Lonley at the Top-Universum-One-Shots:
Not so lonley
Disclaimer: Haikyuu ist nicht mein geistiges Eigentum und ich verdiene kein Geld damit.
Spoilerwarning: Spoiler für Staffel 4, die OVAs, sowie den neuen Film, außerdem Manga-Spoiler
Diese Reihe spielt in dem selben Universum wie meine Fic „Lonely at the Top", die ihr aber nicht wirklich gelesen haben müsst um euch hier auszukennen.
Ich musste/wollte etwas schreiben, doch die Haikyu-Fic, die ich begonnen habe, wollte nicht kooperieren, also habe ich mir gedacht, ich schreibe stattdessen ein paar kleine fluffige Stories aus dem von mir in „Lonley at the Top" etablierten Universum.
Warnings: Japanische Schreibweise der Namen (Nachname vor Vorname)
Pairings: hier widmen wir uns den Backstories der queeren Volleyball-Spieler, also gibt es viel Inter-Dating.
1. Nicht nach dem Lehrbuch
Pairings: Atsumu/Kageyama, Hintergrund Kagehina und Kageyamas Gefühle für Oikawa
Warnings: Angst, homophobes Umfeld
Das Trainingscamp für Japans Unter-18-Jährige mögliche zukünftige Nationalspieler machte Spaß, das würde Tobio jederzeit freiwillig zugeben. Er traf viele ihm bisher unbekannte brillante Spieler und durfte ihnen nicht nur zusehen, sondern auch mit ihnen zusammen spielen. Allein die Ehre in der selben Halle wie jemand wie Sakusa spielen zu dürfen, war mehr als er sich jemals hätte wünschen können.
Aber so viel Spaß die Volleyball-Seite des Ganzen machte, so schwierig war der andere Teil des Trainingslagers: Die soziale Interaktion.
Tobio war im Umgang mit anderen noch niemals besonders geschickt gewesen. Man musste nur an den Oikawa-Eklat in seinem ersten Mittelschuljahr denken. Oder natürlich an den schmerzhaften Moment, als ihm seine eigene Mannschaft im letzten Mittelschuljahr im Stich gelassen hatte, als sich alle weigerten seine Bälle weiter zu schlagen. Mit der Ausnahme von seinem Großvater und Miwa, war es ihm eben immer schwer gefallen Anschluss an andere Menschen zu finden. Volleyball hatte ihm dabei geholfen das manchmal doch zu schaffen, aber zugleich hatte es ihm nie dabei geholfen den Abgrund, der sich zwischen dem Feld und der Welt darum auftat, zu überbrücken.
Bis Hinata in sein Leben getreten war, war sich Tobio ziemlich sicher gewesen, dass er niemals jemanden begegnen würde, der sich auf und außerhalb des Feldes mit ihm abgeben würde wollen. Immerhin hatten Kindaichi und Kunimi ihn gelehrt, dass sein Verhalten auf dem Feld Freundschaften jenseits von diesem zerstören konnte, und die meisten andere Menschen, die er kannte, interessierten sich einfach nicht für mehr als seine Pässe. Die Karasuno hatte ihn zum ersten Mal Kontakte knüpfen lassen, die auf und jenseits des Feldes zu halten schienen, doch er machte sich nichts vor: Die meisten dieser Beziehungen hatte er dank und durch Hinata geknüpft, ohne ihn fiel ihm jede Kontaktaufnahme mit anderen, die nichts mit Volleyball zu tun hatte, immer noch schwer. Und wenn er versuchte mittels Volleyball zu kommunizieren, dann verstanden das die anderen sehr oft nicht.
