10. (K)ein Plan


Pairing: BokuAka, Bokuto/Atsumu, Akaashi/OCs

Warnings: Panikattacke


Bevor er Bokuto Koutarou kennengelernt hatte, hatte Akaashi Keiji sein Leben genau durchgeplant gehabt. Er hatte vorgehabt die Oberschule mit den bestmöglichen Noten abzuschließen, die Universität in Rekordzeit hinter sich zu bringen, und erfolgreich als Buchhalter zu arbeiten. Er hatte Mitte Zwanzig heiraten wollen, Vater mit Dreißig sein wollen, und seine Eltern jeden Tag seines Lebens stolz machen wollen. Volleyball hätte nicht mehr sein sollen als ein Hobby, der notwendige Sport um ihn ein gesundes Leben zu ermöglichen.

Doch dann trat der Wirbelsturm namens Bokuto Koutatrou in sein Leben, und von diesem Moment an verflüchtigten sich all seine Pläne ins Nichts.

Keiji hätte nicht erwartet, dass er sich jemals Hals über Kopf verlieben würde. Normalerweise war er ein sehr logischer und nachdenklicher Mensch. Er war immer davon ausgegangen, dass er sich eine passende Ehefrau auswählen würde, nie hatte er erwartet aus Liebe zu heiraten; seine einzige Beziehung in der Mittelschule war die wohldurchdachte Annahme eines von vielen Geständnissen von einem strebsamen und wohlerzogenen Mädchen gewesen, deren Freundschaft seinen Ruf verbesserte. Er hatte auf persönlicher Ebene nicht wirklich viel mit ihr anzufangen gewusst. Mehr mit ihr zu tun als ein wenig Händchen zu halten und auszugehen war ihm nie in den Sinn gekommen. Er war davon ausgegangen, dass der Rest seines Lebens ebenfalls so aussehen würde. Wie hätte er ahnen können wie sehr er sich irrte?

An seinen Gefühlen für Bokuto-san war nichts logisch. Der Junge war chaotisch, gefühlsbetont, energetisch, und schien rein instinktiv zu funktionieren. Er machte aus allem in seinem Leben ein Drama und schien nie nachzudenken bevor er den Mund öffnete oder handelte. Er war in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von Keiji und niemand, mit dem er Zeit verbringen wollen sollte.

Und so gut es auch tat Bokuto-sans Leben durchzuorganisieren und ihn selbst zu kontrollieren, so sehr war jede Verbindung zu ihm auch immer eine Achterbahn der Gefühle für Keiji, weil nie voraus zu sehen war was die Achterbahn von Bokuto-sans Gefühlen für sie beide bereithalten würde.

Bokuto-san war ein wirklich guter Volleyball-Spieler, aber es mangelte ihn an Disziplin. So schnell wie er Erfolge einfuhr, so schnell verlor er die Lust daran zu spielen, wenn irgendetwas schief lief. Nicht aus Eitelkeit heraus, nein, sondern weil er wahrhaftig der Meinung war, dass er nicht gut genug war um es zu verdienen den Ball zugespielt zu bekommen.

Bokuto-sans beinahe schon manisch-depressive Persönlichkeit auf dem Spielfeld war für seine Mannschaft eine Herausforderung. Ihn bei Laune zu halten war mehr als nur ein wenig anstrengend. Es sollte genug Arbeit sein um Keiji von jedem weiteren persönlichen Kontakt abzuschrecken, aber aus irgendwelchen Gründen verfiel er dem älteren Jungen immer mehr je eigensinniger und übersensibler er sich gab.

Die Senpais behaupteten, dass Verhalten sich verbessert hatte, seit Keiji sein Zuspieler geworden war, aber für Keiji war es anstrengend genug seinen besten Angreifer in seiner jetztigen Verfassung auf Kurs zu halten. Einen noch weniger disziplinierten und noch leichter abgelenkten Bokuto-san konnte er sich gar nicht vorstellen.

„Es liegt an deinem Zuspiel, Akaashi. Es bedeutet ihm wirklich viel von dir Bälle zugespielt zu bekommen", behauptete Konoha-san, „Er reißt sich schneller wieder zusammen, wenn das bedeutet, dass du ihm wieder schneller Bälle zuspielst."

