XXIV.


„Nein, nein, Rubyn! Der Teig für die Shabatta-Torte muss erst noch eine Stunde kalt gestellt werden, bevor wir ihn verwenden können. Deck die Schüssel mit einem Handtuch ab und stell sie einfach in den Kühlschrank. Nein! Nicht dieser Kühlschrank! Einheit Drei – genau da, wo wir unsere Kuchenteige immer rein stellen! Wie oft muss ich dir das eigentlich noch sagen? Wir wollen das Zeug doch nur abkühlen, nicht gleich einfrieren... Los, los, mach schon vorwärts, Mädchen, wir haben noch so viel zu tun."

Mrs. Wombard, die bis zu ihren mehlbestäubten Ellbogen in einer anderen riesigen Schüssel steckte, schüttelte ihren von einem Haarnetz umgebenen grauen Kopf und verdrehte andeutungsweise die porzellanblauen Augen in ihrem leicht erhitzten runden Gesicht. Danach verpasste sie ihrer eigenen Teigrolle ein paar ziemlich harte Klapse, bevor sie sie kraftvoll weiter durchwalkte. Es war nicht ganz klar, ob diese handfeste Methode wirklich nötig war, um die notwendige Geschmeidigkeit des Endprodukts zu erreichen oder ob sie damit nur Stress abbauen wollte.

Aber Rubyn schien keinen Zweifel daran zu hegen, dass sie von Glück sagen konnte, dass diese Klapse nicht auf ihr selbst landeten. Sie hüpfte so schnell zur Kühleinheit Nummer Drei hinüber, dass ihre zartgrünen T'wilek-Tentakel hinter ihr her wehten wie exotische Wimpel.

Leia schmunzelte vor sich hin. Mrs. Wombard hatte die kleine Schar von Küchengehilfen unter ihrem Kommando fest im Griff. Das galt übrigens auch für ihre freiwillige Helferin – Leia war heute selbst schon zur Eile ermahnt worden, aber in wesentlich milderen Tönen.

Also griff sie ebenfalls schnell nach dem nächsten Körbchen Julabeeren vor ihr auf dem Tisch und begann damit, auch sie auszusortieren. Die makellos glatten purpurroten Beeren wanderten genau wie ihre Vorgängerinnen in eine große flache Glasschale, wo sie auf ihre weitere Verarbeitung warteten, und die nicht ganz so perfekten in Leias Mund. In der Küche bereitwillig Hand anzulegen, hatte durchaus seine Vorteile.

Außerdem war es hier viel gemütlicher, als die sterilen weißen und stahlgrauen Fronten der Schränke und Herde, Spülbecken und Geräte im fluoreszierenden Licht von meterlangen Leuchtröhren auf den ersten Blick vermuten ließen. Ein paar Poster mit idyllischen Landschaftsaufnahmen verliehen zumindest den Wänden etwas Farbe, im Hintergrund dudelte launige Radiomusik munter vor sich hin und über dem ganzen Raum hing wie eine Dunstglocke der verheißungsvolle Duft von Backwerk, was zusammen mit Mrs. Wombards mütterlicher Ausstrahlung für eine allgemein nahrhafte Atmosphäre sorgte.

Auch fehlte es hier nie an Gesellschaft. Wenn nicht gerade Tempo angesagt war wie heute, dann wurde zwischendurch viel gelacht und geschwatzt und das nicht nur von der Küchentruppe. Das gesamte Personal des Haushalts ging hier ein und aus, denn gleich nebenan war der Aufenthaltsraum, in dem die Dienstboten ihre offiziellen Pausen und auch jede andere Auszeit in ihrem Tagesablauf verbrachten und zusammen ihre Mahlzeiten einnahmen.

Und es gab noch viele andere Besucher, die immer wieder mal auf eine Tasse Cofecea oder einen kleinen Imbiss zwischendurch hereinschneiten – zum Beispiel die Soldaten der Hausgarde, bevor oder nachdem sie ihren Wachdienst antraten. Und ihre Offiziere natürlich auch – was übrigens neuerdings der Hauptgrund für Leias eigenen fleißigen Kücheneinsatz war. Denn bei diesen Gelegenheiten konnte sie ganz zufällig und vor allem unauffällig auf gewisse Leute treffen und sich mit ihnen ausgesprochen angeregt über alle möglichen Themen unterhalten, was durchaus eine gewisse Annäherung zur Folge hatte. Denn manche Kontakte mussten eben nicht nur geknüpft, sondern auch eine Zeitlang gepflegt werden, bevor die so entstandene Verbindung reif zur Ernte war – so reif wie eine Julabeere!

Leia inspizierte kritisch eine winzige, aber deutlich sichtbare Druckstelle auf dem nächsten nicht ganz so vollkommenen Früchtchen und vernaschte es gleich darauf.

Lieber essen als wegwerfen, dachte sie.

Mrs. Wombard, die ihren erklärten Liebling voller Nachsicht beobachtete, wenn sie nicht gerade ihren widerspenstigen Strudelteig schlagkräftig in Form brachte, war belustigt, sah sich aber trotzdem zu einem Einspruch genötigt natürlich nur aus Fürsorge!

„Sie verderben sich noch den Appetit, Kind. Sie werden heute Mittag bestimmt kein einziges von meinen Baisertörtchen essen können, wenn Mylady ihre Damen empfängt. Und das wäre doch zu schade. Immerhin mache ich diese Törtchen extra für Sie – obwohl ich für Master Luke natürlich ein paar aufheben werde." (Mrs. Wombard verteilte ihre Zuneigung immer genauso gerecht wie die Produkte ihrer Kochkünste!)

