Am Abend stellten sie fest, dass sie, obwohl es erst der erste Schultag war, schon Unmengen an Hausaufgaben aufbekommen hatten. Auf dem Weg vom Abendessen in den Gemeinschaftsraum beschwerten James und Sirius sich darüber.

»Was habt ihr erwartet? Wir machen dieses Jahr unseren Abschluss, natürlich bekommen wir viele Aufgaben, damit wir bestmöglich auf die Prüfungen vorbereitet sind.« Lily schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen.

»Aber heute ist erst der erste Schultag! Man könnte meinen, wir würden nächste Woche unsere Prüfungen schreiben«, sagte James. Er sah die Rothaarige empört an.

»Die sind ja noch nicht mal heute Abend zu schaffen, so viel ist das!«, meckerte Sirius. Sie hatten Aufsätze für Zaubertränke und Verwandlungen aufbekommen. Für Kräuterkunde sollten sie die ersten fünf Kapitel im Buch durcharbeiten.

»Alles, was du jetzt lernst, musst du nicht später noch lernen«, sagte Hermine. Sie war der Meinung, dass es noch nicht sonderlich viel war.

»Als ob ich mich in einem halben Jahr noch daran erinnern könnte… und warum sollen wir für Wahrsagen wieder ein Traumtagebuch führen? Da muss ich mir dann wieder was ausdenken!«

»Wieso ausdenken, jeder träumt doch was…«, sagte Hermine. »Was ist dabei, das kurz aufzuschreiben.« Sie zuckte kurz mit den Schultern.

»Ich könnte aufschreiben, dass ich von dir träume, Jean.« Sirius zwinkerte und lehnte sich zu ihr herüber, sodass ihre Schultern sich beim Gehen berührten.

»Du sollst dir nichts ausdenken«, antwortete Hermine kopfschüttelnd.

»Aber ich träume wirklich von dir, Jean. Willst du wissen, was ich heute Nacht geträumt habe? Du und ich waren –«

Hermine unterbrach ihn. »Stopp! Das will ich nicht wissen!«

»Aber wieso, es war wirklich schön! Wir –«

»Sirius!« Hermine war inzwischen wieder rot geworden und brachte mehr Abstand zwischen sich und den Schwarzhaarigen.

»Bring sie doch nicht so in Verlegenheit«, sagte James und schlug seinem Freund auf den Rücken.

»Stimmt. Ich erzähle es dir, wenn wir mal alleine sind.« Sirius zwinkerte ihr noch mal zu und ließ sie dann vorerst in Ruhe.

»Sirius scheint auf dich zu stehen«, flüsterte Alice Hermine zu.

»Er kennt mich doch gar nicht«, sagte Hermine und hoffte, dass Alice falsch lag und Sirius es nur tat, weil sie neu war.

»Er hat schon lange nicht mehr so offensiv mit jemandem geflirtet«, erklärte Alice und sah ihm nach, als die Jungs zum Sprint ansetzten und sich durch den Flur jagten.

»Vielleicht macht er es auch nur, weil sie seinen Ruf nicht kennt«, warf Lily ein.

»Glaube ich nicht. Ist dir aufgefallen, wie viele Fünftklässlerinnen ihn dieses Jahr immer noch anhimmeln? Er bräuchte wahrscheinlich nur mit dem Finger schnipsen, wenn er nur seinen Spaß will. Er macht es aber nicht, stattdessen hängt er nur in deiner Nähe rum, Jean.«

»Nein, es ist wahrscheinlich wie Lily sagt, ich bin einfach die Neue. Und ich bin ja auch erst drei Tage hier…«, sagte Hermine und hoffte, dass Lily recht hatte.

»Er steht auf dich, da bin ich mir sicher«, bekräftigte Alice noch mal.

»Nein, er hat einfach Spaß daran. Mehr nicht. Schließlich reden wir hier von Sirius.«

Alice prustete los. »Du klingst, als würdest du ihn schon ewig kennen. Da hat Lily dir ja einen feinen Floh ins Ohr gesetzt. Ich hab doch heute Morgen schon gesagt, dass Lily ihn falsch einschätzt.«

Hermine wurde wieder rot. Jetzt hätte sie sich erneut fast verplappert. Sie musste wirklich besser aufpassen! Wie gut, dass Alice es auf Lilys Einfluss schob.