Chigaya war ein gutes Beispiel dafür. Der einzige andere Spieler in dem Trainingscamp, den Tobio persönlich kannte, verbrachte viel seiner Freizeit mit ihm, aber er sah Tobio oft mit einer nicht zu übersehenden Resignation an, und schien im Großen und Ganzen nicht zu wissen was mit er ihm anfangen sollte. Gespräche zwischen ihnen versiegten oft nach wenigen Sätzen, und er stellte Tobio die seltsamsten Fragen und schien über seine Antworten immer enttäuscht zu sein. Tobio wusste zu schätzen, dass Chigaya trotzdem an seiner Seite blieb, mit ihm zusammen aß und sich aufwärmte oder dehnte, aber meistens herrschte Stille zwischen ihnen, ganz anders als zwischen den anderen Camp-Teilnehmern, die munter über alle möglichen Themen zu plaudern schienen, von den Tobio keine Ahnung hatte – über irgendwelche Filme und Mangas, Fernsehserien, Menschen, die offenbar berühmt waren, von denen er aber noch nie gehört hatte, Schulfächer, Mädchen oder andere Sportarten. Wenn es um Sport ging, kam Tobio ja gerade noch mit, über die Schule außerhalb von dieser sprechen zu wollen war ihm zu wider, weswegen er sich immer sofort ausklinkte, und alles andere … Nun, er wünschte sich einfach, dass sie stattdessen über Volleyball sprechen würden.
Ich wünschte Hinata wäre hier. Hinata würde keine unangenehmen Pausen zulassen, er würde mit seinem Enthusiasmus und seinem Geplapper die Pausen füllen, und Tobio wüsste dann auch etwas zu sagen.
„Du kannst dich gerne lieber zu den anderen setzen, wenn dir das lieber ist", bot Tobio Chigaya am dritten Tag an, „Es macht mir nichts aus alleine zu essen."
Chigaya winkte ab. „Oh nein", meinte er, „Ich verbringe gerne Zeit mit dir, ehrlich."
Tobio wusste nicht, ob er das auch glauben sollte. Im Grunde hielt er es für eine höfliche Behauptung, die unmöglich wahr sein konnte. Warum sollte jemand seine Freizeit mit ihm verschwenden, wenn er stattdessen mit Miya Atsumu herum hängen könnte?
Miya Atsumu war ein Thema für sich. Er war ein sehr talentierter Zuspieler, das stand außer Frage - abgesehen von Oikawa und Akaashi von Fukurodani vermutlich der beste, dem Tobio jemals begegnet war - und Tobio liebte es die Bälle zu schlagen, die ihm der ältere Junge zuspielte, aber … nun ja, Miya hatte ihm auch erklärt, dass Tobios Zuspiel langweilig wäre, was Tobio in tiefe Verwirrung stürzte. Miya-san schien ihn nicht zu mögen, das leitete er zumindest aus dieser Bemerkung ab, aber trotzdem suchte er immer seine Nähe und sprach ihn ständig an.
„Ich meinte nur, dass du wie aus dem Lehrbuch spielst", erklärte Miya. Als ob das ein schlechte Sache wäre! Hatte Oikawa ihm nicht eingebläut, dass man auf seine Angreifer eingehen musste, ihnen die Bälle so zuspielen sollte wie diese es wollten? Und jetzt tat Miya so als wäre das Gegenteil der Fall! „Du bist einfach ein braver Junge. Daran ist natürlich nichts verkehrt…."
Aber Miya war offenbar kein braver Junge. Er schien sich als eine Art Bad Boy des Volleyballs zu sehen, oder so. Tobio hatte keine Ahnung, was er damit eigentlich meinte.
Und das verärgerte ihn, weil es hier im Volleyball ging, und so viel er sonst nicht verstehen mochte, wenn es um das Leben ging, von Volleyball verstand er doch so einiges! Doch mit einem Mal fühlte er sich wie ein blutiger Anfänger, verunsichert über alles, was er immer für selbstverständlich gehalten hatte.
„Denkst du nicht, dass du als Angreifer glücklicher wärst?" Die Art wie Miya Atsumu ihm diese Frage stellte, war alles andere als unschuldig, so sehr er auch vorgab, dass es nur eine nett gemeinte Anregung war, es war Kritik an Tobios Zuspiel, das war diesem durchaus klar.
Miya Atsumu, mit seinem blondierten Haar, und seinem Grinsen, und diesen wirklich begabten Händen…. Wieso war ihm Tobios Zuspiel nicht gut genug?
„Weißt du … du solltest nicht zu viel über Miya nachdenken", sagte Chigaya zu ihm, als sie aus den Duschen kamen (zum letzten Mal nach einem Training hier), „Er hat dir all diese Dinge doch nur gesagt um dich durcheinander zu bringen."
