Liebe, Lüge, Wahrheit

Kapitel 64 – Die Wut

Oscar wachte auf, kaum dass der Morgen graute und war alleine im Bett. Das helle Licht der aufgehenden Sonne vertrieb die restliche Dämmerung der Nacht und erhellte immer mehr ihr Zimmer. Das leise Klimpern des Geschirrs in ihrem Salon drang in ihre Ohren und die Reste der Schläfrigkeit verflüchtigten sich. Jemand brachte ihr das Frühstück und Oscar wollte unbedingt wissen, wer das war. Sie stand auf, wickelte ihren nackten Körper in ein Laken und schaute hinaus. Sie schmunzelte, als sie André den Tisch decken sah. „Du bist schon wach?"

André erwiderte ihr das Lächeln und kam zu ihr. „Ich dachte mir, so lange du noch schläfst, bereite ich schon mal das Frühstück für uns vor." Er küsste sie auf den Mund. „Guten Morgen, meine Liebe. Hast du gut geschlafen?"

„Nun, mit dir ist immer gut zu schlafen." Oscar errötete leicht, als sie an die nächtliche Lust, Liebe und Leidenschaft mit ihrem Geliebten dachte. Seine Finger auf ihrem Körper und seine heißen Küsse glaubte sie noch immer zu spüren. Allerdings waren diese intimen Erinnerungen gerade unpässlich. Oscar blieb daher sachlich bei den nächsten Worten. „Aber ich sagte doch gestern, dass du mir nicht mehr dienen musst." Sie deutete mit ihrem Kinn auf das Tablett und Geschirr am Tisch.

André verstand. „Ich will nur noch ein wenig den Schein wahren.", meinte er und Oscar musste ihm zustimmen. Auch wenn sie mit ihrem Geliebten ein neues Leben beginnen wollte, der Schein musste trotzdem weiter gewahrt werden. Oscar seufzte und kehrte zurück in ihr Schlafzimmer. „Also gut, dann mach, was du denkst und ich gehe mich schnell anziehen."

General de Jarjayes stürmte auf sein Anwesen und verbarg erst gar nicht, wie wütend er war. „Oscar!", brüllte er durch das ganze Haus. Seine Tochter musste nicht bei Sinnen gewesen sein, den Dienst im Garderegiment zu quittieren! Wozu hatte er sie dann zu einem Soldaten und Offizier erziehen lassen? Damit sie mit André und ihren Kindern das Lügenspiel gewissenlos weiterführen konnte? Sie hatte schon genug mit ihrer beispiellosen Liebesbeziehung angerichtet und Schande über ihre Familie gebracht! Noch mehr durfte nicht geschehen! Über ihre Entlassung hatte er heute von der Königin höchstpersönlich erfahren: „Eure Tochter bat mich gestern, sie aus ihren Diensten in der königlichen Garde zu entlassen und obwohl es mir sehr schwer fällt und ich die Gründe nicht kenne, werde ich ihr diesen Wunsch erfüllen. Noch heute werde ich meine schriftliche Entlassung ausstellen und Kommandant Oscar in eine Söldnertruppe in Paris versetzen lassen. General de Jarjayes, reitet nach Hause und teilt ihr das bitte mit.", hatte ihm die Königin bedauernd mitgeteilt und ihn damit empfindlich getroffen. In den Gemächern ihrer Majestät konnte Reynier seine Rage noch zügeln, aber hier, auf seinem Anwesen, ließ er seinem Zorn freien Lauf. Auf dem Weg zu der Treppe, warf er einen Blick in die Küche und entdeckte dort Sophie. „Wo ist Oscar?", wollte er von ihr wissen, um nicht im ganzen Haus nach ihr suchen zu müssen.

„Guten Morgen, General." Sophie merkte an ihm, dass er äußerst missgelaunt war und ahnte weshalb, aber sagte nur: „Eure Tochter ist auf ihrem Zimmer und nimmt mit André das Frühstück ein."

