Der Spiegel Nerhegeb

Weihnachten stand vor der Tür. Eines Morgens Mitte Dezember wachte Hogwarts auf und sah sich ellendick in Schnee gehüllt. Der See fror zu und die Weasley-Zwillinge wurden bestraft, weil sie ein paar Schneebälle verhext hatten, die dann hinter Quirrell herflogen und ihm auf den Turban klatschten. Die wenigen Eulen, die sich durch die Schneestürme schlagen konnten, um die Post zu bringen, mussten von Hagrid gesundgepflegt werden, bevor sie sich auf den Rückflug machen konnten.
Sie konnten es alle kaum erwarten, dass endlich die Ferien losgingen. Während in der Großen Halle die Kaminfeuer prasselten, war es in den zugigen Korridoren eisig kalt geworden und ein beißender Wind rüttelte an den Fenstern der Klassenzimmer. Am schlimmsten war der Unterricht von Professor Snape, unten in den Kerkern, wo der Atem der Schüler sich über ihren Köpfen zu einem Nebelschleier zusammenzog und sie sich so nah wie möglich an ihre heißen Kessel setzten.

Nicht dass es in den Kerkern keine wärmenden Feuerstellen gegeben hätte, aber dieselben nicht in Betrieb zu nehmen, war ein probates Mittel, diesen Hohlköpfen die hohe Kunst des Zaubertrankbrauens zumindest räumlich nahe zu bringen.
Der Nachteil war, dass Snape selbst auch fror und seine Laune beim Unterrichten unterirdische Grade annahm. So wie es sich gehörte, um seinen mühsam erarbeiteten schlechten Ruf zu verteidigen und auszubauen.

Severus war eh merkwürdig bedrückt, seit Charity ihm eröffnet hatte, dass sie Weihnachten mit ihrem Mann in London verbringen wollte.
Einen langen, einsamen Abend auf dem Astronomieturm hatte er darüber nachgedacht, was dieses merkwürdige Gefühl zu bedeuten hatte. Schließlich war er sich sicher, dass er tatsächlich eifersüchtig war. Das erheiterte ihn. Sehr sogar.
So würde er mit Minerva, Filius, vielleicht Sibyll vorlieb nehmen müssen und den anderen.
Er vermisste die alkoholdurchtränkten Abende jetzt schon.
Die abschließende Arbeit an den beiden Zaubertränken für den Schutz des Steins würde er ebenfalls allein leisten müssen. Endlich hatten sie die zündende Idee für beide Tränke, eben als Severus dachte, es gäbe überhaupt keine Lösung für diese Herausforderung.
Allerdings musste die Basis für beide Tränke noch bis Ende Dezember ruhen. Erst danach erfolgte der Feinschliff. Severus hatte schon einen längeren Artikel für Zaubertränke zum Abgewöhnenentworfen, der ihm noch ein paar Sickel zusätzlich einbringen würde.

Dieses freudige Ereignis hatten sie mit einer ganzen Flasche Heavy Grindeloh's Premium Brandy gefeiert. Marke fröhlicher Hirntod.
Der folgende Tag war die Hölle, endete jedoch versöhnlich mit zehn Punkten Abzug für Gryffindor, nachdem Severus die Weasley-Zwillinge an der Statue von Barnabas dem Bekloppten erwischte, wie sie in Richtung Honigtopf entfleuchen wollten.
Ganz so als wäre dieser total geheime Geheimgang nicht schon zu Snapes Schulzeit allseits bekannt und beliebt gewesen. Wenn er ehrlich war, hätte er die Zwillinge für erfinderischer gehalten.