„Meinst du?" Tobio war sich dessen nicht so sicher. Sagte man solche Dinge nicht nur, wenn man sie ernst meinte?
„Er ist der Typ dafür. Für Intrigen, meine ich. Er will Zweifel in dir säen, damit du verunsichert bist, was deinen Spielstil angeht. Vergiss nicht, dass es gut möglich ist, dass ihr gegeneinander antreten werdet. Miya sorgt nur schon vor, das ist alles", behauptete Chigaya.
„Ich bin mir da nicht so sicher", gab Tobio zu, „Ich meine, er ist so gut, dass er keine dreckigen Tricks notwendig hat. Ich glaube, er meint das alles wirklich ernst."
„Nun, und wenn schon?", gab Chigaya zurück, „Er ist nur ein anderer Spieler. Und nicht einmal ein Drittklässler. Seine Meinung sollte dich nicht kümmern." Doch leider kümmerte sie Tobio. Sehr sogar.
„Und … Ich weiß ja, dass wir morgen früh abreisen, aber … ich denke trotzdem, dass du aufpassen solltest, dass du bis dahin nicht alleine mit Miya bist", fügte Chigaya hinzu.
Tobio warf ihm einen erstaunten Blick zu. „Wirklich? Warum?", wunderte er sich, „Du denkst doch nicht, dass er … so weit gehen würde mir etwas anzutun nur um zu gewinnen?!" Was für ein seltsamer Gedanke. Bisher hatten ihn alle seine Gegner auf dem Spielfeld besiegen wollen und keiner abseits davon schon vor dem Spiel. (Nun abgesehen von Oikawa vielleicht, aber damals war Tobio nicht klar gewesen, dass sie überhaupt Gegner waren).
Chigaya erstarrte. „Nein. Nein, natürlich nicht", versicherte er Tobio, „Ich denke nur, dass … er einfach kein guter Umgang für dich wäre. Sawamura-san und Kuroo-san würden es nicht gerne sehen, wenn ich zulasse, dass du alleine mit ihm bist. Also … tu mir den Gefallen und pass auf, ja?"
„Na schön. Aber ich weiß immer noch nicht warum….", setzte Tobio wieder an, doch sie wurden von Hoshiumi unterbrochen, der mit einem riesigen Turban auf seinem Kopf an ihnen vorbei aus der Dusche schritt, woraufhin Chigaya schnell meinte: „Mach es einfach, ja?" und sich dann seinerseits schnell davon machte. Tobio sah ihm äußerst verwirrt hinterher.
„Manchmal verstehe ich andere einfach nicht", erklärte er Hoshiumi.
Der zuckte nur mit den Schultern. „Manchmal sind andere auch einfach nur seltsam", befand er ungerührt. Damit hatte er wohl recht.
Zu wissen, dass er abreisen würde, machte Tobio nostalgisch. Das Camp hatte viel zu kurz angedauert. Er hätte gerne mehr Zeit zum trainieren gehabt. Das nächste Mal würde er all die anderen Spieler wieder sehen, wenn sie sich als Gegner gegenüber stehen würden. Aber zumindest sehe ich Hinata bald wieder. Ich frage mich was er in den letzten Tagen getrieben hat. Tobio hatte sein Bestes getan um Hinata dazu zu motivieren in seiner Abwesenheit nicht nur auf der faulen Haut zu liegen, sondern sich selbst zu verbessern, doch wer wusste schon was der Idiot in dieser Woche getrieben hatte? Immerhin hatte er Tobio zu Beginn der Woche eine äußerst seltsame Textnachricht geschrieben („Nicht nur du bist im Camp! Erklär dir alles, wenn du zurück bist! Hab sicher eine Menge Überraschungen für dich!") und nie auf Tobios Nachfrage was damit eigentlich gemeint war reagiert.
Bald würde er ihn endlich persönlich fragen können. Doch bis dahin würde es noch dauern, und Volleyballspielen könnte er bis dahin auch nicht mehr. Eine doppelte Aussicht, die Tobio auf das Gemüt schlug.
„Stimmt was nicht?" Beim Essen war er heute wohl besonders abgelenkt gewesen. Chigaya blickte ihn besorgt an.
„Nein, ich hab nur an Hinata gedacht", erklärte ihm Tobio.