Leia tat diesen Einwand zuerst nur mit einem Achselzucken ab. Sie hatte keineswegs die Absicht, ihren Nachmittag mit Padmé und dem neuesten Projekt der WWW-Damen zu vergeuden. Sie hatte Besseres zu tun. Aber ihre Gönnerin sah jetzt beinahe gekränkt aus und das konnte sie nicht zulassen.

„Für Ihre Baisertörtchen habe ich immer noch Platz, meine liebe, liebe Mrs. Wombard", sagte sie lächelnd. (Leia verteilte gerne ein bisschen Schmeichelei, wenn sie dazu in der Stimmung war – Padmé hätte gestaunt, wenn sie gesehen hätte, wie liebenswürdig und charmant ihre Tochter sein konnte, die sie selbst und die WWW-Ladies immer nur mit frostigen Blicken löcherte und sich ansonsten in ein ebenso hartnäckiges wie verbissenes Schweigen hüllte.)

Und das war genau die richtige Antwort. Mrs. Wombard, immer darauf bedacht, dass die Zwillinge (und alle anderen Lebewesen im Herrschaftsbereich ihrer Domäne!) ihre leiblichen Bedürfnisse möglichst umfassend befriedigen konnten, wandte sich sichtlich gerührt wieder ihrem Strudel zu.

Und Leia widmete sich mit Eifer ihrer eigenen Aufgabe, was sie aber nicht daran hinderte, Augen und Ohren für alle Aktivitäten in ihrer näheren Umgebung offen zu halten. Und so kam es, dass sie sofort aufmerksam wurde, als jemand hereinkam.

Aber leider war es nicht Vortega, der um diese Uhrzeit für gewöhnlich im Küchentrakt auftauchte, um eine Thermoskanne Tee für sich und Captain Dhorany zu organisieren (und vielleicht sogar noch ein paar Knabbereien zu ergattern!). Stattdessen war es eine ebenfalls wohlbekannte Gestalt in einem blauen Overall.

„Hallo Mr. Sirgan", sagte sie sonnig.

„Tagchen, Miss Leia", erwiderte der langjährige Hausmeister der Vader-Residenz, der ein ebenso langjähriger Freund und Verbündeter von ihr und Luke war.

Die kindlichen Abenteuerausflüge der Zwillinge, die früher Nannys und andere Wachhunde gleichermaßen in Atem gehalten hatten, wären ohne die Komplizenschaft von Mr. Sirgan niemals möglich gewesen. Dank seiner augenzwinkernden Beihilfe hatten Leia und ihr Bruder ihr Domizil vom Keller bis zum Dach durchstöbert und dabei Ecken und Winkel aufgespürt, die sie anderenfalls niemals zu Gesicht bekommen hätten. Sogar ein unterirdischer Tunnel, der direkt in die Palastgärten führte (und der Ausgangspunkt für die Blitzangriffe auf die dortigen Julabeeren-Beete gewesen war), war nur seinetwegen erforscht worden. Die Verbundenheit, die damals zwischen ihm und den jüngeren Vaders entstanden war, hielt bis heute noch an. Und deshalb schenkte er Leia jetzt ein breites gutmütiges Grinsen, bevor er Mrs. Wombard ansprach.

„Kann ich mal Ihr Kom benutzen, Mrs. W.? Die Werkstatt-Leitung ist wieder mal tot, im Callcenter haben sie mir gesagt, dass ich mich verkrümeln soll, weil ich angeblich nicht von den Zentral-Anschlüssen aus telefonieren darf, und da draußen auf dem Flur hängt Mr. Huudini schon ewig an der Strippe und blockiert die Service-Leitung, weil er mit irgendeinem Lieferservice herum streitet."

Tatsächlich drang aus dem Flur schon seit etlichen Minuten ein gedämpftes Gezeter, das langsam an Lautstärke und Intensität gewann. Mr. Huudini, der Butler, der auch den Weinkeller in seiner Obhut hatte, beschwerte sich gerade über eine Ladung schlecht verkorkten und entsprechend schalen Kryll-Sekt, die zu seiner Empörung kürzlich hier abgeliefert worden war – eine schreckliche Zumutung, für die der betroffene Delikatessenhändler offensichtlich jede Verantwortung vehement ablehnte.

„Das ist eine Frechheit! Jawohl! Eine FRECHHEIT!", schrillte Mr. Huudini in jetzt unüberhörbarer Rage.

Sirgan wackelte vielsagend mit seinen buschigen Augenbrauen und verkündete: „Da hören Sie es, Mrs. W.! Das wird todsicher noch eine ganze Weile dauern. Aber ich muss jetzt unbedingt diesen Kammerjäger anrufen, um nochmal nachzufragen, wann er endlich hier aufschlägt und sich unsere Luftschächte mal ansieht. Wir wollen ja nicht warten, bis die Viecher überall da rauskommen und herumflattern, was?"

Mrs. Wombard kicherte, aber Leia spitzte sofort ihre Lauscher. Luftschächte? Viecher?

„Was ist denn in den Luftschächten?", fragte sie.

„Tinolea-Motten", antwortete Mrs. Wombard.