Ob das wirklich die Lösung des Geheimnisses war, wusste Keiji nicht zu sagen, fest stand aber, dass Bokuto-san wirklich gerne Bälle von ihm zugespielt bekam. Doch Keiji wollte darin nicht zu viel herein interpretieren, da Bokuto-san im Grunde einfach prinzipiell gerne Bälle zugespielt bekam. Bokuto-san war einfach jemand, der in den kleinsten Dingen des Lebens wahre Freude finden konnte.

Die Ironie war, dass Keiji dem anderen Jungen auch wirklich gerne Bälle zuspielte. Man sollte als Zuspieler keinen Lieblingsangreifer haben, das wusste Keiji, aber niemand schlug seine Bälle mit so viel Begeisterung wie Bokuto-san. Und das schmeichelte ihm schon ein wenig. Es gab ihm das Gefühl etwas Besonderes getan zu haben. Und dann war da noch die Tatsache, dass niemand beim Angreifen so schön aussah wie Bokuto-san. Auch das spielte in seine Entscheidung, ihm öfter als es eigentlich angebracht wäre, Bälle zuzuspielen mit hinein.

Bokuto-sans sonniges Gemüt und sein unbändige Energie berührten Keiji auf nie zuvor gekannte Weise. Er hatte sich noch nie zuvor so sehr danach gesehnt in der Nähe von jemand anderen zu sein. Und er hatte sich noch nie zuvor so sehr danach gesehnt jemand anderen glücklich zu machen. Ein glücklicher Bokuto-san war ein wunderschöner Bokuto-san.

Bokuto-san hatte nur einen einzigen Plan für seine Zukunft, und zwar den, dass er auf jeden Fall immer weiterhin Volleyball spielen wollte. Und damit er das weiterhin tun konnte, musste er besser werden, disziplinierter, und Keiji musste ihm dabei helfen diese Ziele zu erreichen, das war ihm klar. Volleyball verband sie, war in vielerlei Hinsicht ihr Band. Wenn sie Volleyball nicht mehr hätten, was hätten sie dann noch gemeinsam?

Keiji wusste selbst, dass sie nicht besonders viele Interessen miteinander teilten. Bokuto-san war jemand, der Spaß suchte, während Keiji jemand war, der alles ernst nahm. Er konnte sich nicht wirklich für die gleichen Dinge begeistern wie Bokuto-san – Actionfilme, Shonen Jump, Sport im Allgemeinen, das alles ging an ihm genauso vorbei wie seine Interesse – das Lesen eines guten Romans, philosophische Studien, und Strategiespiele – an Bokuto-san vorbei gingen. Bokuto-san war jemand, der ständig in Bewegung sein wollte, während Keiji im Allgemeinen lieber stille Momente genoss und über Dinge nachdachte.

Keiji kannte sich selbst gut genug um zu wissen wie andere Leute ihn sahen: als Spaßbremse. Genau deswegen hatte er auch nie verstanden warum sich Bokuto-san eigentlich mit ihm abgab. War sein gutes Zuspiel wirklich so wertvoll für ihn, dass er alles andere dafür in Kauf nahm? Sie versuchten Kompromisse zu schließen, aber jede Diskussion über Manga-Serien versickerte im Sand, sobald Keiji zu erklären begann warum eine bestimmte Szene dramatisch besonders gut für ihn funktionierte, Bokuto-san aber nur erwiderte wie cool er die neueste Kampfszene in One Piece doch gefunden hatte. Bokuto-san seinerseits erklärte ihn immer wieder wie beeindruckend er Keiji fand, weil er sich für die Dinge interessierte, für die er sich interessierte, aber darauf konnten sie auch nicht aufbauen, nicht wirklich. Bokuto-sans Aufmerksamkeitsspanne spielte da oft einfach nicht mit.

