XXX.


Armand Isards Miene war eine sorgfältig einstudierte Maske, die eine ausgewogene Mischung aus pflichtbewusster Sachlichkeit und äußerst respektvoll vorgebrachtem Mitgefühl widerspiegeln sollte. Das Problem dabei war nur, dass seine Maskerade nicht ganz funktionierte. Sowohl seine unstet hin und her huschenden Augen als auch das nervöse Flackern seiner Aura in der Macht verrieten seine Bestürzung über die Neuigkeit, die er gerade an den Mann (oder vielmehr den Sith) gebracht hatte, seine Sorge darüber, wie sich seine persönliche Verwicklung in diese überaus unerfreuliche Angelegenheit auf seine eigene Zukunft auswirken würde, und den Groll, den er deswegen empfand. Aber er gab immerhin sein Bestes – oder jedenfalls das, was er für sein Bestes hielt.

„... und noch dazu Ihr eigenes Fleisch und Blut. Das muss ein großer Schock für Sie sein, Mylord", sagte er salbungsvoll.

Er sprach wie ein Priester mit den trauernden Hinterbliebenen eines lieben verstorbenen Gemeindemitglieds kurz vor der Beerdigung. Oder wie ein verständnisvoller Psy-Tech mit seinem krisengebeutelten Problempatienten in einer Notfall-Therapiestunde. Doch alles, was sein öliger Tonfall bewirkte, war, dass Vaders Hand sich so fest um einen Holowürfel auf seiner Schreibtischplatte krampfte, dass das Glas ein verdächtiges Knirschen von sich gab.

Mein eigenes Fleisch und Blut, das gerade uns allen den Dolch in den Rücken gestoßen hat, dachte er grimmig. Nein! MIR DEN DOLCH IN DEN RÜCKEN GESTOSSEN HAT!

Er fühlte sich übrigens nicht besonders schockiert. Er fühlte sich eher am Rand eines Tobsuchtsanfalls. Die Art von Tobsuchtsanfall, die ihn vor langer, langer Zeit dazu gebracht hatte, sein Lichtschwert zu nehmen und den Einwohnern eines gewissen Tusken-Dorfs eine unvergessliche Lektion in Sachen Gastfreundschaft zu erteilen...

„Ich bedaure unendlich, dass ausgerechnet ich Ihnen diese katastrophale Nachricht überbringen muss, Mylord", salbaderte Isard weiter.

Ja, das bedauerst du ganz bestimmt. Hättest das nur zu gerne irgendeinem Unglückswurm aus deinem Stab aufgehängt, was?

„Und es gibt keinen Zweifel daran, dass meine... dass Leia in diese Sache verwickelt ist?", sagte er steif.

„Nicht der geringste Zweifel, Sir – leider. Obwohl auf dem Transmitter, der in einer Recycling-Anlage entdeckt wurde, nichts abgespeichert war, handelt es sich dabei eindeutig um dasselbe Gerät, mit dem die Todesstern-Dateien an diesen Frachter gesendet wurden. Laut den Analytikern sind alle Signaturen identisch mit denen, die in den Überresten der Datenbanken des Bordcomputers und der Sonde gefunden wurden. Die Explosionsschäden haben natürlich nicht viel davon übrig gelassen, aber es reicht."

Isard zögerte, dann fuhr er fort: „Darüber hinaus soll es auch noch einen Zeugen geben, dessen Aussage Ihre Tochter schwer belastet. Es sieht überhaupt ganz so aus, als ob sie schon seit längerer Zeit beobachtet worden ist. Und leider ist das noch nicht mal alles."

Es soll einen Zeugen geben... Es sieht ganz so aus, als ob...

Es entging Vader nicht, wie unverbindlich der ISB-Chef sich ausdrückte, beinahe so, als hätte er mit der akribischen Detektivarbeit seiner Spürhunde gar nichts zu tun.

„Leia wurde beobachtet? Warum? Und wieso haben Sie mich nicht schon längst darüber informiert?", fragte er scharf.

Isard schlug den Blick nieder und sah so peinlich berührt aus, dass Vaders Verdacht sofort bestätigt wurde. „Ich weiß nicht, warum, Sir. Ich selbst habe erst heute davon erfahren", murmelte er.

„Was?! Wie ist das möglich?"

Isard wand sich förmlich, aber er musste mit der unangenehmen Wahrheit heraus, ob er wollte oder nicht.