„Und die verfluchten Biester knabbern alles an, was aus Seide, Wolle oder Pelz ist", ergänzte Mr. Sirgan. „Die richten noch einen Riesenschaden an, wenn wir nicht endlich etwas gegen sie unternehmen! Sie haben jetzt schon einen antiken Gobelin im achten Stock und zwei Teppiche im elften befallen. Und Maalin hat gestern sogar ein paar in Myladys Chanchillakragen gefunden. Irgendwo gibt es eine ganze Kolonie von denen und sie verbreiten sich garantiert über die Lüftung. Da muss die Schädlingsbekämpfung ran und das ein bisschen zackig, bevor wir das ganze Haus ausräuchern müssen."

Das ganze Haus... weil die Luftschächte natürlich überallhin führten. Sogar in Vaders Arbeitszimmer...

Und plötzlich geisterte Lukes Stimme durch Leias Hinterkopf.

Ich kann aber auch einfach heute Nacht durch die Luftschächte kriechen wie eine riesige Spinne und klammheimlich in dein Schlafzimmer hineinkrabbeln, wenn du das vorziehen solltest...

In einer Aufwallung spontaner Erregung umklammerte Leia die nächste ausgewählte Beere so fest, dass sie sie zerquetschte. Ein Rinnsal aus purpurfarbenem Saft sickerte an ihren Fingern entlang und tropfte schließlich auf die Tischplatte herunter, aber sie merkte es gar nicht. Sie war abgelenkt.

Es gibt also noch eine Alternative Plan B!, dachte sie.

Und eine zusätzliche Möglichkeit konnte nie schaden – ganz im Gegenteil. Vielleicht würde Leia diese Notlösung noch brauchen, wenn sich die Dinge nicht ganz so entwickelten, wie sie es sich erhoffte.

Inzwischen war der Hausmeister dem einladenden Wink von Mrs. Wombard gefolgt und hing seinerseits an einem Kom fest – ein Nebenanschluss, der normalerweise nur von der Chefin der Küchenregion für die Weitergabe ihrer Bestellungen an zahllose Lieferanten benutzt wurde. Leider war sein Schlagabtausch mit einem ähnlich widerspenstigen Dienstleister genau so fruchtlos wie Mr. Huudinis zunehmend erzürnter Disput.

„Aber Sie haben mir fest versprochen, dass Sie heute vorbei kommen! Wir haben immerhin einen Termin ausgemacht. Ja, ja, mir ist schon klar, dass Ratten in der Kanalisation des Palastes noch wichtiger sind – wir wollen ja schließlich nicht, dass der Imperator irgendwann auf seinem eigenen stillen Örtchen in den Hintern gebissen wird, was? Aber wir sind ja auch nicht ganz unwichtig, oder? Also schicken Sie uns endlich jemanden vorbei, der sich die Sache wenigstens mal ansieht.

Nein, wir wollen nicht bis nächsten Monat warten! Hören Sie mal, Freundchen, Sie sind nicht der einzige Rattenfänger in Imperial City. Nein, es gibt da auch noch andere, die mit ein paar Spraydosen Pestizid umgehen können – und die rücken garantiert jederzeit an, wenn sie einen Auftrag von uns haben können. Da muss ich nur mit den Fingern schnipsen...", Sirgan ließ seinen Worten Taten folgen und produzierte mit Daumen und Mittelfinger ein erstaunlich lautes Schnalzen, „... und schon sind sie da!"

Leider beeindruckte diese Demonstration seinen Gesprächspartner herzlich wenig und er äußerte sich wohl in diesem Sinne, denn nun wurde der Hausmeister ärgerlich und polterte: „Also wenn Sie meinen, dass Sie sich das leisten können, dann heuere ich eben wirklich jemand anderen an. Wenn Sie es nicht mehr nötig haben... Die Konkurrenz schläft nie – und ist wahrscheinlich sogar viel fähiger als Sie. Ja, Sie mich auch! Schönen Tag noch... Ich glaube, der tickt nicht mehr ganz richtig! Was für ein Ar..."

Er unterbrach sich gerade noch rechtzeitig, bevor der Kraftausdruck über seine Lippen kam. „...ähm… Armleuchter!", knurrte er schließlich, was dem ursprünglichen Wort immerhin ziemlich nahekam.

„Also wirklich, Mr. Sirgan!"

„'Tschuldigung Mrs. W.", brummte er. „Manchmal geht es einfach mit mir durch." Er griente ein wenig verlegen vor sich hin.

Mrs. Wombards Missbilligung schmolz sichtlich dahin. (Sie konnte nie lange verschnupft sein – schon gar nicht, wenn es um jemanden ging, der sich so tatkräftig für das Wohl aller Bewohner der Vader-Residenz einsetzte. Es war wider ihre Natur.)

„Trinken Sie eine Tasse Cofecea mit uns, bevor Sie sich auf die Suche nach einem neuen... nun ja ... Mottenfänger machen", schlug sie vor.

„Da sag ich nicht nein."

Sirgan ließ sich neben Leia nieder, die eben etwas zerstreut den erst jetzt wahrgenommenen fruchtigen Matsch von ihren Fingerspitzen wischte und die winzige Saftpfütze vor sich auftupfte.

„Was ist mit Ihnen, Kind? Wollen Sie auch ein Tässchen?", fragte Mrs. Wombard.

Als sie ein bestätigendes Nicken zurück bekam, rief sie Rubyn ihren neuesten Wunsch zu. „Und bring auch Becher für dich und die anderen mit. Und ein paar von den Mandel-Makronen, die wir vorhin aus dem Ofen geholt haben", fügte sie nach kurzem Nachdenken hinzu.