Die Große Halle war schon geschmückt worden. Ein Kitsch, der Severus ein wenig over the top war. Zwölf turmhohe Weihnachtsbäume, Girlanden aus Stechpalmen und Mistelzweigen und Minerva und Filius fochten einen Wettstreit aus, wer am meisten Farbe, am meisten Glitzer, am meisten weihnachtliches Gefühl an die Bäume zaubern konnte. Es stand unentschieden.
Heute Abend würde Severus mit Charity noch in die Winkelgasse apparieren. Sie wollte Weihnachtsgeschenke einkaufen. Severus wunderte sich, dass sie ausgerechnet für ihren Mann etwas in Lady Zenyattas Unterwäscheladen holen wollte, aber er fragte nicht weiter nach.
Am nächsten Tag würde sie mit dem Hogwarts-Express abermals noch London fahren und schreckliche zwei Wochen bleiben.
Selbst weitere fünf Punkte von Gryffindor (Ronald Weasley wollte sich mit Draco mitten im Gang prügeln), konnten ihn nicht aufheitern.
Severus war schmerzlich bewusst, warum er nähere persönliche Kontakte immer vermieden hatte. Schlimm war, dass es kaum ein Zurück gab, wenn man einmal angefangen hatte mit diesem Freundschaftskram.

Heiligabend ging Severus ohne große Vorfreude auf das Essen und den Spaß am Weihnachtstag zu Bett; Geschenke erwartete er überhaupt keine. Als er früh am nächsten Morgen erwachte, sah er als Erstes einen Stapel Päckchen am Fußende seines Bettes.
"Fröhliche Weihnachten", sagte er schläfrig zu sich selbst, als er aus dem Bett stieg und seinen Morgenmantel anzog.

Severus nahm das oberste Päckchen in die Hand. Es war mit dickem, braunem Papier umwickelt und quer darüber war Für Severus von Hagrid gekrakelt. Drinnen waren die unvermeidlichen Felsenkekse und Severus überlegte unwillkürlich und nicht zum ersten Mal, ob er auch irgendetwas Sinnvolles mit dem Gebäck anstellen könnte. Essen fiel wegen Mangel an Beteiligung und Angst um seine Zähne aus.
Als Straßenbelag waren die Kekse vielleicht zu gebrauchen.

Ein zweites Päckchen war in schottenkariertes Papier eingeschlagen. Minerva! Severus machte große Augen. Zum Vorschein kam ein schmales Büchlein.
Die siebeneinhalb Anwendungen von Single Malt bei der Herstellung von Gedächtnistränken von einem gewissen Cormack McGurgh. Der Name sagte Severus nichts und erinnerte ihn auch eher an ein Verdauungsproblem bei einer von Aberforth Dumbledores Lieblingsziegen und dennoch schlich sich ein Lächeln auf seine Züge.

Das dritte und letzte Päckchen war sehr klein und leicht. Flach und nicht halb so groß wie Severus' Handfläche. Eingeschlagen in Muggelgeschenkpapier mit gelben Sonnenblumen. Vorsichtig öffnete er das Päckchen und ein kleiner Glastropfen an einem Lederband rutschte ihm in die Hand.
Severus wusste sofort, worum es sich bei diesem Gegenstand handelte und mit einem warmen Gefühl im Bauch hielt er sich den Glastropfen dicht vors Auge und blinzelte. Sofort waren tief im Inneren zwei winzige Figürchen auszumachen, die einander gegenüber saßen. Ein Engelchen und ein Teufelchen.
Das Teufelchen gähnte und streckte sich.
Um was geht's?, blaffte es.
Nun lass ihn doch erst mal gucken, beschwichtigte das Engelchen.
Hier reinglotzen und nix wissen wollen? Ja spinn' ich denn?, grummelte Teufelchen.

Es handelte sich tatsächlich um ein Entscheiddichflott, ein seltenes magisches Artefakt, das einem helfen konnte, sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Ende des achtzehnten Jahrhunderts waren die Dinger sehr beliebt, aber leider erwiesen sich die Engelchen als ein wenig unzuverlässig und außerdem überschwemmten die Chinesen den Markt mit billigen und untauglichen Kopien, sodass echte Entscheiddichflotts sehr selten geworden waren.
Ein Zettel war mit im Päckchen. In Charitys enger, nüchterner Handschrift standen da die folgenden Worte:

Gebrauche ihn klug.
Fröhliche Weihnachten wünsche ich Dir.

