schwachstellen zu verschaffen. Dabei hätten sie beinahe die Senke übersehen, die mit Büschen bestanden war, welche ziemlich gut verdeckten, dass jemand unter dem Zaun hindurch ein Loch ins Innere des reklusiven Anwesens gegraben hatte.

„Wir gehen die Runde zu Ende", riet Finn. „Vielleicht gibt es auf der anderen Seite noch so einen Zugang – und zwei Fluchtwege sind besser als nur einer."

Es war etwa eine halbe Stunde vor Mittag und außer dem gelegentlichen Rascheln der Baum- und Strauchblätter war kein Geräusch in der Umgebung zu hören. Die weitere Umrundung des umzäunten Areals brachte keine weiteren unter dem Zaun gegrabenen Löcher zum Vorschein, doch konnten die drei Kundschafter auf der Innenseite des etwa drei Meter hohen Zaunes einen Schuppen ausmachen, der nahe genug am Zaun stand und hoch genug war, so dass man mit Hilfe der Macht alle drei oder vier Eindringlinge von dessen Dach über den Zaun zurück nach draußen bringen konnte.

Sie vollendeten die Runde und krochen durch das Loch unter dem Zaun auf das Anwesen. Danni und Finn fuhren ihre Machtsinne aus, um gewisse Machtpräsenzen zu bemerken.

„Sie sind hier", informierte Finn seine Mutter und Danni, die nickte und ergänzte: „Vielleicht drei oder vier – nicht mehr."

„So genau hätte ich das jetzt gar nicht einschätzen können", lobte Finn Danni, „aber damit werden wir schon fertig."

Ein kurzes Aufflackern in der Macht und schnell zogen die beiden Jedi ihre ausgestreckten Machtfühler wieder zurück, um die Tiere nicht unnötig aufzuscheuchen. Sie betraten die Ruine durch ein Tor, das aus großen, nur grob behauenen Steinquadern bestand, und der nach oben offene Felsendom spendet ihnen eine angenehme Kühle, da die Sonne in diesem Teil Ethas auch zur Mittagszeit recht schräg stand. An die rechte Seite der etwa fünfzehn Meter hohen Steinwand schmiegte sich ein aus Holz gezimmertes Haus, das zwei Stockwerke aufwies. Und genau hinter diesem Haus und hinter der Rückseite jener Felswand spürten die beiden Jedi die Vornskrs, die nach der kurzen Sondierungsphase der Eindringlinge wieder ruhig und fest in ihrem Mittagsschlaf gefangen waren.

Die Tür des Hauses war nicht verschlossen und sie traten ein – um sogleich in der Stube zu stehen. Ein Tisch mit drei Stühlen, ein altertümlicher Ofen, über dessen runder Lehmöffnung ein Topf an einer Kette hing, in dem sich noch getrocknete Reste der letzten Suppenmahlzeit befanden. Zum Hof hin gab es ein quadratisches Fenster, das statt Glas eine Scheibe aus durchsichtigem Plastik enthielt, die mit Schlieren bedeckt war, die auf schlampiges Säubern nach einem Regenguss hindeuteten. Es kam Danni vor, als seien sie in einem jener kargen Landhäuser gelandet, wie sie ärmere Familien oder Jäger für Aufenthalte auf dem Lande nutzten.

Die blonde Frau inspizierte einen Wandschrank und erstarrte, als ihr die Felle mit dem zotteligen gelbgrauen Fell ins Auge stachen. Es waren Westen – genau in derselben Art, wie sie Trevius getragen hatte, als sie mit ihm vor dreieinhalb Wochen von Takodana geflüchtet war. Sie nahm eine der Westen in die Hand und fühlte die knisternde Lebendigkeit, die von dem Fell ausging. Kein Zweifel, ein Teil der diesen Tieren innewohnenden natürlichen lebendigen Macht steckte noch in diesen Fellen – ideal, um …

„Wir sind nicht hier, um Modenschau zu machen, Danni", riss Ninas Stimme sie aus ihren Gedanken.

„Es ist nur …"

„Schon gut", winkte die Königin ab. „Vielleicht bleibst du besser wieder unten, um Wache zu schieben, während ich und Finn nach oben gehen."

Ein Knarren von Holzdielen drang von oben zu ihnen herunter. „Schnell!", sagte Finn hastig, „Wir wollen die überraschen, nicht umgekehrt."

Sie hasteten über die schmale Holztreppe nach oben und stießen die ebenfalls nicht verschlossene Türe auf. Von oben drang Licht durch die Dachluke ins Obergeschoss des Hauses – und durch diese Luke war der Hausbewohner im Begriff zu verschwinden. Finn griff in die Macht und zog ihn zurück, so dass er aufs Bett plumpste, das sich neben der Kommode befand, über die er nach oben zur Luke geklettert war. Der junge Jedi verlor keine Zeit und kniete auf der Brust des mittelalten Mannes, während Danni seine Hände ergriff, sie hinter seinem Kopf nach oben zog und mit einem Strick fesselte.

„Wozu haben Sie die Vornskrs hierher nach Etha gebracht?"

Schweigen war die Antwort.

Finn machte eine Handbewegung. „Wozu hast du die Vornskrs hier?"

„Ich …" Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn des Mannes.

Danni warf Finn einen Blick zu, dann verband sie ihre Macht mit seiner und vollführte mit ihren wieder freien Händen dieselbe Handbewegung. „Du wirst uns sagen, wozu die Vornskrs hier sind."

„Dann bin ich ebenso tot!", jammerte der Mann.

„Wohl wahr", mischte sich Nina ein und hielt ihm einen braunen, ledrigen Ball unter die große Nase, den sie im Raum gefunden hatte. „Wem erstattest du Bericht? Dem Kriegsmeister?"

Seine dunklen Augen zuckten hektisch hin und her, aber er blieb stumm und fokussierte nach einigen Augenblicken den Lichtschwertgriff an Finns Gürtel.

Nina machte eine Bewegung, wie um den Villip aufzuwecken. „Wenn Sie es uns nicht verraten, dann tun es vielleicht Ihre Auftraggeber, die nur zu froh sind, sich Ihrer zu entledigen, wenn Sie versagen."

„Jedi!", presste er grimmig hervor. „Ihr dringt hier einfach ein, ohne dass ich auch nur irgendetwas ..."

„Man kann auch töten, ohne selbst Hand anzulegen", sagte Danni in tödlicher Ruhe. „Zum Beispiel, indem man anderen dabei hilft, zu töten."

„Ich bin ein einfacher Tierhändler und Jäger", rechtfertigte sich der auf dem Bett liegende Mann. „Manchmal biete ich auch Jagden gegen Bezahlung an. Dafür habe ich eine Lizenz vom Land- und Forstwirtschaftsministerium."

„Das mag ja sein, aber das Land- und Forstwirtschaftsministerium von Etha wird Sie nicht schützen, wenn Sie in Schwierigkeiten geraten, so wie wir die Leute von dort kennen. Die Neue Republik hingegen schon", versprach Nina dem Mann. „Wir können Ihnen eine neue Identität besorgen. Die Yuuzhan Vong werden Sie niemals finden."

Der Mann schaute unsicher zwischen Danni und der Königin hin und her. „Aber Sie sind eine Yuuzhan Vong. Wie können Sie …?"

„Ich stamme zwar von diesem Volk ab, bin aber gegen die Invasion, die gerade stattfindet", schnitt Nina ihm das Wort ab. „Und Sie sollten die Invasion auch nicht unterstützen, also reden Sie!"

„Und Sie nehmen mich mit?", fragte er und Hoffnung blitzte in seinen Augen auf. „Jetzt gleich?"

Nina nickte. „Das würden wir tun. Ich genieße diplomatische Immunität und stelle Sie hiermit unter meinen Schutz."

Seine Hände zappelten ungeduldig in den Fesseln, als erwartete er, sogleich davon befreit zu werden. „Dann lasst uns aufbrechen, und auf dem Schiff erzähle ich ihnen …"

„Und was passiert dann mit den Tieren?", wandte Danni ein. „Die können Sie nicht einfach sich selbst überlassen. Sie haben schon genug Unheil angerichtet."

Er lächelte unsicher. „Ähm, kann man das nicht von Coruscant aus regeln?"

Dezidiert drehte Nina ihren Kopf erst nach rechts, dann nach links. „Nein."

„Wieso eigentlich nicht?" fragte Finn. „Die Neue Republik könnte ein spezielles Frachtschiff schicken, um die Tiere zurück nach Myrkr zu brin…"

Ein gedämpftes Keuchen kam von dem Gefangenen, und als die drei sich ihm zuwandten, ragte ein dünner Pfeil aus seiner Brust, genau, wo sein Herz sitzen musste.

„Er heith… E'thi… n … na."

Seine Augen verdrehten sich nach oben und verloren ihren Glanz, aber das sah Finn Galfridian nicht mehr, war er doch auf die Kommode gehechtet und von dort aufs Dach gesprungen, um den Mörder des Hausherren zu verfolgen. Es war eine leere Stelle in der Macht, die sich von ihm fortbewegte, doch sehen konnte Finn den Attentäter nicht. Doch da … beim Tor … da verblurrte plötzlich das Gestein, als wenn die Hitze, die es dort nicht gab, es verwabern würde. „Mom, er tarnt sich mit einer Art Unsichtbarkeitshüller", rief er nach unten durch die geöffnete Dachluke. „Er flieht durchs Tor. Und es ist ein Yuuzhan Vong."

„Dann lass ihn", rief Nina von drinnen zurück. „Kümmern wir uns lieber um die Tiere, bevor er seine Leute ruft."

Sie verließen die Hütte und sprinteten aus dem Tor, um auf die andere Seite der Felsruine zu gelangen. Die Vornskrs standen in einer Phalanx – bereit zum Angriff, doch warteten sie offenbar auf ein Zeichen ihres Herrn. Finn zückte seinen Blaster und schoss auf das Tier, das er für den Anführer des Viererrudels hielt. Doch mit einem geringfügigen Schlenker wich der Vornskr aus und der rote Bolzen krachte stattdessen in einen Baum dahinter. Die beiden anderen Tiere stürmten vor und auf Danni zu. Die Königin erhob eine Hand, um daraus einen Pfeil abzuschießen, der eines der Tiere im Sprung traf. Der Vornskr ging zu Boden und hechelte stark, während die gelben Augen die Yuuzhan Vong-Frau mit einem letzten ungläubigen Blick anglühten.

Danni schoss auf seinen Begleiter und das Tier, das schon gefährlich nahe war, ging nach dem Schuss in die rechte Flanke zu Boden. Die Astronomin und Biologin beendete sein Leben mit einem Gnadenschuss, während sie beobachtete, wie Finn sich mit dem Tier, das er anfangs abschießen wollte, einen Vorpresch- und Ausweichkampf lieferte.

Ein heiseres Fauchen ließ sie herumwirbeln, als der vierte Vornskr sich von hinten auf sie stürzte. Sie sah, wie die Königin mit einem Blaster auf das Tier schoss, es aber knapp verfehlte. Die rechte bekrallte Vorderpranke des Angreifers schlug Danni den Blaster aus der Hand, dann öffnete sich das bereits geifertriefende Maul, um …

Ein Pferdehuf traf das attackierende Tier an der linken Kopfseite und ließ sein dortiges Auge zu Matsch werden. Der Vornskr heulte auf und sank zu Boden, wo Danni ihm den Gnadenschuss zwischen die Augen verpasste.

„Puh! Du kommst spät!", begrüßte sie Kaye, die Pferdereiterin.

Die blonde Prinzessin lächelte die andere Blondine an. „Nun ja, jeder tut das, was er am besten kann."

Finn trat zu ihnen, in die Richtung gestikulierend, wo sich der Schuppen befand, den sie sich als zweiten Fluchtweg auserkoren hatten. „Dort ist noch ein Tier, mindestens eins."

Sie gingen an dem von Finn letztendlich doch erledigten Vornskr vorbei und der Weg führte sie tief ins Gebüsch, wo sie eine Höhlung fanden, die vielleicht einen halben Meter tief war. Finn holte seinen Glühstab hervor und leuchtete das Erdloch aus. Die nun vier Menschen sahen gelbliche Gebeine dort unten liegen, deren Knochen recht zierlich waren.

„Sie sind nicht mehr hier", sagte Danni.

„Das sind Vornskrwelpenknochen", sagte Finn. „Die anderen Jungen haben ihr Geschwisterchen aufgefressen und jetzt sind sie getürmt."

„Ohne Eltern?", wunderte sich Nina.

Ein Beben ließ den Schuppen erzittern, der vielleicht zwanzig Meter vor ihnen lag. Die Wände des nicht besonders akkuraten Holzbaus klappten einfach zur Seite, und aus den Lattentrümmern schoss ein Yorik-et hervor, der lila schimmernde Rumpf ergonomisch geformt, die Pilotenkanzel durchsichtig und man konnte sogar noch den hellgrauen Kopf des Piloten sehen, bevor der Korallenskipper in den Himmel Ethas davonstob.

„Der Attentäter ist also auch weg", konstatierte Finn.

„Und er hat die Welpen mitgenommen", ergänzte Danni. „Deshalb habe ich die Leere dort im Schuppen nicht wahrnehmen können. Weil die Präsenz der Tiere sie verdeckt hat."

Nina berührte Danni an der Schulter. „Hast du dich deshalb vorhin im Erdgeschoss des Hauses so für die Westen interessiert?"

Danni nickte. „Ich denke, das ist eine Geschichte für später."

„Du hast recht", sagte Nina und wies auf den ledrigen Ball in ihrer Hand. „Wir sollten jetzt auch verschwinden, um der Regierung Ethas Bericht zu erstatten."

Danni verzog skeptisch den Mund. „Ich bezweifle, dass Ethas Regierung uns mehr helfen wird, als das Landwirtschafts- und Forstministerium vorhin."

Kaye nickte. „Und nachdem, was du mir von Borsk Fey'lya erzählt hast, Bruderherz, glaube ich nicht, dass der Bothaner sich mehr darum kümmern wird."

„Das mag ja sein", pflichtete ihm seine Mutter bei. „Doch wenn Fey'lya darüber in Kenntnis gesetzt wird und nichts tut, um diese Machenschaften auf Etha aufzudecken, dann liegt die Verantwortung ausschließlich bei ihm. Ansonsten läge sie bei uns, weil wir es für uns behalten haben."

„Ich habe Hunger", sagte Finn. „Wie wäre es, wenn wir heute noch der innerstädtischen Bäckerei einen Besuch abstatten?"

Der Vorschlag wurde einmütig angenommen und eine halbe Stunde später saßen die vier an einem Tisch und ließen sich vom Inhaber der Grollorr-Bäckerei Sandwiches mit saftigen Fleischscheiben zwischen den Brothälften servieren.

„Heißt die Grollorr-Bäckerei wie Sie?", fragte Nina den bereits älteren Servierer.

„Ja, ich heiße Grollorr."

„Sie sind ein Cousin des Züchters der Vornskrs oben auf dem Berg?"

Seine blauen Augen verengten sich misstrauisch. „Wer hat Ihnen das gesagt?"

„Ihr Cousin selbst, bevor ihn ein Yuuzhan Vong ermordete", log Kaye, um den kooperativen Reitstallbesitzer zu schützen.

„Primhhd ist tot?", keuchte der Mann, „Was wollt ihr von mir?"

„Sie wissen zumindest, dass die Tiere Vornskr heißen und nicht Khaniv, wie uns ein Beamter des Land- und Forstwirtschaftsministeriums glauben machen wollte", sagte Nina ernst. „Sagen Sie uns, was Sie über die Angelegenheit wissen, dann wird sich die Neue Republik erkenntlich zeigen."

Grollorr setzte ein ahnungsloses Gesicht auf. „Primhhd hat gutbetuchten Leuten Jagdtouren angeboten. Ich hab ihm manchmal Kunden für die Jagd vermittelt. Das ist alles."

„Aber normale Leute können keine Vornskrs jagen. Selbst für Jedi ist das gefährlich", wunderte sich Nina. „Kam es nie zu Verletzungen oder gar Toten?"

„Primhhd hatte eine Jagdlizenz. Er musste wissen, was er tat."

„O.k.", sagte Finn und seine Stimme wurde schärfer. „Wir haben mit den Vornskrs auf Etha ein für alle Mal aufgeräumt, und wenn wir mitbekommen sollten, dass von Ihrer Sippe wieder jemand welche hier unter falschem Namen einführt, dann werden wir Sie wegen illegalem Tierhandel dingfest machen."

Grollorr blinzelte unsicher.

„… und wegen Kollaboration mit dem Feind!" setzte Kaye nach. „Denn die Neue Republik versteht überhaupt keinen Spaß, wenn hier auf Etha Handlanger der Invasoren mit deren Villips herumlaufen."