Mit André? Hatte sie womöglich auch noch eine Liebesnacht mit ihm verbracht? Schon alleine der Gedanke darüber, trieb Reynier noch mehr zur Weißglut. Er rannte noch schneller die Treppe hoch und bemerkte nicht die zwei Knaben, die gerade aus ihrem Zimmer kamen. Dass der General wütend war, sahen die Zwillingsbrüder sofort. „Großvater weiß bestimmt schon über die Entlassung unserer Mutter aus dem königlichen Garderegiment.", vermutete François und Augustin stimmte ihm mit einem Nicken zu. „Ganz bestimmt weiß er das und hat etwas vor, was unserer Mutter nicht gefallen wird. Komm, ich will mehr darüber erfahren." Augustin wartete nicht auf die Antwort seines Bruders und lief schon los.

Reynier stürmte in das Zimmer seiner Tochter und hätte beinahe über die harmonische Szene gelacht. Da saßen Oscar und André an einem Tisch, sprachen über irgendwelche Pläne und schenkten sich gegenseitig liebreizende Blicke. Sofort verschwand das alles, als der General vor der Tür stand und in den Raum hinein laut befahl: „Hinaus, André, und hilf deiner Großmutter in der Küche! Ich muss mit meiner Tochter alleine sprechen!"

„Jawohl, General de Jarjayes." André behagte es nicht, seine Geliebte mit ihrem Vater alleine zu lassen, aber das tat er. Genauso wie seine Söhne ahnte er, weshalb der General so wütend war. Bestimmt wusste bereits ganz Versailles, dass Oscar den Dienst im königlichen Garderegiment quittiert hatte und das war der Grund, weshalb der General seine Tochter aufsuchte. André verneigte sich und verließ die Gemächer von Oscar mit Unbehagen. Vertieft in seiner Sorge um seine Geliebte, bemerkte er im dunklen Korridor die zwei Knaben nicht.

„Für den Fall, dass er nach uns sucht, gehst du ihm vielleicht nach und lenkst ihn ab.", empfahl Augustin seinem Bruder und fügte noch hinzu: „Ich werde dir später alles erzählen, was ich gehört habe."

François wollte eigentlich bei seinem Bruder bleiben, aber sah gleichzeitig ein, dass er womöglich recht hatte. Also gut, dann würde er zu seinem Vater gehen und schauen, was er machte. Augustin lehnte sogleich ein Ohr an die Tür, kaum dass François aus seiner Sicht verschwand und hörte schon die barsche Stimme seines Großvaters: „Warum hast du deinen Dienst beim königlichen Garderegiment quittiert?! Kannst du mir das erklären?"

Oscar antwortete beherrscht ihrem Vater. „Das war meine Entscheidung. Ich möchte mein Leben selbst bestimmen. Bitte versteht mich, Vater."

Reynier verstand sie, wenn auch im anderen Sinne. Sie wollte also seine Erziehung mit Füßen treten und lieber das Leben mit André und ihrer Brut führen! Aber warum nur? Oder war sie wieder schwanger? Reynier durchfuhr es eiskalt. Wenn das wahr sein sollte und Oscar in neun Monaten wieder ein Findelkind mit nach Hause bringen würde, dann wüsste er nicht, was er mit ihr machen würde. Höchstwahrscheinlich würde er ihr vor Wut die Wahrheit aus dem Leib prügeln, sie zusammen mit André aus seinem Haus jagen und ihr die Kinder wirklich wegnehmen. Augustin und François würden zu viel besseren Soldaten erzogen werden und Marguerite würde ins Kloster geschickt werden, um für die Sünden ihrer Eltern abzubüßen. Dieses Vergehen widerte selbst den strengen und hartherzigen General an, aber er handelte doch nur um die Ehre der Familie zu beschützen. Er schob den grässlichen Gedanke beiseite und funkelte seine Tochter hinweisend an. „Dein Leben ist schon durch mich bestimmt, Oscar! Das heißt, dass nur ich entscheide, ob du deinen Dienst quittierst oder nicht!"

Oscar kam es so vor, als würde gleich ein Donnerwetter über sie losbrechen. Nun, nach dem wütenden Äußeren ihres Vaters wäre das nicht ausgeschlossen. Trotzdem versuchte sie sich nicht aus der Ruhe zu bringen und gab ihrem Vater gelassen die Antwort: „Das ist nicht mehr rückgängig zu machen, Vater und ich bleibe dabei."

Reynier kam auf sie zu, hob seine Hand und ohrfeigte seine Tochter vor Wut. „Du sollst dich mir nicht widersetzen! Oder hast du unsere Abmachung vergessen?", erinnerte er sie und holte erneut mit seiner Hand aus. „Ich kann dir deine Ziehtochter noch immer wegnehmen und aus meinem Haus werfen!"

