Ein gar nicht grässlicher Geburtstag

In Spinner's End, der heruntergekommenen und halb verlassenen Arbeitersiedlung im hohen Nordwesten Englands, weit ab von London, brannte die Sonne unerträglich vom Himmel. Die Luft flirrte über den dreckigen Straßen, der schwarze, stinkende Fluss, der hinter dem verrosteten Metallgitter, gen Liverpool strebte, war zu einem Rinnsal zusammengetrocknet. Irgendwo, nicht ganz in der Nähe, verweste wohl ein Tier. Insgesamt ergab sich der unverwechselbare Geruch des Sommers.

Severus Snape saß im Haus seiner Eltern wie jeden Sommer. Er hatte die Fenster geöffnet, aber die Vorhänge geschlossen. Eine nackte Glühbirne erhellte das mit Bücherregalen voll gestellte Zimmer. Zwei fette Fliegen brummten durch den Raum. Mehrfach hob Snape seinen Zauberstab und ließ ihn wieder sinken und die Fliegen brummten unverdrossen weiter.

Severus saß an seinem wuchtigen Schreibtisch, der übersät war, mit Büchern und Papieren. Er selbst schrieb Zeile um Zeile. Die Feder kratze unermüdlich übers Pergament. Mit einem leisen Stöhnen richtete er sich auf und griff sich in den schmerzenden Rücken.
Dann zuckte er zusammen.
Ein markerschütternder Schrei ertönte im Nachbarhaus, das nur durch eine schmale Backsteinmauer von Snapes Haus getrennt war.

"WO SIND VERDAMMT NOCHMAL MEINE KIPPEN?", zeterte eine hysterische Frau, mittleren Alters.
Diesen Sommer hatte Severus Nachbarn, abgesehen von den Kanalratten und den streunenden Katzen, die es in der Siedlung zu Hunderten gab.
Schau im Bad nach, formte Severus tonlos mit den Lippen.
"WOHER SOLL ICH DAS WISSEN, DU SCHLAMPE", dröhnte eine Männerstimme herüber. "VIELLEICHT UNTERM BETT!"
Severus zuckte mit den Schultern. Knapp daneben.
"PASS AUF WAS DU SAGST, IMMERHIN ZAHL ICH HIER DIE MIETE!"
Severus feixte. Die beiden zahlten Miete? Im Leben nicht. Seufzend legte er ein Pergament an die Seite und zog ein anderes näher zu sich heran.
"HÄLTST DU MICH FÜR BLÖDE?", raunzte der Mann.

Natürlich, sagte Snape wieder lautlos und beinahe vergnügt trug er Zahlen in ein nur halb fertiggestelltes Diagramm ein.
Der Zusammenhang von Kesselmaterial und Siedepunkt, speziell bei Gestalt verändernden Tränken, war eine Sache, die in der gesamten Fachliteratur viel zu kurz kam.

"NENN MICH NOCH EINMAL SCHLAMPE UND DU FLIEGST RAUS!"

Kupfer schien die zugeführte Wärme gleichsam zu mindern, während Silber den Hitzeeffekt verstärkte. Natürlich konnte sich nicht jeder einen Silberkessel leisten.

"WIE KANNST DU ES WAGEN, MIR ZU DROHEN!"

Bei anderen Tränken jedoch verhielt es sich genau umgekehrt.

"SAG MIR LIEBER, WO MEINE VERDAMMTEN KIPPEN SIND!"

Nach dem unerwartetem Erfolg mit seinem Aufsatz über den Trank, der unempfindlich gegen das Dämonenfeuer macht, hatte Severus einigermaßen ehrgeizige Pläne.
Die gesamte Literatur über die Herstellung von Zaubertränken war hoffnungslos veraltet. Teilweise waren die Brauanleitungen nicht exakt genug. Manches war einfach falsch und beim Lehrbuch Erstellen war es wie im richtigen Leben. Einer schrieb vom Anderen ab und keiner gab es zu. Niemand hatte Sinn für die Feinheiten.