Grollorrs gebräuntes Gesicht wurde blass. „Aber ich habe doch gar keinen Villip."

Nina lächelte. „Primhhd hatte einen. Aber ich sehe schon, wir verstehen uns."

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Derweil auf Coruscant – Finis Valorum Raumhafen

Staatschef Borsk Fey'lya drückte Senatorin Viqi Shesh zum Abschied die Hand. „Ich setze alle Hoffnungen in Sie, Senatorin, um Thrackan Sal-Solo davon zu überzeugen, unser geheimes Ass im Ärmel zu werden." Seine lilanen Augen lächelten mit seinem Mund mit. „Und ich wüsste nicht, wer das sonst schaffen könnte, wenn nicht Sie."

Viqi neigte kokett Ihr Haupt zur Seite. „Sie schmeicheln mir, Borsk, aber ja", ihre grünen Augen leuchteten siegessicher, „Sal-Solo wird mitspielen – das verspreche ich Ihnen. Er mag ein selbstverliebter Nationalist sein, doch ich schätze, dass er auch schon vor meinem Besuch um die wahren Prioritäten weiß."

Sie wandte sich ab, um zu dem Shuttle der Neuen Republik zu gehen, das sie in die corellianische Hauptstadt bringen würde, um mit dem Sieger der letzten Gouverneurswahl zu sprechen. Fey'lya schaute dabei zu, wie sich ihr brustbeinlanges glattgestriegeltes schwarzes Haar hin und her bewegte und dabei im Licht des Sterns Coruscants glänzte. Möge dein Auftritt in Coronet genauso glänzend sein.

Als der Staatschef wieder zurück in sein Büro kam, warteten vor diesem im Vorzimmer bereits die nächsten Gesprächspartner. Seine lilanen Augen verfinsterten sich.

„Sie hatten mir keinen zusätzlichen Jedi angekündigt, Meister Skywalker", rüffelte der Staatschef den Jedimeister.

„Das ist wahr", räumte Luke ein, „aber Jaina hat gerade etwas freie Zeit, und ich dachte mir, dass meine Nichte von einem derart versierten Staatsmann wie Ihnen im Gespräch noch etwas lernen kann."

Borsk Fey'lya bezweifelte das. Jaina Solos braune Augen schauten ihn mit unverhüllter Abneigung an, und er fragte sich, ob sie überhaupt freiwillig mit zu diesem Termin gekommen war.

„Es geht darum, dass auf dem Mond Yavin IV immer noch vier Jedi vermisst werden", begann Luke, „und wir hoffen, dass Sie militärische Unterstützung loseisen könnten, um sie dort herauszuholen."

Der Staatschef schaute kurz aus dem Fenster, als ließe er sich die Worte gerade durch den Kopf gehen, bevor er sich wieder den Bittstellern zuwandte.

„Es tut mir leid", sagte er schließlich, ohne dabei zu blinzeln, „In dieser Angelegenheit kann ich Ihnen nicht helfen, Meister Skywalker."

Widerspruch blitzte in den blauen Augen des Jedimeisters auf, und Fey'lya kam nicht umhin, der Selbstbeherrschung Lukes Respekt zu zollen, als dieser ruhig widersprach. „Ich bitte Sie, es noch einmal zu überdenken, Vorsitzender Fey'lya. Leben stehen auf dem Spiel."

Fey'lya nickte. „Das ist mir mit schmerzhafter Deutlichkeit klar, Meister Skywalker. Doch wenn Sie nur diese vier erwähnen, bedeutet das ja wohl auch, dass sich die anderen Jedi von jenem Mond retten konnten. Ich will jetzt nicht Leben gegen Leben aufrechnen, aber vier vermisste Jedi bringen Ihren Orden noch nicht in Gefahr, und ich muss darüber hinaus an all die Leben derer denken, die bei dem Versuch verlorengehen würden, das Yavin –System zurückzuerobern – ein System ohne taktische oder strategische Bedeutung. Ihr dürft außerdem nicht außer Acht lassen, dass eine solche Aktion - auch eine bloße Rettungsmission – den Waffenstillstand mit den Yuuzhan Vong beenden würde. Und ein Wiederaufflackern des Krieges brächte zahllosen Personen den Tod."

Auch bei den folgenden Worten blieb Lukes Stimme bemerkenswert ruhig. „Die Yuuzhan Vong haben den Waffenstillstand bereits gebrochen. Sie versprachen, unsere Welten in Ruhe zu lassen, wenn man ihnen Jedi übergibt, und dazu scheint inzwischen die ganze Galaxis bereit zu sein. Jetzt haben sie auch noch Yavin Vier übernommen – und das, obwohl das System strategisch angeblich so unwichtig ist."

Borsk Fey'lya breitete halb die Arme aus – die Hände gerademal in Oberschenkelhöhe. „Seid versichert, dass weder ich noch der Senat die angebliche Liquidierung der Jedi gutheißen."

„Die angebliche?", schoss Luke zurück, gar nicht mehr so ruhig. „Sie bezeichnen die Tode von Meister Lar Le'Ung auf Rychel, von Dorsk 82 auf Ando und von Swilja Fenn auf Cujicor als angeblich?"

„Und was Yavin IV betrifft", fuhr Fey'lya ungerührt fort, „so ist es nicht eine unserer Welten, zumindest nicht, wenn damit die Neue Republik gemeint ist. Yavin IV fällt in Ihren Zuständigkeitsbereich, Meister Skywalker. Die Jedi haben deutlich gemacht, dass es ihnen eher um nicht von oben gebilligte Kämpfe und das Provozieren von unnötigem Zwist geht, als die Entscheidungen des Senats zu respektieren. Und jetzt, nachdem Sie unsere Wünsche missachtet haben, bitten Sie uns um Hilfe? Erkennen Sie nicht die Heuchelei darin?"

Luke setzte eine betroffene Miene auf. „Vorsitzender, lassen wir den Umstand einiger eigenmächtiger Aktionen einiger Jedi einmal beiseite – es geht hier um Kinder. Sie haben keine Schuld auf sich geladen und …

„Und wie viele Kinder der Millionen oder gar Milliarden, die auf dem Spiel stehen, sollte ich Ihrem Ansinnen entsprechen, würden wohl sterben – so ganz unschuldig wohlgemerkt? Wegen Ihrer Fehler? Sie sollten sich einmal selbst hören."

„Das ist das Dümmste …", fuhr Jaina dazwischen.

„Ruhig", wies ihr Onkel sie zurecht.

„Aber er verdreht alles!", rechtfertigte sich Jaina. „Wenn diese vier Jedi auf Yavin IV sterben, dann werden später umso mehr Wesen und deren Kinder sterben – und das nur, weil der Staatschef untätig geblieben ist, weil er mit seiner Ablehnung den Yuuzhan Vong das Signal gegeben hat, dass unsere Leben nichts wert sind, dass wir uns nicht verteidigen."

„Kind, du hast all das Feuer deiner Mutter, aber nicht ihre Vernunft", rüffelte Fey'lya die Siebzehnjährige. „Hör auf deinen Meister."

„Es ist nicht nötig, meine Nichte zu beleidigen", versuchte Luke den Staatschef zu beschwichtigen. „Ihr Bruder gehört zu den Vermissten."

„Meinen Sie damit Anakin Solo, der sich eine Starterlaubnis erschwindelte, um Coruscant heimlich zu verlassen?"

„Anakin tat dies in der Tat ohne meine Erlaubnis, doch dachte er, dass die Schüler im Praxeum in größter Gefahr sind – zu Recht, wie wir jetzt wissen."

„Warum sollte ich jemandem helfen, der sich derart über Anweisungen hinwegsetzt?", versetzte Fey'lya höhnisch. „Denn das scheint ja heutzutage die Essenz dessen zu sein, was Jedisein bedeutet."

Lukes Stimme wurde eindringlich. „Helfen Sie Anakin und den anderen – und wir können später auch Ihnen helfen."

„Ach wirklich?", schnaubte Fey'lya. „Weil die Sache für Sie zu groß geworden ist und Sie alleine damit nicht mehr fertig werden? Und es ist ja auch schon ein paar Tage her, dass diese Jedi verschwunden sind, nicht wahr? Wen haben Sie denn vor mir kontaktiert, um sich schnellere Hilfe zu verschaffen – von jemand, wo Sie dachten, er wäre vielleicht geneigter?"

Luke war klug genug, nicht auf dieses Ablenkungsmanöver einzugehen. „Ehe ich Sie als Staatschef wegen so etwas behellige, sondiere ich selbstverständlich andere Möglichkeiten."

Fey'lya schmunzelte lautlos. „Ach ja, die Diplomatie. Vielleicht spielen ja auch Ihre Schwester und ihr Ehemann dabei eine Rolle."

„Das hat mit dieser Sache nichts zu tun", erwiderte Luke entschieden, um sich nicht die Blöße zu geben, gestehen zu müssen, dass er nichts, aber auch gar nichts über den Verbleib seiner Zwillingsschwester und ihres Mannes wusste.

„Natürlich nicht", ätzte Fey'lya. „Sind Leia Organa Solo und ihr Mann vielleicht bereits dabei, eine kleine Schattenregierung zu organisieren, als fehle es den gewählten Repräsentanten der Neuen Republik an Kompetenz für ihre Arbeit?"

„Wir folgen unserem Jedi-Mandat, Staatschef Fey'lya. Wir schützen. Wir dienen. Es tut mir Leid, wenn dies mit Ihren Ab- und Ansichten unvereinbar ist."

Fey'lya merkte, wie bei diesen Worten Lukes in Jainas Augen etwas aufblitzte. Offenbar wollte der Jedimeister mit diesen Worten eher seine Nichte beschwichtigen als ihn.

„Was eine Arroganz!", fauchte der Bothaner. „und Sie fragen sich, warum man Sie nicht mag."

Luke schluckte, doch faltete er seine Hände und schaute sein Gegenüber ruhig an. „Vorsitzender Fey'lya, wenn Sie eine militärische Aktion ablehnen, können Sie vielleicht eine diplomatische Lösung in Erwägung ziehen?"

„Wir haben bereits die nötigen Kontakte und Verhandlungen finden auch schon statt."

Überraschung erblühte in Lukes und Jainas Augen. „Wer genau hat denn die Angelegenheit zur Sprache gebracht?"

„Die Yuuzhan Vong natürlich", erwiderte Fey'lya vorwurfsvoll. „Die Yavin-Situation hat bereits erhebliche Spannungen verursacht."

„Was?", entfuhr es Luke. „Sie wussten davon?"

„Die Yuuzhan Vong haben uns versichert, dass ihre Besetzung des Yavin IV-Systems nur vorübergehender Natur ist. Sie suchen dort nach Rohstoffen, nicht nach Jedi. Von einem Praxeum wissen sie nichts."

„Ach, wirklich nicht?", mischte sich wieder Jaina ein. „Wo das System strategisch doch so unbrauchbar ist? Und überhaupt: Seit wann interessieren sich die Yuuzhan Vong für unsere Rohstoffe? Sie bringen doch ihre eigenen Kreaturen mit, die dann unsere Planeten aussaugen. Aber wenn man junge Jedi freilich als Rohstoffe betrachtet …"

Luke klopfte ihr sanft auf die Schulter und Jaina wurde wieder still.

„Sie wussten also vorab, dass die Yuuzhan Vong nach Yavin IV wollten", nahm Luke den vorherigen Faden wieder auf, „und Sie hielten es nicht für nötig, uns vorab zu informieren?"

„Das ist doch lächerlich", schnaubte Fey'lya, ärger als zuvor. „Nein, die Yuuzhan Vong sind friedlich zum Yavin-System gekommen, und als sie dort eintrafen, fand dort ein Kampf zwischen Schmugglern statt. Ein Teil dieser Schmuggler griff die Yuuzhan Vong an, obwohl diese in Stroiketcy lediglich etwas Wasser aufnehmen wollten."

„Wie haben die Yuuzhan Vong denn überhaupt den langen Weg in diese Galaxis überlebt – so ganz allein im Leeren Raum und ohne Wasser von Yavin IV?", mokierte sich Jaina über diese Behauptung.

Fey'lya ignorierte Jainas neuerlichen Einwurf. „Wissen Sie eigentlich, Meister Skywalker, wie viele diplomatische Mühen es uns gekostet hat, um die Yuuzhan Vong davon zu überzeugen, dass die Neue Republik mit jener Schmugglerbande, von der sie angegriffen wurden, nicht in Verbindung steht?"

Luke breitete die Arme aus. „Dann ist das alles doch ganz einfach. Sie haben mit jenen Schmugglern keinen Kontakt, Yavin IV untersteht nicht mehr der Neuen Republik, sondern ist allein eine Angelegenheit der Jedi, wie Sie mir vorhin versichert haben. Also brauchen Sie sich dann auch nicht mehr zu wundern, wenn die Jedi die Angelegenheit auch ohne Sie regeln." Lukes Pupillen verengten sich. „Sie haben meine Schüler erst verraten und jetzt gerade im Stich gelassen. Das werde ich nicht vergessen. Nie!"

Fey'lya winkte schlaff mit der rechten Hand. „Ich verstehe – statt meine Fragen zu beantworten, drohen Sie mir. Sie und Ihre vorlaute Nichte haben wahrlich genug meiner Zeit beansprucht, Skywalker. Ich möchte Ihnen eine Warnung mit auf den Weg geben. Ich weise Sie ganz offiziell darauf hin, dass Sie und Ihre Gefolgsleute im Yavin-System nichts mehr zu suchen haben. Wenn die dort aktiven Kräfte in irgendeiner Verbindung mit Ihnen stehen, so erwarte ich von Ihnen, dass Sie sie unverzüglich zurückziehen. Und unter gar keinen Umständen werden Sie selbst das Yavin-System aufsuchen oder Jedi dorthin schicken. Wenn Sie irgendeinen Schritt in diese Richtung unternehmen, lasse ich Sie unter Arrest stellen. Ich muss wohl nicht extra betonen, dass Sie bereits unter Beobachtung stehen." Seine Stimme wurde scharf. „Ist das klar?"

„Oh ja, es ist klar", erwiderte Luke in tödlicher Ruhe. „Plötzlich sind viele Dinge klar geworden."

„Vorsitzender Fey'lya", sagte Jaina leise, „Sie sind ein armseliges, wenn auch intelligentes Wesen. Ich hoffe, eines Tages riechen Sie den Gestank in Ihrem Herzen und ersticken an ihm."

Fey'lya schaute sie seit langer Zeit des Gespräches wieder direkt an. „Du bist sehr jung", erwiderte er herablassend. „Wenn du auch nur einen Bruchteil von dem geschafft hast, was ich für die Völker dieser Galaxis geleistet habe, kannst du zurückkehren, und dann sprechen wir noch einmal miteinander."

„Mir fällt da noch nicht einmal ein Bruchteil von ein", schoss Jaina zurück, jetzt total enthemmt, da das Gespräch eh beendet war. „Aber ich bezweifle, dass die Yuuzhan Vong die Leistungen, von denen Sie sprechen, ähnlich honorieren werden, wie Sie es gerade getan haben."

Onkel und Nichte liefen schweigend durch den Gang hinaus aus dem Senatsgebäude. Ein blasser, untersetzter, dunkelhaariger Mann kam ihnen entgegen, begleitet von einem größeren, sehr hageren, ebenfalls sehr hellhäutigen Menschen und einer dunkelhäutigen Frau mit schwarzen Kräuselhaaren.

„Major Showolter", begrüßte Luke den kleineren der beiden Männer, dann den großen, hageren und die Frau. „Direktor Scaur, Belindi Kalenda – schön, Sie hier zu sehen. Sie wollen auch zum Staatschef?"

Der Direktor des Geheimdienstes der Neuen Republik ergriff das Wort. „In der Tat – und ich hoffe, Sie waren bei Fey'lya ebenso erfolgreich, wie wir es jetzt zu sein hoffen."

Luke lächelte zuversichtlich. „Ich drück Ihnen die Daumen."

„Haben Sie schon Neuigkeiten von Ihrer Schwester und Han Solo?", fragte Scaur weiter.

Luke schüttelte den Kopf.

„Wir hoffen so, dass es die beiden von Duro fortgeschafft haben", sagte Ronen Showolter. „Wenn Leias und Hans Informationen von Duro sich mit unseren decken, dann wird dieser Krieg hoffentlich eher enden, als wir jetzt noch denken."

„Und ich möchte mich noch einmal für die Informationen bedanken, die Sie uns nach dem Fall Duros während der Jediversammlung gegeben haben", bedankte sich Luke bei dem Geheimdienstmann.

„Und den Gefallen werden wir Ihnen schon bald mit neuen Informationen erwidern", versprach Dif Scaur. „Ganz egal, wie unser Gespräch mit dem Staatschef verlaufen wird."

