Ein neues Leben – die erste Nacht auf dem neuen Gehöft
Als die Kinder die Treppe zu ihren neuen Zimmern im ersten Stock des neuen Gehöfts hinaufgingen, lehnte sich Sully von hinten leicht an Michaela und verbarg sein Kichern in ihrem Haar. Auch sie lies ihrem gerade noch unterdrückten Lachen freien Lauf.
Sie tauschten einen wissenden Blick und hielten sich kurz fest.
Dann half Sully seiner frisch angetrauten Ehefrau dabei, das restliche Geschirr in die Küche zu tragen und sie begannen mit dem Abwasch.
Während sie das Geschirr abwusch, trocknete Sully alles ab und stellte es auf die Arbeitsfläche.
Beide strahlten sich immer wieder an und genossen den ersten Abend in ihrem neuen Zuhause.
Es war ein langer Tag gewesen. Früh am Morgen waren sie mit dem ersten Zug aus Denver von ihren Flitterwochen zurückgekommen, um in ihr neues Leben als Ehepaar und Familie zu starten. Matthew, Coleen und Brian hatten sie zusammen mit vielen Freunden aus Colorado Springs am Bahnhof begrüßt.
Während der letzten Tage ihrer Hochzeitsreise und der Rückfahrt im Zug hatten sowohl Michaela als auch Sully, ziemlich gemischte Gefühle bezüglich ihrer Rückkehr gehabt.
Sie freuten sich darauf, endlich ihr gemeinsames Leben mit den Kindern zu beginnen. Doch beide fragten sich, wie sie ihr Leben als frisch gebackenes Ehepaar und gleichzeitig Eltern von drei größeren Kindern, unter einen Hut bringen sollten. Außerdem wusste Michaela, dass alleine ihre Arbeit als Ärztin der Stadt viel Zeit beanspruchte. Und auch Sully war in seiner Tätigkeit als Indianerbeauftragter zeitlich eingespannt.
Sie hofften beide, genügend Zeit auch für sich als Paar zu finden.
Aber als sie an diesem Morgen aus dem Zug stiegen, waren alle Zweifel verflogen.
Sie sahen die Kinder und die Freunde und konnten es plötzlich kaum mehr erwarten, ihr neues Leben zu beginnen.
Sie fuhren mit den Kindern in der Kutsche direkt zum Gehöft und Sully lies es sich nicht nehmen, seine Braut über die Schwelle zu tragen.
Sully hatte alles selbst von Hand für Michaela gebaut und man konnte in jedem Winkel der Heimstätte sehen, wie sehr er sie liebte.
Während Matthew und Sully einige Kisten aus der Scheune holten, die dort schon zwischengelagert waren, fuhr Michaela mit Coleen und Brian in der Kutsche zum alten Gehöft. Sie zog sich erst einmal um und packte all ihre restlichen Habseligkeiten in Kisten.
Einige Stadtbewohner kamen vorbei und halfen, alles zum neuen Haus zu bringen.
Sully und Michaela dirigierten alles ins richtige Zimmer und nachdem die Freunde nach einem gemeinsamen Kuchenessen und Kaffeetrinken wieder gegangen waren, verstauten sie alles in ihre Möbel und richteten sich gemütlich ein.
Matthew und Ingrid halfen dabei und blieben zum Abendessen. Als die beiden sich danach verabschiedeten, war es für alle ein seltsames Gefühl, da auch für Matthew ein neues Leben begann. Er würde von nun an alleine im alten Gehöft leben, bis er und Ingrid heirateten.
Nachdem die beiden gegangen waren, meinte Sully, dass es auch für den Rest der Familie an der Zeit sei, zu Bett zu gehen.
Während Michaela am Esstisch weiter Geschirr aufeinander stapelte, bemerkte sie, wie sie bei seinen Worten eine leichte Gänsehaut bekam. Sie spürte, dass er mit ihr alleine sein wollte und auch sie sehnte sich nach ein paar ungestörten Momenten mit ihrem neuen Ehemann.
In den letzten zwei Wochen hatte sie es mehr als nur genossen Sully immer bei sich zu haben.
Unter normalen Umständen hätte sie sich sicherlich einfach nur gefreut, die erste Nacht mit ihm in ihrem neuen Zuhause zu verbringen. Aber da waren zwei Kinder, denen sie noch erklären musste, dass sich das Leben nun für sie alle geändert hatte.