Severus lachte. Das sah ihr ähnlich und nochmals schaute er in den Glastropfen.
"Soll ich mich anziehen und frühstücken gehen?", fragte er in den Tropfen.
Teufelchen feixte.
Nein, geh nackig. Minerva wird begeistert sein!
Ach, nicht doch, beruhigte Engelchen. Er kennt uns doch noch gar nicht. Hinterher nimmt er den Quatsch, den du hier verzapfst noch ernst.
Wenn er so blöd ist.
Teufelchen polierte sich die Fingernägel an seinem schmuddeligem Holzfällerhemd.
Engelchen setzte eine geschäftsmäßige Miene auf.
Du solltest was essen. Aber zieh dir vorher was an.
Prrrfffffttt, machte Teufelchen.

Vorsichtig legte Severus das Entscheiddichflott auf seinem Nachttisch ab und machte sich auf den Weg ins Bad.

Das Weihnachtsmahl war völlig übertrieben wie jedes Jahr. Albus hatte seinen spitzen Zaubererhut gegen eine geblümte Pudelmütze eingetauscht und wollte sich über die uralten Witze ausschütten, die Filius Flitwick erzählte.
Severus war nicht ganz so genervt wie die Jahre zuvor. Er hätte es nicht zugegeben, aber es war ganz lustig und das nicht erst als Minerva unter ihrem leicht verrutschten Hut heftig errötete, als Hagrid sie enthusiastisch auf die Wange küsste.
Quirrell war nicht da. Ebenso wie Pomona, Charity und Septima nutzte er die Ferien um Familie zu pflegen.
Severus kam das zwar merkwürdig vor, da Quirrell seines Wissens keine lebenden Verwandten mehr hatte, aber vielleicht hatte er ja doch Gefallen an seinen neuen Vampirfreunden gefunden.
Severus feixte und dann war da wieder die Erinnerung an die Szene vor Fluffys Tür und ein beklommenes Gefühl machte sich in Severus breit. Wie immer aber, wenn er daran dachte, kam es ihm so derartig unwirklich vor und so viele Dinge waren wichtiger, dass er schnell wieder davon abkam.

Severus blieb nicht sehr lange. Als die ersten Schüler aufbrachen, kehrte auch er in seine Kerker zurück. Wenige Schüler nur waren zu Hause so wenig erwünscht, dass sie Weihnachten auf Hogwarts verbrachten, so würde sein heutiger, nächtlicher Aufsichtsdienst in den Gängen sicherlich ruhig ausfallen.
Er wollte noch ein wenig lesen. Das Buch, das er vor Beginn des Schuljahres in dem Muggelbuchladen erworben hatte, wartete auf ihn. Charity hatte gesagt, es wäre interessant ...

So ruhig war die Nachtschicht auch wieder nicht. Einmal ging ihm Argus Filch gehörig auf die Nerven, weil er unbedingt eine Möglichkeit suchte, Miss Norris mit einem Zauberspruch von ihren Würmern zu befreien. Der Trank, den Severus auch für Hagrids Menagerie braute, war wohl nicht gut genug. Angeblich wollte die Katze das bittere Gebräu nicht einnehmen, dabei war sie doch angeblich sonst so intelligent.
Dann gab ein Buch aus der Verbotenen Abteilung der Bücherei Alarm. Nicht mal an Weihnachten zeigten diese Schüler so was wie Respekt und annehmbares Benehmen. Nicht zu glauben.
Etwas halbherzig und auch vergeblich fiel die Suche nach den Taugenichtsen aus. Dabei aber fiel Snape etwas anderes auf und sehr spät in der Nacht oder eher schon am frühen Morgen, sah er noch einmal nach und tatsächlich, er hatte sich nicht geirrt.