"IN DER SPÜLE — WAS MACHEN DIE KIPPEN IN DER SPÜLE?"
Liegen, dachte Snape.
"LIEGEN!", dröhnte es von drüben herüber und Snape nahm einen Zettel mit einer Liste und fügte einen Strich hinzu. Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
In den vier Wochen, die er nun schon in Spinner's End war und den unendlichen Streitereien seiner Nachbarn lauschte, hatte er bis dato zwölfmal den genauen Wortlaut einer Erwiderung voraussagen können. Aber er hatte das Gefühl, dass er besser wurde.

Abgesehen von Snapes neuen Nachbarn, denen er eine Halbwertszeit von unter drei Monaten zubilligte, war Alles beim Alten.
An der Hogwarts Schule für Zauberei und Hexerei würde im nächsten Schuljahr ein neuer Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste gebraucht und Severus war sich jetzt schon sicher, dass er ein Jahr mehr, für diesen Job nicht in Frage kam. Er würde sich weiterhin mit geschmolzenen Kesseln und verätzten Schülerfingern herumärgern müssen. Er wusste noch nicht, welche Koryphäe Albus Dumbledore, der Direktor der Schule dieses Jahr ausgegraben hatte, aber ihm schwante nichts Gutes.

Ein Gähnen unterdrückend, streckte er sich. Viele Stunden hatte er jetzt wieder am Schreibtisch gesessen und trotz der brüllenden Hitze, verspürte er Hunger.
Während der Ferien hatte er keinen Hauselfen zur Verfügung, was zur Folge hatte, dass seine Verpflegung ein wenig spartanischer ausfiel als während der Zeit auf Hogwarts. Zum Kochen fehlte ihm fast immer die Lust. Brot und Käse war zwar eine nette Sache, wenn man eine schöne Flasche Wein dazu hatte und gute Gesellschaft, aber Brot und Käse, weil man zu faul zum Kochen ist, das ist auf Dauer doch etwas fad.
Schnell schob Severus den Gedanken bei Seite.
Er war schon immer ein Einzelgänger gewesen. Das machte ihm nichts aus. Im Gegenteil, er genoss es, tun zu können, was ihm beliebte, im Grunde genommen konnte er anders gar nicht existieren.

Beinahe unwirsch warf er die Schreibfeder auf den Tisch. Er war niemand, der sich selbst die Hucke voll log.
Ja, bei allen verschrumpelten Flubberwürmern, Hogwarts fehlte ihm. Nach all den Jahren, die er schon dort war und immer gern woanders gewesen wäre, fehlte ihm das alte Gemäuer und das war noch nicht mal das Schlimmste.
Die Menschen fehlten ihm. Seine Kollegen ... Die nervigen Schüler jetzt weniger. Aber die waren an einer Schule wohl so was wie ein notwendiges Übel. Und mit blankem Entsetzen stellte er fest, dass er beinahe bereit war, selbst das zu ertragen, für einen dieser Abende, mit Charity und Minerva auf dem Astronomieturm, oder in Charitys Räumen, oder für so ein Gespräch mit Filius Flitwick. Selbst eine Unterredung mit Albus in dessen Büro hatte etwas Verlockendes.

"ICH GEH MAL ZIGARETTEN HOLEN!", schallte es von drüben herüber.
Ein gutes Leben noch, dachte Severus und feixte, aber nebenan blieb es still bis auf das Schlagen der Haustür.

Seufzend nahm Severus sein Entscheiddichflott zur Hand. Ein seltenes und durchaus praktisches magisches Artefakt, das er von Charity Burbage, der Lehrerin für Muggelkunde zu Weihnachten bekommen hatte. Ein kleiner Glastropfen, in dem zwei winzige Figürchen, Engelchen und Teufelchen, lebten und einem bei der Entscheidungsfindung halfen.
Oder auch nicht.
Immer, wenn er das Ding zur Hand nahm und die Frage nur dachte, ob er nicht vielleicht jemanden besuchen solle, dann lachten die beiden sich halbtot.
Das brachte Severus weder irgendwie weiter, noch vermochte es, seine ziemlich trübe Laune zu heben.