Ihre bostoner Erziehung ließ ihre Wangen leicht erröten, als sie daran dachte, nun jede Nacht mit ihrem Mann in einem Bett zu schlafen. Für sie war alles noch so neu und aufregend.
Aber sie waren nicht nur frisch verheiratet, sondern auch Eltern.
Als Brian Sully wie gewöhnlich vor dem Zubettgehen verabschieden wollte, wurde allen die
Veränderung bewusst. Brian sprach aus, dass Sully von nun an nachts bei seiner Mutter schlafen würde.
Michaela fiel vor Schreck über die deutlichen Worte ein Teller aus der Hand und sie schickte die Kinder schnell nach oben.
Während Sully das Geschirr noch abtrocknete, hatte Michaela den Abwasch bereits beendet und machte sich daran, die zerbrochenen Scherben des heruntergefallenen Tellers aufzufegen. Sie überlegte, was sie den Kindern über ihr zukünftiges Leben sagen sollte. Coleen und Brian waren es gewohnt, mit ihr in einem Raum zu schlafen. Im alten Gehöft hatte sie lediglich ein dünner Vorgang als Sichtschutz getrennt. Von nun an sollte jeder sein eigenes Zimmer haben.
Beide Kinder wussten, was zwischen Eheleuten geschah. Doch sie musste ihnen klar machen, dass sie und Sully in ihrem eigenen Raum Privatsphäre benötigten.
Michaela ging in die Küche zurück und gemeinsam räumten sie alles Geschirr wieder ins Regal.
Als Sully eine Tasse abstellen wollte, stieß er versehentlich mit Michaela zusammen, die ein Glas an diese Stelle räumen wollte.
Ihre Finger berührten sich und sofort spürten beide Funken durch ihre Körper schießen.
Nachdem Sullys Hand wieder frei war, nahm er ihr das Glas ab, um es an seinen Platz zu stellen, und umfasste ihre Hand. Ihre Blicke trafen sich und tauchten tief ineinander ein.
Er umarmte sie sanft und sie legte ihren Kopf an seine Brust.
„Es ist wunderschön, als deine Frau hier in unserem neuen Haus zu sein. Du hast etwas Wunderbares gebaut, Sully. … Ich bin sehr glücklich."
„Du ahnst nicht, wie glücklich du mich machst, Michaela!"
Sie küssten sich zärtlich.
Als sie sich zurückzogen, richtete Michaela ihren Blick zu Boden und sprach leise:
„Unsere Flitterwochen waren so leicht und unbeschwert. …Am Anfang hatte ich solche Angst, aber danach war es nur schön. … Es ist ein seltsames Gefühl, das alles jetzt vor den Kindern mit dir zu leben. … Ich möchte ihre Mutter sein, aber auch eine gute Ehefrau für dich."
„Sie werden sich an die Veränderungen gewöhnen, glaub mir. … Wenn jemand all dies schaffen kann, dann du, Dr. Mike."
Er umarmte sie wieder und legte seinen Kopf nachdenklich auf ihre Schulter.
Sully liebte seine Frau und wollte jeden Moment mit ihr verbringen, aber seit sie an diesem Tag ins neue Gehöft eingezogen waren, verspürte er immer wieder eine Sehnsucht nach Freiheit.
Für ihn war es nur natürlich, die meiste Zeit unter freiem Himmel zu verbringen. Während ihrer Flitterwochen fiel ihm kaum auf, dass sie sehr viel Zeit im Hotel verbrachten. Aber jetzt nach ihrer Rückkehr in die unberührte Natur Colorado Springs, fühlte er sich bei geschlossenen Fenstern und Türen leicht eingesperrt.
Er wusste selbst nicht, wie er diese Gefühle deuten sollte und er wollte Michaela nicht verletzen. Eigentlich war er ja auch am Ziel seiner Träume. Sein Heartsong war seine Ehefrau geworden und sie wollten in eine gemeinsame Zukunft starten. Doch etwas zog ihn hinaus in die Wälder. Hinaus in die Wildnis, wo er so lange im Einklang mit der Natur und in völliger Freiheit gelebt hatte.
Und er dachte an seinen Cheyenne-Bruder und -freund Cloud Dancing, der sich immer noch in den Wäldern verstecken musste. Ihm blieb jede Freiheit verwehrt.