Sie kamen gut genug mit einander zurecht, aber es brauchte nur das neueste gemeinsame Trainingscamp mit den anderen Schulen um Keiji daran zu erinnern, dass er niemals so gut mit Bokuto-san klar kommen würde wie Nekomas Kuroo-san das tat. Die beiden älteren Jungen waren einander nun mal viel ähnlicher als Keiji und Bokuto-san, sie kannten sich auch viel länger, und sie schienen viel einfacher miteinander kommunizieren zu können. Keiji wollte Kuroo-san für einen unleidigen rotzfrechen Angeber halten, aber er wusste, dass Bokuto-san ihn nicht so sehr mögen würde, wenn das alles wäre, was er wäre. Er wusste, dass Bokuto-san und Kuroo-san immer Freunde bleiben würden, während er nicht wusste wie er Bokuto-san in seinem Leben halten sollte.

Manchmal fragte er sich, ob der wahre Grund warum er zugestimmt hatte mit Bokuto-san auszugehen darin lag, dass ihm keine andere Art eingefallen war seinen Senpai in seinem Leben zu halten. Im Grunde hatte er nie wirklich daran geglaubt, dass Bokuto-san noch irgendeine Art von Interesse an ihm haben würde, sobald sie nicht mehr miteinander an die gleiche Schule gingen. Zusammen zu lernen und zusammen Volleyball zu spielen hatte sie zusammengehalten, aber sobald sie das nicht mehr tun könnten, was blieb ihnen dann noch?

Er wusste, dass er es nicht ertragen würde Bokuto-san zu verlieren, aber er wusste auch, dass er ihn unweigerlich verlieren würde. Deswegen war er mehr als nur ein wenig erstaunt, dass Bokuto-san, auch nachdem er die Oberschule abgeschlossen hatte, immer noch Teil seines Lebens blieb, und das nicht nur als Freund, sondern als sein fester Freund.

Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass Bokuto-san an der Universität Leute kennen lernen würde, die ihn mehr interessieren würden als Keiji, doch offenbar war das nicht der Fall. Bokuto-san schien seine meiste Freizeit mit Kuroo-san zu verbringen und sich ansonsten weiterhin vor allem seiner Beziehung zu Keiji zu widmen.

Das hätte Keiji beruhigen sollen, doch in Wahrheit bewirkte es das Gegenteil und brachte Keiji dazu über ihre gemeinsame Zukunft nachzudenken, und das fast täglich. Es war einfach unmöglich, dass jemand wie Bokuto-san durchs Leben gehen konnte ohne jemanden zu begegnen, der besser zu ihm passte als Keiji. Eines Tages würde er aufwachen und feststellen, dass er mit einem Langweiler zusammen war, und dass all diese viel interessanteren Menschen um ihn herum existierten, und dann würde er Keiji verlassen, und Keiji, der das nicht mehr hätte kommen sehen, weil Bokuto-san doch bei ihm geblieben war, obwohl er die Schule schon verlassen hatte, würde mit gebrochenen Herzen und verzweifelt zurück bleiben.

Im Übrigen war es sowieso unwahrscheinlich, dass sie überhaupt zusammen bleiben würden. Sie hatten sich an der Oberschule kennengelernt, gleich in ihrem ersten gemeinsamen Jahr begonnen miteinander auszugehen. Wie viele Paare, die auf so eine gemeinsame Geschichte zurückblicken konnten, blieben schon zusammen? Die erste Liebe war doch nicht der Partner fürs Leben. Das war die harte aber nicht zu leugnende Wahrheit.

Und so machte sich Keiji ein Jahr lang mit dem Gedanken an die unweigerliche Trennung, die auf ihn zukommen würde, wahnsinnig, anstatt sich darüber zu freuen, dass sie nicht stattgefunden hatte. Und schmiedete dann den perfekten Plan um diese Trennung zu verhindern: Den Plan sich zu trennen, bevor es soweit kommen konnte.

Er wollte sich natürlich nicht für immer trennen, oh nein, er wollte Bokuto-san nur die Möglichkeit geben mit anderen interessanteren Leuten auszugehen, damit der ältere Junge erkennen könnte, dass diese Leute interessanter sein mochten, aber Keiji derjenige war, auf den er sich wirklich verlassen konnte. Sollte Bokuto-san doch mit anderen schlafen und herum machen und dieses Bedürfnis so ausleben können, dann würde er es später, wenn sie unweigerlich wieder zusammen kommen würden, nicht mehr haben. Und außerdem würde eine zeitweilige Trennung ihr statistischen Chancen erhöhen später für immer zusammen zu bleiben, da die meisten Paare erst nach einer vorübergehenden Trennung ein richtig starkes Band entwickelten, und Paare, die später im Leben zusammenkamen, größere Chancen hatten auch zusammen zu bleiben.