»Wenn's nur um Spaß ginge, dann hätte er doch schon damit aufgehört. James hat dich am ersten Abend doch auch belagert. Er hat aber damit aufgehört, Sirius nicht«, erklärte Alice.

»James ist ja auch nicht so wie Sirius«, sagte Lily und schlug sich dann die Hand vor den Mund.

»Ach wirklich?« Alice grinste. »Jetzt wird's interessant.« Sie zwinkerte Hermine zu. »Erzähl mir mehr, Lily.«

»Du weißt doch, wie ich das meine.« Lily versuchte Alice abzuwimmeln.

»Nein, du hast immer gesagt, dass sie gleich wären. Und, ich zitiere: sich da wirklich zwei Idioten gefunden hätten.«

»Ja, zwei Idioten. Ich habe nie gesagt, dass sie gleich sind«, verteidigte Lily sich.

»Doch letztes Jahr, als ich dir schon mal erzählt habe, dass James auf dich steht. Du hast gesagt 'Bloß nicht! Der ist doch genauso wie Black!'«

»Das hab ich aber nicht SO gemeint!«

»Wie denn dann?«

Lily winkte ab. »Du drehst mir doch sowieso wieder das Wort im Mund um. Ich will nichts von ihm und fertig.«

»Sirius hat mir gesagt, dass James seit der fünften Klasse in dich verliebt ist«, warf Hermine ein.

»Schön für ihn. Ich aber nicht in ihn«, sagte Lily schnippisch.

»Hey, ich hab nur Informationen weitergegeben« Hermine lachte und hob beide Hände zum Zeichen des Friedens.

Lily sah sie hinterhältig grinsend an. »Ich wünsche dir morgen Abend viel Spaß beim Sternegucken mit Sirius!«

Hermine verdrehte die Augen und Alice brach in schallendes Gelächter aus. Als sie sich beruhigt hatte, grinste sie die beiden anderen an. »Ich seh es schon vor mir, ihr beide beim ersten Hogsmeade-Wochenende mit James und Sirius auf einem Doppeldate.«

»Nein!«, sagten Lily und Hermine gleichzeitig.

Sie bogen um die letzte Ecke und sahen das Porträt der Fetten Dame vor sich. James und Sirius standen davor und hatten anscheinend auf sie gewartet.

Alice hakte sich bei Lily und Hermine ein. »Wisst ihr was? Das wird ein richtig gutes Jahr. Ich fühl das!«

»Klar wird das ein gutes Jahr, schon alleine, weil es das Letzte ist und wir danach nicht mehr wiederkommen!«, sagte James, als die Mädchen näher gekommen waren.

»Wie findest du eigentlich Doppeldates, James?«, fragte Alice und machte sich schnell von Lily und Hermine los. Die Schulsprecherin hatte schon ausgeholt und wollte Alice in die Seite piksen. Die konnte aber schnell genug ausweichen.

James sah Alice irritiert an und Sirius fragte: »Wer will denn auf ein Doppeldate?«

»Niemand!«, sagte Lily.

Alice schlüpfte lachend durch das Porträtloch und Hermine schüttelte im Vorbeigehen den Kopf. »Frag nicht.«

Alice saß grinsend auf einem der roten Sofas, als die anderen näher kamen.

Hermine sah sie warnend an, was aber gar nicht nötig gewesen wäre, denn Sirius ließ nicht locker. »Also ich gehe gerne mit dir auf ein Date. Und wenn's ein Doppeldate sein soll, nehmen wir James und Lily mit.«

Das brach bei Alice alle Dämme und sie rutschte lachend und sich den Bauch haltend auf den Boden.

»Ich glaube, ich versteh den Witz nicht«, sagte James zu Sirius. Der zuckte nur mit den Schultern.

Lily sah Alice böse an und Hermine wäre am liebsten im Boden versunken. Alice kamen inzwischen die Tränen vor Lachen.