Sie schien seine Unruhe zu spüren und sah ihn leicht besorgt an: „Ist alles in Ordnung?"
Sully musste lächeln. Sie hatten schon immer ein Gespür füreinander gehabt, aber seit ihrer Hochzeit vor zwei Wochen, schien ihre Verbindung noch enger geworden zu sein.
„Ja, es ist nur auch alles neu für mich.", versuchte er sie zu beruhigen. „Wie wäre es, wenn du wie versprochen nach den Kindern siehst und ich mache solange in der Scheune und hier unten alles fertig für die Nacht?"
„Gute Idee", antwortete sie und lächelte ihn an. Sie küsste ihn nochmal leicht auf die Lippen und machte sich dann auf den Weg Richtung Treppe.
Kurz davor blieb sie nochmal stehen und drehte sich zu ihm um. „Sully, ich hoffe die Kinder kommen mit ein paar neuen Verhaltensregeln klar."
„Sicher. Sie werden es verstehen." Er lächelte ihr aufmunternd zu und verließ dann das Haus Richtung Stallungen.
Michaela ging zuerst zu Brian, um ihm gute Nacht zu sagen. Der zehnjährige Junge war immer noch ganz aufgeregt von den Ereignissen der letzten Wochen. Er erzählte ihr einige seiner Erlebnisse mit seiner Großmutter und seinen Tanten, die vor ein paar Tagen zurück nach Boston gefahren waren.
Michaela erklärte ihm, dass von nun an jeder sein eigenes Zimmer hatte, um sich zurückzuziehen und dass es wichtig war, vor dem Eintreten anzuklopfen. Sie versuchte ihm klarzumachen, dass sie alle als Familie zusammenwachsen mussten und sie und Sully auch etwas Zeit als Ehepaar brauchten. Brian nickte verständig.
Als Michaela ihm einen Gutenachtkuss gab und ihn liebevoll in ihre Arme nahm, drückte er sich ganz eng an sie.
„Mama, ich bin so froh, dass ihr wieder da seid. … Und dass ihr geheiratet habt und wir jetzt alle hier im neuen Haus leben."
„Ich freue mich auch sehr, Brian", sagte Michaela und streichelte sanft seinen Rücken.
„Ma, ..."
„Ja, Brian?"
„Ich … Habt ihr schöne Flitterwochen gehabt? Und seid ihr jetzt glücklich miteinander?"
Brian zog seinen Kopf etwas zurück, um seiner Mutter in die Augen sehen zu können.
Michaela war immer wieder überrascht, über was sich ihr Sohn alles Gedanken machte.
„Ja, es war eine wunderbare Zeit. Jetzt sind wir ein Ehepaar und mit euch eine richtige Familie. Darüber sind wir sehr glücklich, glaub mir."
Brian seufzte erleichtert und drückte sich wieder an seine Mutter.
„Das ist gut. Ich wusste immer, dass ihr gut zueinander passt. Sully liebt dich wirklich."
Michaela musste lächeln. Wir Recht der Junge hatte.
Sie hoffte inständig, dass sie sich alle schnell und gut in das neue Leben einfinden würden, das nicht nur für sie und die Kinder, sondern insbesondere für ihren Mann eine enorme Umstellung bedeutete. Sie wusste, wie verschieden die Welten waren, aus der sie und Sully kamen und sie kannte sein Leben, das er bis zu ihrer Hochzeit geführt hatte. Doch nun begann etwas Neues, das sie alle selbst gestalten wollten.
Sie strich Brian nochmal liebevoll über den Kopf und verlies dann sein Zimmer, um zu Coleen zu gehen.
Coleen lag bereits in ihrem Bett und las in einem Buch.
Michaela erklärte auch ihr die Verhaltensregeln im neuen Haus und umarmte sie dann zärtlich.
„Mama, … Darf ich dich etwas fragen?"
„Natürlich, Coleen. Das weißt du doch."
„Hat … Hat Sully dir sehr weh getan?", begann Coleen das für Michaela immer noch unangenehme Thema. Das Mädchen sah ihr mit geröteten Wangen direkt in die Augen und sie erblickte eine leichte Angst vor dem Unbekannten, die sie bis vor kurzem noch selbst in sich gespürt hatte.
Sie schlug die Augen zu Boden und überlegte kurz.