Sie verabschiedeten sich voneinander und Luke und Jaina erreichten den Platz vor dem Senatsgebäude.

„Jaina", sagte Luke draußen vor dem Senatsgebäude vorwurfsvoll zu seiner Nichte, „warum nur hast du Fey'lya zum Schluss derart provoziert?"

„Bei dem ist sowieso jede Überzeugungsarbeit für die Lothkatz!" presste Jaina immer noch wütend hervor. „Also soll er wenigstens die Wahrheit hören. Dich unter Arrest stellen. Was muss noch passieren, bis du erkennst, dass man mit solchen Leuten nicht zusammenarbeiten kann?"

Luke lächelte rätselhaft. „Mehr als du jetzt glaubst, Jaina - mehr als du glaubst. Wenn du Fey'lya richtig zugehört hättest, so hättest du erkennen können, dass er mir lediglich angeraten hat, hier auf Coruscant zu bleiben, um für die Yuuzhan Vong nicht auffällig zu werden, weil sie es sind, die mich beobachten. Und solange wir auf Yavin IV Leute agieren lassen, die offiziell mit uns nichts zu tun haben, ist das für Fey'lya total in Ordnung."

Jainas Mund klappte auf und wieder zu. „Du meinst, der Bothaner hat seine Warnung an dich fürsorglich gemeint?"

Luke lachte kurz auf. „Du musst noch viel über Bothaner lernen, Jaina. Das nächste Mal begleitest du meine Schwester zu einem solchen Gespräch, dann wirst du sicherlich noch mehr lernen."

Eine halbe Stunde später trafen sich Luke und Jaina in Lukes und Maras Wohnung mit Jacen, Mara, Tionne Solusar und Shada D'ukal, eine schwarzhaarige, rassige Frau mittleren Alters, welche die Leibwächterin und Freundin von Talon Karrde war.

Nachdem Tionne und Shada erzählt hatten, was sie auf dem vierten Mond des Yavin-Systems erlebt hatten, berichtete Luke von seinem Treffen mit dem Staatschef.

„Aus Fey'lyas Blickwinkel ergibt das alles auch einen gewissen Sinn", schloss Luke seinen Bericht.

„Ich kann nicht glauben, was du da gerade gesagt hast, Onkel Luke", protestierte Jaina. „Fey'lya ist nicht unparteiisch. Zum Teufel mit seinem Blickwinkel!"

„Fey'lya mag nicht unparteiisch sein, aber er hat andere Sorgen", meinte Luke.

„Das, was du mir vorhin draußen gesagt hast", schnappte Jaina. „Das ist bestimmt wieder nur so eine doppelbödige Wetterwendigkeit von Fey'lya. Denn wenn wir siegen sollten, dann kann er behaupten, er hätte uns insgeheim den Weg dafür bereitet."

„Das macht einen guten Politiker eben aus – sich alle Optionen offenzuhalten", wiegelte Luke Jainas Vorwurf ab. „Jetzt geht es darum, herauszufinden, welche unauffälligen Schiffe wir Anakin, Tahiri und den beiden Jünglingen zu Hilfe senden können."

Jacen sah Shada an. „Wir können ihre Schiffe nehmen, mit denen sie die meisten Jünglinge von Yavin IV fortgebracht hat."

„Das sind nicht meine Schiffe, sondern die von Talon Karrde, und er kann sich noch mehr Verluste nicht mehr leisten, als wir schon erlitten haben. Und auch Talon Karrde braucht Verstärkung, um wieder aus dem System herauszukommen."

„Terrik", sagte Mara und alle wandten sich ihr zu. „Booster Terriks Sternzerstörer könnte die Rettung sein. Corrans Sohn Valin ist immer noch auf Yavin IV und Corran ist Terriks Freund. Wenn Corran ihn bittet, oder wenn er auch nur davon hört, dass Corrans Sohn in Gefahr ist, dann wird er kommen und helfen."

„Und bis wir Terrik gefunden haben, könnt ihr die Jadeschatten haben", bot Mara an und schaute dabei zu Jaina.

Die Augen der jungen Solo begannen zu glänzen. „Ich darf dein Schiff fliegen, Tante Mara?"

Mara nickte.

„Cool!" entfuhr es Jaina.

„Das ist eine gute Idee", stimmte Luke zu und legte Mara den Arm um die Schultern. „Wo wir doch beide nicht von Coruscant weg können."

Maras grüne Augen blitzten rebellisch auf. „Also wenn du damit auf meine besondere Situation anspielst ..."

Jaina ließ diese Worte ihrer Tante auf sich wirken. Dann begriff sei. „Du bist schwanger, Tante Mara!"

„Kluges Kind", sagte Mara und schaute zu Jacen, der nicht überrascht wirkte. „Du hast vorher geillert?"

„Es war auf Duro. Ich begann gerade wieder die Macht zu nutzen. Wir mussten fliehen, und ich streckte mich in der Macht aus, um zu sehen, wer noch lebt, wer Hilfe braucht. Da ist es passiert. Ich, äh … wollte das nicht."

„Schon gut", sagte Luke und lächelte. „Wir wollten es euch ohnehin bald sagen."

Jaina erwiderte das Lächeln. „Herzlichen Glückwunsch, das hätte ich nicht gedacht."

Maras Blick erforschte die Nichte. „Was hättest du nicht gedacht?"

„Dass du nach dieser schweren Krankheit noch schwanger werden würdest."

„Vielleicht hat mein Körper ja gedacht, jetzt, wo die Coomb-Sporen endlich weg sind, oder nie. Wer weiß das schon?"

„Willst du damit sagen, dass Nom Anor indirekt für deine Schwangerschaft verantwortlich ist?", neckte Luke seine Frau.

„Ist doch egal", meinte Jaina. „Cousine Jaina, das gefällt mir irgendwie."

„Warte mal ab, bis man dich Tante Jaina nennt", frotzelte Jacen und Jaina schmollte.

„Diese Schwangerschaft ist auf jeden Fall eine große Überraschung des Universums für mich", lenkte Mara das Gespräch fort von den Geschwisterneckereien, „und dieses Mal sogar eine angenehme."

„Egal ob wir Booster Terrik finden oder nicht …", setzte Jaina an.

„Wir werden ihn finden", korrigierte Jacen seine Zwillingschwester.

„Egal", wischte Jaina das beiseite, „Ich werde nach Yavin IV fliegen, und wenn es mit einem Repulsorschlitten ist."

„Dann komme ich mit", sagte Jacen und die Geschwister lächelten einander an.

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Zur selben Zeit auf Yavin IV – vor dem Damutek der Gestalter der Yuuzhan Vong

Etwas weiter weg von den Feldern

„Betet zu Yun-Shuno, zu ihr, die verzeiht", sagte der Mann ohne Narben zu seinen Betgenossen. „Betet, dass ihre Versprechen bald erfüllt werden. Betet darum, dass eure Körper bald Implantate annehmen können und sich die Verheißungen in dieser neuen Galaxis für Yun-Shunos demütige Anhänger erfüllen mögen!"

„Wir beten!", erwiderten die Beschämten im Chor. Auch Uunu sprach diese beiden Worte, und sie glaubte die vom Vorbeter gesprochenen Prophezeiungen - zumindest in diesem Moment – hier in der Gemeinschaft der Gläubigen, die sich um die Statue der vieläugigen Göttin versammelt hatten. Yun-Shuno, oder besser gesagt das Abbild von ihr, bestand aus einer Art dicker Keule aus Granit, deren kreisrunde Basis vielleicht dreißig Zentimeter maß. Nach oben hin verbreiterte sich die Keule und mündete zwei Meter über dem ebenso granitenen Sockel in ein gewölbtes Kugelplateau, das einen halben Meter breit war. Das hervorstechendste Merkmal der Schutzpatronin der Beschämten waren die vielen Augen, die den Keulenkörper fast bis hinunter zum Sockel bedeckten – blaue, grüne, braune und schwarze Augen in weißen Skleren, dazwischen auch das eine oder andere in zartlila.

Die Beschämten sahen einander nicht an, während sie beteten. Jeder schien für sich und so würde es bleiben, bis der Gottesdienst zu Ende ging und alle aus der bescheidenen, würfelförmigen, mit Algengras gedeckten Holzhütte strömen würden, deren Grundriss vielleicht sieben Meter im Quadrat messen mochte, während ihr Dach in ca. drei Metern Höhe war. Wenn die exakt zwanzig Leute das Gebetshaus verlassen würden, wartete draußen für gewöhnlich bereits die nächste Schicht der Betwilligen, während ein gelangweilter Verwalter auf einem organischen Hocker neben der bescheidenen Andachtsstätte saß, um zu überwachen, dass alles seine zeit- und zahlenmäßige Ordnung hatte.

Die Langeweile des Verwalters wurde gestört, als sich ein Kastengenosse näherte. „Na, Vasi? Wieder mal auf Brautschau?"

„Halt den Mund, Kumpyr", fuhr Vasi ihm über den Mund. „Hab Wichtigeres zu tun. Die Leute sollen hier nur beten, nicht faulenzen. Und du weißt das."

Kumpyr grinste. „Ja, ich sehe und weiß so einiges."

„Kümmere dich besser um deine Felder."

Kumpyr winkte ab. „Wenn ich befördert werde, dann werde ich solche niedrigen Aufpassertätigkeiten nicht mehr nötig haben."

„Dann kannst du ja jetzt schon gehen, sonst schnappt dir noch jemand anders den Konsulposten vor der Nase weg."

Vasi wartete, bis der andere Verwalter fort war, dann postierte er sich vor dem Eingang zum Gebetshaus – mit genügend Abstand zur Gruppe der wartenden Betwilligen, auf dass niemand denken würde, er gehöre dazu. Er betätigte eine Art Glocke und die Tür schwang auf – das Zeichen, dass die Gebetszeit für die Gruppe drinnen vorüber war.

Uunu wäre am liebsten drin geblieben, als sie sah, wer sie vor Yun-Shunos Tempel erwartete.

„Na, holde Maid?", begrüßte sie der Verwalter.

„Ich bin Ihnen nicht hold, und das wissen Sie, Vasi."

„Ich hoffe, deine Gebete werden erhört, denn auch du musst weiterhin deine Quote erfüllen", versetzte der Verwalter ungerührt.

Uunu stemmte die trainierten Arme in die schmalen Hüften. „Habe ich das bisher denn nicht?"

„Du schrammst immer knapp über der Untergrenze für die Norm vorbei, Uunu", warnte sie der mittelalte Mann. „Aber mithilfe des neuen Sklaven wirst du sie vielleicht auch künftig schaffen. Also diskutier nicht, sondern komm mit."

Mindestens einen Meter Abstand wahrend, ging Uunu hinter dem Exekutor her. Eine leichte Brise erhob sich und ihr langer, schwarzer Pferdeschwanz bauschte sich hinter ihr auf. Sie kamen zum Rand der Felderwirtschaft, und da stand er – menschlich, mittelgroß, sehr jung, dunkelblondes Haar und strahlend blaue Augen.

„Bring ihn zum dritten Schimmererfeld, am Rand der nördlichen Feldergruppe", sagte Vasi zu Uunu und wies mit seiner Hand in jene Richtung. „Zeig ihm, wie man erntet."

Uunu schürzte abfällig die schmalen Lippen. „Ich brauche mehr als nur einen schwachen Sklaven, um meine Quote zu erfüllen."

„Glaubst du, es steht dir zu, mit mir zu streiten?", fragte Vasi mit lauerndem Unterton.

Uunu hob herausfordernd ihr Kinn. „Ich lasse mich nicht gerne verspotten", ihr Blick wanderte abschätzig über den ihr zugewiesenen Sklaven, " mit solch einer mickrigen Zuteilung."

„Du kannst deine Quote auch gerne allein erfüllen, aber die Arbeit wird nicht weniger werden, eher mehr", drohte Vasi. „Und andere Beschämte werden sich über die Zuteilung von diesem da freuen."

„Nein, ich nehme ihn schon."

Sie gingen von dem Verwalter fort und Uunu musterte ihren neuen Zuarbeiter. Äußerlich und von der Kleidung her unterschied er sich nicht von den anderen Sklaven, und doch kam es ihr vor, als sei diese Begegnung nicht wie die anderen. „Wie heißt du, Sklave?"

Der Jugendliche sah sie überrascht an, dann lächelte er amüsiert. „Ich bitte um Verzeihung, aber seit wann hat sich eine Yuuzhan Vong jemals mit dem Namen eines Sklaven die Ohren beschmutzt?"

„Und wieso glaubt ein Sklave, dass Unverschämtheit ungestraft bleibt?", fragte sie drohend.

„Seitdem er gesehen hat, wie eine Beschämte einen Verwalter zurechtweist?"

Sie lachte. „Vasi badet im Schmutz – und er weiß es." Dann wurde sie ernster. „Er hat mitbekommen, wie du vorhin zusammengebrochen bist. Nur deshalb hat er dich mir mitgegeben, damit ich meine Quote nicht erfülle."

„Aber fällt das nicht auf ihn selbst zurück?"

„Er sucht sich die Frauen genau aus, mit denen er das macht, um zu bekommen, was er will. Bei einer fällt das nicht auf, aber ich weiß schon, wie ich ihn mir vom Hals halte."

„Im Ernst?" Er musterte ihre tätowierte, aber narbenlose Gestalt. „Ich hätte gedacht, dass normale Yuuzhan Vong …"

Sie verengte die dunklen Augen zu bösen Schlitzen.

„Also ich meinte, Nichtbeschämte Yuuzhan Vong …", druckste er.

„Du hast schon Recht", gab sie zu. „Normalerweise ist es so, aber Vasi ist anders. Er ist nicht normal, sondern er mag Krankes."

Die blauen Augen des anderen musterten sie, nicht anzüglich und unverschämt, sondern es schwang eher eine Art Bedauern in seinem Blick. „Ich bin noch nicht lange hier, aber ich weiß, dass Sie in anderen Welten dieser Galaxis nicht als krank gelten würden, ganz im Gegenteil."

„Dann soll Vasi sich dorthin scheren", knurrte sie. „Wenn es nur das wäre. Aber außerdem befiehlt er Beschämten, Dinge zu tun, die anständige Yuuzhan Vong niemals tun würden, die ihnen noch nicht einmal in den Sinn kämen."

„Und Sie können sich ihm widersetzen?"

„Im Gegensatz zu anderen Beschämten stößt mein Körper zwar Implantate ab, doch habe ich mich nicht der Schande ergeben – zumindest nicht für einen derart ekligen Typen wie Vasi."

„Aber wenn es wirklich Liebe wäre …"

„Du redest von Sachen, die dich nichts angehen, Sklave, aber gelegentlich kommt es vor, dass Yuuzhan Vong aus unterschiedlichen Kasten etwas miteinander anfangen." Der Blick ihrer dunklen Augen wurde melancholisch. „Aber wir Beschämten finden uns nicht einmal untereinander attraktiv. Wo soll da Liebe herkommen?"

„Wer andere verachtet, wird auch selbst verachtet werden."

„So ist nun mal die Ordnung der Welt", erklärte ihm Uunu. „Du solltest eins wissen: Was ich für die Krieger und Verwalter bin, das bist du für mich, Ungläubiger. Doch eines Tages wird Yun-Shuno mir Erlösung gewähren, und dann wird mein Körper Implantate annehmen und mich zur vollwertigen Yuuzhan Vong machen, so dass ich die Kriegerin werden kann, die ich sein will. Du jedoch wirst für immer nichts bleiben."

„Sie kennen mich ja bereits sehr gut. Genau dasselbe könnte ich über Sie sagen."

Sie holte aus und gab ihm eine saftige Ohrfeige auf die linke Wange. Der Sklave zuckte nicht mit der Wimper, doch seine blauen Augen blickten sie trotzig an. Sie schaute eine Weile verdattert drein, dann nickte sie. „Stärker, als ich gedacht hatte. Vielleicht können wir meine Quote ja doch gemeinsam erfüllen. Wenn, dann werde ich eine geeignete Belohnung für dich finden."

Er lächelte hintergründig. „Mir reicht bereits, Vasi zu enttäuschen. Obwohl ich es mir überlegen könnte, sollten Sie mich noch einmal schlagen."

Sie schien darüber nachzudenken. „Dann einigen wir uns doch darauf, zumindest einander nicht zu enttäuschen. Ich heiße Uunu. Und du bist …"

„Ich heiße Bail Lars."

Sie überwanden die Korallenwand eines Wurzelstrahls, den das Damutek in und über die Erde Yavin IVs hatte austreiben lassen, und waren bei dem Schimmererfeld angekommen, das Vasi ihr genannt hatte. An dicken, grünen Stängeln, die im Abstand von etwa einem Meter wuchsen, saßen knollige Knospen, die blutrot waren. Uunu nahm einen schwarzen, gebogenen Dorn, der einer Sichel glich, und entfernte die roten Blütenblätter, bis die gelbliche Fruchtknolle zum Vorschein kam.