Es sah aus wie ein nicht mehr benutztes Klassenzimmer. An der Wand entlang waren Tische und Stühle aufgestapelt und im Dunkeln konnte er auch einen umgedrehten Papierkorb erkennen. Doch an der Wand gegenüber lehnte etwas, das nicht den Eindruck machte, als ob es hierher gehörte, etwas, das aussah, als ob jemand es einfach hier abgestellt hätte, um es aus dem Weg zu schaffen.
Es war, auf zwei Klauenfüßen stehend, ein gewaltiger Spiegel, der bis zur Decke reichte und mit einem reich verziertem Goldrahmen versehen war. Oben auf dem Rahmen war eine Inschrift eingeprägt: NERHEGEB Z REH NIE DREBAZ TILT NANIEDTH CIN.

Nun, da er dort allein war, näherte Snape sich dem Spiegel, um sich darin zu sehen und doch nichts zu sehen. Sein Herz hämmerte wild. Das war tatsächlich einer dieser seltenen Spiegel, in denen man seine tiefsten Wünsche sehen konnte.
Albus hatte derartige Andeutungen gemacht, wobei Severus sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wie ein solches magisches Artefakt in der Lage sein könnte, den Stein der Weisen zu schützen. Aber das interessierte ihn in diesem Moment überhaupt nicht.

Im Spiegel waberte Nebel und Snape musste die Augen zusammenkneifen um überhaupt etwas zu erkennen, aber dann, natürlich. Eine Frau, wunderschön mit dunkelrotem Haar und ihre Augen ... — etwas anderes war nicht zu erwarten gewesen. Die Frau lächelte ihn an und winkte ihm und Snape spürte wie ihm Tränen die Wangen herabrannen.
Kurz aufblitzend sah er sich selbst als Sucher der Ballycastle Bats, wie er Autogramme schrieb und er musste lächeln. Bei Merlin, diese kindischen Ideen.
Und dann sah er noch etwas anderes. Ein dunkler, schummeriger Raum. Kaum zu erkennen. Er trat noch näher an den Spiegel, aber sobald er sich bewegte, war das Bild verschwunden. So kniete er sich vor den Spiegel und blieb ganz still und hinter der winkenden Lily, die nun braune Haare hatte und etwas kräftiger wirkte, sah er ein Feld von Sonnenblumen, die sich sanft im Wind bewegten.

Vom Rand her schritt eine hagere Gestalt in einem schwarzen Kapuzenumhang langsam auf das Sonnenblumenfeld zu und mit einer riesigen Sense begann sie, die Blumen zu mähen. Severus wollte die unheimliche Gestalt aufhalten, er wollte schreien, aber kein Ton kam über seine Lippen und Lily lächelte ihn an und legte den Finger an ihre Lippen.
So blieb ihm nichts weiter als der Gestalt zu folgen, die eine Schneise in die Blumen schlug, die vor der Tür einer Kneipe endete.

Dann sah er sich selbst in Muggelkleidung. Er sah sich die Theke sauber wischen und er dachte an Tom, den Wirt aus dem Tropfenden Kessel. Etwas schnürte ihm die Kehle zu und unwillkürlich fasste er sich an den Hals und eine Ahnung von gleißendem Schmerz überkam ihn.
Lily drehte sich um und ging davon und Severus hatte nicht den Wunsch, sie aufzuhalten. Eine schwarzhaarige, dürre Frau, trat neben das Bildnis von Snape und er sah sich selbst lächeln. Er hatte die Frau noch niemals zuvor gesehen, aber dort im Spiegel waren sie einander sehr vertraut. Eine Welle körperlichen Verlangens schwappte über Snape hinweg und ließ ihn erschrocken zurück.
Die Gestalt im Kapuzenumhang ließ ein kehliges Lachen ertönen. Die Sense hatte er umgedreht, die Klinge nach oben und mit dem Griffstück klopfte er auf den Boden. Zweimal, dreimal und die Szene änderte sich.
Er sah sich selbst mit dieser Frau an einem Strand spazieren gehen, Händchen haltend und innerlich schüttelte er sich. Der Kapuzenmann lachte und klopfte abermals und plötzlich war er nackt und die fremde Frau auch und der Kapuzenmann lachte nun brüllend.