„Wer ist Hinata?" Miya Atsumu hatte sich wieder einmal an ihn angeschlichen und nahm unaufgefordert neben ihm Platz, was Chigaya dazu veranlasste ihm wütende Blicke zuzuwerfen, die den blonden Jungen nicht zu beeindrucken schienen.
„Mein Angreifer", erklärte Tobio. (Das war richtiger als „einer meiner Angreifer" zu sagen).
„Nur dein Angreifer?", wunderte sich Miya.
Tobio fand diese Frage seltsam und wusste im ersten Moment keine Antwort.
„Weil du bei dem Gedanken an ihn so verträumt ausgesehen hast, deswegen", meinte Miya in der Art Tonfall, die Oikawa immer benutzte um Tobio auf die Palme zu bringen.
„Er ist ein Freund", erwiderte Tobio wahrheitsgetreu.
„Ein ganz besonderer Freund, nehme ich an", vermutete Miya.
„Ja", zischte Chigaya, „Lass es, Miya."
Der blonde Junge grinste. „Ich will nur sagen, dass es nie schaden kann, wenn man mehrere ganz besondere Freunde hat", meinte er und wandte sich Chigaya zu, „Während man auf übervorsorgliche große Brüder in mehrfacher Ausführung verzichten kann." Nun grinste er Chigaya frech an. Tobio hingegen, der hatte das Gefühl etwas zu verpassen.
„Machst du dich über mich lustig, Miya-san?", wollte er wissen.
Miya Atsumu blinzelte ihn daraufhin nur unschuldig an. „Oh, nein, Tobio-kun, das würde ich niemals tun", behauptete er und drückte Tobios Arm, „Nicht, wenn es um so eine ernste Sache geht."
Von welcher ernsten Sache redet er da?!
Chigaya seufzte entnervt. „Miya, lass ihn in Ruhe", wiederholte er, „Bitte."
Miya seufzte und kniff seine Augen dann kurz auf diese seltsame Weise zusammen, die ihm zu eigen war, bevor er meinte: „Also schön." Dann zwinkerte er Tobio noch einmal zu, stand auf, und entfernte sich von ihrem Tisch. Tobio blickte ihm misstrauisch hinterher. „Hat er sich über mich lustig gemacht?", wollte er nun von Chigaya wissen.
Dieser schüttelte nur den Kopf. „Vergiss ihn einfach", meinte er. Doch das war gar nicht so einfach. Aus irgendwelchen Gründen ging Miyas Behauptung er wäre ein langweiliger Zuspieler ihm genauso wenig aus dem Kopf wie der Junge selbst. Doch zumindest würde ihm der andere Zuspieler nicht mehr lange verwirren können.
Tobio freute sich nicht auf die Abreise, aber er freute sich auf seine Rückkehr nach Miyagi. Er hatte verabredet das Camp zusammen mit Chigaya zu verlassen (vor allem auch deswegen, weil er alleine vielleicht nicht einmal aus der Halle finden würde), doch der andere Junge war spät dran. Während Tobio wartete, stieß er stattdessen auf Miya Astumu, der eigentlich mit Sakusa und dessen Teamkamerad mit den auffälligen Augenbrauen unterwegs in Richtung Hallenausgang zu sein schien, aber inne hielt, als er Tobio sah, seine Kameraden verließ, und stattdessen zu ihm herüber kam.
„Tobio-kun!", begrüßte er ihn erfreut, „Ganz ohne deinen Schatten?"
Tobio blinzelte ob dieser Bemerkung. „Ich warte auf Chigaya", erklärte er.
„Ja, ich weiß." Miya grinste ihn an. „Hör mal, ich wollte mich entschuldigen." Er kratzte sich den Kopf. „Fall ich dafür gesorgt habe, dass du dich unwohl fühlst, tut es mir leid. Das war nicht meine Absicht."
„Oh, nein. Ich bin nur … Ich verstehe nur eben immer noch nicht was damit gemeint ist, dass ich wie nach Lehrbuch spiele und warum das etwas Schlechtes sein soll", erwiderte Tobio schnell, „Ich meine, ich will doch nur, dass sich meine Angreifer wohlfühlen, und …." Er verstummte, weil er Miya nicht anvertrauen wollte, warum ihm das so wichtig war.