Resigniert fuhr er sich durch die fettigen Haare, da vernahm er ein Klopfen an der Tür. Wer das wohl war? Severus konnte sich nicht entsinnen, dass die letzten zehn Jahre irgendjemand in Spinner's End etwas von ihm gewollt hätte.
Er war kaum im düsteren, engen Flur, da klopfte es abermals.
"Geduld ist eine Tugend!", bellte Severus und riss die Tür auf.
Davor stand eine schwarzhaarige Hexe, mittleren Alters, mit einer viereckigen Brille auf der Nase.
"Ich dachte, du hättest mich nicht gehört", erwiderte sie leise. Minerva McGonagall, Lehrerin für Verwandlung, hatte ihren Schrecken schnell überwunden.
"Ich hasse es, so überschwänglich und herzlich begrüßt zu werden", sagte sie, sie Fäuste in die Hüften gestemmt und Severus musste ein Grinsen gewaltsam unterdrücken.

"Dann komm halt rein", knurrte er und mühte sich an einem möglichst gleichgültigem Gesichtsausdruck.
Minerva folgte ihm in sein Arbeitszimmer. Severus entfernte einen Haufen Papiere und Bücher vom Besuchersessel. Ihm entging nicht Minervas fragender Blick.
"Wir könnten auch in die Küche gehen, aber da gibt es nur einen Stuhl", sagte er und fügte ein außerdem stapelt sich das dreckige Geschirr in der Spüle, in Gedanken an. Haushaltszauber waren nun wirklich nicht seine Spezialität.
Minerva ließ sich auf die äußerste Ecke des Sessels sinken und räusperte sich.
"Severus, lass mich nicht respektlos erscheinen, aber was bitte ist das hier für eine fürchterliche Gegend?"
Severus zuckte mit den Schultern und war für einen Moment froh, dass seine Nachbarn sich gerade weder stritten, noch versöhnten.
"Das Haus meiner Eltern", konstatierte er knapp. "Was treibt dich her?"
"Ich wollte dich abholen."
"Abholen, wozu? Ich hab zu tun."
Severus machte eine ausladende Handbewegung über seinen Schreibtisch hinweg und hätte sich im selben Moment schlagen mögen.

"Ach, du wolltest aufräumen?"
"Ja, so ähnlich", und nun konnte Severus sich das Grinsen endgültig nicht mehr verkneifen.
"Charity hat doch Geburtstag, heute. Das hast du doch nicht vergessen?"
Sie bedachte ihn mit einem langen, intensiven Blick, der ihn augenblicklich in seine Zeit als Schüler zurück katapultierte.
Ja, natürlich, Charity hatte Geburtstag.
"Ich hab keine Einladung", konterte Severus.
Minerva schnaubte unwillig.
"Du lieber Himmel, Severus! So Flitzpiepen wie die Malfoys verschicken Einladungen. Normale Menschen haben Geburtstag und da geht man hin. Manchmal muss ich mich doch sehr wundern."
"Ich hab gar kein Geschenk", entgegnete Severus trotzig.
Minerva seufzte beinahe gottergeben.
"Zieh dich um, es sind wahrscheinlich auch Muggel da. Und beeil dich, ich möchte das Essen nicht verpassen", schaltete sie auf Lehrer-Modus um.

Severus ignorierte das warme Gefühl, das sich in seinem Bauch ausbreitete und lächelte.
"Gut. Gib mir ein paar Minuten. Du kannst ja in der Zeit was lesen", und mit einer ausladenden Handbewegung deutete er auf eins der Bücherregale, dessen Böden sich unter dem Gewicht der schweren, schwarzen Folianten bogen.
Minerva verzog recht angewidert das Gesicht: "Ich fass' hier nichts an, was mir nicht gehört."

Nur wenig später erschienen mit einem leisen Plop zwei merkwürdig gekleidete Gestalten in einem Vorgarten in der Nähe von London.
Die Frau trug ein Sommerkleid mit Schottenkaro, der Mann so etwas wie einen viktorianischen Gehrock, der furchtbar warm und unbequem anmutete und seinen Träger aussehen ließ wie den Bassisten einer Gruftieband.
Die Hecken des Vorgartens waren ordentlich gestutzt wie auch die Hecken aller anderen Häuser der Gegend.