Kurz darauf saßen Mr. Sirgan, die Tochter des Hauses und das gesamte Küchenteam in schöner Eintracht zusammen und genossen ihre Atempause, einen ausgezeichneten Cofecea, der durch eine verlockend aussehende Ladung noch warmer Plätzchen abgerundet wurde, und einen netten Plausch. Es war unglaublich behaglich und Leia dachte nicht ohne Wehmut, dass es sich ungefähr so anfühlen musste, eine echte Familie in einem echten Zuhause zu haben.

Aber nach einer Weile schielte sie doch unauffällig auf ihr Armband-Chrono, wobei sie feststellte, dass es wohl zwecklos war, noch länger hier zu verweilen, Gemütlichkeit hin oder her. Der eigentliche Grund für ihre Anwesenheit hatte anscheinend nicht die Absicht, sich heute hier sehen zu lassen.

Vielleicht ist Vortega stattdessen in die Kantine der Security-Abteilung gegangen, überlegte sie.

Doch für jetzt einfach aufzugeben war keine Option. Jeder Tag zählte. Es war höchste Zeit, die Dinge endlich ein wenig voranzutreiben.

Also gut... Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muss der Berg eben zum Propheten kommen!

Kurz entschlossen stand sie auf.

"Ich muss jetzt leider wieder los, Mrs. Wombard. Darf ich mir noch ein paar von diesen leckeren Keksen mitnehmen?"

„Aber natürlich, Kind. Nehmen Sie so viel, wie Sie wollen."

Das ließ Leia sich nicht zweimal sagen. Sie häufte ihren bereits mit Krümeln übersäten Teller mit lieblich nach Zimt duftenden Makronen voll, verabschiedete sich herzlich von allen und wandte sich zum Gehen.

Doch in der Tür drehte sie sich noch einmal um und sagte betont beiläufig: „Ach übrigens... das habe ich ja ganz vergessen: Ich habe letztens auch eine Motte gefunden – in meiner Harmelinstola."

„Oh nein!", stöhnte Sirgan. „Dann sind diese Dinger also auch schon auf Ihrer Etage unterwegs. Die verbreiten sich schneller als ich dachte."

„Oh jaaa!", erwiderte Leia gedehnt. „Es wäre bestimmt besser, wenn jemand auch mal bei mir die Luftschächte kontrolliert."

„Natürlich, Miss Leia. Ich werde mich selbst darum kümmern – das heißt, sobald der Techniker von der Schädlingsbekämpfung hier aufschlägt", sagte der Hausmeister und strahlte sie voller Wohlwollen an.

Leia strahlte mit genau so viel Wohlwollen zurück und sagte honigsüß: „Das wäre einfach wundervoll, Mr. Sirgan." Und nach einer kurzen Denkpause mit sorgenvoll gerunzelter Stirn: „Denn ich habe wirklich ein bisschen Angst um meine schöne teure funkelnagelneue Stola. Es heißt ja, dass Motten einfach verrückt sind nach Harmelin. Die beißen und nagen und knabbern und fressen ruckzuck schrecklich große Löcher da rein – noch viel schneller als bei Chanchilla! Und sie vermehren sich geradezu explosionsartig. Ich meine, das muss man sich nur mal bildlich vorstellen: Da denkt man an nichts Böses, macht eine Schranktür auf – und plötzlich kommen einem ganze Schwärme von Motten entgegen! Riesige hungrige Schwärme!"

Sirgan blinzelte, sichtlich beunruhigt von dieser buchstäblich vernichtenden Vision, und sagte entschieden: „Ich komme gleich morgen früh bei Ihnen vorbei, Miss Leia. Ich kann ja wenigstens schon mal ein paar Klebefallen in der Lüftung aufstellen. Und in Ihrem Schrank auch. Und Maalin soll da drinnen Livanderöl versprühen. Das hat sie in Myladys Schränken auch gemacht. Den Geruch können die Biester nämlich nicht ertragen."

„Danke. Vielen, vielen Dank", gurrte Leia.

Sie sonnte sich in dem durchschlagenden Erfolg ihrer etwas intriganten Raffinesse wie eine Schlange auf einem aufgeheizten Felsen, als sie mit ihrem leicht überfüllten Teller davon spazierte.

Sie schlenderte an Mr. Huudini vorbei, der immer noch mit dem Weinhändler zankte. Der gute Mann hatte mittlerweile ein Stadium der Entrüstung erreicht, in dem er sich bereits dazu gezwungen sah, gegen den Besitzer der Firma Lukullus & Co wilde Drohungen auszustoßen – im Wesentlichen ging es dabei um horrende Schadensersatzforderungen, rufmordende Beschwerden in besonders prestigeträchtigen und entsprechend häufig frequentierten Kundenblogs und andere geschäftsschädigende Maßnahmen. Doch obwohl Mr. Huudini so aufgebracht war, wie er es mit seiner Würde als Butler in einem derart hochkarätigen Haushalt gerade noch vereinbaren konnte, erwiderte er Leias freundlichen Gruß, indem er mit leicht geistesabwesender Leutseligkeit seine linke Hand in ihre ungefähre Richtung flattern ließ.

Als Leia das andere Ende des Korridors erreicht hatte, bestieg sie einen Turbolift, der sie in die luftigen Höhen der dreiundzwanzigsten Etage beförderte, wo die Security-Abteilung untergebracht war und wo aller Wahrscheinlichkeit nach auch ihr vermisster Fähnrich immer noch herumlungerte.