„Nein, … nein, Coleen. … Sully war … sehr einfühlsam und liebevoll. … Natürlich tat es kurz weh, aber danach kann es mit dem richtigen Mann wunderschön sein.", sagte sie, als sie ihre Tochter wieder ansah.
„Wirklich?", fragte Coleen hoffnungsvoll.
Michaela nickte lächelnd und nahm die stürmische Umarmung ihrer Tochter entgegen.
„Es ist so schön, dass wir jetzt eine richtige Familie sind!", meinte Coleen.
„Ja … Ja, das ist es."
Michaela drückte ihr einen Kuss auf die Wange und machte sich dann auf den Weg in ihr eigenes Schlafzimmer.
Ihr Herz schlug höher, als die daran dachte, dass sie und Sully das erste Mal in ihrem eigenen Bett im eigenen Zuhause schlafen würden.
Wie schön war Brians Überraschung gewesen, dass sie die Fahrt in ihre Flitterwochen im eigenen Ehebett verbringen durften. Doch das waren nur ein paar Stunden, bis sie in Denver waren.
Von nun an würden sie und Sully jede Nacht in ihrem gemeinsamen Bett schlafen und sich nah sein.
Als Michaela langsam ihr neues Schlafzimmer betrat, kam ihr eine wohlige Wärme entgegen.
Sully hatte bereits vor dem Abendessen das Zimmer gelüftet und dann ein Feuer im Kamin angezündet.
Michaela trat ans Fenster und sah ihren Mann von der Scheune zum Haus über den Hof gehen.
Ihr Herz machte einen Sprung vor Freude, dass er von nun an jeden Tag zu ihr zurück ins Haus kommen würde.
Sie drehte sich um und betrachtete ihr neues Ehebett, das er in vielen Stunden aufwändig für sie geschnitzt hatte. Liebevoll strich sie über das glatte Holz am Bettpfosten und dachte an den Tag zurück, als sie es zufällig entdeckte hatte. Es sollte sein Hochzeitsgeschenk an sie und eine Überraschung sein.
Er hatte sie dabei erwischt, wie sie die schönen Schnitzereien am Kopfteil des Bettes befühlte und beiden wurde klar, wie nah sie dem großen Ereignis ihrer Hochzeit waren.
Während eines Gesprächs danach hatte er ihr nochmal verdeutlicht, was sie für ihn bedeutete und sie hatten einen leidenschaftlichen Kuss geteilt.
Nie zuvor hatten sie sich so sehr nacheinander gesehnt und nie zuvor war es für sie so schwer gewesen, sich nicht in ihrer Liebe zu verlieren.
Lächelnd ging Michaela wieder zum Fenster und sah in die mondklare Nacht hinaus.
Wie viele Zärtlichkeiten und noch leidenschaftlichere Küsse durfte sie in den letzten zwei Wochen seit ihrer Eheschließung mit Sully erleben.
Sie hatte sich sehr darauf gefreut Sully zu heiraten. Doch nie im Leben hätte sie es sich so schön vorgestellt, die Frau an seiner Seite zu sein.
„Hallo mein Herzlied", sagte Sully leise an ihrem Ohr, als er Michaela sanft von hinten umarmte.
Sie hatte gar nicht bemerkt, dass er mittlerweile das Schlafzimmer betreten und die Tür hinter sich geschlossen hatte.
Michaela erschrak kurz, entspannte sich aber sofort unter seiner Berührung und verschränkte ihre Finger mit seinen vor ihrem Bauch.
„Ich liebe dich, Byron Sully!", flüsterte sie ganz leise.
Sully lächelte und hauchte ihr sanfte Küsse ins Haar und auf ihre Wange. Langsam drehte sie sich in seinen Armen zu ihm um und sie sahen sich tief in die Augen, bevor sich ihre Lippen für einen zärtlichen Kuss trafen. Beide schmiegten sich eng aneinander.
Gerade, als ihr Kuss leidenschaftlicher wurde, klopfte es leise an die Zimmertüre.
Schnell trennten sie sich, atmeten einmal tief durch und Michaela ging zur Türe, um zu öffnen.
„Ja?" Draußen auf dem Gang standen Coleen und Brian, die schüchtern lächelten.
„Entschuldigt", meinte Coleen. „Aber wir wollten euch nochmal gute Nacht sagen."
„Ja, und wirklich sehen, dass ihr jetzt beide mit uns hier wohnt.", ergänzte Brian.