»Ich bedaure es jetzt schon, dass Frank nicht mehr hier ist…«, sagte Lily zweifelnd. »Du warst letztes Jahr viel weniger am Leben anderer interessiert.«

»Dann ist ja gut, dass ich jetzt viel mehr Zeit dazu habe«, japste Alice und zog sich wieder auf das Sofa. Sie wischte sich über das Gesicht, um die Tränen zu beseitigen, konnte ihr Grinsen aber immer noch nicht verstecken.

»Und, wie sieht's aus? Gehen wir auf ein Date?«, fragte Sirius und stupste Hermine an.

Alice wollte schon den Mund öffnen, um begeistert ihre Meinung zu äußern, fing sich aber einen Tritt auf den Fuß von Lily ein. Alice zog es daraufhin vor, ihren Kommentar für sich zu behalten.

»Ich gehe auf gar kein Date, schon gar nicht auf ein Doppeldate«, sagte Hermine resolut.

Sirius sah ein bisschen enttäuscht aus, setzte dann aber ein Grinsen auf. »Ich frag dich noch mal, wenn du mich ein bisschen besser kennst.«

»Ich glaube, ich werde schon mal mit dem Aufsatz für Verwandlung anfangen. Noch ist alles frisch im Gehirn«, sagte Lily. Sie wollte unbedingt das Thema wechseln. Nicht nur Hermine war es unangenehm, auch ihr.

»Gute Idee. Und wollen wir in Zaubertränke zu viert ein Projekt machen oder in zweier Teams? Oder will Sirius wieder zu James, Remus und Peter an den Tisch?«, fragte Alice.

»Ich bin ganz zufrieden, so wie es ist«, sagte Sirius.

»Du wirst dann aber auch deinen Teil dazu beitragen. Wir arbeiten nicht für dich mit«, warnte Lily.

»Dann zu viert, oder? Wir müssen uns dann nur über ein Thema einig werden.« Hermine schlug das schnell vor, weil sie Angst davor hatte, zu viel Zeit mit Sirius alleine verbringen zu müssen.

»Warum macht sich nicht jeder Gedanken darüber und dann besprechen wir das am Freitag nach der Zaubertränkestunde?« Lily sah die anderen drei abwartend an.

»Damit bin ich einverstanden«, sagte Sirius und danach war es beschlossene Sache. Lily, Alice und Hermine schnappten sich dann ihre Bücher und ging in die Bibliothek, um an ihren Aufsätzen für Verwandlung zu arbeiten.


Am nächsten Morgen hatte Hermine als erstes Alte Runen. Diesen Unterricht hatte sie nur mit Lily und Remus zusammen. Es war entspannend, Remus war ein sehr angenehmer Lernpartner und es war schön, sich mal mit ihm unterhalten zu können, ohne dass die Chaoten dabei waren. Er war ziemlich intelligent, er schaffte es, seine Übersetzung zu vervollständigen, bevor Hermine damit fertig war. Sie kannte es nicht, dass jemand schneller war als sie.

Aber sie freute sich generell darüber, dass sie anscheinend keinen Neville oder Ron in ihrem Jahrgang hatte, denen sie unter die Arme greifen musste. Selbst Sirius und James schienen selbstständig genug, sich ihr Wissen zu erarbeiten, wenn auch murrend. Hier gab es niemanden, der sich darauf verließ, dass sie es schon richten würde und das machte sie tatsächlich glücklich. Sie war froh, mal nur für sich selbst und nicht für andere denken zu müssen. So machte ihr der Unterricht gleich viel mehr Spaß. Und sie freute sich sogar auf die Projektarbeit in Zaubertränke. Sie fragte sich, ob Slughorn das in ihrer Zeit immer noch so machte.

»Sag mal, hast du diese Passage hier schon übersetzt?«, fragte Lily.

»Nein, da hänge ich auch noch ein bisschen fest, aber ich glaube, Remus hat das schon«, antwortete Hermine. Sie bekam nur halb mit, dass Lily sich an Remus wandte und arbeitete verbissen an ihrer eigenen Übersetzung weiter.

Als die Stunde zu Ende war, hatte sie gerade den letzten Punkt gesetzt. Sie, Lily, Remus und eine Ravenclaw waren die Einzigen, die damit fertig waren und freuten sich, als Professor Babbling nur den Rest der Übersetzung als Hausaufgabe aufgab.