Doch als sie gleich darauf unter den wachsamen Blicken eines ziemlich verblüfften Soldaten ihre Nase in den erstbesten Raum hineinsteckte, entdeckte sie zu ihrem Verdruss niemand anderen als Major Cordalis, den Leiter der Abteilung, der ihr sogar noch argwöhnischer entgegen starrte als der Wachposten.

Cordalis zählte ganz entschieden nicht zu Leias Anhängerschaft. Tatsächlich hielt er sie für eine notorische Unruhestifterin, was vor allem daran lag, dass er sie mit seinen Leuten stundenlang kreuz und quer (und erfolglos!) durch die halbe Stadt gejagt hatte, als sie vor Jahren ausgebüxt war. Dass es ausgerechnet eine x-beliebige City-Polizeistreife gewesen war, die die Ausreißerin am Ende aufgestöbert und wieder nach Hause geschleift hatte (und dass Lord Vader ihn auch deswegen nach allen Regeln der Kunst abgekanzelt hatte!), hatte der Major Leia nie verziehen. Seither gab er ihr bei jeder ihrer seltenen Begegnungen auf nicht sehr subtile Weise zu verstehen, dass er sie für eine besonders hinterhältige und durchtriebene Göre hielt, die so etwas wie ein Dorn in seinem Fleisch war.

„Was wollen Sie? Sie haben hier nichts verloren, gar nichts!", schnappte er.

Leia, die diese geballte Animosität nicht nur spürte, sondern auch von ganzem Herzen erwiderte, sagte schnippisch: „Zu Ihnen will ich ja auch gar nicht. Ich suche nach… Captain Dhorany."

Eine Behauptung, die nur ihrer Meinung nach eine akzeptable Ausrede war, denn die ohnehin schon finstere Miene von Cordalis umwölkte sich sofort noch mehr, falls das überhaupt möglich war.

Seit Dhorany so unerwartet zu seinem Stellvertreter ernannt worden war, sah der Major in dem weit jüngeren Mann einen Günstling Seiner Lordschaft (und Ihrer Ladyschaft, was noch viel demütigender war!) und damit automatisch einen Rivalen, der bekämpft, geschlagen, erniedrigt und möglichst bald total ausgemerzt werden musste. Tatsächlich ließ er keine Gelegenheit aus, um dem armen Captain das Leben schwer zu machen, und die Mobbingmaßnahmen, die er eigens zu diesem Zweck austüftelte, zeugten vielleicht nicht gerade von Scharfsinn, aber immerhin von einem gewissen boshaften Einfallsreichtum.

„Er ist unterwegs – zusammen mit dieser Nulleinheit, die er neuerdings ständig am Gängelband hat", zischte Cordalis.

Offensichtlich hatte er seine Feindschaft inzwischen auch auf Vortega ausgedehnt. Tatsächlich war der unglückselige Fähnrich in seinen Augen nichts anderes als ein weiterer ehemaliger Adjutant von Lord Vader, der ihm zweifellos nur deshalb vor die Nase gesetzt worden war, um an seinen Nerven oder an seinem Stuhl zu sägen, was im Prinzip auf das Gleiche herauskam.

Leia war enttäuscht. „Ach ... wie schade."

„Ja, genau. So ein Pech aber auch", klang es sardonisch zurück.

Es war klar, dass nun ein fluchtartiger Rückzug der unerwünschten Besucherin erwartet wurde.

Aber als sie keine Anstalten machte, wieder zu verschwinden, fragte Cordalis ungeduldig: „Kann ich Ihnen sonst noch einen Gefallen tun, junge Dame?"

Sein schroffer Tonfall deutete an, dass er sich lieber erschossen hätte, als besagter junger Dame einen Gefallen zu tun.

Aber so schnell ließ Leia sich nicht verscheuchen, zumal sie gerade etwas erspäht hatte, das unverzüglich ihre Aufmerksamkeit fesselte: Ein riesiger Monitor, der die halbe Wand einnahm, zeigte ein Raster von Videoaufnahmen, die den gesamten Außenbereich der Vader-Residenz anzeigten, dazu Flure und Korridore auf verschiedenen Etagen – und auch einige andere Räumlichkeiten! Die Bilder wechselten ständig und mit ihnen die Winkel, aus denen sie aufgenommen wurden.

Alle Überwachungskameras! Das ist die Chance um herauszufinden, was sie von hier aus beobachten können und was nicht...

Leia war wie elektrisiert. Doch Major Cordalis war nicht auf den Kopf gefallen (jedenfalls nicht ganz und gar!) und während sie auf der Suche nach ihrer eigenen Zimmerflucht noch wie hypnotisiert auf die Vogelperspektive der Notausgangtreppe im selben Stockwerk starrte, kam er auch schon auf sie zu und baute sich direkt vor ihr auf, wodurch er ihr effektiv die Sicht versperrte, weil er viel größer und auch viel breiter war als sie.

„Suchen wir vielleicht etwas ganz Bestimmtes?", erkundigte er sich mit geheucheltem Interesse.

„Nein. Ich wollte nur mal schauen... Also ich wollte mich nur davon überzeugen, wie gut die Videoüberwachung ist. Ich meine, ob Sie hier auch wirklich alles sehen, was Sie sehen müssen."

„Oh, Sie können sich absolut sicher fühlen. Wir sehen hier alles, was wir sehen wollen!", erwiderte Cordalis bissig.