"Hier sieht alles gleich aus. Bist du sicher, dass es das richtige Haus ist?", fragte Severus schwach. Er apparierte nicht gern.
Minerva antwortete nicht, sondern schritt energisch auf die Haustür zu.
Burbage stand in verschnörkelten Lettern auf einem Messingschild über der Türklingel, die ein wirklich hässliches Geräusch machte.
Es dauerte einen Moment, Severus hatte die Arme vor der Brust verschränkt, dann wurde die Tür geöffnet und ein überraschend jung aussehender Mann streckte den Kopf hinaus, scheinbar Jonathan Burbage, Charitys Mann. Severus kannte ihn von einem Foto auf Charitys Schreibtisch auf Hogwarts.
"Wie schön, Minerva", flötete er. "Und Sie müssen Severus sein!"
Ohne eine Antwort abzuwarten, wendete er sein Tausend-Watt-Lächeln ab und ging voran ins Haus. Severus musste gewaltsam verhindern, unwillig zu schnauben und die Augen zu verdrehen und einen kurzen Moment wünschte er sich zurück nach Spinner's End.

Im Wohnzimmer saßen Charity und Albus Dumbledore und unterhielten sich angeregt. Albus sprang gleich auf und zwinkerte den Neuankömmlingen zu.
"Minerva, wie schön, dass Sie ihn mitgebracht haben!"
"Und ich musste noch nicht mal einen Imperius sprechen", lachte Minerva und Severus kam sich ein bisschen vor wie ein Möbelstück, das auf dem Basar taxiert wurde.

Der Abend verlief recht ausgelassen. Charity schleppte hässliche Mengen Schnittchen und Häppchen und natürlich Wein herbei. Jonathan belagerte Severus mit recht langweiligen Ausführungen über Mathematik, denen dieser nur mühsam, oder eigentlich gar nicht folgen konnte. Für seine Zaubertränke benötigte Severus allenfalls ein wenig Dreisatz, aber Jonathan hatte sich wohl in den Kopf gesetzt, dass Severus noch von allen Anwesenden, das am ehesten wissenschaftliche Fach unterrichtete. Albus mit seinem strahlend blauen Umhang und den hohen Schnallenstiefeln machte auch wirklich keinen seriösen Eindruck.

Und wie immer war es Albus, der es schaffte, mit einem kleinen Nebensatz, Snapes Laune in den Keller rutschen zu lassen.
"Diesmal habe ich mich wirklich selbst übertroffen, bei der Auswahl des Lehrers für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Es wird ja wirklich immer schwieriger. Die Belange der Schule fressen einen auf und man kennt ja auch niemanden mehr."
Severus verschluckte sein Sprüchlein mit dem nach wie vor bestehenden Interesse und harrte geduldig der Katastrophe, die folgen musste.
Ein feines Lächeln zierte Albus' Züge.
Dann ließ er die Bombe platzen.
"Gilderoy Lockhart", verkündete er strahlend, um gleich darauf weiter seine Zitronencreme zu löffeln. "Ganz vorzüglich", lobte er wahrscheinlich den Nachtisch.

Die anderen drei magisch Begabten saßen wie vom Donner gerührt mit offenen Mündern da und brachten kein Wort heraus.
Jonathan grinste dreckig.
"Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor."
"Wirklich?", fragte Albus erstaunt. "Da könnt ihr mal sehen, was für ein toller Typ das ist, selbst in der Muggelwelt kennt man ihn ..."
"Papperlapapp!", unterbrach Charity ihn ungewohnt barsch. "Ich hab die Hexenwoche abonniert."
"Du hast die Hexenwoche abonniert?", platzte Severus heraus und fing sich umgehend mehrere strafende Blicke ein.