Snape — der wirkliche Snape sprang auf die Füße und schwankte leicht. Sein Kreislauf war auf solch rüdes Verhalten nicht gefasst gewesen. Gewaltsam wandte er den Blick ab von dem Bild seiner selbst und dieser Fremden und wie sie sich auf dem Fußboden ...

Mit wehendem Umhang floh er aus dem Raum, in Richtung seiner Kerker, das Gelächter des Kapuzenmannes im Ohr. Der Spiegel war nicht gut für ihn. Dessen war er sich sicher. Zuerst stellte er sich unter die kalte Dusche, aber das konnte ihn nicht wirklich beruhigen. Er polierte seine blitzblanken Silberkessel. Dann, als der Morgen bereits graute, unternahm er einen Spaziergang über die Ländereien von Hogwarts. Im Laufschritt. Von weitem ähnelte er auf groteske Weise einer überdimensionalen Fledermaus.
Obwohl es bitterkalt war, kam er schweißgebadet in seinen Kerkern an und duschte abermals. Danach konnte er immerhin schlafen.

Den ganzen folgenden Tag, musste er an den Spiegel denken und was er ihm gezeigt hatte. Das ergab alles überhaupt keinen Sinn. Außer Lily, aber sie war gegangen. Das konnte nicht sein. Und entschlossen suchte er den Spiegel in der kommenden Nacht wieder auf.
Die Graue Dame schwebte lautlos im Gang auf und ab. Sie lächelte Severus zu, was durchaus bemerkenswert war, aber Severus hatte keinen Blick dafür. Beinahe hastig und atemlos stürmte er in den Raum und kniete sofort vor den Spiegel nieder und wieder winkte Lily ihm zu. Sie war so schön. Es nahm ihm die Luft zum Atmen.

Diesmal würde er sie festhalten. Er würde sie nicht wieder einfach so gehen lassen. Nicht nochmal. Was sollte das überhaupt bedeuten? Diese Frau in der Kneipe. Das ergab überhaupt keinen Sinn. Und als er noch so darüber nachsann, war Lily plötzlich verschwunden und er spülte wieder Gläser. Er unterdrückte den Impuls, nach ihr zu rufen. Er wusste, dass das nichts nützen würde. Das war doch nicht möglich.

Dann sah er andere Menschen. Minerva, wie sie die Rüstungen von Hogwarts zum Leben erweckte. Ihr Haar stand ihr wirr vom Kopfe ab, aber sie sah stark aus und entschlossen. Dann Lucius, schmutzig, unrasiert. Nein, das konnte nicht Lucius sein. Severus spürte sein Herz rasen, er war atemlos und er hatte Angst. Wovor?
Eine riesige Schlange kroch neben nackten Füßen einher, die durch Blut liefen ...
Nein. Nein. Er fasste sich erschrocken an den Hals. Schmerz nahm ihm die Luft zum Atmen.

Und wieder die Kneipe und die unbekannte Frau saß in einer Fensternische und las ein Buch. Er betrachtete sie mit noch immer hämmerndem Puls und beruhigte sich doch langsam. Sie trug Muggelkleidung. Eine schwarze Jeans, schwarze Bluse. Er mochte solcherart Kleidung nicht. Lily hatte immer Kleider getragen und Röcke, unter dem Umhang ...
Die Frau strich sich die Haare aus dem Gesicht und lächelte und Severus wurde ruhiger. Friedlich.

Zufrieden.