Michaela und Sully warfen sich einen kurzen Blick zu und Sully kam zu seiner Familie in den Eingangsbereich des Schlafzimmers.
„Ich wünsche euch wunderschöne Träume für die erste Nacht im neuen Haus", sagte er und drückte seine Kinder an sich.
„Ich hoffe, ihr seid zufrieden mit euren Zimmern?!"
„Ja, sehr!", antworteten die Kinder wie aus einem Munde.
Michaela schloss sich der Gruppenumarmung an und bald darauf machten sich Coleen und Brian wieder auf den Weg in ihre Zimmer.
Als Sully die Schlafzimmertüre leise geschlossen hatte, wandte er sich wieder seiner Frau zu.
Er begann zärtlich ihre Wange zu küssen und wanderte langsam zu ihrem Mund.
Michaela seufzte sehnsuchtsvoll, drückte ihn aber sanft von sich weg. „Sully ..."
Er sah sie fragend an und stoppte seine Liebkosungen.
„Es tut mir leid, Liebster, aber ich kann nicht …", versuchte sie sich zu erklären.
Sully lies seine Arme an seine Seiten fallen und nahm eine ihrer Hände in seine Hand.
Während er vorsichtig ihre Finger streichelte, sagte er leise: „ Nein, mir tut es leid. … Bitte entschuldige, wenn ich zu schnell bin. … Ich habe dich heute nur sehr vermisst. Nach der schönen Zeit mit dir allein in Denver … Wir hatten heute kaum Zeit miteinander und … du fehlst mir… Aber es ist absolut okay, wenn du nicht möchtest. … Das wird es immer sein! …
Wir müssen nicht … Alles was ich möchte, ist, dass es dir gutgeht!"
Michaela sah ihn voller Liebe an, streichelte seine Wangen und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf den Mund. „Danke! … Aber so ist es nicht … Mir geht es gut. Und ich habe dich heute auch vermisst. … Ich möchte dir sehr gerne nah sein, es ist nur …"
Sully sah sie aufmerksam an, während sie die Augen zu Boden schlug. Sanft hob er ihr Kinn mit seinem Zeigefinger wieder zu sich nach oben.
„Michaela, du kannst mir alles sagen, das weißt du ...", ermutigte er sie leise.
Sie sah ihn direkt an, ihre Wangen waren leicht gerötet. „Die Kinder sind noch wach und ich möchte nicht, dass sie etwas mitbekommen. … Du und ich, das ist etwas so Großes und Schönes. Nur du und ich ..."
Sully verstand, was sie meinte und küsste sie sanft auf den Mundwinkel.
Er spürte, dass es es nicht mehr nur ihre bostoner Erziehung war, die gerade beim Thema Liebe in der Vergangenheit so oft die Oberhand gewonnen hatte. Sie schätzte ihre neue Art der Zweisamkeit und wollte sie um jeden Preis schützen.
Auch Sullys Wangen waren leicht rosa geworden und sie tauschten einen vertrauten Blick.
„Es ist alles okay, Michaela. Vielleicht hast du Recht. Lass uns einfach zu Bett gehen. …
Irgendwann werden die Kinder schlafen. … Wir lassen es einfach weiter langsam angehen."
Er küsste sie nochmal sanft auf die Lippen und ging dann auf seine Bettseite, um sich für die Nacht auszuziehen.
Michaela blickte ihm dankbar nach und wollte gerade ihre Bluse aufknöpfen, als es erneut an der Schlafzimmertüre klopfte.
„Herein", sagte sie und drehte sich zur Tür. Brians Kopf erschien in der Tür und er sagte, dass er nicht schlafen könne.
„Wie wäre es mit einem warmen Glas Milch? Damit schläft es sich bestimmt gleich viel besser."
„Gute Idee!", meinte Brian.
Michaela warf ihrem Mann einen entschuldigenden Blick zu und ging mit Brian nach unten.
Michaela spürte, dass Brian noch etwas auf der Seele hatte und sie setzen sich gemeinsam an den Küchentisch. Bei einer heißen Milch mit Honig erzählte ihr Brian einige Neuigkeiten der vergangenen zwei Wochen. Er war froh, dass seine Mutter und sein neuer Vater wohlbehalten wieder zurück waren.
Irgendwann gähnte Brian müde und Michaela schickte ihn nach oben in sein Bett.