Das war nun nicht unbedingt die Antwort, die Leia hören wollte. Etwas nervös schielte sie an seiner vierschrötigen Gestalt vorbei, aber alles, was sie zu sehen bekam, war die Halle im Erdgeschoss (zwei Weitwinkelaufnahmen, eine Totale und die Eingangstür aus der Froschperspektive, was vermuten ließ, dass diese Kamera im Podest einer Säule genau gegenüber installiert war!).

„Ich glaube, Sie sollten jetzt gehen", sagte der Major barsch.

Er unterstrich diesen unmissverständlichen Rauswurf noch, indem er Leia aus seiner Tür hinaus schob. Er war gerade dabei, sie zum Lift zu dirigieren (oder eher zu drängeln!), als Dhorany erschien wie ein unverhofftes Rettungsboot vor einem erschöpften Schwimmer.

„Hallo Leia. Wollten Sie etwa zu mir?"

„Ja! Genau das wollte ich. Wenn Sie gestatten..."

Und damit schubste Leia den Major ziemlich energisch von sich (was ungefähr ein halbes Dutzend Kekse von ihrem Teller kullern ließ!) und flüchtete zu Dhorany hinüber.

HA!", fauchte Cordalis und zog sich in den Video-Raum zurück wie eine frustrierte Seeschlange in ihre Felsspalte, nachdem ihr der beinahe erbeutete Fisch sozusagen gerade noch durch die Fänge geschlüpft war.

„Das war knapp", wisperte Leia.

Dhorany grinste verständnisvoll (auch diese Antipathie von Cordalis beruhte auf Gegenseitigkeit!) und lud sie mit einer angedeuteten Verbeugung in einen anderen Raum ein, der nur ein paar Türen weiter war.

Gleich darauf stand Leia in einer engen fensterlosen Abstellkammer, die weniger Quadratmeter hatte als das Kabinett, in dem das Tafelsilber der Vaders aufbewahrt wurde. Der ziemlich ausladende Schreibtisch in der Mitte nahm fast den gesamten Platz in Anspruch und ein großer Aktenschrank den Rest. Man konnte sich kaum darin rühren, ohne sich irgendwo die Ellbogen oder andere eher knochige Körperteile schmerzhaft anzustoßen.

„Ist das Ihr Büro?", fragte sie betroffen.

„Nicht nur meins. Hier müssen wir sogar in trauter Zweisamkeit unser Dasein fristen", sagte Dhorany und deutete zur Erklärung auf den zweiten Schreibtischstuhl, den Leia bisher übersehen hatte.

Aber er schien diese eindeutige Schikane seines Vorgesetzten mit Humor zu nehmen, denn sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter, als sie sich ungläubig umsah.

„Und welchem Umstand verdanke ich das Vergnügen dieser Stippvisite?", forschte er schließlich.

„Was? Ach so… Hier!" Leia stellte ihr leicht geschrumpftes Mitbringsel mit Schwung auf der einzigen freien Ecke des Schreibtischs ab. „Mit besten Empfehlungen aus der Küche", verkündete sie nicht ganz wahrheitsgemäß, aber dafür mit Überzeugungskraft, denn sie hatte das Gefühl, dass der Captain dringend eine kleine Aufmunterung brauchte.

Und eine Aufmunterung war es anscheinend auch.

„Mandel-Makronen!", rief Dhorany ekstatisch. „Ich könnte sterben für die Dinger!"

„Ich weiß. Und Mrs. Wombard weiß das auch", sagte Leia scheinheilig. (In Wirklichkeit hatte keine der erwähnten Spenderinnen auch nur die leiseste Ahnung von Dhoranys Leidenschaft für ausgerechnet dieses Gebäck. Aber wen kümmerte das schon?)

Dhorany biss in das erste fluffige, zart gebräunte Häufchen aus erstklassigen feingemahlenen Micadamia-Mandeln, Eischnee und silonesischem Rohrzucker, das auf einer knackigen Oblate saß, und schloss genießerisch die Augen.

„Mmmh… die sind ja ein Traum! Ich wusste gar nicht, dass ich bei Mrs. W. so einen Stein im Brett habe."

„Jedem das, was er verdient", säuselte Leia und sandte dem Captain ein betörendes Lächeln.

Leider war Dhorany nicht ganz so gutgläubig wie andere, etwas naiver veranlagte Zeitgenossen.

Aber er aß erst noch mit sichtlichem Appetit den Rest seiner Makrone, bevor er gelassen mitteilte: „Ach übrigens… Vortega ist schon nach Hause gegangen. Er hat heute seinen freien Nachmittag."

„Oooh!", hauchte Leia.

Sie konnte die Hitzewelle fühlen, die ihr Gesicht überrollte, was die Sache noch peinlicher machte. Der Captain hatte sie ertappt. Ihm konnte sie nichts vormachen.

Dhorany kniff verschwörerisch ein Auge zu, bevor er den nächsten Leckerbissen von dem Teller fischte, der gar nicht für ihn gedacht gewesen war (oder jedenfalls nicht für ihn allein!). Und er war sich darüber vollkommen im Klaren.

„Ich werde trotzdem so nett sein und versuchen, dem Kleinen ein paar von diesen Dingern übrig zu lassen. Aber ich garantiere für nichts. Sie sind einfach zu köstlich."

Er lachte. Immerhin nahm er Leia ihre kleine Flunkerei nicht übel.