„Ich war überhaupt nicht an dieser Aktion beteiligt, Mylord. Offenbar ist man an allerhöchster Stelle nicht mehr zufrieden mit meiner Arbeit. Es wurde eine neue Abteilung für Sondermittlungen gegründet, die diese Untersuchung durchgeführt hat."

Allerhöchste Stelle? Palpatine!, dachte Vader. „Sonderermittlungen?"

„Ja, Sir. Die Leute nennen sich selbst Inquisitoren und sie verfügen scheinbar über wesentlich mehr Befugnisse und haben einen viel größeren Handlungsspielraum als der ISB. Sie sind völlig autark und haben die Vollmacht, sogar mich einfach zu übergehen." Isard produzierte eine säuerliche kleine Grimasse, die eher ein Zähnefletschen war als das wehmütige Lächeln, das er eigentlich aufsetzen wollte. „Nun ja, Sie wissen ja, wie das Spiel läuft, Mylord. Wenn es um Seine Majestät geht, ist letzten Endes niemand unersetzbar."

Niemand. Vielleicht nicht einmal ich...

Der Gedanke erschütterte Vader mehr, als er sich eingestehen wollte. Sein unanfechtbarer Status als Nachfolger und engster Vertrauter des Imperators war seit so vielen Jahren ein fester Bestandteil seines Selbstverständnisses, dass die plötzliche Erkenntnis, dass es sich in Wirklichkeit ganz anders verhalten mochte, dass er in Palpatines Augen womöglich doch nur ein weiterer x-beliebiger und jederzeit austauschbarer Diener war, ihn an einem wunden Punkt traf, von dem er geglaubt hatte, dass er längst verheilt und vernarbt war.

Aber das wollte er nicht wahrhaben, es war einfach zu schmerzhaft, also lehnte er diese unerträgliche Vorstellung sofort und mit aller Vehemenz ab.

Nein! Ich BIN unersetzbar. Palpatine braucht mich und er will mich. Und wenn er mir verheimlicht hat, dass er diese verfluchte Göre beschatten lässt, wenn er mir diese eine Sache nicht anvertraut hat, dann nur deshalb, weil er abwarten wollte, bis ihre Schuld eindeutig bewiesen ist. Er wollte es mir ersparen, sie selber jagen zu müssen. Er wollte verhindern, dass ihr Verrat einen Keil zwischen uns treibt.

Würde Leias Verrat einen Keil zwischen ihn und den Imperator treiben? Vader lauschte in die hallenden düsteren Kavernen seines Egos hinein, aber die einzige Antwort war Schweigen.

„Isard, Sie haben eben behauptet, dass das nicht alles ist. Was ist denn da sonst noch?" Er wunderte sich selbst darüber, wie gepresst und unnatürlich seine Stimme klang.

„Oh... Sie erinnern sich vielleicht noch an diese Flugblätter, die ich erst neulich erwähnt habe, Mylord?"

Vader bestätigte mit einem knappen Nicken, dass er sich sehr wohl daran erinnerte.

„Tja... Bei der Durchsuchung von Leias Zimmer wurde ein Laptop gefunden, auf dem die Dinger als Originalentwürfe mit Korrekturen abgespeichert sind. Sie hat das Zeug geschrieben. Sie selbst. Schon vor Jahren."

Schon vor Jahren. Dieses heimtückische kleine Luder hintergeht mich schon seit Jahren! Sie will alles ruinieren, wofür ich so lange und so hart gearbeitet habe – aus purer Bosheit! Und dann mit plötzlicher Wildheit: Ich könnte sie TÖTEN!

Und jetzt endlich bekam er eine Antwort. Sein Zorn ließ die flirrende Dunkelheit in ihm auflodern wie ein schwarzes Feuer, Flammenzungen aus Nacht und Schatten, die an ihm hoch leckten. Und aus dieser Finsternis wisperte ihm etwas zu: TÖTE SIE! VERGISS SIE!

„Äh... Mylord? Haben Sie gehört, was ich eben gesagt habe?", erkundigte sich Isard zaghaft.