Gewaltsam riss Severus den Blick los von diesem verdammten Spiegel. Es gab Zauberer, die waren wahnsinnig geworden, nachdem sie immer und immer wieder in den Spiegel geschaut hatten. Waren dahingeschmolzen vor dem Spiegel. Hatten einfach den Verstand verloren und fluchtartig verließ Snape den Raum. Tränenblind.
Ein eisiges Gefühl schüttelte ihn als er geradewegs durch die Graue Dame hindurch gelaufen war. Auch das nahm er kaum wahr.
Er fand diese Nacht und den folgenden Tag keine Ruhe. Bis er sich wieder auf den Weg machte. Das war doch albern. Er war ein ausgebildeter Zauberer. Er würde diesem besonderen Geheimnis dieses Spiegels auf die Spur kommen. Er ließ sich doch nicht zum Narren halten.
Und bald hatte er nur einen Gedanken im Kopf, nämlich zum Spiegel zurückzukehren. Niemand würde ihn aufhalten. In dieser dritten Nacht fand er den Spiegel schneller als zuvor. Er rannte beinahe.

Und da war erst Lily wieder und dann diese Frau und diese Kneipe und ein tiefer Frieden legte sich über sein wundes Herz. Severus sank vor dem Spiegel auf den Boden. Nichts würde ihn davon abhalten, die ganze Nacht über dort zu bleiben — nichts in der Welt.
Außer —
"Nun, wieder da, Severus?"
Severus kam sich vor, als ob sein Inneres zu Eis erstarrt wäre. Er wandte sich um. Auf einem der Tische an der Wand saß niemand anderer als Albus Dumbledore. Severus musste einfach an ihm vorbeigelaufen sein, so begierig, zum Spiegel zu gelangen, dass er ihn nicht bemerkt hatte.
"Ich — ich hab Sie nicht gesehen."
"Merkwürdig, wie kurzsichtig man wird, wenn man vorausschaut", sagte Albus und Snape war erleichtert, als er ihn lächeln sah.
"Nun", sagte Dumbledore und glitt vom Tisch herunter, um sich neben Severus auf den Boden zu setzen, "wie nur wenige Menschen vor Ihnen, haben Sie eine Besonderheit des Spiegels Nerhegeb entdeckt."
Severus schloss die Augen.
"Ich denke, Sie haben erkannt, was er tut?"

Severus schüttelte den Kopf.
"Dann lassen Sie es mich erklären. Wirklich mächtige Zauberer sind in der Lage, eine gewisse Ahnung über die Zukunft in ihre Entscheidungen einzubeziehen. Der Wunsch bestimmt das Erleben und das Sein. Hilft Ihnen das weiter?"
Severus dachte nach. Dann sagte er langsam: "Er zeigt mir, was ich will und was sein wird ... aber wie kann ich erkennen ..."
Dumbledore schwieg und Severus schaute wieder in den Spiegel, wo sich die geheimnisvolle Fremde gerade entkleidete. Das war es also. Er sah ein Abbild der Zukunft überlagert durch Wunsch und Sehnsucht. Schnell wandte er den Blick wieder ab.

"Man kann es nicht erkennen", sagte Severus resigniert und stand auf.

"Albus? Darf ich Sie etwas fragen?"
"Nun haben Sie ja eine Frage schon gestellt", sagte Albus und Snape feixte. "Sie dürfen mich aber noch etwas fragen."
"Was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?"
"Ich? Ich sehe mich auf dem Astromieturm stehen und in die Sterne schauen."
Severus starrte ihn an.
"Man kann nie genügend Muße haben, um wirklich zur Ruhe zu kommen. Und dieser Ort ist einfach phantastisch, aber das wissen Sie ja."

Erst als Severus wieder im Bett lag, kam ihm der Gedanke, dass Albus ihm vielleicht nicht ganz die Wahrheit gesagt hatte. Doch zugegeben, dachte er und zog sich die Decke unters Kinn, es war doch eine recht persönliche Frage.