Charity kramte im Zeitschriftenkorb herum und zog die neueste und recht zerlesene Ausgabe hervor. Auf der Titelseite bleckte ein blondlockiger Zauberer mit welligem Haar strahlend weiße Zähne. Der Spitzhut saß verwegen schief auf seinem Kopf.
Severus stöhnte leise. Dagegen war Quirrell ja ein Lichtblick — trotz des Dunklen Lords, der seinen Hinterkopf in Beschlag genommen hatte.
"Seine Tipps gegen die Schädlinge in Haus und Hof sind gar nicht übel", verteidigte Charity ihn halbherzig. "Wir hatten Gnome im Garten ..."
"Einer hat mich sogar gebissen", warf Jonathan ein und schickte sich an, seinen linken Fuß von der weißen Tennissocke zu befreien.
"... da hat mir sein Buch sehr geholfen", strahlte Charity. "Wenn man den Schinken wie einen Tennisschläger benutzt, dann fliegen die Biester viel weiter."
"Ja", bestätigte Jonathan und ließ von seinem Fuß ab. "Nun haben die Browns und die Pennyfeathers Gnome im Garten. Die alte Pennyfeather kann ich eh nicht leiden."

Albus strahlte.
"Die anderen Bücher sind auch recht spannend. Abstecher mit Vampiren habe ich geradezu verschlungen."
Minerva gab ein ersticktes Geräusch von sich.
"Vampire?", fragte Jonathan ungläubig.
Albus holte eben tief Luft, um zu einer weitschweifigen Erläuterung anzusetzen, da kreischte die Türglocke los.
"Das wird Jenna sein", frohlockte Charity und ließ die Hexenwoche im Zeitschriftenkorb verschwinden. "Muggel", setzte sie erklärend hinzu und lief flott aus dem Raum.

"Genießt noch den letzten Moment der Ruhe für heute Abend", sagte Jonathan und verzog das Gesicht.
Was er damit meinte, zeigte sich schnell. Schon durch die geschlossene Tür vernahm man eine schnatternde Frauenstimme. Als eben jene Tür zum Flur sich öffnete, war es als würde man den Kopf in einen Hühnerhof stecken, dabei sagte Charity kein Wort.
Jenna dafür um so mehr. Sie war klein und dick und kreischbunt gekleidet. Jonathan rutschte ein wenig tiefer in seinen Sessel.
"Hach, wie bezaubernd! Dass ich Sie nun mal alle kennenlerne! Charity macht ja immer ein Riesengeheimnis aus ihrer Arbeit! Dabei sag ich immer: Charylein, sag ich, gibt's nen langweiligeren Beruf als Lehrer? ..."
Jonathan verdrehte die Augen.
"Haaaa — und Sie müssen Severus sein! Ich hab ja schon sooo viel von Ihnen gehört ..."

Severus wünschte sich spontan, dass Charity auch aus seiner Existenz so was wie ein Geheimnis gemacht hätte. Aber er hatte scheinbar einfach kein Glück im Leben.
Mit stillem Entsetzen registrierte er wie Jenna sich zwischen Jonathan und dem Couchtisch durchzwängte, genau auf ihn zu. Links neben ihm saß Minerva, die deutlich so aussah als müsse sie sich ein Lachen verkneifen, rechts aber waren noch etwa zwanzig Zentimeter Platz auf dem Sofa. Genug für Jenna, die sich einfach mit Schwung in die schmale Lücke quetschte und nun halb auf Snapes Schoß saß.
Der rückte hektisch in Richtung Minerva, auch ohne das kieksende "Mach ma Platz Dicker", von Jenna, die sofort ein Glas Wein in der Hand hatte.
Severus legte keinen Wert darauf, diese Person auch noch angeheitert zu erleben. Die Geschwindigkeit, mit der sie trank, machte ihm ein wenig Angst und er war froh, dass ihm spontan noch der ein oder andere schwarzmagische Fluch einfiel, der noch nicht am lebenden Objekt getestet worden war. Er würde die Sache als wissenschaftliches Experiment tarnen können.

"Charity sagt, Sie können total witzig sein ... und ... nett ... und charmant."
Immerhin zum Trinken machte Jenna kurze Pausen.
"Ach, da weiß sie mehr als ich", entgegnete Severus eisig. Aber zu seinem Entsetzen, lachten alle. Sogar Charity schien das Auftreten dieser Person kein bisschen peinlich zu sein. Jenna wollte sich überhaupt nicht wieder einkriegen.
"Köstlich!", quiekte sie und tätschelte ihm den Oberschenkel, was ihn endgültig zur Salzsäule erstarren ließ.