Danach ging es für sie zu Zauberkunst und dort trafen sie auch wieder auf ihre anderen Hauskameraden. Nach dem Mittagessen hatten sie noch Geschichte der Zauberei zusammen und dann hatte Hermine gemeinsam mit Lily eine Freistunde und der Rest der Bande machte sich auf den Weg zu Pflege magischer Geschöpfe. Hermine nutze diese Zeit und arbeitete die fünf Kapitel für Kräuterkunde durch, da sie morgen früh wieder Unterricht in den Gewächshäusern haben würde. Sie und Lily hatten sich vor den Kamin im Gemeinschaftsraum gesetzt und die Rothaarige las ebenfalls in ihrem Kräuterkundebuch und machte sich ab und zu Notizen. Beide bekamen gar nicht mit, wie die anderen von ihrer letzten Unterrichtseinheit kamen. Hermine schrak auf, als ihr die Augen zugehalten wurden. »Hey, was soll das?« Sie versuchte die Hände von ihren Augen zu lösen.

»Wer bin ich?«, fragte Sirius und wollte seine Stimme verstellen, was aber nicht so wirklich klappte.

»Lass mich weiterarbeiten, Sirius«, sagte sie und fasste immer noch nach seinen Händen.

Er ließ sie los und setzte sich in den Sessel neben ihrem. »Was macht ihr?«

»Kräuterkunde Hausaufgabe«, murmelte Lily abwesend und blätterte eine Seite um.

»Hab ich gestern schon gemacht«, informierte er sie und beobachtete Hermine beim Lesen. Eine ihrer Locken fiel ihr immer wieder ins Gesicht, kurz nachdem sie sie erneut zurück gestrichen hatte. Als es das nächste Mal passierte, griff er danach und klemmte sie ihr vorsichtig hinter das Ohr.

»Sirius!« Hermine zuckte zusammen und sah ihn erschrocken an.

Lily blickte kurz auf, vertiefte sich dann aber wieder in ihr Buch.

»Ich hatte den Eindruck, dich stört die Strähne.« Er zuckte mit den Schultern und sah sie weiterhin an.

»Kannst du aufhören, mich zu beobachten?«, fragte sie irritiert.

»Und was soll ich stattdessen tun?«

»Wie wärs mit Hausaufgaben?«, antwortete sie.

»Das macht aber nicht so viel Spaß, Jean.«

»Ich kann mich aber nicht konzentrieren, wenn du mich anstarrst.«

»Mache ich dich etwa nervös?«

Hermine sah ihn einfach nur eine Weile stumm an. Ja, er machte sie nervös. Aber das würde sie ihm niemals sagen. Als er nicht mehr redete und sie ebenfalls nur stumm ansah, senkte sie ihren Blick wieder auf das Buch und versuchte auszublenden, dass er neben ihr saß. Es gelang ihr mehr schlecht als recht und sie fand nicht mehr die nötige Konzentration, um weiter zu arbeiten. Sie musste die Absätze mehrmals lesen, um sie zu begreifen und am liebsten hätte sie das Buch zur Seite gelegt. Aber zum einen musste sie damit fertig werden und zum zweiten wollte sie sich vor Sirius keine Blöße geben.

James, Remus und Peter waren inzwischen in ihren Schlafsaal hoch gegangen und Alice hatte sich ebenfalls in einen Sessel gesetzt. Mary und Marlene waren nicht da. Hermine hatte den Eindruck, dass die beiden am liebsten unter sich waren. Sie bekam nicht viel von ihnen mit und im Unterricht saßen sie meistens weiter weg.

Als die Jungs wieder nach unten kamen, klappte Hermine seufzend ihr Buch zu. Ein Kapitel musste sie noch lesen, das würde sie nach dem Abendessen machen und dafür in den Schlafsaal gehen, um ihre Ruhe zu haben.

Als es Zeit wurde, in die Große Halle zu gehen, brachte sie kurz ihre Sachen nach oben und ging dann mit den anderen gemeinsam nach unten.

Das Abendessen war eine kurze Angelegenheit, weil sie schnell wieder in den Gemeinschaftsraum wollten.

Als sie auf dem Rückweg waren, verabschiedete Lily sich von ihnen und bog in einen Gang im dritten Stock ab. »Ich muss noch einmal kurz in die Bibliothek, etwas nachschlagen.«

»Kannst du eigentlich Schach spielen, Jean?«, fragte James.