„Das ist erst die Vorbereitung", erklärte Uunu. „Deine Aufgabe wird es sein, diese Knollen anzuritzen, um das Innere herauszuholen."

Sie reichte ihm einen ebensolchen schwarzen Dorn, wie sie selbst einen hatte, und Bail Lars kniete vor der Pflanze nieder. Er musste die vorbereitete Knospe an drei Stellen aufschlitzen, bevor sie ihr Inneres preisgab, doch was er dann aus der gelben Knolle zog, überraschte ihn – es war ein Kristall.

„Was ist das?"

„Quatsch nicht so viel. Ich werde es dir erklären, wenn sicher ist, dass du mit meinem Tempo mithalten kannst", sie schenkte ihm ein vorsichtiges Halblächeln, „also leg dich ins Zeug, Bail Lars."

Es dauerte bis zum Abend des nächsten Tages, bis der Sklave seinen Rhythmus gefunden hatte. Sie gingen zum Abendessen, das aus Wasser und einem Brei bestand, den man aus einer Art Beutel saugen musste, der natürlich lebendig war wie alles bei den Yuuzhan Vong. Uunu wartete, bis kein anderer Sklave oder Wärter mehr in Sichtweite war, dann hielt sie ihm einen Kristall vor die Nase. „Hier."

Bail Lars zuckte ob der Unmittelbarkeit der Präsentation etwas zurück. „Was?"

„Pass auf, Ungläubiger." Ein Hauch Phosphoressenz brach aus dem Kristall auf ihrem Handteller und wurde schnell zu einem hellen Licht. Nach einer Weile wurde das Licht schwächer und erstarb zum Schluss ganz.

„Sie können das Licht und seine Helligkeit mit Ihren Gedanken kontrollieren", schloss Bail.

Uunu nickte. „Genau. Wir verwenden die Schimmerer als Lichtquellen und man kann sie außerdem mit lichtempfindlichen Bioten so konfigurieren, dass sie verschiedene Superorganismen kontrollieren, besonders im Weltraum, wo sonst kein Leben möglich ist."

„Er lebt?"

Sie nickte entrüstet. „Was denn sonst. Warum sollten wir mit toten Sachen Licht machen?"

„Und wovon ernährt er sich?"

„Schimmerer bestehen hauptsächlich aus Silizium und Metallen, wie man sie in den meisten Böden findet. Sie transpirieren, wenn Gas vorhanden ist, ansonsten ernähren sie sich von den bioelektrischen Feldern des Lebens um sie herum."

Der Sklave grinste von einem Ohr zum anderen. „Das heißt, der Träger speist seinen Kristall immer automatisch mit den elektrischen Impulsen seines Lebens – wie einfach!"

„Das ist ganz normal!", meinte Uunu irritiert. „Implantate tun das ja auch. So etwas spart Platz, Energie und Zeit."

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Am nächsten Tag im Haus von Rhôlhnd und Zoria auf dem Planeten Etha

Es war früher Nachmittag, als sich die Königin von Artorias zusammen mit ihren beiden Kindern und Danni bei ihrer früheren Zofe Zoria zum erneuten Teekränzchen ankündigte. Die kleine Hikary war hellwach und die Hausherrin hatte ihr Kind auf dem Schoß zu sitzen und gab ihr ein Fläschchen, gefüllt mit dem Tee, den auch die Gäste tranken, damit das Kind auch an der Tafelrunde teilnehmen konnte.

„Der Kuchen schmeckt ausgezeichnet", sagte Finn, nachdem er einen Bissen heruntergemampft hatte. „Was ist das für eine Frucht?"

„Das ist eine Quambe", erklärte Rhôlhnd stolz. „Die wachsen bei uns hinter dem Haus und Zoria macht auch Saft daraus. Manchmal bringt Zoria einige Torten davon auch zu meinem Onkel, der in der Innenstadt eine Bäckerei betreibt – auf diese Weise verdienen wir uns etwas Zubrot."

Zoria erhob den Zeigefinger und schaute ihre ehemalige Dienstherrin an. „Aber nicht dem Verbraucherschutzministerium melden, denn wir besitzen keine Lizenz zum Vertrieb von selbst hergestellten Lebensmitteln."

Kaye lachte. „Wenn dieses Ministerium so lethargisch arbeitet wie das Landwirtschafts- und Forstwirtschaftsministerium von Etha, dann sehe ich da keine Gefahr."

„Vorsicht!", mahnte Rhôlhnd, „vielleicht lassen sie die großen Fische laufen, und knöpfen sich dafür umso lieber die Bürger vor, die ansonsten brav sind und sich nicht so gut wehren können."

Danni winkte ab. „Um jemanden zu denunzieren sind wir ganz bestimmt nicht hergekommen. Wir waren gestern bei Grollorr in der Bäckerei – es war lecker."

Rhôlhnd fasste sich kurz in seinen Rauschebart. „Dann kennt ihr meinen Onkel ja bereits."

Nina nickte gewichtig. „Ihr Onkel ist sehr vielseitig. Er nimmt nicht nur selbstgebackene Torten in Zahlung, sondern vermittelt auch Jagdgelegenheiten an vermögende Touristen … für Ihren anderen Onkel."

„Ihr meint Primhhd", sagte Rhôlhnd gedehnt. „Ja, wir helfen schon einander, aber Primhhd ist ein ziemlicher Einzelgänger. Ich hab ihn schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Ich verstehe nicht, wie man in so einer Ruine hoch droben auf dem Berg hausen kann – mit diesen Khanivs."

„Es handelte sich um Vornskrs vom Planeten Myrkr", berichtigte ihn Danni, und dann erzählte sie ihm, was oben in der Felsruine vorgefallen war. „Wie es aussieht, haben die Yuuzhan Vong Ihren Onkel dazu benutzt, um sich mit den Vornskr-Fellen eine Tarnung in der Macht zu verschaffen – eine Art Machtnormalitätsschleier, so dass sie auch Jedi unter die Augen treten können, ohne dass diese Verdacht schöpfen."

„Und diese gelegentlichen Aufträge für Jagden für Touristen, die er über die Grollorr-Bäckerei einfädeln ließ, waren lediglich Tarnung, damit seine Kollaboration mit dem Feind nicht so schnell aufflog", ergänzte Finn.

Rhôlhnd ließ ein bitteres Lachen hören. „Das passt leider zu meiner Sippe. Weiß Grollorr das jetzt?"

Nina nickte. „Ich glaube, von den Westen hatte Ihr Onkel keine Ahnung, oder?"

Rhôlhnd zuckte stumm mit den Schultern.

„Er wirkte auf mich nicht, als ob er in der Sache noch etwas vor uns verbarg", ergänzte Finn. „Die Sache mit dem Villip schien ihn wahrhaft überrascht zu haben." Er schaute kurz zu Danni und auch diese nickte.

„Wie dem auch sei", nahm Nina den ersten Faden wieder auf, „Grollorr weiß jetzt auch, dass sein Cousin von seinen Auftraggebern kaltblütig ermordet wurde."

Rhôlhnds und Zorias Silhouetten zuckten zusammen und froren für einen Moment ein.

„Hier auf Etha?", fand Rhôlhnd zuerst seine Sprache wieder.

Nina nickte langsam. „Es war ein vergifteter Pfeil, der wie aus dem Nichts geflogen kam. Und so etwas wird allen Kollaborateuren über kurz oder lang bevorstehen, denn für mein Volk sind sie lediglich nützliche Idioten."

„Ich muss mal kurz ins Bad", sagte Zoria, stand zusammen mit Hikary von ihrem Stuhl auf und ging damit zuerst an Danni vorbei, dann trat sie auf die junge Prinzessin zu. „Würdest du sie die paar Minuten mal halten?"

Zögerlich nahm Kaye das Bündel halb Mensch, halb Yuuzhan Vong in die Arme. Hikary gluckste, dann streckt sie die kleinen Ärmchen nach Kayes blonden Schläfensträhnen aus, die ihr über die Schulter hingen. Aus irgendeinem Grund ärgerte es Kaye, dass der Säugling fast dieselbe Haarfarbe hatte wie sie selbst, nur einen Tick heller. Hikary zog an der Strähne und die junge Prinzessin versteifte sich, als ihre Haarwurzeln zu schmerzen begannen. Das fängt ja schon früh an. Aber besser, sie beschäftigt sich mit meinen Haaren, als mit

Als Zoria wieder von ihrem Toilettengang zurückkam, stand Kaye sofort von ihrem Stuhl auf und hielt Hikary der Mutter wieder hin. Kayes ehemalige Gouvernante musste eine kleine Hand mit winzigen schwarzen Fingernägeln von Kayes Brust entfernen, bevor sie mit ihrer Tochter wieder zurück an ihren Platz gehen konnte.

„Das machen Säuglinge bei allen Frauen", sagte sie entschuldigend zu Kaye. „Es ist ein Reflex." Dann legte sie Hikary unter einem Tuch an ihre Brust und die Kleine begann zu trinken.

„Wir könnten nach dem Teekränzchen raus in den Garten gehen", schlug Rhôlhnd vor. „Die Quamben hinter dem Haus haben gerade ihre höchste Reifephase und vielleicht möchtet ihr einige Früchte mit ins Hotel nehmen."

Finn lächelte breit. „Wenn sie so gut schmecken wie der Kuchen, gerne."

Sie gingen hinter das Haus und begutachteten die grünblättrigen Ranken an der Hauswand, zwischen denen ca. 15 cm lange, strahlendgelbe Früchte hingen, deren eine Hälfte, die am Stiel hing, dünner war als die untere. Ein ca. vier mal vier Meter großes Stück der Wand war mit dem Rankenteppich bedeckt, wobei ein Fenster ausgespart blieb, um das herum die Triebe sorgfältig beschnitten waren, doch die rechte, untere Ecke des berankten Quadrats war leer von den gelben Früchten.

„Das ist seltsam", stellte Rhôlhnd fest. „Gestern waren alle Früchte noch gleichmäßig verteilt – wir scheinen über Nacht einen Quambenräuber im Garten gehabt zu haben."

Zoria untersuchte kritisch das leere Viertel. „Hoffentlich hat er nur die reifen mitgenommen."

„Ganz ehrlich?", Rhôlhnd stemmte energisch die Arme in die breiten Hüften, „ich wünsche dem Kerl, dass er ein paar Unreife erwischt hat! Ich hatte Onkel Grollorr für diese Woche neben den üblichen Laiben Wurzelbrot noch drei von deinen Quambentorten zugesagt. Wie sollen wir das schaffen, wenn unsere Gäste auch noch Quamben mitnehmen wollen?"

Nina winkte ab. „Wir werden nicht viele mitnehmen, keine Sorge."

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Zur selben Zeit auf Yavin IV in den landwirtschaftlichen Einrichtungen des Damuteks der Gestalter

Am Abend des dritten Tages seiner Teamarbeit mit Uunu auf Yavin IV erzählte Bail Lars der Beschämten nach getaner Arbeit von den Welten, auf denen er bereits gewesen war, und von den erstaunlichen Dingen, die es dort gab.

„Es ist schwer für mich, mir all die Welten dieser Galaxis vorzustellen", gestand sie ihm. „Ich stamme von einem der ärmsten Weltschiffe unseres Volkes. Es gab kaum Platz und wir lebten so eng zusammengedrängt. Hier auf dieser Welt jedoch gibt es Platz im Überfluss."

„Es gibt in dieser Galaxis viele unbewohnte, doch bewohnbare Planeten", sagte Bail. „Die Neue Republik hätte Ihnen gern davon Lebensraum zur Verfügung gestellt."

„Seit wann bist du ein Gesandter der Neuen Republik, um das zu wissen?", fauchte sie ihn an. „Und warum überhaupt sollten wir Yuuzhan Vong um etwas bitten, das uns die Götter ohnehin als neue Heimat bestimmt haben?"

„Ich mag kein offizieller Gesandter der Neuen Republik sein, doch kennen Sie im Gegenzug den Willen Ihrer Götter so genau?"

„Dein loses Mundwerk wird schon bald dein Verderben werden, wenn du so weiter machst, Bail!", drohte sie, doch kannte er sie bereits genug, um zu wissen, dass es eher fürsorglich gemeint war.

„Ich möchte nur verstehen", erwiderte er bescheiden. „Warum jetzt? Warum diese Galaxis?"

Falten der Besorgnis bildeten sich auf ihrer ansonsten glatten Stirn. „Es gab Zeichen", sagte sie leiser als vorher, „Die Weltschiffe begannen abzusterben, es gab Unruhen, Kämpfe zwischen den Kasten. Viele glaubten, die Götter hätten uns verlassen, aber dann erkannte Lord Shimrra in einer Vision diese Galaxis als unser neues Heim. Die Priester erkannten seine Weisheit als erste und später folgten ihnen die Gestalter und Verwalter, schlussendlich die Krieger. Und so …", sie überlegte etwas, „… sind wir hier."

„Und die Beschämten? Sie haben Ihre eigene Kaste gar nicht erwähnt", bohrte der Sklave nach. „Wie passen sie ins Bild?"

„Uns wurde Erlösung versprochen und das ist mir vorerst genug. Spätestens, wenn diese Galaxis vollständig erobert und unterworfen wurde, werden die Beschämten für ihre Geduld und Zuarbeit wie unserer Schimmererernte eben belohnt werden."

Er lächelte rätselhaft. „Nun, dann kann es ja nicht mehr lange dauern."

Uunu sah ihn lange an. Unmöglich, dass sie die Ironie in seinen Worten nicht bemerkt hatte. Dann senkte sie den Blick und sprach so leise, wie sie noch nie mit ihm gesprochen hatte. „Bail Lars, bist du ein Jeedai?"

„Wie bitte?"

„Die Frage ist ganz einfach, Bail Lars. Bist du ein Jeedai?"

„Und wenn, würde das für Sie irgendetwas ändern, außer, dass ein Verwalter Sie kurz für Ihre Aufmerksamkeit loben wird, einen aufgespürt zu haben?"

Sie nickte wehmütig. „Nur die Götter können meinen Status ändern. Ich glaube an ihre Macht, doch habe ich von noch niemandem gehört, dem plötzlich Implantate ordentlich anwuchsen, weil er einen Jeedai enttarnt hätte, im Gegenteil."

„Im Gegenteil?"

„Es geht das Gerücht um, dass sich ein beschämter Krieger mit einem Jeedai zusammengetan hat, um sich zu rächen. Aber er wird versagen – genau wie der Jeedai."

Lebhaftigkeit kam in Lars' Blick. „Hieß er zufällig Rapuul?"

„Du meinst Vua Rapuung", korrigierte ihn Uunu. „Der ist völlig verrückt. Einst war er ein großer Krieger, dann faulten ihm seine Implantate ab und seitdem ist er nichts mehr. Das kann er nicht ertragen und deshalb erfindet er Lügen, die er vielleicht sogar glaubt."

„Lügen?"

„Er behauptet, eine Gestalterin hätte ihm das angetan, weil er sie in ihrer Liebe zurückwies."

„Unerwiderte Liebe ist ein starkes Motiv für Rache", murmelte er.

„Rache, eben das", bestätigte Uunu. „Aber so etwas geziemt einem Beschämten nicht. Beschämte müssen Demut und Gehorsam zeigen, sich nützlich erweisen. Wir verrichten Arbeit, an der sich kein Yuuzhan Vong einer ehrbaren Kaste die Hände schmutzig machen möchte. Yun-Txiin, die Göttin der Liebe, und Yun-Q'aah, der Gott des Hasses, würden niemals einen Gestalter mit einer Kriegerin verbinden. Das haben diese Zwillingsgötter aus ihren eigenen Verfehlungen gelernt, für die sie bereits genügend bestraft wurden. Sie würden es nicht wagen, Yun-Yuuzhans Zorn ein weiteres Mal herauszufordern."

„Yun-Yuuzhan ist euer oberster Gott, nicht wahr?"

„Nicht unser Gott", erwiderte sie empört, „Yun-Yuuzhan ist der oberste Gott überhaupt, auch für dich; du willst es nur noch nicht annehmen."

„Kann es sein, dass Vua Rapuung von den Göttern bestraft wurde, weil er eine Liaison mit einer Gestalterin eingegangen ist?"

Sie überlegte. „Du bist raffiniert, Bail Lars. Du drehst unsere Vorstellungen so, dass sie zu deiner Theorie passen." Sie kratzte sich an der Schläfe. „Sag mal, war es nicht Vua Rapuung, der dich zum Präfekten der Felder gebracht hat? Liegt dir etwas an ihm, dass du dich so für sein Schicksal interessierst?"

„Mir liegt etwas an allen lebenden Geschöpfen."