Severus zog es vor, die nächste Zeit zu schweigen, während Albus über Modetrends der Muggelwelt referierte und sich mit Jenna prächtig verstand. Eine derart dunkle Seite hätte Severus an seinem Mentor nicht erwartet.

Sehr plötzlich aber, erhob Jenna sich.
"Charylein, du hast ja Geburtstag", giekste sie. "Dann machen wir schnell den Abwasch! Severus, kommen Sie mit in die Küche?"
Ebenso hätte sie sagen können: "Zieh dich aus", dennoch folgte Severus ihr wie unter dem, von Minerva erwähnten Imperius stehend, mit dreckigen Tellern und Schüsseln beladen. Er konnte es förmlich spüren, das Feixen der Anderen.

Unter einem wahren Redeschwall, dessen Inhalt Severus weder folgen konnte, noch wollte, ließ sie Wasser in die Spüle, drückte ihm ein Handtuch in die Hand und zu seiner Erleichterung stellte er fest, dass sie keine Fragen stellte und auch keine Antworten erwartete.

Da stand er also. Tränkemeister von Hogwarts, Ex-Todesser, ein wirklich begabter Zauberer, in einem Muggelhaus, gemeinsam mit der Muggelfreundin seiner Kollegin, mit einem Spültuch in der Hand. Er dankte Merlin, dass das niemand sah.
Fast niemand.

Gerade als er das Für und Wider eines wohldosierten Obliviate abwog, zuallererst an sich selber, da nahte endlich Rettung.
Jonathan steckte den Kopf zur Tür rein.
"Ich muss dir dein Opfer entführen", sprach er Jenna ohne Umschweife an. Snape atmete auf und warf mit einer eleganten Bewegung das Trockentuch von sich.
"Ich will ihnen was im Garten zeigen."
"Gartengnome?", feixte Snape und Jenna wollte sich ausschütten vor Lachen.

Draußen war es kühl und, nach Jennas Dauerbeschallung, überraschend still.
"Sie müssen entschuldigen", begann Jonathan, "aber Jenna ist eigentlich ganz in Ordnung und sie ist eine der wenigen Freundinnen, die die ewige Heimlichtuerei nicht für übel nimmt. Es ist nicht so leicht, sich an dieses sinnlose Geheimhaltungsabkommen zu halten, müssen Sie wissen."
"Hmm", sagte Snape und kam sich ziemlich dumm vor. Über so etwas hatte er sich ehrlich noch nie Gedanken gemacht.
"Die meisten Freunde wenden sich irgendwann ab. Ihr seid da ja noch nicht mal per normaler Post zu erreichen. Von so was wie Telefon will ich gar nicht erst sprechen."
Severus dachte nach, Telefon, das waren doch diese Dinger, die einen einfachen Patronus ersetzten ...
"Haben Sie Freunde in der Muggelwelt? Sie sind doch auch ein Halbblut — wenn ich diesen Ausdruck schon höre, schüttelt's mich!"
Severus dachte kurz darüber nach, ob er überhaupt einen Muggel kannte.

Jonathan wartete keine Antwort ab.
"Ich habe auch immer ein ungutes Gefühl dabei, wenn sie wieder aufbricht in dieses merkwürdige Schloss ... was sie erzählt ... es macht einen gefährlichen Eindruck."
"Nein", wiegelte Snape ab. "Das kommt Ihnen nur so vor, weil Sie es nicht kennen ..."
"Sie passen doch auf sie auf, oder?", unterbrach Jonathan ihn barsch und sein Blick fixierte den anderen Mann gnadenlos.
Severus fühlte sich völlig überrumpelt. Ihm wurde ganz komisch zumute.
"Ja", sagte er leise. "Ja natürlich."

Im selben Moment landete eine große Schleiereule genau zu Füßen der Männer und streckte Severus einen Fuß mit einer kleinen Pergamentrolle entgegen.
"Daran werde ich mich auch niemals gewöhnen", stöhnte Jonathan, der heftig zusammengezuckt war.
Severus überflog das Pergament. Eine Einladung zum Wiegenfest von Lucius Malfoy.
"Ich auch nicht!", sagte Snape und das meinte er genau so wie er es sagte.