Wenn sie beide mit anderen Leuten zusammen wären, dann würden sie wissen wie es wäre mit anderen auszugehen, und könnten sich sicher sein, dass sie füreinander die richtigen wären. So einfach war das.

So einfach war die Idee, sie Bokuto-san zu vermitteln, war weniger einfach. Keiji musste mehrfach betonen, dass es eine Beziehungspause war, keine richtige Trennung, und dass sie wieder zusammen kommen würden. Er hatte Widerstand erwartet, doch Bokuto-san sah ihn nur treuherzig an und meinte: „Wenn du das für das Beste hältst, Kaashi, dann tun wir es eben."

Warum gab er so einfach nach? War er ihrer Beziehung in Wahrheit schon lange überdrüssig und hatte sich heimlich danach gesehnt Keiji loszuwerden? Nein, das war es nicht, da war sich Keiji sicher. Es war wie Bokuto-san gesagt hatte, er würde alles tun, was Keiji wollte; wenn Keiji eine vorübergehende Trennung für das Beste hielt, dann würde er das akzeptieren, würde denken, dass es das Beste für sie beide sein musste.

Doch weil Keiji schwach war, konnte er nicht ohne Bokuto-san sein. Er wollte den älteren Jungen unbedingt in seinem Leben halten, er wollte weiterhin befreundet sein, weiterhin sein Zuspieler sein. Er hatte nur unterschätzt wie hart es sein würde, dass alles zu sein, aber zugleich nicht mehr mit ihm zusammen zu sein.

Es tat weh sich vorzustellen, dass Bokuto-san andere küssen und umarmen würde, dass er mit anderen zusammen sein würde. Aber es war nötig, das wusste Keiji, also hielt er durch.

Zunächst änderte sich nichts, dann wurde Bokuto-san zunehmend traurig, was darauf hindeutete, dass er Keiji vermisste, aber wenn Keiji jetzt nachgeben und ihn zurücknehmen würde, dann wäre die ganze Trennung umsonst gewesen. Bokuto-san sollte mit anderen ausgehen, er sollte sehen wie es war mit jemanden zusammen zu sein, der nicht Keiji war.

So ertrug Keiji Bokuto-sans Depression und Kuroo-sans wohlverdiente Wut, die er dadurch auf sich gezogen hatte, und hielt durch, blieb stark und hart, und …

… erkannte, dass er der größte Idiot war, der jemals auf Gottes Erde gewandelt war. Miya Atsumu wirbelte ihre Leben durcheinander als wäre er ein Hurrikan. Keiji mochte Miya nicht, aber er hätte es akzeptiert, wenn Kuroo-san ihn gedatet hätte, doch nein, offenbar hatte der andere Zuspieler ein Auge auf Bokuto-san geworfen, und das war … nicht einfach mitanzusehen.

Es war eine Sache in der Theorie zu wollen, dass Bokuto-san mit anderen ausging, die Realität von dieser Möglichkeit mitzuerleben war etwas anderes.

„Er ist einfach nicht gut genug für Bokuto-san", erklärte er Kenma eines Tages nach einer langen Schmährede auf Miya, nachdem dieser ihn darauf hingewiesen hatte, dass der Sinn der ganzen Übung doch gewesen war, dass Bokuto-san mit jemand zusammen war, der nicht Keiji war. Kenma blickte ihn daraufhin nur an als wüsste er genau, dass das nicht das wahre Problem war.

„Du hättest also kein Problem damit, wenn Bokuto mit jemand anderen ausgeht, solange diese Person nicht Miya Atsumu ist?", vergewisserte er sich.

„Ja, genau", behauptete Keiji.

Kenma erwiderte nichts, sah ihn aber vielsagend an.

„So ist es wirklich", betonte Keiji, „Ich will, dass Bokuto-san alles haben kann, was er möchte, ich will, dass er glücklich werden kann, aber Miya Atsumu ist einfach nicht der Richtige für ihn."