Sie lächelte traurig. „Und jetzt klingst du wieder wie ein Jeedai."

„Kann es sein, dass Sie möchten, dass ich einer bin?"

„Sag mir, nähme ein Jeedai genauso großen Anteil am Schicksal einer Beschämten wie mir, wie am Schicksal eines Mitglieds einer höheren Kaste?"

„Jedi machen keinen Unterschied. Für sie ist jedes Leben gleich."

„Aber sie kämpfen gegen Yuuzhan Vong – sie töten uns."

„Nur wenn sie angegriffen werden."

„Es sind also keine Krieger?"

„Eher Beschützer derer, die sich nicht selbst helfen können."

„Was für eine amüsante Lüge für die, die keine Hilfe und kein Mitleid verdienen", meinte sie selbstgerecht.

„Glauben Sie, dass Sie es verdienen, eine Beschämte zu sein, oder eher die Kriegerin, die Sie sein wollen?"

„Das ist etwas ganz anderes", widersprach sie vehement. „Diese Gunst kommt von den Göttern selbst. Es ist nicht verboten, darauf zu hoffen."

Er nickte. „Dann glauben Sie, Visionen zu haben, die Ihnen etwas anderes zugestehen als anderen Beschämten? So wie Lord Shimrra diese Galaxis als eure neue Heimat erkannt hat … diese und keine andere?"

„Hör auf, das ist schädlich!" Sie konnte sich nicht erinnern, ihre Hand erhoben zu haben, und doch schwebte ihr bleicher Handteller auf einmal zwischen ihr und dem eigenwilligen Sklaven. „Wenn jeder so etwas denken würde, gäbe es nur Chaos. Aber es gibt einige Beschämte, die sagen …" Sie hielt sich kurz dieselbe Hand vor den Mund. „Ach, wie schaffst du es nur, mich an solche Dinge auch nur denken zu lassen, Ungläubiger? Ich will jetzt schlafen gehen und du solltest das auch, denn morgen wird wieder ein schwerer Arbeitstag anbrechen."

༺═────────────═༻

Mezhan Kwaad saß am Sukzessionsteich und dachte nach. Das Umdrehen der Jeedai war nicht so einfach, wie sie anfänglich gedacht hatte – bei so jungem Menschenmaterial. Manchmal hatte sich Taher'ai mustergültig verhalten und auf alle Fragen die richtige Antwort gegeben. Doch dann hatte es wieder diese Phasen der Unkontrollierbarkeit gegeben – wenn die Jeedai tobte und schrie – nicht so sehr vor Schmerzen, sondern aus reinem Trotz und Widerwillen. Was mussten sie und Nen Yim denn noch anstellen, damit die junge Jeedai endlich die Wahrheit und Herrlichkeit der Yuuzhan Vong erkannte?

Und dann war da noch Vua Rapuung, der wie ein böser Geist durch das Umland des Damuteks strich. Wieso war er überhaupt wieder hierher versetzt worden? Warum hatte er nicht auf der Garnison von Bimmiel bleiben können, um sie in dem Glauben zu lassen, sie irgendwann oder auch niemals wiederzusehen? Sie bezweifelte stark, dass es wirklich die Furcht vor den Göttern war, die ihn davon abhielt, ihr Verhältnis, das vor zwei Dekaden begonnen hatte, wiederaufleben zu lassen. Sicherlich hatte Vua Rapuung in der Zwischenzeit eine andere Frau kennengelernt, bestimmt eine Kriegerin, mit der er sich nicht verstecken musste wie mit ihr, der hochdekorierten Gestalterin. Aber niemand durfte Vua Rapuungs Liebe genießen außer ihr, Mezhan Kwaad. Doch wenn seine Liebe zu ihr abgeflaut war, dann war es nur eine Frage der Zeit, bis er ihr schmutziges Geheimnis mit anderen Yuuzhan Vong teilen und öffentlich machen würde, um sich darüber zu profilieren, wenn er ihr die alleinige Schuld dafür zuschieben würde. Mezhan Kwaad hatte nicht vor, solange zu warten, bis es dazu kommen würde.

Ein dunkler Schatten huschte am Ufer des Teiches entlang – vielleicht fünfzehn Meter entfernt. Der Schatten bückte sich, um etwas zu ergreifen. Die Meistergestalterin zuckte zusammen. Sie hatte Gerüchte gehört, Gerüchte darüber, dass Vua Rapuung auf Rachefeldzug war – dass er bereits viele Krieger getötet hatte – wegen ihr. Dass ein Jeedai bei ihm war, vielleicht, um ihr die junge Beute wieder zu entreißen. Jetzt war die perfekte Gelegenheit für Vua Rapuung, es zu vollenden. Sie war allein – aus gutem Grund. Und Vua Rapuung kannte sie und ihre Gewohnheiten gut genug. „Wer ist da?"

Der Schatten trat ein paar Schritte zurück, offenbar ebenso überrascht wie sie – oder war er ertappt worden? Als sie näher hinsah, erkannte sie, dass es sich lediglich um einen Mann niederen Ranges handeln konnte – einen nicht besonders großen dazu; er hatte sich wohl in der Abenddämmerung verlaufen. Langsam ging er rückwärts fort von ihr – Schritt für Schritt, das Gesicht tief in Demut gesenkt, so dass sie seine Züge nicht ausmachen konnte.

„Ich bitte um Verzeihung", krächzte der offenbar ziemlich junge Mann. „Ich bin niemand, nur ein Beschämter."

„Dies ist das Lager der Gestalter", erklärte sie ihm. „Du hast hier nichts verloren, Beschämter."

„Ich bitte um Entschuldigung, Erhabene. Ich wollte nur … ich hatte gehofft, dass mich der Sukzessionsteich zu einem Gebet inspirieren würde, das bei Yun-Shuno Gehör findet."

„Ich sollte dich melden, Beschämter. Hier sind nur Beschämte mit Zugangspheromonen erlaubt. Ich …"

Der Vaa-Tumor. Nur noch ein paar Tage und er würde nicht mehr in ihr sein und das schmerzte sie. Es war kein guter Schmerz. Aus irgendeinem Grund schaute der Beschämte sie an, als verstünde er ihr Leid. „Ist etwas nicht in Ordnung, Erhabene?"

„Du hast Recht. Es ist mein eigenes Leid, das mich hierher geführt hat, um in Ruhe darüber nachzudenken." Ihre Stimme wurde härter. „Geh jetzt, Beschämter. Ich möchte meine Kontemplation nicht wegen dir unterbrechen. Geh und lass mich in Frieden, vielleicht wirst auch du den Frieden finden, den du dir erhoffst. Du kannst von Glück sagen …"

Sie hielt inne, ohne den Satz zu vollenden. Selbst der Anfang war bereits Drohung genug, und häufig erwiesen sich diffuse Drohungen effektiver als klare, unverhüllte. Wenn sie jedoch ganz ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass sie den Beschämten überhaupt nicht bestrafen wollte. Genau deshalb war ihr auch kein ordentliches Satzende eingefallen.

„Danke, Erhabene. Ich wünsche Ihnen alles Gute." Der Beschämte drehte ihr den Rücken zu und ging fort, schneller, als er hergekommen, als er kurz zuvor die Schritte rückwärts gegangen war. Und plötzlich wurde Mezhan Kwaad klar, dass sie keinen Frieden mehr finden würde – zumindest nicht in dieser Nacht.

Anakin Solo wartete an jener Bootsanlegestelle, wo er mit Vua Rapuung in den Bereich des Damuteks gekommen war. Lieber wollte er genauso unstet untertauchen wie es Vua Rapuung gerade tat, anstatt noch einmal nervenaufreibende Gespräche mit der Beschämten Uunu zu führen, von denen er nicht genau wusste, wozu sie bei der offenbar verunsicherten jungen Frau führen mochten. Er wünschte ihr, dass sie jemanden zugeteilt bekam, mit dem sie ihre Quote weiterhin schaffen würde, doch jetzt hatte er seine Quote zu erfüllen – doch wer half ihm dabei? Die Gerüchtefetzen, die er in der vorangegangenen Woche über Vua Rapuung aufgeschnappt hatte, waren verstummt. Konnte es sein, dass der Krieger sang- und klanglos getötet worden war? Allein und ohne Führer würde er es nicht bis ins Allerheiligste des Damuteks zu Tahiri schaffen. Es sei denn, er nahm irgendeinen niederrangigen Gestalter als Geisel. Sogleich sah er die empörten Gesichter von Luke und Jacen vor sich und verwarf das Gedankenspiel sogleich wieder. Bei der Macht! Er war auf dem besten Wege, genauso skrupellos zu werden wie …

Jemand klopfte ihm auf die Schulter und er drehte sich ruckartig um. „Vua! Ich dachte schon …"

„Wir müssen sofort losschlagen", krächzte der Krieger heiser. „Man hat versucht, mich umzubringen. Jede Minute, die verstreicht, arbeitet gegen uns."

„Deshalb sind die Gerüchte über dich verstummt", mutmaßte Anakin.

„Zu schade, dass dein Lichtschwert kaputt ist", zischte Vua. „Wir könnten es jetzt gut gebrauchen."

Triumphierend hielt Anakin den silbernen Zylinder vor Vuas abgeschnittene Nase, den er nur zehn Minuten zuvor aus dem Sukzessionsteich gefischt hatte. Vua hatte ihm bei ihrer Ankunft versichert, dass ihn niemand dort vermuten oder aufspüren würde können, und also hatte Anakin ihn dort unauffällig versteckt – und der Krieger hatte wieder einmal Recht behalten.

Zweifel zupften an Vua Rapuungs verbitterten Mundwinkeln. „Es funktioniert wieder?"

Anakin holte den Schimmererkristall aus der Tasche, den er unauffällig vom Feld hatte mitgehen lassen. „Damit könnte es funktionieren."

„Könnte?", fragte Vua schroff.

Anakin zuckte mit den Schultern. „Eine andere Wahl haben wir nicht."

༺═────────────═༻

Am nächsten Morgen

„Adept Nen Yim?"

Die Stimme klang angenehm und riss die junge Adeptin Mezhan Kwaads aus ihren sorgenvollen Gedanken. Ihr Blick wanderte durch die dunkle Laboratoriumsgrotte, um einen jungen Mann mit dem Stirnzeichen der Domäne Qel auszumachen. Sein ebenmäßiges Gesicht zeigte die Andeutung eines höflichen Lächelns, und Nen Yim musste sich zügeln, dieses zu erwidern, da sie den Besucher nicht kannte.

„Sie kennen meinen Namen, Initiat?", fragte sie in einem reservierten bis leicht verärgerten Tonfall. „Was wollen Sie?"

Der Vaa-Tumor, der sich vor kurzem in ihrem Hirn eingenistet hatte, verursachte ihr Nadelstiche, doch hatte sie bereits gelernt, auch diesen Schmerz willkommen zu heißen, ihn niederzuzwingen, um sich davon nicht bei ihrer Arbeit stören zu lassen – und auch nicht bei diesem Gespräch.

Ihre grünen Augen fixierten den Neuankömmling, um ihn genauer zu betrachten. Er war in etwa einen halben Kopf größer als sie. Sein Kopfschmuck war respektvoll gefaltet, doch in seinem Gesicht stand eine gewisse Kühnheit und seine braunen Augen leuchteten in einer Mischung zwischen Wärme und jener Herausforderung, die einen weiterbrachte. Das brauchte er sicherlich, denn die Domäne Qel war nicht unbedingt für ihre Größe oder Bedeutsamkeit innerhalb der Gestalterkaste bekannt.

„Ich heiße Tsun", stellte er sich vor. „Meisterin Mezhan Kwaad hat mich angewiesen, Ihnen für die nächsten zwei Zyklen bei unserer glorreichen Arbeit zu helfen."

Nen Yim ließ ihren Kopfschmuck sich zu einer Art Skepsis auffalten. „Meine Meisterin erwähnte keinen Assistenten. Sie wollte selbst hierher kommen."

„Und genau deshalb hat sie mich zu Ihnen geschickt, um Ihnen mitzuteilen, dass sie sich umentschieden hat", teilte Tsun Nen Yim in einer selbstbewussten Lässigkeit mit, die ihr imponierte. „Ihr wird bald der Vaa-Tumor entfernt werden – bereits im nächsten Zyklus – und sie möchte diese letzten Perioden nutzen, um über seine Entfernung und den damit verbundenen Schmerz nachzudenken."

Nen Yim dachte darüber nach. Was war sie kleinlich, sich wegen diesem bisschen Schmerz zu ärgern, war ihr doch ein köstliches Geschenk zuteil geworden. Viel schwieriger würde es sein, den Vaa-Tumor wieder gehen zu lassen – diese einzigartige Verbindung zu Yun-Ne'Shel wieder zu verlieren.

„Ich verstehe", erwiderte sie kühl. „Sie haben mir die Mitteilung überbracht, doch erkenne ich darin keine Autorität meiner Meisterin."

In Tsuns Augen blitzte etwas Schelmisches auf. „Ihre Meisterin scheint keine Anhängerin von förmlichen Empfehlungsidentklumpen mit Siegel und Duftmarkierung zu sein – ich fand das auch ungewöhnlich."

Nen Yim wusste nichts darauf zu erwidern. Mezhan Kwaad war ihre erste und einzige Meisterin bisher und nichts an der Adeptenschaft, die sie unter ihrer Anleitung absolvierte, erschien ihr gewöhnlich, wenn sie an jene Meister und Adepten dachte, die sie unterwiesen hatten, als sie selbst noch eine einfache Initiatin gewesen war. Es war das erste Mal, dass ihre Meisterin für längere Zeit fort war, und das, ohne ihr vorab Bescheid zu geben … Und obendrein hatte sie ihr eine Vertretung geschickt, die sie ihr ebenfalls nicht angekündigt hatte. Wenn man denn einen bloßen Initiaten, der noch nicht einmal eine fünffingrige Gestalterhand erworben hatte, überhaupt so nennen konnte. Oder hatte es Mezhan Kwaad einfach an Zeit ermangelt? Aber Tsun hatte gesagt, sie wolle nachdenken und sich auf die Entfernung ihres Vaa-Tumors vorbereiten – nichts, was so eilig war, dass …

„Ich muss sagen, dass ich mich geehrt fühle", riss Tsun sie aus ihren Gedanken. Und er lächelte wieder – deutlicher dieses Mal. „Ich habe mir sehr gewünscht, Ihnen zu begegnen, Adept Nen Yim."

Wärme stieg in Nen Yim auf. Sie befahl ihrem Kopfputz, ruhig zu bleiben. „Ach?", sagte sie betont herablassend.

„Ich habe einen guten Freund von Ihnen gekannt, der mir von Ihnen erzählt hat – Yakun."

Der Name jagte Nen Yim einen Stich ins Hirn, wie es der neu implantierte Vaa-Tumor niemals vermocht hätte. Bilder flackerten vor ihrem inneren Blick auf – anfangs sehr schöne, dann wurden sie düsterer, bis sie in unendlicher Traurigkeit erloschen. Aber begonnen hatte es damals wie … nun ja, genau wie jetzt. „Yakun, sagst du? Ein Initiat aus der Domäne Kwaad auf dem Weltschiff Baanu Kor?"

Tsun nickte. „Er stellte mich Ihnen vor, als Sie sich gemeinsam um die Mernip-Zuchttümpel kümmerten."

„Das war vor seiner Häresie", murmelte Nen Yim.

„Ja", bestätigte Tsun und sein Blick wurde traurig. „Bevor sie ihn fortbrachten."

„Dann lassen Sie uns nicht weiter über ihn sprechen", erwiderte Nen Yim förmlich. „Denn er war ein Häretiker und dieses eine Mal werde ich darüber hinwegsehen, dass Sie ihn erwähnt haben."

Tsun beugte die Knie. „Ich war oft mit ihm zusammen, Adept Nin Yim, in den Tagen nach Ihrer Versetzung. Er hat oft von Ihnen gesprochen. Er wünschte sich, von Ihnen zu hören, insbesondere zum Schluss."

Sie sah ihn an und schwieg. Wieso hörte er nicht auf damit? Wollte er womöglich mehr über diese Liaison erfahren, die bereits einige Ket zurücklag? Sie schaute in seine Augen und erkannte das Mitgefühl, das Bedauern.

Kein Zweifel, er weiß es.

Sie selbst bedauerte sich und Yakun, weil Yun-Txiin und Yun-Q'ah ihnen kein langes Liebesglück beschert hatten. Weder sie noch Yakun hatten diese Trennung gewollt oder verdient. Ein Grund mehr, nicht an solche Hirngespinste zu glauben, die man gemeinhin Götter nannte.

Belek-tiu, ich wollte Sie nicht traurig stimmen", entschuldigte er sich, „Es ist nur so, dass Meisterin Mezhan Kwaad mir aufgetragen hatte, Sie darauf hinzuweisen, dass Yakun und ich uns kannten und einander vertrauten."