„Ist es nicht wichtiger, dass du dich bei dem, was du auf dem Feld tust, wohl fühlst?", hielt Miya dagegen.
Tobio blinzelte ihn an.
„Komm mal mit." Miya hatte ihm am Ärmel seiner Karasuno-Jacke gepackt und zerrte ihn mit sich ein paar Schritte weg in eine stille Ecke. Tobio folgte ihm gehorsam. „Du bist wirklich süß", merkte der ältere Junge dann an, „Ein braver Junge, das ja, aber süß."
Tobio wusste nicht was er darauf erwidern sollte. „Und du bist kein braver Junge?", erkundigte er sich.
„Oh, nein, ich bin ein Bad Boy", versicherte ihm Miya und beugte sich nach vorne. Seine Hand streichelte plötzlich Tobios Gesicht, und dieser spürte wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Oh. „Ist das okay?", wollte Miya wissen.
Tobio nickte, weil ihm die Worte fehlten. Miyas Gesicht näherte sich seinem. „Ich mag ein Bad Boy sein, aber ich kann auch nett sein", behauptete der Junge, bevor seine Lippen Tobios berührten. Oh. Jetzt wusste er warum Chiyaga nicht gewollt hatte, dass er mit Miya Atsumu alleine war. Die Lippen des anderen Jungen pressten sich rau gegen seine, und Miyas geschickte Hände wanderten unterdessen über Tobios Körper.
Tobio dachte an Hinata. Er dachte an Oikawa. Und an all die verwirrenden widerstreitenden Gefühle, die ihn so oft erfüllten, und die er nicht verstand. Er öffnete seinen Mund und fand eine fremde Zunge darin wieder. Oh.
Miya löste sich von ihm. „Hey, alles in Ordnung, Tobio-kun?" Seine verhangenen Augen musterten Tobio prüfend.
„Ja", murmelte dieser.
Miya strich ihm durchs Haar. „Weißt du, ich hab dich gefragt, ob du nicht lieber Angreifer sein willst, weil ich dir wirklich gerne noch einmal Bälle zuspielen würde", meinte er, „Wenn wir beide im Nationalteam wären, und du mein Angreifer wärst, wäre das nicht viel besser als wenn wir beide Rivalen um den Posten des Zuspielers wären? Es gefällt dir doch meine Bälle zu schlagen, oder nicht?"
Tobio nickte mechanisch. „Aber ich bin Zuspieler", murmelte er.
„Lass es dir einfach mal durch den Kopf gehen. Oh, da kommt Chigaya." Miya trat einen Schritt von ihm zurück. „Wo sind denn die anderen hin verschwunden?" Unschuldig, als wäre nichts passiert, eitle er davon. Tobio sah ihm mit klopfenden Herzen hinterher.
Er ging zu Chigaya. Noch bevor sie die Halle verließen, kam Miya noch einmal an ihnen vorbei und verabschiedete sich. „Du solltest dein Potential ausschöpfen", meinte er. Tobio wollte aber Zuspieler sein. Er wollte Hinatas Zuspieler sein.
Chigaya hatte genug Mitleid mit ihm um ihn zum Bahnhof zu bringen. Sie gingen schweigend nebeneinander her. „Kageyama, stimmt was nicht?", wollte Chigaya schließlich wissen.
„Ich war doch mit Miya Atsumu alleine", brach es aus Tobio heraus, „Es tut mir leid."
„Oh …" Chigaya wirkte nicht glücklich. „Hat er … was gemacht, was dir nicht recht war?", wollte er dann wissen.
„Nein. Aber … bitte sag dem Captain und Kuroo-san trotzdem nichts", erwiderte Kageyama schnell, „Oder sonst jemanden."
„Natürlich nicht", versicherte ihm Chigaya, „Das würde ich nie tun. Und Miya … Mach dir einfach nicht zu viele Gedanken über ihn, ja?" Wenn das nur so einfach wäre!
Tobio wusste nicht was ihn mehr verfolgte: Miyas Worte über sein Zuspiel oder der Kuss. Beides verwirrte ihn gleichermaßen.