Als sie den Küchentisch abgeräumt und die Gläser kurz abgespült hatte, ging sie leise die Stufen ins obere Stockwerk hinauf.
Alles war friedlich und still und sie war glücklich, mit ihrer Familie im neuen Heim angekommen zu sein.
Sie öffnete vorsichtig die Tür zu Coleens Zimmer und fand sie fest schlafend in ihrem Bett vor. Auch Brian war bereits im Land der Träume angekommen, als sie nochmal nach ihm schaute.
Michaela deckte ihn richtig zu und verließ dann leise sein Zimmer.
Langsam öffnete sie die Türe zu ihrem neuen Schlafzimmer. Sully döste bereits auf seiner Betthälfte. Sie schloss leise die Türe hinter sich und betrachtete ihren neuen Ehemann.
Er hatte seine Kleidung über einen Stuhl an der Wand gehängt und lag nur mit seinen Baumwollunterhosen bekleidet unter der Bettdecke. Sein nackter Oberkörper war frei und Michaela konnte sehen, wie sich seine Brust bei jedem Atemzug hob und senkte.
Welch großes Glück sie mit diesem Mann hatte.
Sie war sich nicht ganz sicher, ob er wirklich schon schlief, bemühte sich aber leise zu sein. Schnell schlüpfte sie aus ihrer Kleidung und in ein leichtes Sommernachthemd.
Als sie vorsichtig zu ihm unter die Bettdecke schlüpfte, zog es sie wie magisch an seine Seite und sie legte ihren Kopf auf seine Armbeuge und ihre Hand auf seine Brust.
Sanft streichelte sie über sein Herz, als sie spürte, wie sein Arm sich beschützend um sie legte und sie noch näher an ihn zog.
Sullys Augen waren weiter geschlossen, doch sie spürte einen zärtlichen Kuss auf ihrer Stirn.
„Du bist ja doch noch wach ...", flüsterte sie leise.
„Mhm, jetzt kann ich beruhigt schlafen", murmelte er und öffnete die Augen, um sie liebevoll anzusehen. „Geht es Brian gut?"
„Ja, es ist alles in Ordnung. Ich glaube, er wollte nur ein bisschen reden. Die zwei Wochen waren lang für ihn."
„Jetzt sind wir ja wieder da."
„Coleen schläft auch."
„Das ist gut."
Ihre Blicke trafen sich und unweigerlich bewegten sich ihre Lippen aufeinander zu.
Michaela drehte sich ein wenig in Sully Arm und ihr Bein bewegte sich über seines.
Als sie nach einem langen, leidenschaftlichen Kuss wieder nach Luft schnappten, sah Sully seine Frau direkt an und strich ihr mit dem Finger eine Haarsträhne hinters Ohr: „Bist du sicher? Ich möchte nicht, dass du etwas tust, was du nicht willst. Wir müssen es beide wollen. Du bist zu nichts verpflichtet."
Michaela sah ihn voller Liebe an und verschränkte eine Hand mit seiner: „Und dafür bin ich dir sehr dankbar. … Ja. Ja, ich bin sicher, dass wir die erste Nacht in unserem neuen Zuhause genießen sollten." Sie küsste ihn sanft auf den Mund und während ihre Wangen rot wurden, flüsterte sie: „Liebe mich."
Sully wusste, wie viel Überwindung sie diese Worte kosteten und wie weit sie in ihrer zweiwöchigen Ehe bereits gekommen war. Er küsste sanft ihren Mundwinkel und drehte sie vorsichtig mit ihm um auf den Rücken, so dass er halb über ihr lag.
„Für immer und ewig möchte ich dich mit all meinem Sein lieben!", sprach er leise in ihr Haar.
Sully suchte nochmal ihren Blick und begann dann langsam kleine Küsse über ganzes Gesicht zu verteilen. Immer wieder fanden sich zwischendurch ihre Lippen, dann küsste er sich über ihren Hals hinunter zu ihrem Ausschnitt.
Michaela genoss jede Berührung und streichelte seinen Rücken und sein Haar.
Sie spürte, wie sich seine Hand langsam ihr Bein hinaufbewegte und ihr Nachthemd ohne Eile nach oben schob. Sie half ihm, es sich über den Kopf zu ziehen und zur Seite zu legen.
Wieder küssten sie sich leidenschaftlich und voller Liebe.