Leia war so beschämt, dass sie nicht antworten konnte, was vielleicht auch besser so war, denn Dhorany musterte sie jetzt nachdenklich.

Und nach einer Weile sagte er ruhig: „Vortega ist noch ziemlich grün hinter den Ohren. Aber er ist wirklich ein netter Junge..."

„Oh ja! Das ist er", sagte Leia mit Wärme.

„... und ich will nicht, dass er Schwierigkeiten bekommt." Der Captain beugte sich ein wenig vor und sah sie direkt an, sehr ernst jetzt, beinahe streng. „Ich will nicht, dass irgendjemand hier Schwierigkeiten bekommt! Verstehen Sie, was ich damit sagen will, Leia?"

Sie verstand ihn nur zu gut.

Natürlich glaubte Dhorany, dass er seinen jungen Kollegen (und ja, auch Leia!) nur vor den ziemlich fatalen Folgen einer sehr leichtsinnigen Romanze beschützen musste, die sich scheinbar gerade anbahnte. Und das allein war schon schlimm genug, denn obwohl er nicht wusste, was wirklich vor sich ging, hatte der Captain erkannt, dass seine Wachsamkeit und möglicherweise sogar sein Eingreifen erforderlich war. Von jetzt an würde er vermutlich keinen seiner Schützlinge mehr aus den Augen lassen.

Das hat mir gerade noch gefehlt... Dann muss ich wohl doch durch die Luftschächte kriechen, dachte Leia resigniert.

Ihr Mangel an Enthusiasmus musste sich wohl auf ihrem Gesicht widerspiegeln, denn Dhorany, der ihre Niedergeschlagenheit natürlich ganz und gar missverstand, sagte überraschend sanft: „Ich weiß, dass Sie es nicht leicht haben, Leia – nicht mit diesem Elternhaus im Hintergrund und mit diesen Zukunftsaussichten. Die Anforderungen, die an Sie gestellt werden, sind hoch und der Druck, der auf Ihnen liegt, muss einfach enorm sein.

Ich kann mir vorstellen, dass Sie im Moment das Gefühl haben, von allen Seiten her eingezäunt zu sein, und dass Ihnen praktisch alles entgeht, was für jedes andere Mädchen das Normalste von der Welt ist: Mit einem Jungen in Ihrem Alter herumzuziehen, ein bisschen zu flirten, ein bisschen Spaß zu haben – das alles bleibt Ihnen verwehrt.

Aber lassen Sie deswegen jetzt nicht den Kopf hängen. Mit der Zeit wird sich das alles schon irgendwie einrenken. Sie werden sehen, irgendwann sind Sie wenigstens ein bisschen unabhängiger und freier als heute. Und dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus."

Sein Versuch sie zu trösten, enthielt mehr Anteilnahme, mehr Mitgefühl, als Leia je von dem Captain erwartet hätte. Sie hatte schon seit geraumer Zeit gespürt, dass Dhorany es gut mit ihr meinte (mit Luke natürlich auch!), aber er hatte noch nie zuvor so viel Einfühlungsvermögen an den Tag gelegt – nicht so offen und unverblümt wie hier und jetzt. Es berührte sie tief und weckte zugleich den stürmischen Wunsch in ihr, sich ihm rückhaltlos anzuvertrauen. Aber das war natürlich völlig ausgeschlossen.

Doch vielleicht konnte sie trotzdem wenigstens eine wertvolle Erkenntnis aus seiner Zuneigung gewinnen, denn möglicherweise konnte er ihr zumindest bei einem ganz bestimmen Druck helfen, der auf ihr lastete, und einen Punkt aufklären, der wirklich wichtig war, der ihr gerade jetzt konkret zu schaffen machte...

„Darf ich Sie etwas fragen, Captain?"

„Nur zu."

Leia zauderte. Aber sie musste es einfach wissen und das war ihre einzige Chance, Gewissheit zu bekommen.

Gewissheit? Was ist, wenn er über so etwas gar nicht informiert wird? Cordalis wird ihm bestimmt nicht alles auf die Nase binden, was hier so läuft. Er wird ihm eher Infos vorenthalten, um ihn bei seiner Arbeit zu boykottieren.

Also doch keine ultimative Gewissheit. Doch einen Versuch war es trotzdem wert.

„Ich habe vorhin in einem anderen Büro diesen Riesenbildschirm gesehen. Und dabei ist mir aufgefallen... Also ich wollte nur mal fragen... Sind diese Videokameras eigentlich im ganzen Haus verteilt? Ich meine, wirklich überall?"

Dhorany sah etwas perplex drein – er hatte offenkundig mit etwas ganz anderem gerechnet. Doch dann flackerte Begreifen in seinen scharfsichtigen blaugrauen Augen auf und ein Ausdruck von aufrichtigem Mitleid huschte über sein Gesicht, so schnell und flüchtig wie ein Nebelstreif, aber doch deutlich sichtbar.

„Die Zugänge zu den einzelnen Bereichen sind natürlich alle streng überwacht", sagte er nach einer kleinen Pause bedächtig. „Schließlich müssen wir dafür sorgen, dass sich niemand Zutritt verschaffen kann, der nicht hierher gehört. Aber die Privatsphäre der Familie bleibt trotzdem immer gewahrt."

„Sogar meine Privatsphäre?", sagte Leia sehr leise.

„Sogar Ihre."

„Sind Sie da so sicher?"