Die ganze Zugfahrt über zurück nach Miyagi war er mit den Gedanken an das Vorgefallene beschäftigt. Irgendwann fiel ihm auf, dass er die einzige Person war, die noch in seinem Abteil saß. Nachdenklich starrte er auf die Namen im Telefonbuch seines Handys. Einen Moment lang schwebte sein Finger über den Namen Hinata, doch dann scrollte er stattdessen weiter hinunter. Das ist ein Fehler, wurde ihm klar, kaum dass er auf den Namen gedrückt hatte, doch es war bereits zu spät.
„Moshi-Moshi?"
„Ich bin's", quetschte er hervor.
„Tobio-chan? Woher hast du meine Nummer? Wenn du denkst, dass ich dir, nur weil ihr Miyagi bei den Nationalmeisterschaften repräsentiert, aus falsch verstandener Loyalität heraus Tipps geben werde, dann hast du dich geschnitten. Wir sind immer noch Rivalen, und ich werde nicht dumm genug sein dir noch einmal dabei zu helfen besser zu werden, und…."
Tobio unterbrach Oikawas Triade unberührt, indem er einfach damit herausplatze: „Ich habe eine Jungen geküsst."
„Oh." Einen Moment lang herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. Und gerade als Tobio dachte, dass Oikawa aufgelegt haben musste, meinte dieser schließlich: „Hat dir der Kuss gefallen?"
Tobio dachte das Gefühl von Miyas rauen Lippen auf seinen und an die Zunge, die sich in seinen Mund verirrt hatte. „Ja", gab er dann zu, „Aber…."
„Aber?"
„Aber es war der falsche Junge", gestand er dann ein.
„… Nun, das kommt vor. Dass man den falschen Jungen küsst, meine ich. Vermutlich öfter als den richtigen zu küssen", erwiderte Oikawa.
Das waren keine besonders aufmunternden Worte.
„Aber das ist nicht schlimm", fuhr Oikawa fort, „Solange es dir Spaß macht und keiner zu Schaden kommt, ist es absolut in Ordnung den falschen Jungen zu küssen. Und es ist eine gute Übung dafür eines Tages jemanden zu küssen, den du wirklich magst."
Tobio schniefte bei diesen Worten. „Aber was wenn die Person, die ich mag … mich niemals zurück mögen wird?", warf er ein.
„Das wird schon nicht passieren", behauptete Oikawa.
„Bei dir war das doch auch so", rief ihm Tobio in Erinnerung.
Wieder folgte ein Moment des Schweigens. „Das war etwas anderes", meinte Oikawa schließlich, „Du warst ein Kind. Und wir waren Rivalen. Wenn wir nicht immer noch Gegner wären, dann würden die Dinge heutzutage vielleicht anders aussehen. … Nicht, dass das eine Einladung sein soll. Ich bin im Moment nicht am Markt."
Tobio wusste nicht was er von dieser Aussage halten sollte. „Ich weiß nur nicht warum er mich geküsst hat", gab er dann zu.
„Nun, die möglichen Beweggründe dafür sind recht überschaubar", behauptete Oikawa.
„Ich glaube nicht, dass er mir wirklich mag", gab Tobio zu, „Er hat gesagt, dass ich…" Aber das kam Volleyball zu nahe, und Oikawa hatte ihm gleich bei der Eröffnung ihres Gesprächs verboten über Volleyball zu sprechen. „.. er hat Dinge gesagt. Und ich glaube, ich mag ihn auch nicht sonderlich. Nicht … als Menschen." Tobio wusste selbst, dass das, was er sagte, keinen Sinn ergab. „Es tut mir leid", murmelte er, „Ich weiß nicht wie ich…."
„Nein, ich versteh schon", meinte Oikawa und seufzte dann, „Mhm … weißt du es ist so … manchmal da magst du jemanden nicht, aber dein Körper mag diese Person trotzdem. Und daran ist nichts verkehrt, es ist nicht ideal, aber es passiert. Darüber solltest du dir keine Gedanken machen, das passiert jedem mal. Und solange es nicht zu Gewohnheit wird sich auf solche Sachen einzulassen, nimmt dabei auch niemand Schaden."
„Und wenn er mich noch einmal küssen will?" Vielleicht war das die wahre Frage, die er die ganze Zeit über hatte stellen wollen.