Michaela streichelte weiter seinen Rücken und lies immer wieder sanft ihre Finger ein Stück hinten in seine Unterhose gleiten. Vor ein paar Wochen hätte sie nicht einmal darüber nachgedacht, ihn so zu berühren.
Beide sehnten sich danach sich Haut an Haut zu spüren und Sully zog schnell seine Baumwollunterhose aus, die sich zu Michaelas Nachthemd auf dem Boden neben ihrem Bett gesellte.
Als er sich wieder an sie schmiegte und sie erneut küssen wollte, hielt sie inne und strich ihm seinen langen Pony aus dem Gesicht.
„Sully, ich bin glücklich und dankbar, dass du das neue Gehöft für uns gebaut hast."
„Ich bin auch froh. Mehr Platz für uns alle", sprach er heißer und küsste sie auf die Stirn.
Er konnte immer noch nicht glauben, dass sie nun seine Ehefrau war und sie so beieinander sein durften.
„Ja, aber ich bin auch froh, dass du mehr wusstest und gesehen hast, als ich. … Wenn ich mir vorstelle, jetzt im alten Haus zu liegen, … die Kinder nur durch einen Vorhang von uns getrennt."
Beide Gesichter wurden rosa bei der Vorstellung, nachts als Ehepaar mit den Kindern in einem Raum zu sein und sie mussten lachen. Sully vergrub kurz seinen Kopf in ihren Haaren und kicherte ihr ins Ohr.
„Ich könnte nie ...", fuhr Michaela fort, aber er legte ihr seinen Zeigefinger auf die Lippen und brachte sie damit zum Schweigen.
Leise meinte er: „Dann müssten wir wohl öfter einen Abendspaziergang zu einem meiner Unterstände machen, um dort allein zu sein."
Grinsend sah er zu, wie das Rot ihrer Wangen sich vertiefte. „Sully ...", protestierte sie schwach.
„Ich bin wirklich froh, dass wir hier etwas mehr Privatsphäre haben."
„Ich auch", gab Sully zu. Er sah sie voller Liebe an und küsste sie ganz sanft auf die Lippen.
Als sie sich nach dem Kuss wieder in die Augen sahen, zog Michaela seinen Kopf zu sich herunter und sie begann zaghaft einen leidenschaftlichen Kuss.
Sully spürte schnell, dass sich nun nichts mehr in ihr widersetzte und dass sie mit keinem Gedanken mehr an die Kinder dachte.
Er seufzte erleichtert, da er sich nichts mehr wünschte, als dass sie die gemeinsame Zeit mit ihm genießen konnte. Er wollte ihr niemals weh tun.
Sie wollten sich beide zeigen, wie sehr sie sich liebten und schmiegten sich ganz nah aneinander.
Beide küssten uns streichelten sich und tauschten liebevolle Zärtlichkeiten aus.
Als Sully sich sicher war, dass seine Frau jetzt ganz bei ihm war, verschränkte er seine Finger mit ihren und küsste sie voller Leidenschaft.
Michaela erwiderte seine Liebe voll und ganz und es dauerte nicht lange, bis sie sich langsam und zärtlich zu lieben begannen.
Als Sully im frühen Morgengrauen erwachte, empfand er sofort wieder das glückliche Gefühl, mit dem er nachts eingeschlafen war. Noch mit geschlossenen Augen genoss er Michaelas Nähe, die friedlich in einen Armen schlief. Er sog ihre Wärme und den Duft ihrer Haare direkt vor seinem Gesicht in sich auf.
Er dachte an die leidenschaftliche Nacht zurück, die sie miteinander verbracht hatten und an die Flitterwochen davor, die für sie beide wie ein Traum gewesen waren.
Langsam öffnete er die Augen und bemerkte schnell den morgendlichen Nebel, der sich um das Haus ausbreitete. Nicht weit entfernt hörte aus dem Wald die ersten Vögel zwitschern.
Sofort waren seine Sinne geschärft und es zog ihn nach draußen in die Natur.
Normalerweise wäre er jetzt in seinem Unterstand gelegen und wäre mit den Tieren aufgestanden.
Er musste an seinen Freund Cloud Dancing denken und nahm sich vor, heute Morgen gleich zu ihm zu reiten.
In diesem Moment bewegte sich Michaela leicht im Schlaf und rutschte noch näher an ihn heran.