„Und wenn Miya Atsumu in der Lage wäre Bokuto glücklich zu machen? Wäre er dann immer noch nicht der Richtige für ihn?", wollte Kenma wissen, „Mir ist aufgefallen, dass Bokutos Laune sich gebessert hat, seit der fiesere Miya-Zwilling in unser Leben getreten ist. Er lacht wieder mehr. Und versteht sich wirklich gut mit Atsumu."

Keiji biss sich auf die Lippen und wusste nicht was er darauf erwidern sollte.

„Kuro hat im Lauf seines Lebens auch schon viele angeschleppt, von denen ich nicht gerade begeistert war", sagte Kenma dann, „Aber ich wollte immer, dass er glücklich ist, also habe ich immer gehofft, dass diese Personen ihn glücklich machen können. Ob ich sie nun mochte oder nicht."

„Aber Bokuto-san …", setzte Keiji an und unterbrach sich dann, „Was wenn er sich in Miya verliebt? Was wenn sie zusammen kommen und sich nie wieder trennen?"

Kenma blickte ihn lange an. „Keiji, du hast dich von Bokuto getrennt, damit er mit anderen ausgehen kann", sagte er dann, „Bist du dabei nie auf die Idee gekommen, dass er sich in diesem Fall in jemanden, mit dem er ausgeht, verlieben könnte und lieber mit dieser neuen Person als mit dir zusammen sein könnte?"

Keiji traute sich nicht darauf zu antworten.

Kenma sagte nichts mehr, doch Keiji kannte ihn gut genug um zu wissen, dass der andere Junge ebenfalls der Meinung war, dass Keiji der größte Idiot war, der jemals auf Gottes Erde gewandelt war.

Er hatte sich alles selbst zuzuschreiben, das wusste er. Er wusste, dass Bokuto-san mit Miya Atsumu schlief, und er wusste, dass Bokuto-san glücklich war. Er hasste dieses Wissen, aber Kenma hatte in einem recht: Er wollte, dass Bokuto-san glücklich war. Also vergrub er seinen Schmerz tief in sich und akzeptierte, dass Miya Atsumu das war, was Bokuto-san glücklich machte.

Er sagte sich, dass alles gut war, solange er nur immer noch in Bokuto-sans Leben sein konnte. Solange sie Freunde bleiben konnten, solange war alles in Ordnung.

„Der Junge dort findet dich süß, weißt du? Er starrt jetzt schon zum dritten Mal innerhalb von fünfzehn Minuten zu dir herüber." Kuroo-san deutete auf einen untersetzten Jungen, der ein paar Tische von ihnen entfernt saß und errötete als Keiji zu ihm hinüber sah. Keiji hatte bisher vor allem Bokuto-san und Atusmu auf der Tanzfläche beobachtet und den Jungen bisher gar nicht bemerkt.

„Bist du sicher, dass er nicht dich anstarrt?", erwiderte er, denn Kuroo-san neigte dazu Blicke von Jungen und Mädchen ihrer Altersgruppe überall, wo sie hin gingen, auf sich zu ziehen, und hier in dieser Tanzbar, in der sie schon öfter gewesen waren, wurde er besonders gerne angestarrt.

„Ich bin sicher, dass er es auf dich abgesehen hat, nicht auf mich. Aber ich kann rüber gehen und ihn fragen", bot Kuroo-san an.

„Nein!", rief Keiji schnell, „Bloß nicht!"

„Warum nicht? Siehst du zur Zeit jemanden?", erkundigte sich Kuroo-san.

„Nein, aber…." Ihm fiel kein Aber ein. Er wünschte sich, dass Kenma hier wäre oder Yaku oder sonst jemand, er wollte dieses Gespräch nicht mit Kuroo-san führen. Kuroo-san wäre im Stande ihm ins Gesicht zu sagen, dass der der größte Idiot war, der jemals auf Gottes Erde gewandelt war.