Eine weitere Welle von Wärme wusch über die Adeptin hinweg und spülte jegliches Misstrauen, das Nen Yim bis jetzt noch gehegt hatte, in einem Guss davon. Sie hat ihn wirklich geschickt! Das ist ihre Art, mir zu sagen, dass er um unsere Sache weiß – dass ich ihm vertrauen kann!

„Initiat Tsun", sagte sie mit so viel Festigkeit in der Stimme, wie sie eben aufbringen konnte. „Ich habe bereits darauf hingewiesen, seinen Namen nicht noch einmal zu erwähnen. Ich meine es ernst. Und jetzt zeige ich Ihnen unsere Arbeit."

Als Tsun und Nen Yim das Vivarium betraten, war der Blick der jungen Jedi unfokussiert ins Nichts gerichtet.

„Sie wirkt apathisch", stellte Tsun fest.

„So ist sie nicht immer. Und sie spricht jetzt die Sprache der Götter", erklärte Nen Yim stolz.

„Ist sie betäubt?"

Nen Yim schüttelte den Kopf. „Nicht in dem Sinn. Wir ändern ihre Erinnerungen."

„Ah, das Protokoll von Qah."

„Nein, dieses Programm ist zu primitiv", widersprach Nen Yim. „Man kann damit Klumpen neuronalen Gewebes ohne Probleme in ein Yuuzhan Vong-Hirn einpflegen, doch für das, was wir vorhaben, ist das zu wenig. Das Gehirn der Jeedai ist zu fremdartig. Wir müssen einzelne Regionen ihrer alten Erinnerungen stilllegen – und das tun wir mithilfe eines Schmerzstimulators."

„Warum die Mühe?", fragte Tsun. „Warum löschen Sie die alten Erinnerungen nicht vollständig und pflanzen ihr neue ein?"

„Weil ihre alten Erinnerungen auch jene Jeedai-Fähigkeiten beinhalten, die wir hier zu verstehen versuchen", belehrte die Adeptin den niederrangigen Initiaten. „Sie soll sie später immerhin im Dienste des Wahren Weges nutzen können."

Tsun trat etwas näher an die Membran heran, die ihn und Nen Yim vom Versuchsobjekt trennte. „Wie ich sehe, haben Sie Ihr das Narbenzeichen der Domäne Kwaad gegeben."

„Wenn Ihre Domäne fleißiger ist, dann können Sie neu gefangenen Jeedai Ihr Domänenmal geben", witzelte sie, dann wandte sie sich wieder dem Experimentalobjekt zu. „Und im Laufe der Zeit werden weitere Veränderungen dazukommen. Wir planen, ihr Gesicht zu restrukturieren – vor allem diese große, seltsame Nase."

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Die junge Jedi kam zu sich. Gerade war sie in einem Brei von Erinnerungen geschwommen, von jener Krippenmutter und dem Ritual der Namensverleihung, wo man ihr jenen süßlich, leicht faulig riechenden Von'u-Pudding zu essen gegeben hatte – ganz klein waren ihre Hände da noch gewesen, doch konnte sie sich noch gut an ihre Fingernägel erinnern – schwarz, schmal und bereits sehr scharf am Ende.

Plötzlich erwachte jene Geräuschkulisse zum Leben, die dort drüben jenseits der Membran ständig angeschaltet sein musste – und sie wurde wieder in die Gegenwart zurückgeholt. Nen Yim war nicht allein, doch statt ihrer ältlichen Meisterin hatte sie dieses Mal einen jungen Mann bei sich – einen in ihrem Alter – und sie schien sich prächtig mit ihm zu verstehen und … redete mit ihm augenscheinlich über sie. Die beiden kamen an die Membran heran und …

„Wie lautet dein Name?", fragte Nen Yim sie laut und vernehmlich.

Irgendetwas zog an ihrem Hirn – und es war nicht diese Schmerzmaschine, mit der die Yuuzhan Vong ihr normalerweise Schmerzen zufügten – oder war es eine neue Art von Schmerz, die sie nur noch nicht kannte? Die gerade jetzt an ihr ausprobiert wurde?

Die beiden Yuuzhan Vong jenseits der Membran schauten sie erwartungsvoll an. Was hatte Nen Yim eben gefragt? „Ja, Adept?"

„Wie lautet dein Name?", wiederholte Nen Yim.

„Mein Name?" Die Frage kam zu unerwartet, als dass sie gleich reagieren konnte – nach all den fremden und doch so vertraut wirkenden Bildern. War das ein Test? Und wenn ja, was wollten die beiden hören? Ja, eigentlich wusste sie es, doch setzte ihr Hirn aus, denn schon wieder zog etwas an ihm, und es waren nicht die beiden jenseits der Membran. Doch wusste sie, dass sie jetzt antworten musste. „Ja, … ähm … ich heiße …"

Der Zug in ihrem Hirn wurde stärker und ihr wurde bewusst, dass sie den Namen, der ihr auf der Zunge lag, eigentlich nicht sagen sollte, doch wusste sie auch, dass jener Name genau das war, was gerade von ihr verlangt wurde.

„Ich heiße Riina Kwaad", sagte sie gehorsam.

„Sehr gut, Riina", sagte Nen Yim stolz, weniger auf sie, sondern wohl eher, weil sie den Mann an ihrer Seite beeindrucken wollte. Sie war keine neidische Person, doch ärgerte es sie, dass diese da einen Mann neben sich hatte, den sie beeindrucken konnte, der sie augenscheinlich auch mochte, während sie hier drüben ganz alleine auf einer Art Bett lag.

Das ist ungerecht!

Und dann wandten sich Nen Yim und ihr Helfer von ihr ab. Sie schaute zu, wie die beiden Yuuzhan Vong sich die Zellkulturen oder was auch immer sie da drüben in den Regalen herumstehen hatten, anschauten und dabei vertraut miteinander redeten, und Ärger wallte in ihr hoch. Alles hier war falsch – so falsch! Sie sollte nicht hier sein, sie hätte niemals sagen sollen, dass sie Riina von der Domäne Kwaad war. Und dann war da wieder dieses Zerren an ihrem Geist. Zunächst wehrte sie sich dagegen, doch war dies die einzige Ablenkung und Sinnesstimulation, die sie im Moment bekam – und es fühlte sich vertraut an. Sie entspannte sich und ließ das Zerren zu, versuchte, ihm einen Sinn abzugewinnen – eine Erklärung.

Unbewusst rieb sie sich die Stirn, wo ihr das dreigliedrige Mal eingebrannt worden war – und das Ziehen wurde stärker, wurde zu einem Schneiden, als sich Splitter von anderen Erinnerungen in ihr Hirn bohrten – ein reißender Fluss, in welchem sie und ein Junge sich dahintreiben ließen, bis sie das Ziel erreicht hatten.

Tahiri!

Das Ziehen hatte einen Namen bekommen. Und dieser echte Name hallte tausendfach in der Echokammer ihres Kopfes wider und verdrängte jenen Namen, den man ihr zusammen mit jenem süßen Von'u-Pudding nur kurz zuvor verabreicht hatte.

Wir waren klein – hier an der Akademie, und wir folgten Träumen – Träumen, die uns zusammenbrachten, bis …

Tahiri!

Der, der sie derart rief, war ganz nah.

Anakin, ich bin hier! Und ich warte auf dich! Wann kommst du denn endlich? Wann?

Das Ziehen wurde übermächtig und jetzt konnte sie nicht länger an sich halten. Sie konnte sich nicht erinnern, vom Bett aufgesprungen zu sein, und doch war es so. Ihre Fäuste trommelten gegen die so fragil wirkende, doch scheinbar unkaputtbare durchsichtige Membran und ihre Augen glühten die Peiniger jenseits derselben an.

„Ich heiße Tahiri!", heulte sie so laut sie nur konnte. „Ich bin die Jedi Tahiri Veila!"

Erschrockene Augen – ein Paar grün und mit runden Pupillen, das andere braun und mit senkrecht geschlitzten Katzenpupillen – richteten sich auf sie. Nen Yims Gesicht verzog sich in Scham und Pein – und dann ergriff sie hektisch wieder jenen Ball des Schmerzstimulators. Eine Welle blendenden Schmerzes fegte die blonde Jedi von den Füßen und ließ sie zu Boden gehen. Wieder einmal. Aber das schmerzte sie nicht mehr so wie früher.

Anakin ist hier!

Sie konnte es deutlich fühlen. Ihr guter Freund – er kam näher.

Anakin wird mich befreien, und der Rest ist egal.

༺═────────────═༻

Dunkelheit umfing die beiden Flüchtigen, je tiefer sie durch die hohle zentrale Pfahlwurzel des Gestalterdamuteks, die diesen Teil von Yavin IV mit ihrem davon abgehenden Wurzelgeflecht anzapfte, nach unten stiegen, dabei jeden Vorsprung und jede ins Rohr hineinstehende Verästelung als Steighilfe nutzend, wenn sie nicht im freien Fall nach unten schlidderten. Die Röhre war etwa einen halben Meter breit; manchmal zog sie sich zusammen, wie um die ungewohnte Nahrung wieder nach oben zu würgen, dann wieder gab sie nach, denn andere Aufgaben waren lebenswichtiger für den Bau darüber und seine ebenso lebendigen Bewohner. Der Yuuzhan Vong und der Mensch trugen Gnullith-Atemhelfer, um sich vor dem Kohlenmonoxid zu schützen, dass hier in dieser Luft in der Wurzel reichlich vorhanden war.

Die Wurzel wurde naturgemäß enger, und Anakin klopfte die Wände ab, um Hohlräume auszumachen. Hier unten lagen die unterirdischen Höhlen der Jedi-Akademie und dort war die einzige Möglichkeit, zu verschnaufen, zu planen, und vor allem, um halbwegs normale Luft zu atmen. Endlich fühlte sich Anakins Klopfen anders an.

„Hier können wir raus", teilte er seinem Kompagnon mit.

Vua nahm ein Messer aus Yorik-Koralle und schnitt damit ein viereckiges Loch in diesen Teil der Wurzel. Sie krochen hindurch und sprangen zwei Meter in die Tiefe.

Anakin zog an dem oberen Ende des Gnullithwurms, der ihm aus dem Mund ragte, und sofort gab das Geschöpf seine Lungen wieder frei. Der junge Jedi zog das glibberige Ding aus seiner Kehle und atmete einmal tief ein und wieder aus.

„Endlich", sagte er und gab Vua den Gnullith mit dankbarem Blick wieder zurück.

Er schaute sich um. Die Räume waren noch intakt, und die Luft hier war einigermaßen atembar.

„Hier hast du die Ruhe, die du brauchst, um deine Jediwaffe zu reparieren", sagte der beschämte Krieger.

„Ich werde gleich anfangen", versicherte Anakin, „doch sag mir doch zuvor: Glaubst du wirklich, dass du die Zeichen der Schande einer Gestalterin verdankst? Dass sie dir dies antat, weil du sie zurückgewiesen hast?"

Der Krieger wich einen Schritt zurück, Misstrauen quoll ihm aus jeder Pore. „Mit wem hast du darüber gesprochen?"

„Die anderen Beschämten reden. Sie haben mich mit dir gesehen."

„Dann ist es höchste Zeit gewesen, zu verschwinden. Ja, unsere Liebe war verboten. Das wussten wir beide. Eine Zeitlang scherten wir uns nicht darum. Wir glaubten, Yun-Txiin und Yun-Q'aah, die beiden Liebenden, würden uns ihre Gunst gewähren, auch wenn der Zorn Yun-Yuuzhans drohte. So eine Liebschaft wäre nicht die erste in der Geschichte unseres Volkes, doch dann kam die Ernüchterung. Als meine Vernunft zurückkehrte, wurde mir klar, dass ich nicht gegen den Willen der Götter verstoßen durfte. Das sagte ich ihr."

„Und das gefiel ihr nicht."

„Sie meinte, es gäbe gar keine Götter und ich würde das nur vorschieben, weil ich eine andere hätte oder sie einfach nicht mehr lieben würde, doch wenn wir uns um die Liebe bemühen würden, könnte uns nichts und niemand aufhalten. Ich habe mir ihre Häresien angehört und hätte auch nichts verraten, doch so wenig wie die große Meistergestalterin Mezhan Kwaad an die Götter glaubt, so wenig glaubte sie meinen Worten. Sie wollte auf Nummer Sicher gehen. Sie ist sehr ehrgeizig – und boshaft. Sie wusste, dass wenn sie mich beschämt, sie meinen Worten die Glaubwürdigkeit nehmen würde, denn wer glaubt schon einem Beschämten?"

„Warum hat sie dich nicht einfach getötet, wenn sie als Meistergestalterin so mächtig ist?", wunderte sich Anakin. „Sie hätte dich einfach vergiften oder dir eine kurze, tödliche Krankheit anhexen können."

„Sie ist grausamer", knurrte Vua. „Sie gewährt mir nicht die Gnade des schnellen Todes, wenn sie mich vorher ausgiebig erniedrigen kann, wenn auch nur deshalb, um mich nicht mehr begehrenswert zu finden."

„Und was wirst du tun? Wirst du sie töten, wenn du sie findest?"

Er lachte wieder jenes keuchende Lachen. „Nein, diese Ehre werde ich ihr als Krieger niemals erweisen. Nicht nach alldem, was sie mir angetan hat. Nein, ich werde sie zwingen zuzugeben, dass sie es war, die mir diese Beschämung auferlegt hat. Und sie soll es vor aller Augen tun, genauso, wie sie sich davor fürchtete, von mir wegen unserer Liebe bloßgestellt zu werden."

Anakin nickte anerkennend. Was Vua Rapuung hier einforderte, war keine plumpe Rache durch eine kalte, grausame Hinrichtung, wie er zunächst befürchtet hatte. Es ging dem Krieger vielmehr um jene Art Genugtuung, Rehabilitation und Gerechtigkeit, wie sie vor jedem Gericht in der Neuen Republik Bestand und Berechtigung haben würde.

„Wenn aber alle darüber tuscheln, wieso kümmert Mezhan Kwaad das dann nicht?", wollte Anakin wissen. „Ist solche Bloßstellung nicht genug, um sie ihrer Posten zu entheben?"

„Die Beschämten sind aber nicht alle, Anakin", belehrte ihn Vua. „Und nach den hoffentlich nur zwei Tagen, die du für die Reparatur deiner Waffe brauchen wirst, werde ich allen zeigen, dass mein Wort über Mezhan Kwaads Lügen steht - weil ich kein Beschämter bin."

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Zwei Tage später

Nen Yim war dabei, die neu gewonnenen Daten in ihren Qang Qahsa einzutragen, als sich die Tür zum Laboratorium öffnete.

„Erklären Sie mir, welche Fortschritte Sie erzielt haben, Adept", verlangte Mezhan Kwaad steif und herrisch.

„Wir sind während Ihrer Abwesenheit gut vorangekommen", versuchte Nen Yim, die Meisterin vorsichtig zu beschwichtigen. Sie ahnte Ärger, Druck von oben, und sie wusste, dass das Wort „gut" etwas übertrieben war. „Ich glaube, es genügen einige kleine Veränderungen, um die Erinnerungsimplantate permanent zu machen. Als Sie zum letzten Mal hier waren, hat die Jeedai deutlich mehr Widerstand geleistet."

Mezhans Kopfranken zuckten nervös. "Wertvolle Tage – vergeudet!"

Für einen Moment dachte Nen Yim, sie sei mit dem Tadel gemeint gewesen. „Aber zumindest sind Sie hier gewesen und haben die Arbeit fortgesetzt, Adept."

Verhaltene Erleichterung stieg in Nen Yim auf, als sich die Meisterin von ihr ab und dem Vivarium zuwandte, wo die kostbare Beute saß. Die Leere, die so häufig in Taher'ais, nein in Riinas Augen saß, machte etwas Platz, das Nen Yim als Entschlossenheit im Dienst der Sache der Yuuzhan Vong identifizierte. Gut so.

„Nenn mir deinen Namen", forderte die Meisterin.

„Riina", sagte die Jeedai, sicherer als in früheren Tagen. „Ich bin Riina von der Domäne Kwaad."

Mezhan Kwaad nickte. „Sehr gut, Riina. Sag mir, woran du dich erinnerst."

„Die Ungläubigen nahmen mich als Kind gefangen, am Rand der Galaxis. Mithilfe ihrer Jeedai-Kräfte gaben sie mir ihr Aussehen und falsche Erinnerungen."

„Erscheint dir das wirklich als wahr?"

„Nicht immer", gab die Jeedai zu. „Manchmal glaube ich, jemand …" Sie keuchte und ballte die Fäuste. „… jemand anderes zu sein."