„Dann tust du, was du willst. Wenn du nicht willst, dann teilst du ihm das so deutlich mit wie es geht. Und das wird er dann akzeptieren. Und wenn du ihn doch noch mal küssen willst, nun, dann nur zu. Es hat dir doch gefallen, oder?", erwiderte Oikawa.
„Es ist … ablenkend", gab Tobio zu.
Oikawa seufzte wieder. „Das Leben besteht nicht nur aus Volleyball, Tobio-chan", erklärte er, „Manchmal ist es in Ordnung sich ablenken zu lassen."
„Aber nicht gerade jetzt. Und nicht von ihm", meinte Tobio fest.
„Nun, dann weißt du ja was zu tun ist", erwiderte Oikawa, „Und wenn er nicht akzeptieren sollte, dass du nichts von ihm willst, dann … dann bittest du einfach jemanden um Beistand."
„Wen denn?", verlangte Tobio zu wissen. Es gab Gründe warum er von allen Leuten, die er kannte ausgerechnet Oikawa angerufen hatte. Und Chigaya würde nicht bei den Nationalmeisterschaften sein, sein Team hatte die Vorausscheidung nicht überstanden.
„Einen Freund. Wie … dieses neue Mädchen von euch etwa. Oder Mr. Refreshing, euren anderen Zuspieler. Die würden dir sicher beistehen, wenn du Hilfe brauchst, denkst du nicht?", schlug Oikawa vor.
Yachi-san und Sugawara-san waren sehr nette Menschen, das war wahr, aber …
„Aber dazu wird es schon nicht kommen", behauptete Oikawa, „Ich meine, er wollte dich doch nicht zwingen, oder?"
„Nein", gab Tobio zu.
„Siehst du, dann wird sich alles in Wohlgefallen auflösen", meinte Oikawa, „Und jetzt hör auf dir Gedanken um das mögliche Morgen zu machen und denk lieber über das Gestern nach. Gute Küsse sollte man nicht verschwenden. Sieh es als gute Erfahrung an, nicht als schlechte."
„Okay." Und den Kuss konnte er vielleicht auch wirklich so sehen: als eine gute Erfahrung. Doch was Miyas Behauptungen über seine Person anging und seine Art des Zuspiels, das war nichts, was er so einfach positiv sehen konnte. Aber davon durfte er Oikawa nicht erzählen. „Danke", meinte er dann.
„Gib auf dich acht, Tobio", meinte Oikawa noch, und dann legte er auf.
Der Zug erreichte Miyagi, und Tobio ließ sein Handy sinken. Er war so gut wie Zuhause. Bald würde er Hinata wiedersehen. Bald würde er sein Team wiedersehen. Bald könnte er wieder weiter trainieren. Darauf sollte er sich im Moment konzentrieren.
Alles andere … nun, es war hoffentlich wie Oikawa gesagt hatte, es würde sich in Wohlgefallen auflösen. So musste es einfach sein. Denn wie sollte er ansonsten die Nationalmeisterschaft gewinnen?
A/N: Wegen dem neuen Film, der bei uns im Juni, witziger Weise genau an meinem Geburtstag, in die Kinos kommen soll, re-watche ich die Serie gerade und bin gerade wieder bei Staffel 4, und da ich Hinata im Trainingscamp schon mal in einer Fanfic aufgearbeitet habe, war dieses Mal Kageyama dran.
Und ja, ich weiß, ich hatte Fluff versprochen, stattdessen ist das dabei herausgekommen, aber Kageyama-Angst ist nun mal mein Ding.
Denkt auf jeden Fall nicht zu schlecht über Atsumu, er ist zu diesem Zeitpunkt selbst noch ein Teenager und weiß vermutlich weder wie vergleichsweise jung noch wie unerfahren Kageyama ist und wollte einfach nur ein wenig Action, kann ihm das einer verdenken? Consent Issues sind in japanischen Umfeld immer ein gewisses Problem, und genau deswegen habe ich immer wieder betont, dass Kageyama für sich genommen ja nicht abgeneigt war, er wusste nur leider die meiste Zeit über nicht, dass Atsumu gerade mit ihm flirtet.
Das nächste Kapitel wird eine Fortsetzung von diesem hier sein.
Reviews sind immer willkommen.