Stattdessen meinte der ehemalige Captain von Nekoma aber nur sanft: „Weißt du, manchmal verändern sich Dinge, und das ist nicht immer einfach für jemanden wie dich, das ist mir schon klar, aber Veränderung kann auch eine gute Sache sein. Dieser Junge dort drüben, der könnte wirklich nett sein. Warum gibst du ihm keine Chance dir das zu beweisen?"

„Ich .." Keijis Blick irrte zurück zu Bokuto-san auf der Tanzfläche. „Vielleicht hast du recht", gab er dann nach.

Bokuto-san war glücklich, nicht wahr? Vielleicht sollte Keiji sich gestatten nach Chancen zu suchen ebenfalls glücklich zu werden. Er nahm seinen Drink und ging hinüber zu dem untersetzten Jungen und sah nicht mehr hinüber zu Bokuto-san und Atsumu.

Stattdessen blickte er in seine eigene Zukunft.

Und diese sah für einige Zeit sogar wirklich rosig aus. Bis sie das nicht mehr tat. Und bis Keiji damit begann über seine Zukunft nachzudenken. Wieder einmal.

Keiji hatte eigentlich schon viel länger Volleyball gespielt als er es geplant hatte. Doch nun wurde ihm klar, dass seine Noten und sein Studium von seinem Hobby beeinflusst wurden. Er war nicht wie Bokuto-san oder Kuroo-san, er erhoffte sich keine Zukunft als Profi. Weiterzuspielen wäre unverantwortlich, das wusste er.

Doch wenn er aufhören würde, dann würde er Bokuto-san viel weniger sehen als bisher. Dann hätte Bokuto-san keinen Grund mehr Zeit mit ihm zu verbringen, nicht jetzt, wo er über Keiji hinweggekommen war und sich anderweitig orientiert hatte.

Er hatte gedacht, dass er damit Frieden geschlossen hatte, dass er nicht mehr der Mittelpunkt von Bokuto-sans Leben war, und das hatte er auch, aber der Gedanke daran, dass er gar keine Rolle in Bokuto-sans Leben mehr spielen könnte, der versetzte ihn in immer noch in regelrechte Panik.

Natürlich würde Bokuto-san ihn nicht einfach von Heute auf Morgen verlassen, nein, es würde schleichend passieren. Er hätte immer weniger Zeit für Keiji übrig, und irgendwann würden sie sich gar nicht mehr sehen, weil ihre gemeinsame Freundesgruppe wegen unterschiedlicher Karrieren auseinander brechen würde, und Keiji würde Bokuto-san als berühmten Volleyball-Star im Fernsehen ständig vor Augen haben, während Bokuto-san gar nicht mehr an ihn denken würde!

Er würde Bokuto-san verlieren, er sah es auf einmal ganz deutlich vor sich. Selbst wenn ich weiterhin Volleyball spiele und meine Noten hinten anstelle, irgendwann ist die Uni vorbei, und dann wird Bokuto-san ein Volleyball-Star werden, während ich höchstens im Nachbarschaftsverein spielen werden, und er wird mich vergessen und nicht einmal mehr an mich denken. Er wird mit den Miya Atsumus dieser Welt zusammen sein, mit denen, die es ebenfalls drauf haben, die ebenfalls nur für Volleyball leben, während ich alleine und mit gebrochenem Herzen zurückbleiben werde, wurde Keiji voller Horror klar, und er konnte den Gedanken nicht mehr abschütteln.

Er konnte jetzt schon aufhören Volleyball zu spielen und Bokuto-san früher verlieren oder er konnte es hinauszögern und ihn später verlieren, aber was davon würde weniger weh tun? Was davon wäre klüger? Was davon könnte er besser ertragen?

Die Wahrheit war, dass er beides nicht ertragen konnte, die Wahrheit war…

… dass er sich in vollkommener Panik vor Bokuto-sans Türe stehend wiederfand und nicht wusste wie er dort hingekommen war. Normalerweise besuchte er Bokuto-san nicht einfach so ohne Vorankündigung im Wohnheim. Was sollte dieser von ihm denken?

Aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Keiji wollte den Jungen unbedingt sehen, er musste ihn sehen, also klopfte er nicht einmal an, sondern stürmte einfach in das Zimmer hinein.