„Das ist, weil dich die Ungläubigen sehr gründlich konditioniert haben, bevor wir dich retteten. Dabei haben sie großen Schaden angerichtet."

„Ja, das fühle ich", kam es von jenseits der transparenten Scheibe zurück.

„Du wurdest mit bestimmten Fähigkeiten geboren", fuhr Mezhan Kwaad fort. „Wir müssen sichergehen, dass du sie noch beherrschst."

„Die Macht benutzen", murmelte Riina. „Ich kann nicht einmal an so etwas denken." Tränen quollen aus ihren Augenwinkeln und rannen über ihre vollen Wangen.

„Dabei helfe ich dir", sagte Mezhan und schaltete die Geräuschdurchlässigkeit zu ihrer Gefangenen ab. „Deaktivieren Sie den Schmerzstimulator", wies sie Nen Yim an.

„Das ist vielleicht noch nicht angebracht", sagte Nen Yim, sichtlich erschrocken. „Es gibt noch immer Momente, in denen sich ihre alten Erinnerungen durchsetzen. Noch ist die Veränderung nicht permanent und …"

„Die neuen Erinnerungen sind installiert, nicht wahr?", schnitt ihr Mezhan Kwaad das Wort ab. „Und sie werden die Jeedai unter Kontrolle halten. Es wird außerdem nicht lange dauern."

Weil dir die Zeit davonrennt. „Es wird sie verwirren", beharrte Nen Yim. „Und das könnte zu einem Rückschlag führen, der das gesamte Projekt …"

„Wer ist hier Meister und wer Adept?", watschte Mezhan Kwaad ihre Untergebene ab. „Stellen Sie ernsthaft meine Sachkenntnis infrage?"

Du wolltest eine Adeptin, die nicht wie die anderen angepassten Duckmäuser ist. Nen Yim beugte die Knie. „Es tut mir Leid, Meisterin. Ich wollte lediglich meine Sorgen zum Ausdruck bringen."

„Ihre Sorgen sind zur Kenntnis genommen und jetzt deaktivieren Sie den Schmerzstimulator."

Nen Yim tat wie ihr geheißen und Mezhan Kwaad zeigte der Gefangenen einen kleinen Stein, um ihn auf den Boden zu legen. „Du konntest einmal Steine mit der Kraft deines Willens heben", sagte sie zu Riina. „Das möchte ich jetzt sehen."

„Ja, Meister." Sie schloss die Augen, und ihr Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse, dann stieg der Stein hoch in die Luft.

Ein kurzes, echtes Lachen erscholl aus Mezhan Kwaads Mund. „Nen Yim, verzeichnen Sie alle Gehirnbereiche, in denen jetzt die größte Aktivität herrscht."

„Ja, Meisterin."

„Riina, du darfst den Stein jetzt wieder zurück auf den Boden legen."

„Es tut gar nicht weh", wunderte sich die Jeedai. „Ich hatte mit Schmerzen gerechnet."

„Siehst du? Deine Genesung schreitet voran", sagte Mezhan Kwaad zuversichtlich. „Schon bald wirst du dich an alle Einzelheiten deines alten Yuuzhan Vong-Lebens erinnern."

„Ich wünschte nur …" Riina stockte.

Mezhan Kwaad beugte sich vor. „Ja?"

„Ich fühle mich, als bestünde ich aus zwei verschiedenen Personen. Ich wünschte, ich wäre wieder ganz."

„Das wirst du schon bald sein", versicherte die Meisterin mit einem echten Lächeln. „Und jetzt heb noch einmal den Stein."

„Diese besonderen Fähigkeiten gehen ganz offensichtlich nicht auf einen einzelnen Hirnbereich zurück", sagte Mezhan Kwaad zu ihrer Adeptin, nachdem sie den Kommunikationskanal zum Bereich der Gefangenen wieder ausgeschaltet hatte. „Ihre Jeedai-Kräfte sind in irgendeinem lokalen Netz verteilt, dessen Struktur sich mir einfach nicht erschließen will. Ein Teil der kohärenten Gedanken stammt aus dem Frontalhirn, doch es gibt außerdem beträchtliche Aktivität im Kleinhirn."

„Vielleicht eine Verstärkung bestimmter Eigenschaften durch selektive Evolution?", warf Nen Yim ein.

„Hmmm. Ich habe auch schon von Machtnutzerdynastien gehört. Interessant", pflichtete die Meisterin ihr bei. Dann zitterte ihre Gestalterhand und sie hob sie an den Kopf. „Es wird Zeit. Ich muss den Vaa-Tumor entfernen lassen. Eine weitere bedauerliche Verzögerung."

Nen Yim sah ihre Meisterin verwundert an. „Ich dachte, Sie hätten ihn bereits entfernen lassen."

Mezhan Kwaad kniff die Augen zusammen. „Wie kommen Sie darauf?"

„Sie waren zwei Zyklen fort, Meisterin."

„Ja, Meister Yal Phaath beschäftigte mich zwei Tage lang mit sinnlosen politischen Übungen. Per Villip rief er alle Meister zu einer Versammlung, um die Verantwortungen im neuen Weltschiff zu verteilen. Ich war zu ritueller Zurückgezogenheit verdammt, zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt."

„Aber Tsun hat mir das mit dem Vaa-Tumor erzählt."

„Tsun?" Mezhans Augen verengten sich erneut. „Wer ist das?"

„Ihr Assistent", sagt Nen Yim kleinlaut. „Zumindest sagte er mir, dass Sie ihn geschickt hätten, um mich in Ihrer Abwesenheit zu unterstützen."

Mezhans Stimme wurde außerordentlich giftig. „Und dass ich fort sei, um den Vaa-Tumor entfernen zu lassen."

„Ja", bestätigte Nen Yim mit belegter Stimme. „Und er wusste so Dinge über mich. Und womit wir hier beschäftigt sind."

Mezhan Kwaad sank schlaff auf eine Sitzmatte. „Nein", seufzte sie. „Er ahnte, dass wir hier Häretisches anstellen."

„Aber woher kennt Tsun uns denn überhaupt?", fragte Nen Yim entgeistert. „Zumindest ich hab ihn noch nie zuvor gesehen."

„Doch nicht dieser Tsun, Meister Yal Phaath natürlich", ätzte die Meisterin. „Und Sie haben es ihm haarklein bestätigt. Diese seine alberne Versammlung diente nur dazu, uns zu trennen und mich beschäftigt zu halten, während er diesen hinterhältigen Vhlekin hierher geschickt hat. Jetzt hat er seine Beweise – dank Ihnen!"

Nen Yims Stimme wurde zu einem kaum wahrnehmbaren Hauch. „Nein!"

„Oh, ich fürchte doch", erklang eine befehlsgewohnte männliche Stimme von der Türmembran her.

„Halt!" Mezhan Kwaad erhob sich gebieterisch von der Matte und streckte beide Hände in Richtung des Kommandanten, mit dem dieses Projekt begonnen hatte, doch durfte es nicht durch ihn enden. „Dies ist ein Gestalter-Damutek. Sie haben nicht meine Erlaubnis, es zu betreten."

„Die brauche ich nicht mehr", erwiderte der Kommandant und blies genüsslich die Luft durch die Schlitze in seinen beiden Wangen. „Meister Yal Phaath hat mich befugt. Ich muss Sie beide verhaften und Ihre Zimmer nach Beweisen durchsuchen lassen."

„Nach Beweisen wofür?", fuhr Mezhan Kwaad ihn an. „Klagen Sie uns an! Beleidigen Sie uns nicht mit einer Verhaftung ohne Anklage!"

„Bitte sehr die Damen Gestalter. Ihnen wird Häresie zur Last gelegt", eröffnete ihnen Kommandant Tsaak Vootuh. „und unser Beweismaterial reicht aus, um Sie zu überführen."

„Ich bezweifle doch stark, dass Sie oder jemand anders überhaupt nur erahnen können, was wir hier schaffen", entgegnete die Meistergestalterin hoffärtig.

Der Kommandant blies die Luft dezidiert laut durch seine extra dafür geschaffenen Wangenschlitze nach außen. „Sie halten sich wohl für etwas Besseres, Mezhan Kwaad. Lassen Sie mich Ihnen die Geschichte des Friedensbrigadisten Imsatad erzählen …"

„Friedensbriga …, was ist das? Wieso stehlen Sie mit so etwas unsere kostbare Zeit?", fiel sie ihm herrisch ins Wort, und Nen Yim schien es, als würde ihre Meisterin gerade versuchen, etwas von genau jener kostbaren Zeit für sie beide herauszuschinden, um eine Lösung des Dilemmas zu ersinnen.

„Die Friedensbrigade sind unsere Zuarbeiter von diesen Welten, die uns die Sklaven und die Jedi bringen, darunter jene junge Jedi, an der sie jetzt schon seit Wochen herumexperimentieren … Sie erinnern sich, Mezhan Kw…."

„Ja, ich erinnere mich", fuhr sie ihm über den Mund. „Und das alles auf Befehl des Höchsten Overlords, um unseren Sieg zu vollenden!"

„Das wird sich zeigen", gab Vootuh eisig zurück. „Aber lassen Sie uns wieder über Captain Imsatad von der Friedensbrigade sprechen: Der Mann war doch wahrhaft dreist genug, um mit mir über eine Belohnung für die Übergabe jener jungen Jedi zu feilschen. Und wissen Sie, was ich mit ihm gemacht habe?"

„Es interessiert mich nicht, und Sie haben die Jeedai noch nicht einmal selbst einfangen können. Sie sollten sich was schämen!"

Der Kommandant zückte seinen Amphistab und deutete ein Durchbohren des neben ihm stehenden Subalternen von hinten an. „Das habe ich mit Captain Imsatad gemacht. Und Sie sind auch nicht viel besser als jener Ungläubige!", donnerte er. „Und jetzt kommen Sie mit, ansonsten beende ich es gleich hier und jetzt!"

Mezhan Kwaad und Nen Yim wechselten einige verzweifelte Blicke, dann setzten sich die beiden Frauen in Bewegung.

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Zur selben Zeit in Coronet, der Hauptstadt von Corellia

Viqi Shesh lächelte huldvoll in die Menge der ihrem neuen Generalgouverneur zujubelnden zumeist menschlichen Corellianer, die den Korridor säumten, durch den der neue Machthaber Corellias zusammen mit seinem hohen Gast in einem offenen Gleiter zum Ort der Verhandlungsgespräche fuhr.

„Es ist fast wie nach einer royalen Krönung, nicht wahr?", meinte der hochgewachsene Generalgouverneur zur Frau an seiner Seite.

„Ich bin bereits eine Prinzessin, aber ja, so ähnlich ist das schon", gab sie leicht von oben herab zurück.

„Gibt es denn auch hochgestellte Kuati, die richtig verheiratet sind?", fragte Thrackan die Senatorin, „oder gilt das gerade für Frauen in Ihrer Heimat generell als Makel."

„Es kommt sehr selten vor", gab Viqi etwas schmallippig zurück. „Und bisher bin ich auch noch nicht in die Verlegenheit gekommen, mir über so etwas Gedanken machen zu müssen."

Sie schaute demonstrativ von ihm weg – hinein in die sie oder nur Thrackan grüßende Menge und zehn Minuten später hatten sie ihr Ziel erreicht. Der Generalgouverneur führte seinen Gast in eine repräsentative Villa und dort in einen cremefarben gestrichenen, fein möblierten Raum, wo sogleich Stimkaf und Gebäck gereicht wurde, dann entfernten sich die livrierten Bediensteten diskret.

Viqi nippte an ihrer Tasse Stimkaf und musterte dabei über den Rand hinweg ihren Gastgeber, der bester Laune schien. „Vielleicht wäre es für den Anfang wichtig zu erwähnen, dass der Staatschef Fey'lya Ihre Wahl zum Generalgouverneur nicht unbedingt begrüßt hat und versuchte, mich von diesem Besuch abzuhalten, weil …", sie lächelte, „… Sie wissen schon …"

„Er als Bothaner hasst meine Menschenliga."

Viqi nickte energisch. „Genau. Im Prinzip wäre Fey'lya am liebsten, das corellianische System würde sich absolut neutral verhalten und deshalb die Neue Republik von der Verpflichtung entbinden, für die militärische Sicherheit Corellias gegenüber etwaigen Invasoren zuständig zu sein."

Thrackan trank ebenso etwas von seinem Stimkaf und lehnte sich in seinem bequemen, blaugepolsterten Sessel zurück. „Aber Sie konnten ihn anderweitig überzeugen."

„Ich bat ihn, zu überdenken, dass eine Neutralität Corellias zu unserem Nutzen sein würde, wenn wir einander im Falle einer Gefahr informelle Hilfsgesuche zukommen lassen würden."

Thrackan begann zu kichern. „Sie meinen wohl, ich behaupte öffentlich, Corellia sei neutral, aber heimlich helfe ich der Neuen Republik? Wenn vielleicht auch nicht so offensichtlich, so wie vor fünf Monaten über Fondor?"

Viqi stimmte in sein Kichern mit ein und neigte sich etwas zu dem ihr seitlich übereck sitzenden Gastgeber hin. „Das wäre in der Tat etwas auffällig."

„Also helfe ich Ihnen vielleicht genauso, wie die Neue Republik damals vor fünf Monaten Truppen geschickt hat, um uns vor einem eventuellen Vong-Angriff zu schützen – nämlich gar keine?"

Viqi lächelte geheimnisvoll. "Und diese Truppen waren auch gar nicht nötig gewesen."

Thrackan war wie elektrisiert. „Wie meinen Sie das, Senatorin?"

Viqis Lächeln wurde breiter. „Sagen wir einmal, ich kenne Leute, die ich davon überzeugen kann, nicht dieses, sondern stattdessen ein anderes System zu schützen – oder Truppen dorthin zu schicken."

„Und diesen Leuten haben Sie gesagt, die Fünfte Flotte weiter vor Bothawui herumdümpeln zu lassen, während sich die fünf corellianischen Welten zu Tode ängstigten, bis ich Maßnahmen ergriff, um unsere fünf corellianischen Bruderwelten Corellia, Drall, Selonia, Talus und Tralus aus der eisernen Umklammerung durch das Nichtstun der Neuen Republik, einen unberechenbaren Aggressor und nicht zuletzt von unserer eigenen Angst zu befreien?"

Vicki lachte ein unerwartet schmutziges Lachen. „Wer redet denn von der fünften Flotte? Oder von Bothawui? Mir ging es damals auch um Corellia."

Thrackan senkte halb die Augenlider und nahm noch einen Schluck Stimkaf. „Würden Sie das bitte näher erklären?"

„Ich wusste schon immer, dass Corellia nicht wie der Rest der Neuen Republik ist. Ihr System ist im Gegensatz zu anderen eigenverantwortlich und dementsprechend unabhängig und stolz."

Glanz trat in Thrackan Sal-Solos Augen. „Jetzt versuchen Sie mir zu schmeicheln."

„Corellia war schon vor Ihnen so, nur kommt es jetzt, mit Ihrer Gouverneurschaft, noch mehr zum Tragen", fuhr Viqi in etwas tiefer gelegter Stimmlage fort. „Und jetzt, mit Ihnen als Generalgouverneur, bin ich sicher, dass Sie nicht tatenlos zusehen werden, wie eine Welt nach der anderen an die Yuuzhan Vong fällt, ohne sich abzusichern …", sie ließ ihre beiden perlgleichen Zahnreihen in einem verführerischen Lächeln aufblitzen, „… mit verlässlichen Verbündeten."

„Und das will Fey'lya auf einmal sein – jetzt, nachdem ich Generalgouverneur geworden bin", gab sich der Corellianer skeptisch.

„Nicht Fey'lya, sondern ich – Kuat, um das Ganze in größerem Rahmen zu betrachten", ließ Viqi die Lothkatze Tatze für Tatze aus dem Sack. „Wenn die Neue Republik Hilfe von Corellia bekommt, dann werden wir dafür sorgen, dass sie nach Kuat fließen wird und nicht in Systeme, für die der Staatschef rein persönliche Interessen hegt. Die Menschen von Kuat hegen viele Solidaritätsgefühle gegenüber den Menschen von Corellia – und in diesem Bündnis wird diese Solidarität ihren Ausdruck finden. Wir Kuati werden mit corellianischen Ressourcen wesentlich sorgsamer umgehen, als es die Neue Republik über Fondor getan hat."

Thrackan überlegte kurz, ob der letzte Satz Viqi Sheshs eine diskrete Warnung an ihn sein könnte, Centerpoint nicht noch einmal derart ungenau abzufeuern, doch wenn er es recht bedachte, dann war es damals vor fünf Standardmonaten einzig und allein die Tollpatschigkeit des hapanischen Prinzen Isolder gewesen, der seinen Schlachtdrachen befohlen hatte, genau in Thrackans gewaltigen Energiestrahl hineinzuspringen. Niemand hatte das vorher mit ihm, Thrackan Sal-Solo, abgesprochen – Corellia war damals völlig auf sich allein gestellt gewesen und er war es, auf dem die Entscheidung gelastet hatte, also war das ein durchaus vermeidbarer Kollateralschaden gewesen, hätten die damals auf Centerpoint anwesenden Jedi gleich auf ihn gehört.