„Absolut sicher!" Dhorany lächelte ihr zu, von Kopf bis Fuß nichts als Entgegenkommen und Ermutigung. „Nehmen Sie nicht alles so schwer, Leia. Nehmen Sie es auf die leichte Schulter."

„Ich wünschte, das könnte ich", murmelte sie.

„Na ja, dann versuchen Sie es wenigstens!"

Aber das war leichter gesagt als getan...

Leia stieß einen kleinen Seufzer aus.

„Ich glaube, ich gehe jetzt lieber", sagte sie. „Meine Mutter erwartet Gäste und ich soll mich vor sie hinstellen und ein Gedicht aufsagen oder ihnen ein Lied vorsingen oder so was in der Art."

Das war natürlich absurd – beim letzten Mal, als man Leia so einen Dressurakt zugemutet hatte, war sie dreizehn gewesen und sie hatte bei dieser Vorführung dafür gesorgt, dass Padmé sie nie wieder vor irgendwelchen Besuchern präsentieren würde wie ein gut abgerichtetes Schoßhündchen. Aber Captain Dhorany hatte eine Schwäche für Ironie und reagierte entsprechend auf ihren Kommentar.

Leia quittierte sein Gelächter mit einem etwas säuerlichen Schmunzeln, um ihm zu zeigen, dass sie wenigstens versuchte, es auf die leichte Schulter zu nehmen. Und danach ging sie wirklich.

Aber auf dem Rückweg versank sie wieder in eine eher düstere Stimmung und als sie schließlich ihr Zimmer betrat, wurde sie zu ihrem Leidwesen bereits von einer ziemlich aufgeregten Zonia erwartet.

„Da sind Sie ja endlich, Miss Leia! Wo haben Sie bloß wieder die ganze Zeit gesteckt? Lady Padmé ist so verärgert! Die ersten Damen sind schon da und Sie sind noch nicht mal umgezogen!"

Nun, Padmé bestand heute offenbar auf der Gegenwart ihrer Tochter – auch wenn sie keine Gesangseinlagen oder Vorträge von lyrischen Ergüssen mehr von ihr verlangte. Und Leia gab nach, wenn auch nur widerwillig – sie hatte sowieso nichts Besseres zu tun. Jetzt nicht mehr – leider!

Aber während Zonia sie hastig in ein mit Rüschenvolants verbrämtes Nachmittagskleid einschnürte (cremeweiß!) und dabei leise vor sich hin jammerte, wobei sie unwillkürlich an 3PO im Katastrophen-Modus erinnerte („Schon so spät! Mylady wird mich ausschimpfen... Oh nein! Jetzt hängt auch noch der Saum da hinten runter. Wo hab ich bloß mein Nähzeug gelassen? Stehen Sie doch um Himmels willen mal still, Miss Leia!"), grübelte sie darüber nach, warum in ihrem Leben immer alles so kompliziert war.

Warum kann ich nicht einfach in dieses verdammte Arbeitszimmer rein marschieren und mir nehmen, was ich will? Luke könnte das ohne Weiteres durchziehen – einfach so!

Aber Leia konnte das eben nicht. Denn bei ihr würde es unweigerlich auffallen, wenn sie dabei gesehen wurde, wie sie mutterseelenallein und noch dazu ohne jeden triftigen Grund in den Bunker ihres Erzeugers hinein spazierte.

Das ist so unfair!

Aber es war unleugbar eine logische Konsequenz der jahrelangen Entfremdung zwischen ihr und ihrem Vat… VADER. Und plötzlich fragte sich Leia zum ersten Mal, ob sie vielleicht einen grundlegenden Fehler gemacht hatte, als sie diese zunehmende Distanzierung nicht nur zugelassen, sondern durch ihr eigenes Verhalten sogar noch begünstigt und verstärkt hatte. Hätte sie nicht spätestens nach ihrem damaligen Entschluss, sich für die Allianz einspannen zu lassen, das Ruder herumreißen sollen, um genau diesen Schwierigkeiten vorzubeugen?

Ich hätte wissen müssen, dass ich irgendwann mal in so eine Situation komme! Ich hätte die Zeit nutzen sollen, um mich bei ihm einzuschleimen. Ich hätte die total angepasste und süße kleine Tochter mimen sollen, die ihn den ganzen Tag lang großäugig anhimmelt und ihm am liebsten gar nicht mehr von den Fersen weichen würde.

Dann hätte ich jetzt nicht das Problem, dass jeder sich wundern wird, warum ich unbedingt da rein will. Ich hätte einfach behaupten können, dass ich ein paar Blumen oder ein niedliches kleines Willkommensgeschenk für meinen heißgeliebten Papa ablegen will oder sonst einen rührseligen Schwachsinn. Aber das würde mir jetzt niemand mehr abkaufen. Niemand außer Vortega...

Aber würde Vortega ihr einen so durchsichtigen Vorwand überhaupt abkaufen? Leia hatte darauf spekuliert, dass der Fähnrich noch relativ neu im Haushalt war und daher nicht so genau wissen konnte, wie dünn und fadenscheinig das Beziehungsgeflecht zwischen den verschiedenen Vaders in Wirklichkeit war. Doch jetzt zweifelte sie daran.

Also doch die Luftschächte. Und erst wenn das nicht funktioniert... Hoffentlich funktioniert es!

„So, fertig. Jetzt können Sie gehen, Miss."

„Wie wundervoll! Ich kann's kaum noch erwarten", sagte Leia sarkastisch.

Und genau so war es auch...


Fortsetzung folgt ...

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