»Bäh, nee.« Hermine schüttelte sich.

Sirius lachte. »Wieso 'bäh'?«

»Zauberschach ist viel zu barbarisch!«

»Die Figuren setzen sich doch am Schluss wieder zusammen«, sagte James.

»Trotzdem.«

»Na gut«, sagte James. »Dann verliere ich eben wieder gegen Remus.«

»Wenn ihr wollt, könnt ihr diesmal zusammen gegen mich spielen. Vielleicht habt ihr dann eine Chance«, bot Remus gönnerhaft an.

James und Sirius sahen sich an. »Abgemacht.«

»Aber heul nachher nicht«, schob Sirius noch nach.

»Pft, als ob.« Remus schüttelte belustigt den Kopf.

Als sie im Gemeinschaftsraum ankamen, erklärte Hermine, dass sie für Kräuterkunde noch zu Ende lesen wollte und verschwand im Schlafsaal, als Remus das Schachbrett aufbaute.

Die Stille des Zimmers war ihr sehr willkommen. Sie genoss einen Moment die Ruhe und setzte sich dann auf ihr Bett und nahm das Buch zur Hand. Es dauerte nicht lange, da war sie mit dem letzten Kapitel fertig. Es ging doch erheblich schneller, wenn sie nicht in ihrer Konzentration gestört war. Früher hatte sie auch im vollen und lärmenden Gemeinschaftsraum lesen können. Sie hatte alles um sich herum ausblenden können. Aber aus irgendeinem Grund schaffte sie es hier nicht. Sirius machte sie einfach zu nervös. Sie verstand nicht, warum das so war. Sie kannte seinen Ruf doch. Sie wusste, wie er gewesen war. Warum konnte sie das nicht an sich abprallen lassen? Es war etwas ganz anderes, es selbst zu erleben, als es nur erzählt zu bekommen. Und wenn er so weiter machte… sie wollte sich nicht ausmalen, was dann passieren würde. Sie fragte sich sowieso, warum er sich so an sie heran machte. Sie selbst hatte sich nie als sonderlich hübsch empfunden. Sie passte doch gar nicht in sein Beuteschema.

Sie schüttelte den Gedanken ab und ging dann hinunter zu den anderen.

James, Sirius und Remus waren mehr oder weniger in ihr Schachspiel vertieft. Alice und Peter saßen daneben und amüsierten sich köstlich.

Hermine setzte sich dazu und beobachtete ihre Mitschüler. Alice war so lebensfroh. Und ihr Sohn würde das komplette Gegenteil von ihr sein. Alice hatte immer einen Spruch auf den Lippen und ließ sich von niemandem unterbuttern. Ihr Sohn war schüchtern und ängstlich. Wenn man etwas Falsches zu ihm sagte, dann zog er sich zurück. Alice gab Kontra. Konnten Mutter und Sohn überhaupt so verschieden sein? Aber vielleicht hatte auch das Schicksal seiner Eltern Neville zu so einem ruhigen und verschüchterten Jungen gemacht. Alice hätte ihrem Kind bestimmt beigebracht, sich zu behaupten, wenn sie die Chance dazu gehabt hätte.

»Nicht den Springer! Lass uns den Turm nehmen«, sagte Sirius laut. Er und James besprachen sich schon während der gesamten Partie.

»Aber wir könnten seinen Turm vom Brett fegen.«

»Nein, das müssen wir gar nicht! Guck doch mal.«

»Meint ihr wirklich, dass es so klug ist, das laut zu besprechen?«, fragte Hermine lächelnd.

»Hä?«, fragte James irritiert.

»Remus kriegt doch eure ganze Strategie mit.«

»Die haben keine Strategie«, sagte Alice. »Remus hätte sie schon mehrfach mattsetzen können.«

»Quatsch! Hätte er gar nicht«, mokierte Sirius. Er warf Alice einen bösen Blick zu.

»Doch, hätte ich«, bestätigte Remus.

»Quatsch!«, sagte James.

»Los, macht euren Zug.« Danach dauerte es nicht mehr lange, bis Remus ihren König wirklich matt setzte. »Man sollte meinen, dass ihr langsam mal besser werden müsstet…« Er schüttelte grinsend den Kopf und räumte sein Brett zur Seite.