Sanft strich er über den Träger des Nachthemds auf ihrer Schulter und küsste sie zärtlich auf den Kopf. Wie sehr er diese Frau liebte. Seine Frau. Sein Heartsong. Seine Familie. Sein neues Leben.
Ihm wurde bewusst, dass er alles für sie tun und sie immer an die erste Stelle setzen würde.
Eigentlich war ihm das schon lange klar und er liebte es, solche Gefühle für sie zu verspüren.
Aber im Moment schnürte es ihm das Herz zu.
Er war sich sicher, dass er alle Pläne für den heutigen Tag über den Haufen werfen würde, wenn sie jetzt wach wäre und andere Wünsche an ihn hätte.
Aber im Augenblick war ihm sein Freund wichtig und es zog ihn mit Macht in die Freiheit und die Natur.
Er beschloss aufzustehen und zog sich langsam von seiner Frau zurück.
Als er sich leise gewaschen und angezogen hatte, betrachtete er stolz seine neue Ehefrau, die noch immer schlief.
Er wollte sie weder grußlos verlassen noch ihr Sorgen bereiten, aber er wusste, dass er unter ihrem liebevollen Blick sofort schwach werden würde.
Deshalb küsste er sie nur zärtlich auf den Schopf und ganz sanft auf die Lippen und verließ dann leise das Schlafzimmer.
Unten bereitete er ein Frühstück für die ganze Familie vor, aß selbst eine Kleinigkeit und ging dann in Richtung Stall, um sein Pferd zu holen.
Gerade, als er sein Pferd aus dem Stall vor das Gehöft führte, kam Michaela aus dem Haus geeilt.
Es war noch früher Morgen und kühl. Sie musste aufgewacht und gleich aufgestanden sein, kurz nachdem er ihr Schlafzimmer verlassen hatte.
Sie sah hinreißend aus mit ihren zum Kranz geflochtenen Haaren.
In Sully kämpften zwei Kräfte.
Er sah, dass seine Ehefrau fror; sah ihre Eile, ihn noch zu erreichen, bevor er los ritt. Natürlich entging ihm ihr fragender Blick nicht. Und er wusste auch, dass es ihr erster gemeinsamer Morgen in Colorado Springs war. Der erste Morgen ihres Familienlebens. Und auch der erste Morgen, an dem sie nicht gemeinsam aufgewacht waren und zusammen gefrühstückt hatten, wie in Denver.
Und dann war da der Ruf der Freiheit, die Sehnsucht, seinen Bruder Cloud Dancing wieder zu sehen. Er wusste, dass sie Verständnis dafür hatte und dass sie alleine klar kam.
Und er wusste, dass sie sein Freiheitsbedürfnis kannte.
Und doch war da etwas, dass ihm sagte, dass er jetzt bei ihr sein und bleiben sollte. Und wollte.
Ganz tief in seinem Herzen wusste er, dass er diesem Gefühl nachgeben würde und dass es wunderbar sein würde, diese Verbundenheit zu leben.
Nur im Moment widersetzte sich alles in ihm.
Er musste hinaus in die Natur, er brauchte seine Freiheit. Auch wenn ihm eine leise Stimme sagte, dass er die größte Freiheit nur mit ihr erleben würde.
Sully wollte rechtzeitig zum Abendessen zu ihr zurückkommen. Er wollte hier bei ihr und den Kindern sein. Aber er konnte ihr nichts versprechen.
Sein Freiheitsdrang und die Sorge um Cloud Dancing waren im Moment stärker.
Aus Angst, seine Liebe zu ihr könnte ihn übermannen, verabschiedete er sich nur kurz von ihr.
Sully und Michaela sehnten sich beide nach einem Abschiedskuss, einer Berührung.
Für Michaela war es nach zwei intensiven Wochen schwer zu verstehen, wie Sully ihr noch kurze Zeit davor so nah und nun so distanziert sein konnte. Sie sah die Liebe und die Zuneigung in seinen Augen, doch gleichzeitig spürte sie, dass ihn etwas wegzog und ablenkte.
Sie sorgte sich auch um Cloud Dancing und wollte, dass es ihm gut ging.
Sie war sich jedoch nicht sicher, ob Sully weitere Sorgen hatte oder ob ihm das zivilisierte Leben schon zu viel und zu eng war.
Doch beide wussten, dass sie sich und dem anderen Zeit und Freiheit geben mussten.
Und tief in ihren Herzen wussten sie, dass sie für immer zusammengehörten.