Bokuto-san saß auf seinem Bett und sah von dem Buch, in das er vertieft gewesen war, auf und zog eine erstaunte Miene, als er Keiji sah. „Kaashi?", wunderte er sich, „Ist was passiert?" Sichtlich beunruhigt sprang er vom Bett auf und ging auf Keiji zu. „Du bist ja vollkommen aufgelöst!"

Keiji griff nach Bokuto-sans Hand und führte den anderen zurück zu seinem Bett und ließ sich zusammen mit ihm auf diesem nieder. Er suchte nach den richtigen Worten. Doch er konnte sie nicht finden. Stattdessen sprudelte es aus ihm heraus: „Ich will damit aufhören Volleyball zu spielen."

Bokuto-san musterte ihn besorgt. „Okay, das finde ich sehr schade, aber ich begreife nicht ganz warum du…", setzte er zu einer Antwort an, doch Keiji ließ ihn nicht aussreden.

„Aber wenn ich das tue, dann verliere ich dich, und das ertrage ich nicht. Ich kann nicht ohne Bokuto-san leben. Ich weiß, dass ich an allem Schuld bin, dass da jetzt Atsumu ist, und ich derjenige war, der wollte dass wir uns trennen, aber ich wollte doch nur verhindern, dass ich dich für immer verliere, und jetzt habe ich dich verloren, und bald verliere ich dich für immer, denn selbst wenn ich weiterspiele, irgendwann wirst du Profi und ich arbeite, und dann gibt es keinen Grund mehr für uns Zeit zusammen zu verbringen, und dann wirst du mich vergessen. Und ich habe es verdient vergessen zu werden, aber ich …ich will, dass Bokuto-san glücklich ist, das will ich wirklich, nichts ist mir wichtiger, aber ich … ich will auch glücklich sein", sprudelte es aus ihm heraus, und er brach in Tränen aus.

„Und ich war doch so glücklich, aber ich hatte solche Angst, dass es nicht halten wird", fuhr er fort, „also habe ich es sabotiert, und jetzt werde ich nie wieder glücklich sein. Ich wünschte, ich könnte zurück in der Zeit gehen und alles anders machen, aber das kann ich nicht. Ich habe nie jemand anderen geliebt und werde nie jemand anderen lieben, und mir ist klar, dass du nicht das gleiche fühlst, und das verlange ich auch gar nicht. Aber bitte, bitte lass mich in deinem Leben bleiben. Auch wenn ich nicht mehr Volleyball spiele, will ich einfach nur die Erlaubnis haben weiter ein Teil von Bokuto-sans Leben sein zu dürfen. Ich werde Reporter und berichte über deine Spiele oder sonst irgendetwas, wenn es sein muss, mir wird etwas einfallen, etwas, das mir erlaubt weiterhin in deiner Nähe zu sein. Aber ich kann nicht damit leben, dass du mich vergessen wirst, und ich…."

Plötzlich lag Bokuto-sans Finger auf seinen Lippen. „Ruhig, Akaashi, atme", befahl ihm der hellhaarige Junge, „Ganz ruhig. Hör zu: Du musst nicht Volleyball spielen, wenn du das nicht mehr willst, nur um Teil meines Lebens zu sein. Du musst kein Reporter werden oder sonst etwas, nur um relevant für mich zu bleiben. Du hast gesagt, dass du willst, dass ich glücklich bin, und hier ist die Wahrheit: Akaashi macht mich glücklich. Glücklicher als irgendjemand sonst auf dieser Welt. Und das wird sich niemals ändern."

Keiji entkam ein unterdrücktes Schluchzen.

„Hey." Bokuto-sans Finger verließ seine Lippen und stattdessen legten er seine Hände nun um Keijis Gesicht. „Hey. Hey. Akaashi, weißt du denn nicht, dass ich auch nie jemand anderen geliebt habe oder lieben werde?" Dann drückte ihm der Junge seinen sanften Kuss auf die Lippen.

„Und ich will auch, dass du glücklich bist. Deswegen habe ich akzeptiert, dass wir uns trennen, und dass wir nicht wieder zusammen kommen. Weil ich dachte, dass du das so willst. Denn wir werden immer das sein, was du willst. Wir müssen nicht zusammen sein. Wir müssen keinen Sex haben. Wir müssen nicht miteinander ausgehen oder miteinander Volleyball spielen. Aber wir werden immer Teil des Lebens des Anderen sein." Bokuto-san sah ihn treuherzig an. „Mach dir nicht immer so viele Sorgen, Akaashi, du wirst mich nie verlieren. Außer wenn es das sein sollte, was du willst."

