Ius Primae Noctis
Hermine strich sich unsicher durch die braune Lockenmähne, ungezähmt wie eh und je. Der Federkiel in ihrer Hand zitterte leicht und sah schon sehr mitgenommen aus. Wieso war sie nur so nervös?
In den Jahren nach der Endschlacht hatte sie ihre NEWTs mit Auszeichnung abgeschlossen und auf der magischen Universität in Edinburgh Zaubertrankkunde studiert. Weil sie das nicht ausreichend forderte, beschloss sie, zusätzlich an der Muggeluniversität Recht und Psychologie zu studieren.
Die Beziehung zu Ronald war sehr schnell zerbrochen. Nach der Schlacht war er bei seinem Bruder George im Geschäft in der Winkelgasse als Teilhaber eingestiegen, da ihm die Ausbildung zum Auror zu aufwändig und lernintensiv gewesen war, genau wie sein siebtes Jahr in Hogwarts. So hatten sie sich nur selten gesehen, bei den Hogsmeade-Ausflügen und in den Ferien. Die Perspektive, bald zusammenziehen zu können, hatte sie beide das Jahr Fernbeziehung ertragen lassen, allerdings hatte sich im Sommer nach den NEWTs herauskristallisiert, dass Ron nicht bereit war, mit ihr nach Edinburgh zu ziehen.
Ihr letzter Sex war da schon über zwei Monate her gewesen und Hermine vermisste es nicht. Ron war immer schrecklich uninspiriert gewesen. Meistens schaltete er sogar das Licht aus! Hier zeigten sich Mollys Erziehung und Rons genereller Mangel an Antrieb und Kreativität, dachte sie seufzend. Glücklicherweise funktionierten sie als Freunde immer noch sehr gut und auch Harry hatte sich mittlerweile damit abgefunden, dass Hermine und Ron einfach nicht zusammen alt werden würden. Sie trafen sich alle zwei Wochen, genossen ihre Freundschaft und konnten wie in alten Tagen miteinander schäkern, aber nicht mehr.
„Mehr…", dachte Hermine. Das war genau das, was sie wollte. Mehr Lebendigkeit, mehr Nervenkitzel, mehr Intensität, mehr Abenteuer und mehr Sex.
Entschlossen schrieb sie die Eulenpostnummer auf den Pergamentbogen, versiegelte ihn und suchte dann einen Eulenkeks um Cupido, ihre treue Schleiereule, anzulocken. „Pass gut auf den Brief hier auf und bring ihn bitte zu Witches&Warlocks in London, mein Lieber!", murmelte sie, während sie Cupido das Gefieder streichelte. Mit ihrer Eule zu reden war eine Eigenart, die sie sich über all die Jahre nicht hatte abgewöhnen können, für die sie auch immer noch von Ron belächelt wurde, der es als einen weibischen Tick empfand und abtat. Noch so eine Sache, die sie immer unheimlich gestört hatte: Sein krampfhaftes Bedürfnis, nicht als unmännlich zu gelten hatte ihn zu schrecklichem Machogehabe verleitet, das ihm in ihren Augen jeglichen Hauch von Selbstbewusstsein und gelassener Ausstrahlung raubte. Mit dieser Unsicherheit war er einfach kein ebenbürtiger Partner für sie – und den wollte sie unbedingt. Er sollte ihren blitzschnellen Gedankengängen folgen können, ihren Wunsch nach beruflichem Erfolg respektieren und sie in ihren Forschungsvorhaben unterstützen können.
„Hoffentlich meldet sich der Richtige", dachte Hermine, während sie Cupido zum Fenster trug und ihm noch einen Eulenkeks mit auf den Weg gab. Kurz blickte sie Cupido hinterher, bevor sie das Fenster schloss und sich auf den Weg in ihre Verkaufsräume in der Winkelgasse machte. Hier besaß sie mittlerweile eine Apotheke, in der sie zeitgleich als Psychotherapeutin ihre Dienste anbot. Seit dem Krieg bestand auch in der magischen Welt Interesse an Psychotherapie, die davor nur in der Muggelwelt bekannt gewesen war. Die Geistheilenden im St. Mungos waren eher auf Fluch- und Trankschäden spezialisiert, die das Gehirn und Gemüt beeinflusst hatten. Traumatische Erlebnisse wurden verdrängt, anstatt sie zu besprechen, was Hermine auf die Idee für ihr neuestes Forschungsprojekt gebracht hatte: Eine Abhandlung darüber, wie diese Verdrängungsmechanismen zu verkümmerter Magie führten. Sie vermutete sogar, dass einige Squibs heilbar wären, oder dass zumindest die Verkümmerung. Sie führte in ihrer Praxis gleichzeitig Interviews mit ihren Patient:innen und entwickelte einen Zaubertrank im Labor ihrer Apotheke, der traumatische Einwirkungen auf Gehirn und Magie sichtbar und nachvollziehbar machen sollte.