Seine erste Anfrage war einfach ignoriert wurden. Seine Lordschaft war offensichtlich tief in Gedanken versunken – Gedanken in einem Spektrum, dessen genaue Wellenlänge der ISB-Chef lieber nicht ausloten wollte. (Er war selber ein Vater, ja, inzwischen sogar schon ein Großvater. Tatsächlich war seine älteste Enkelin genauso alt wie Leia Vader, wenn auch völlig anders gestrickt, das gute Kind – den Sternen sei Dank!)

„WAS?", donnerte Vader.

„Ich wollte nur wissen, wie es jetzt weiter gehen soll, Sir. Die Inquisitoren haben das Mädchen bisher nur einmal kurz verhört, aber sie hat sich natürlich geweigert, ihre Komplizen preiszugeben. Danach hat man sie uns überlassen für... das weitere Vorgehen."

„Ja. Und?", erwiderte Vader mit einer Kälte, die den Mann frösteln ließ. (Was einiges zu sagen hatte, denn Armand Isard war normalerweise so dickfellig und zynisch, wie man nur sein konnte. In seinem Job musste er das auch.)

Isard hüstelte. „Nun, Sir, ich wollte fragen, ob Sie damit einverstanden sind. Ob wir auch in diesem Fall das... das übliche Verfahren anwenden sollen."

Vader dachte an den Imperator. Wenn er jetzt irgendwelchen väterlichen Gefühlen nachgab (nicht, dass er dazu auch nur den leisesten Wunsch verspürte – oh nein, das war vorbei!) oder ähnlich sentimentalen Wallungen, dann würde das garantiert einen Keil zwischen sie treiben.

Aber nur, wenn ich das zulasse... Vielleicht ist das Ganze sogar ein Test. Ein Loyalitätstest für mich. Ein Test, den ich bestehen werde!

Die Entscheidung fiel ihm erstaunlich leicht.

„Tun Sie, was auch immer getan werden muss!", sagte er hart.

„Uh... ja, Mylord."

Vader beugte sich ein wenig näher an den Bildschirm heran und zischte: „Ich will ihre Komplizen haben! Oder die Komplizen der Komplizen. Oder wen auch immer... Ich will sie haben! Und sorgen Sie gefälligst dafür, dass sich bei der nächsten Verhaftung niemand selber in die Luft jagt, um seiner gerechten Strafe zu entkommen."

„Uh... ja, Mylord."

„GUT!", schnappte Vader und schlug mit dem Holowürfel, den er immer noch umklammert hielt, auf den Aus-Knopf seiner Kom-Anlage. Es knirschte noch einmal, lauter jetzt.

Er blickte auf den Würfel in seiner geballten Faust – ein Familienholo, das er vor rund zehn Jahren selbst gemacht hatte. Seine Frau und seine Kinder vor der ockerfarbenen, mit Heckenrosen überwucherten Sandsteinmauer, die den Garten ihres Ferienhauses in Varykino umgab wie ein blühender Wall...

Die konkav gewölbte Oberfläche des Würfels war jetzt voller Sprünge. Die drei lächelnden Gesichter sahen durch ein Spinnennetz feiner Risse zu ihm auf. Vader betrachtete die Häupter seiner Lieben... nein, seiner ehemaligen Lieben!... ein paar Sekunden lang. Dann – in einer plötzlichen Rage! – schleuderte er den Würfel mit solcher Wucht an die gegenüberliegende Wand, dass er endgültig zerbrach. Ein Regen von feinen Glassplittern prasselte auf den Boden herunter.

Das Kom klingelte erneut. Aber dieses Mal war es Padmés Nummer auf dem Display – schon wieder! Laut Journal hatte sie in der letzten Viertelstunde sage und schreibe siebzehn mal angerufen und er wusste auch, warum. Es war klar, was die Frau jetzt von ihm wollte, völlig klar. Und es war unmöglich...

Vader stand auf und schritt auf die Tür zu, die zu seinem Trainingsraum führte. Dort warteten eine Menge Duelldroiden darauf, dass er seine mörderische Wut an ihnen ausließ, was auch viel besser und sinnvoller war, als sein Quartier zu verwüsten, indem er alles zertrümmerte, indem er die ganze Einrichtung kurz und klein schlug.

Er schaltete das Licht aus, bevor er hinaus ging. Das Kom ließ er einfach weiter klingeln, ein desolates Trillern, ein ungehörter Hilfeschrei in der Nacht.

Er würde nicht ran gehen, so lange diese Nummer auf dem Display erschien. Nie wieder...


Fortsetzung folgt ...

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