Keiji konnte nicht mehr an sich halten und umarmte den größten Jungen und presste sich schluchzend an ihn. „Ich will dich, ich will mit dir zusammen sein, ich will dich nie nie verlieren, es tut mir leid, ich liebe dich, Bokuto-san", versicherte er dem Anderen, während er sich immer fester an ihn presste, „Ich brauche dich doch, du bist das Einzige, was ich jemals wirklich haben wollte."

„Du hast mich", versicherte ihm Bokuto-san.

Keiji fiel etwas ein, und er löste sich beunruhigt von Bokuto-san. „Was ist mit Miya Atsumu?", fiel ihm ein.

Bokuto-san runzelte die Stirn. „Er ist nicht in der Stadt, sie haben ein Spiel", erklärte er, „Oh, du meinst … so waren wir nie wirklich. Und das, was wir zusammen getan haben, das tun wir jetzt schon eine Weile nicht mehr."

„Wirklich?", wunderte sich Keiji, „Warum?"

„Weil ich das mit niemand anderen tun wollte als mit dir, Keiji", erklärte ihm Bokuto-san ernst.

Nun war es Keiji, der den anderen Jungen küsste, so leidenschaftlich wie er noch nie zuvor jemanden geküsst hatte. „Ich will auch nur dich, nur dich, Bokuto", versicherte er ihm, und dann küsste er ihn wieder und wieder.

„Keiji…" Seinen Vornamen aus den Mund des anderen Jungen mit so viel Liebe zu hören war beinahe mehr als Keiji ertragen konnte. Sie brauchten keine Worte mehr. Sie waren auf das Bett gesunken und zogen an ihren Kleidern, und Keiji wollte Bokuto einfach nur so nahe sein wie es irgendwie möglich war, und er wusste, dass es Bokuto genauso ging. Er vergaß jeden Plan, den er jemals gehabt hatte, wie immer, wenn es um Bokuto Koutarou ging. Und er ließ sich von seinen Gefühlen und seiner Leidenschaft davon schwemmen, ließ zu, dass sein Instinkt das Kommando übernahm.

Nachher lagen sie nebeneinander und blickten sich stumm in die Augen. In Bokutos Augen lag so viel Zuneigung, Keiji hätte niemals für möglich gehalten, dass ihn jemand so anblicken könnte. Noch dazu ausgerechnet Bokuto Koutarou.

„Koutarou", murmelte Keiji, ließ den Namen auf seiner Zunge zergehen.

„Können wir für immer zusammen sein, Keiji?", wollte Koutarou wissen, „Ich weiß, du denkst, das ist keine realistische Vorstellung, aber … können wir es wenigstens versuchen?"

Keiji nickte. „Ja", meinte er dann, „lass uns für immer zusammen sein."

Immerhin hatte er versucht nicht mit Bokuto Koutarou zusammen zu sein, und das hatte sich als unmöglich herausgestellt. Also konnte er genauso gut nachgeben und damit aufhören sich gegen das zu wehren, was er mehr als alles andere wollte. Stattdessen könnte er es einfach leben, und das wäre auch eine Art von Plan, nicht wahr?


A/N: Wow, dieses Kapitel…

Meiner Ansicht nach ist Akaashi von allen Haikyuu-Charakteren derjenige, der die größten Probleme mit dem Konzept der Liebe haben dürfte, mit der Grundidee, dass man jemand anderen einfach nur liebt und mit dieser Person zusammen sein will, komme was wolle.

Und ja, alle anderen beineiden Bokuto und Akaashi in meinen Fics immer um ihre einfache geradlinige wenig dramatische Beziehung, aber für Akaashi war sie genau das eben niemals wirklich (und für den armen Bokuto sowieso nicht). Für ihn war sie hochdramatisch belastend und angsteinflößend, aber er hat gelernt trotzdem darauf zu vertrauen.

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