Nach einigen Tagen, in denen sie teilweise völlig vergessen hatte, dass sie eine Anzeige im berühmtesten Kuppelmagazin der magischen Welt geschaltet hatte, klopfte auf einmal eine schwer beladene Paketeule an ihr Fenster. Verwirrt sprang Hermine von ihrem liebsten Kuschelsessel auf, in dem sie gerade einen dicken Wälzer – „Tränkekunde für Fortgeschrittene" – verschlang. Am Fenster öffnete sie die Verriegelung und hob die erschöpfte Eule vorsichtig ins Zimmer, während sie ihr das Gefieder streichelte. „Na du arme, du bist ja schwer beladen. Warte, ich befreie dich sofort. Möchtest du etwas Wasser und einen Eulenkeks?", murmelte Hermine und versuchte, einhändig die Schnüre am Bein der Eule zu lösen. Der Knoten hatte sich durch das Gewicht der Sendung allerdings so zugezogen, dass sie schlussendlich ihren Zauberstab zückte und mit einem Diffindo die Schnur zertrennte. Hermine setzte die schöne, braune Schleiereule in der Küche in die Eulen-Ecke und versorgte sie mit Wasser und einem kleinen Snack, bevor sie zurück ins Wohnzimmer ging und sich das dicke Paket vornahm. Unauffällig in braunes Packpapier eingeschlagen und ohne direkt erkenntlichen Absender. „Revelio", nach mehreren Briefbomben und ähnlichen unschönen Sendungen, beispielsweise mit Bubotubler-Eiter gefüllt, hatte Hermine es sich zur Angewohnheit gemacht, Post von unbekannten Absendern immer erst auf ihren Inhalt zu prüfen, bevor sie sie öffnete. Es zeigten sich jedoch nur ungefährliche Pergamente, sodass sie das Packpapier aufriss und neugierig das oberste Blatt in die Hand nahm. „Herrin, ja, ich würde gern Ihre Füße ablecken und stehe zur Verfügung als Windelsklave und Toilette". Angewidert legte sie das Pergament zur Seite, als ihr dämmerte, dass dies die Antworten auf ihre Annonce in „Witches&Warlocks" sein musste.
„Hoffentlich sind die nicht alle so, sonst war das definitiv herausgeworfenes Geld. Ekelhaft, was denkt der sich denn, dass ich auf so eine billige Anmache eingehe?", dachte sie sich. Trotzdem nicht entmutigt, beschloss sie, sich mit einem Elfenwein und dem Rest des Stapels einen guten Abend zu machen.
Nach ungefähr einer Stunde hatte sie die Antworten sortiert und vernichtete mit einem Incendio den Stapel der Anschreiben der ersten Art, bevor sie die zwei Briefe näher in Augenschein nahm, die sie nicht sofort abgestoßen hatten.
„Sehr geehrte Lady,
ich antworte Ihnen hier auf eine wahrhaft magische Annonce, die mich sofort in ihren Bann gezogen hat. Sehr gerne würde ich Sie kennenlernen, ob bei einem ruhigen Dinner oder sofort in etwas prickelnder Atmosphäre entscheiden selbstverständlich Sie. Ich bin für beide Varianten zu haben und freue mich sehr auf Ihre Antwort.", nun, das war weniger schmierig als die restlichen Briefe, aber eigentlich zu nichtssagend. Hermine legte den Bogen Pergament beiseite und nahm den spannendsten Brief zur Hand.
Auf teurem Pergament mit eingeprägten Verzierungen an den Seiten las sie:
„Hallo, mysteriöse Lady.
Ich habe mit großem Interesse Ihre Anzeige gelesen und habe direkt einen Funken gespürt, der schon viel zu lange Zeit erloschen war. Ich sehne mich danach, nach vielen Jahren wieder einmal die führende Hand einer intelligenten und selbstbewussten Hexe zu spüren, die genau weiß, was sie will und verdient.
Zu mir: Ich bin seit dem Krieg verwitwet und somit vermutlich etwas älter als Sie, habe mich allerdings gut gehalten und lege viel Wert auf meine körperliche und mentale Gesundheit. Die Schrecken des Krieges verarbeite ich in einer professionellen Therapie und bemühe mich, keine Altlasten mit in neue Beziehungen zu bringen. Ich bin nicht direkt auf der Suche nach einer Beziehung, würde mich dieser aber nicht verwehren, wenn es sich ergeben sollte. Falls wir feststellen, dass wir nur freundschaftlich oder nur sexuell miteinander harmonieren, ist dies ebenfalls in Ordnung für mich.
Ich bin finanziell gut aufgestellt und kann für mich selbst sorgen.
Interesse habe ich vor allem am Austausch von Macht und daran, mich einer kompetenten Hexe anzuvertrauen. Was genau Sie mit mir anstellen möchten, würde ich gern Ihnen überlassen. Erfahrungen habe ich mit Bondage, leichten Schmerzspielen, Demütigungen und Tease&Denial gemacht.
Meine Grenzen finden sich bei bleibenden Spuren und ernsthaften Schädigungen. Außerdem möchte ich gerne Dinge in Badezimmern lassen, die dort hingehören und schließe Toilettenspiele aus.
Ich würde mich sehr freuen, Sie kennenlernen zu dürfen. Den Rahmen hierfür bestimmen Sie, ich halte mir jegliche Zeit für Sie frei.
Mit freundlichen Grüßen,
L."