„Und mit was kann Kuat uns im Fall eines Angriffs behilflich sein?", fragte er seinen charmanten Gast.

„Drei Sternzerstörer der Resurgence-Klasse mit voller Besatzung", versprach Viqi vollmundig und nahm sich lächelnd einen Keks vom randvergoldeten Tablett, um genussvoll hineinzubeißen, „auch wenn es natürlich besser wäre, wenn ein Angriff der Yuuzhan Vong auf Kuat oder Corellia gar nicht erst stattfinden würde, weil es …", sie dehnte das nächste Wort, „… lohnendere Welten für dieses Volk gibt, nicht wahr, Generalgouverneur?"

Thrackan dachte über diese Worte nach, bevor er die Stimme senkend antwortete: „Sie erwähnten vorhin Leute, die Sie davon überzeugen könnten, Truppen dort oder dort zu platzieren."

Sie sah ihm direkt in die Augen. „Ich habe diesen Leuten vor fünf Monaten empfohlen, Corellia nicht anzugreifen."

Unwillkürlich zuckte Thrackan Sal-Solo zusammen und Viqi lachte leise. Spontan griff er an sein kurzbärtiges Kinn. „Und die Gegenleistung?"

„Ein paar nützliche Informationen …", sagte Viqi, als wäre das nichts, „… darüber, was eine Welt besonders macht, wo man leicht an Sklaven herankommt – so etwas in der Art."

„Eine vergleichsweise dürftige Gegengabe, um unsere Welten vongfrei zu halten", konstatierte Sal-Solo.

„Es gibt viele Welten, die auf ein solches Angebot nur zu begierig warten", sagte sie ähnlich leise wie er vorhin. „Und ich kann dabei nur wenige Welten in Betracht ziehen", sie senkte ihren Kopf, „aber natürlich ist es mir lieber, das mit vorwiegend von Menschen bewohnten Welten zu tun, so dass wir einander auf derselben Augenhöhe schätzen und uns aufeinander verlassen können", sie blickte ihm erneut in die dunkelbraunen Augen, „… wenn es ernst wird."

„Darf ich Sie, bevor wir gleich wie geplant die Centerpoint-Station besuchen, für heute Abend noch zum Essen einladen?"

Viqi neigte gefällig ihren Kopf zur Seite und lächelte. „Sehr gerne. Ich merke schon, dass dies kein reines Zweckbündnis werden wird."

Drei Stunden später

Das Coronet's Finest war das teuerste Restaurant in der ganzen corellianischen Hauptstadt und demzufolge waren dort nur sehr wenige Gäste vor Ort und dementsprechend gab es genügend ausnahmslos menschliche Kellner, die nur herumstanden und auf zahlende Kundschaft warteten. Thrackan Sal-Solo höchstselbst rückte Viqi einen Stuhl zurecht, so dass sie sich unkompliziert setzen konnte. Der Wein war bald kredenzt und die beiden stießen an.

„Ich werde den Staatschef darüber in Kenntnis setzen, dass Centerpoint nicht mehr funktioniert", sagte Viqi, nachdem der Kellner gegangen war, und ergriff sogleich ihr Weinglas.

„Das entspricht ja auch der Wahrheit", sagte Thrackan Sal-Solo und ergriff sein Glas ebenso.

Viqi lächelte verschwörerisch und erhob dabei ihr Glas. „Allerdings muss Fey'lya nicht unbedingt wissen, wann die Station wieder einsatzbereit ist, nachdem Ihre Techniker sie repariert haben."

Der Corellianer nickte. „Damit Fey'lya keine Forderungen an uns stellen kann – macht Sinn." Er erhob ebenso sein Glas und brachte es an ihres heran. „Und ich schätze mal, dass Sie Ihren Kontaktpersonen auf der anderen Seite dieses Konflikts ebenso wenig sagen werden, dass Centerpoint derzeit nicht einsatzbereit ist", er lächelte sie breit an, „hab ich nicht Recht?"

„Absolut!", bestätigte sie. „Denn bis die Reparaturen abgeschlossen sind, haben wir beide noch viel zu tun."

Die beiden Gläser stießen zusammen und erzeugten einen äußerst harmonisch klingenden Ton.

Die Hauptgänge bestanden aus Mounderkartoffelreis und Endwa-Fleischspießen an würziger Meiloorunsauce, und während des Essens feilten die beiden Repräsentanten ihren geheimen Bündnisplan noch etwas weiter aus.

Zwei weitere Gläser Wein und der Nachtisch wurde serviert – echter corellianischer Ryshcate – ein gelber, fluffiger Rührkuchen mit Mandeln und Rosinen. Es fiel Viqi erst beim Weggehen des Kellners auf, dass es ein anderer war als der, der ihnen die Speisen und zuvor den Wein gebracht hatte. Er war ziemlich hager, doch kaschierte die blaue Weste das recht gut. Irgendetwas an seinem Gang kam ihr bekannt vor, doch verwarf sie diesen Gedanken sogleich wieder. Der Ryshcate schmeckte wirklich ausgezeichnet, und doch brauchte Viqi für jeden Bissen länger als für gewöhnlich bei solch einem deliziösen Nachtisch, da ihre Gedanken immer wieder woandershin drifteten, um sofort wieder verdrängt zu werden.

War sicherlich nur eine rein zufällige Ähnlichkeit gewesen.

Sie lächelte Thrackan zu, dem es ebenfalls zu schmecken schien.

Aber was, wenn doch nicht?

Nein! So dreist wird er nicht sein.

Trotzdem kam es ihr auf einmal so vor, als wenn sie den ganzen Weg vom Restaurant bis zur Gästeunterkunft beobachtet werden würde.

„Thrackan", schlug sie einen sehr freundlichen Tonfall an. „Ist die Gästeunterkunft gut bewacht?"

„Ich habe zwei Gardisten und zwei CorSec-Agenten abstellen lassen, um das Haus zu bewachen; befürchten Sie unangenehmen Besuch, Senatorin?"

„Der Kellner, der uns den Ryshcate gebracht hat … ich fand, er hat sich auffällig verhalten."

„Jetzt, wo Sie es sagen: Der ist mir auch aufgefallen. Er hat Sie für einen Moment so angestarrt", er grinste, „nicht, dass ich das nicht verstehen würde, und doch …"

„… wirkte es unpassend", vollendete sie seinen Satz. „Wäre es vielleicht möglich, dass Sie …", sie senkte den Blick.

„Ich lasse die Gardisten und Agenten, wo sie sind, und eine Stunde später werden wir ein Double ins Gästehaus schicken, während Sie bei mir im Gouverneurspalast bleiben."

Sie hob den Blick und lächelte verhalten. „Das wird ein schöner Abend werden."

Während das in eine lilafarbene Telbuntracht gekleidete Double Viqi Sheshs für die Nacht ins Gästehaus der corellianischen Regierung zog und sich dort bewachen ließ, saßen Viqi Shesh und Thrackan Sal-Solo vor dem Holobildschirm und sahen die Nachrichten.

„… versicherte Staatschef Borsk Fey'lya, dass weder die Jedi noch die Neue Republik ein Interesse daran haben, die friedliche Nachschubsicherung für die Flotte der Yuuzhan Vong im Yavin-System zu stören."

„Ich habe Borsk dazu geraten, das Yavin-System aufzugeben", prahlte Viqi und erhob ihr Glas Rotwein, um mit dem Gastgeber anzustoßen, „zugunsten wichtigerer Systeme wie unserer."

„Fey'lya frisst Ihnen aus der Hand", entgegnete Thrackan fröhlich glucksend, „kann das sein, Viqi?"

„Natürlich tut er das", gurrte sie, sie stießen an und tranken.

„Dann arbeiten wir bereits besser zusammen, als ich bislang dachte", säuselte Thrackan und rückte etwas auf dem breiten Sofa an die Kuati heran.

Viqi nahm noch einen Schluck des corellianischen, feurigen Weines. „Ich fürchte, jetzt bin ich es, die nicht gleich versteht."

Thrackan stieß sein Glas erneut gegen ihres. „Weil ich es war, der den Yuuzhan Vong den Tipp gegeben hat, dass sich auf Yavin IV das Praxeum der Jedi befindet."

Viqi schloss für einen Moment die Augen. Er lügt genauso dreist wie ich vorhin, als ich ihm weisgemacht habe, ich hätte dafür gesorgt, dass die Yuuzhan Vong Corellia nicht angreifen. „Ach, haben Sie das?"

„Zumindest wirkte der diplomatische Konsul Ash'ett, dem ich vor zwei Wochen davon berichtete, ziemlich überrascht."

„Dann arbeitet dieser Ash'ett sehr effizient, wenn der Angriff der Yuuzhan Vong so schnell erfolgte", schlussfolgerte Viqi und nahm noch einen Schluck Wein.

Sie hielt es nicht für angebracht, den Corellianer darüber zu informieren, dass sie bereits vor einem Monat Tsavong Lah ebendiese brisante Information hatte zukommen lassen. Und wer konnte schon wissen, ob dieser Ash'ett das vielleicht wirklich noch nicht gewusst hatte, weil der Kriegsmeister der Yuuzhan Vong, so wie sie ihn einschätzte, nicht unbedingt eine leutselige Plaudertasche war. Aber zumindest hatte Thrackan, so geltungssüchtig und großspurig er auch sein mochte, ihr bisher noch kein Geheimnis verraten, so dass sie den Eindruck gewonnen hätte, er würde Dritten gegenüber auch Sachen ausplaudern, die ihr persönlich schaden würden.

Thrackans Komlink summte. „Entschuldigen Sie, ich bin gleich wieder zurück."

Corellias Machthaber erhob sich vom Sofa und ging in einen Nebenraum. Sofort zog Viqi ihre Stilettos aus und folgte ihm auf leisen Sohlen zur Tür, kaum dass er diese von außen geschlossen hatte.

„Darjeelai, das geht jetzt nicht …", hörte Viqi Thrackan reden, dann folgte eine hohe Stimme, die auf eine enttäuschte Frau hindeutete.

„Ja, ich weiß, dass ich dir versprochen hatte, heute Abend mit dir ins Holotheater zu gehen, aber die politischen Verhandlungen und Gespräche mit meinem Gast von der Neuen Republik ziehen sich noch hin. Du hast vielleicht vom Angriff der Vong auf Yavin IV gehört – das ist eine völlig neue Situation für die gesamte Galaxis. Wenn der Waffenstillstand zwischen der Neuen Republik und den Vong in Gefahr gerät, dann hat das auch auf uns …"

Wieder empörte Gegenrede.

„Ja, ich weiß, dass dich Politik nicht sonderlich interessiert, Darjeelai. Wir werden das nachholen, das verspreche ich dir."

Die Empörung in der Frauenstimme schwoll in unverhüllte Wut an, kippte ins Weinen.

Klick!

Das Gezeter und Weinen brach urplötzlich ab und Viqi schlich sich wieder lautlos vor die Holokonsole, ließ sich auf die Couch sinken und zog wieder ihre lilafarbenen Stilettos an, die hervorragend mit den gleichfarbigen Biesen ihres oben und unten züchtig geschlossenen schwarzen Kleides harmonierten.

Sie hatte gerade den zweiten hochhackigen Schuh über den Fuß gezogen, als sich die Tür zum Wohnzimmer wieder öffnete und ein über das ganze Gesicht strahlender Thrackan Sal-Solo zurückkam.

„Na, alles im Lack?" empfing sie ihn.

Er strahlte noch mehr. „Könnte nicht besser sein."

Er ließ sich neben ihr auf die Couch fallen und legte seinen Arm um Viqis Schultern. Sie schmiegte sich sogleich in die Berührung von hinten. „Haben Sie eigentlich schon etwas von Ihrem Cousin Han und dessen Frau gehört?"

Er fasste sich mit der anderen Hand an seinen sorgfältig auf ca. zwei Zentimeter gestutzten Vollbart. „Leider nein."

Sie setzte eine bedauernde Miene auf. „Ich leider auch nicht. Und das, obwohl ich und Leia auf Duro doch so gut zusammengearbeitet haben."

Thrackan grinste. „Davon höre ich das erste Mal."

Viqi gab sich empört. „Jetzt sagen Sie nicht, Sie hätten unseren gemeinsamen SELCORE-Werbespot nicht gesehen?!"

Er ließ seinen Bart los und hob arrogant sein Kinn. „Wer hat das nicht? Und man weiß ja, was man von so Werbespots zu halten hat."

Mit diesen Worten hob er sein Glas vom Couchtisch und schob es auf sie zu. Viqi erwiderte die Geste und stieß zum – wievielten? – Mal mit ihm an. „Sie haben ja so Recht, Generalgouverneur. Aber hier sitzt die reale Viqi vor ihnen, und diese Viqi bittet Sie, ihr sofort Bescheid zu geben, sollten sich Han und seine Frau in die alte Heimat begeben."

Thrackan hob eine Braue. „Warum sollten sie?"

„Leia ist auf Duro während ihrer Flucht schwer verletzt worden und benötigt wahrscheinlich medizinische Hilfe, ansonsten wären sie und Han schon viel eher wieder aufgetaucht."

Sein Arm um ihre Schulter wurde fordernder. „Was immer die Senatorin wünscht. Sobald die beiden hier auftauchen, werden Sie die erste sein, die davon erfährt."

„Gut, sehr gut", lobte Viqi ihren Gastgeber. „Dann werde ich für Verstärkung sorgen, falls gewünscht", versprach sie.

„Das ist mir sogar lieber, denn ich glaube, mein Cousin würde es merken, wenn meine Truppen gegen ihn und seine Frau vorgehen würden. Er hegt, wie Sie vielleicht wissen, noch einen gewissen Groll gegen mich."

„Viel Feind, viel Ehr." Sie ließ ihren Kopf gegen seine Schulter sinken. „Es gibt doch hier sicherlich noch einen bequemeren Ort als diese Couch."

„Ja, natürlich, Prinzessin aus dem Hause Kuat von Kuat."

Mit diesen Worten stellte er sein Glas Wein ab und hob sie mit beiden Armen vom Sofa hoch, um sie hinüber ins Schlafzimmer zu tragen – und Viqi ließ es geschehen. Die Holonet-News im Wohnzimmer ließ er dabei einfach weiterlaufen.

Viqi Shesh hatte auch nichts dagegen, dass der neue Generalgouverneur von Corellia sie nach und nach ihrer Kleidung entledigte – mit ausgedehnten Zärtlichkeitspausen dazwischen, die sie noch mehr antörnten. Für gewöhnlich bevorzugte sie Männer, die vom Alter her ihre Söhne sein könnten, doch es gab Ausnahmen. Thrackan Sal-Solo mochte nicht ganz so intelligent sein wie sie selbst, doch war er attraktiv genug, um ihr für eine gewisse Zeit Vergnügen zu bereiten. Wenn er darüber hinaus seine politischen Versprechen ihr gegenüber erfüllte – umso besser. Morgen stand die Besichtigung der Fabriken von Corellian Engineering Corporation auf dem Programm – für den Fall, dass ihre Heimatwelt Kuat später ebenso diskrete Hilfe stiller Partner in Anspruch nehmen würde, um bestimmten Bedrohungen zu widerstehen.

Doch jetzt wollte Viqi einfach nur dem Drängen ihres Gastgebers nachgeben – und ihrem eigenen. Der Corellianer würde eine angenehme Überbrückung abgeben, bis sie dem Kriegsmeister des Feindes live und in Farbe gegenübertreten würde. Leia Organa Solo und ihr Ehemann würden sich sicherlich angewidert schütteln, würden sie denn erfahren, mit wem sich Viqi Shesh gerade vergnügte.

Und – hey – Thrackan Sal-Solo hatte gerade eben eine Frau für sie versetzt, die ihm ansonsten sehr nahezustehen schien.

Konnte es ein schöneres Aphrodisiakum für diese eine Nacht geben?


Note der Autorin: Auch in diesem Kapitel gibt es wieder jede Menge Begebenheiten aus „Star Wars - Das Erbe der Jediritter", Bd. 7 „Anakin und die Yuuzhan Vong" von Greg Keyes (2004), und es gibt den zweiten Teil meines Sequels zur Geschichte von Userin Anne-Rose von fanfiktion. de „(2) Reise durch die Welt – Afrika (N)", Kapitel 1 „Fremde Welt" aus der ich mir mit freundlicher Genehmigung der Autorin ihren Charakter Rhôlhnd und dessen Heimatwelt Etha ausgeborgt habe.