»Kann ja nicht jeder so ein Genie sein wie du!«, sagte James übertrieben und verneigte sich scherzhaft vor seinem Freund. »Oh eure heilige Hirnigkeit!«

»Hirn- was?«, fragte Alice und fing an zu lachen.

»Hirnigkeit!«, sagte James ernst.

»Was soll das den für ein Wort sein?«, fragte Lily, die gerade eben durch das Porträt geklettert war und nicht alles mitbekommen hatte.

»Jemand mit viel heiligem Hirn«, antwortete James.

»Auch noch heiligem Hirn…« Alice schüttelte den Kopf. »Ich gehe nach oben. Gute Nacht.« Sie winkte zum Abschied und verschwand die Treppe hinauf.

»Muss ich das verstehen?«, fragte Lily.

Hermine schüttelte den Kopf. »James und Sirius haben gemeinsam gegen Remus Schach gespielt. Und verloren.«

»Ah, aha.« Lily schüttelte ebenfalls den Kopf und setzte sich auf Alice' freigewordenen Platz.

»Wie war's in der Bibliothek?«, fragte James.

»Ich habe nur was für Zauberkunst nachgeschlagen.«

»War's spannend?«

»Für mich war es interessant, ja.« Lily sah ihn skeptisch an, weil sie nicht wusste, worauf James hinaus wollte.

»Schön.«

»Schön?« Lily hob fragend eine Augenbraue.

»Ich glaube, Krone versucht sich an Smalltalk mit dir«, versuchte Sirius das komische Verhalten seines Freundes zu erklären.

»Ahh…«, sagte Lily lang gezogen.

»Klappt's?«, fragte James. Er sah sie hoffnungsvoll lächelnd an.

Sirius fing an zu lachen. »Hast du den Eindruck, es würde klappen?!«

»Smalltalk ist nicht dein Ding, James«, sagte Lily und grinste ebenfalls.

»Aber dafür kann ich andere Dinge. Soll ich sie dir zeigen, Lily?«

Hermine prustete laut los.

Lily schüttelte grinsend den Kopf. »Danke, ich verzichte.«

»Gab's die Sprüche im Sonderangebot?«, fragte Hermine grinsend, als sie sich beruhigt hatte.

»Wieso?« James sah sie mit zusammen gezogenen Augenbrauen an.

»Sirius hat die auch drauf.«

»Und wie hast du drauf reagiert?«, fragte James neugierig und beugte sich ein Stück vor.

»Sie ist ganz süß rot geworden, ähnlich wie jetzt«, sagte Sirius neckend.

Hermine schloss die Augen und wünschte sich ein Loch im Boden. Wieso tat Sirius das immer? Wieso brachte er sie immer in Verlegenheit?

Sirius setzte sich auf ihre Sessellehne und legte einen Arm um ihre Schultern. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich das süß finde. Wir sollten jetzt aber mal los«, sagte er nach einem Blick auf die Uhr. Es war zwanzig vor elf und sie mussten noch hoch in den Astronomieturm.

»Ich hol nur kurz meine Sachen.« Hermine stand auf.

»Ich warte hier auf dich.« Sirius war von ihrem Sessel aufgestanden, hatte seine Tasche geschultert und sah ihr nach, als sie auf der Treppe zu den Schlafsälen verschwand. Lily erhob sich auch und wünschte den anderen eine gute Nacht.

Als Hermine wieder runter kam, kam Lily ihr entgegen. »Ich geh jetzt schlafen. Viel Spaß beim Sternegucken.«

Hermine verdrehte nur die Augen und wünschte ihr eine gute Nacht. Dann machte sie sich gemeinsam mit Sirius auf den Weg. Sie legten die Strecke zu Hermines Verwunderung schweigend zurück. Sie hatte eigentlich erwartet, dass Sirius noch irgendetwas sagen würde, das sie wieder in Verlegenheit brachte. Aber er hielt sich zurück, ihr war nicht ganz klar, warum. Gerade nach dem Gespräch im Gemeinschaftsraum.

——————————————————

Nächstes Kapitel:

Das ist kein 'ja'