„Nein, Vater, das könnt Ihr nicht machen!", empörte sich Oscar und zwang sich krampfhaft, sich nicht an die schmerzende Wange zu fassen. Das würde ihr Vater als Schwäche ansehen und das wollte sie vermeiden.

Reynier ohrfeigte seine Tochter wieder. „Doch, Oscar, das kann ich tun und nicht nur bei ihr, sondern auch bei deinem anderen Findelkind und dessen Freund!"

François und Augustin auch? „Das lasse ich nicht zu!", warf ihm Oscar erbost entgegen werfen.

Für einen kurzen Augenblick glaubte Reynier Verzweiflung und hilflose Wut in dem kühlen Blick seiner Tochter gesehen zu haben. Warum sagst du einfach nicht die Wahrheit, fragte Reynier in Gedanken, aber laut drohte er Oscar weiter: „Wenn sie dir so teuer sind, dann wirst du das machen, was ich dir sage, sonst siehst du sie nie wieder!"

Oscar fühlte sich nicht zum ersten Mal von ihm in die Enge getrieben. „Was wollt Ihr, Vater?"

„Das klingt schon besser." Reynier lächelte zufrieden und entspannte seine Muskeln. Solange seine Tochter ihm die Wahrheit vorenthielt, würde er weiterhin die Oberhand behalten und sie zu gewissen Tätigkeiten zwingen. „Du wirst dein Leben als Offizier weiterführen. Unsere Königin hat für dich schon einen neuen Posten gefunden. Du wirst jetzt unverzüglich nach Versailles reiten und diesen Posten annehmen! Damit du dort nicht alleine bist, werden dich André, François und Augustin selbstverständlich als Soldaten begleiten." Der General kehrte ihr sogleich den Rücken zu und um sich keine weiteren Debatten von ihr anhören zu müssen, verließ er ihren Salon.

Augustin hörte zwar feste Schritte hinter der Tür, aber war nicht schnell genug, um sich in dem dunklen Korridor zu verdrücken. Der General bemerkte ihn sofort, packte ihn am Kragen und schleppte ihn in sein Kontor. „Was hast du gehört?", fragte er rau und stieß ihn rüde in das Zimmer.

Augustin stolperte, aber behielt sein Gleichgewicht und drehte sich auf alles gefasst zu seinem Großvater um. „Dass Ihr uns alle vor die Tür setzt, wenn Eure Tochter Euch nicht gehorcht und dass wir ihr, in ihrem neuen Posten, als Soldaten folgen sollen."

Das hieß, dass sein Enkel das gesamte Gespräch zwischen ihm und Oscar belauscht hatte. Reynier schloss die Tür hinter sich, legte seine Hände hinter seinem Rücken aufeinander und musterte den Knaben mit Argusaugen. „Das ist richtig und das wird schneller passieren, als du es dir denkst. Ich habe das Gefühl, dass du mich angelogen hast."

Dieser eisige Blick verhieß nichts Gutes, aber er schüchterte Augustin nicht ein. „Ich habe Euch niemals angelogen, ich schwöre es!", antwortete er mit fester Stimme.

Reynier glaubte ihm nicht. Nicht nach dem Gespräch mit seiner Tochter. Nur mit wenigen Schritten erreichte er seinen Enkel, hob seine Hand und mit den Worten: „Lüge mich nicht an!", ohrfeigte er ihn so stark, dass Augustin nach hinten taumelte. „Denkst du, mir fällt nichts auf? Wann wolltest du mir sagen, dass Oscar und André ein neues Leben beginnen wollen? Ist sie wieder schwanger? Antworte! Wegen euch drei hat sie ihren Dienst beim königlichen Garderegiment quittiert!"

„Ich glaube nicht, dass sie ein Kind erwartet..." Augustin hatte die Ohrfeige nicht kommen sehen und versuchte sein Gleichgewicht beizubehalten. Seine Wange brannte und schmerzte höllisch, aber das versuchte er zu ignorieren und den Augenkontakt mit seinem Großvater nicht zu verlieren. „Und wenn dem so wäre..." Er schluckte hart, seine Muskeln spannten sich an und der Blick seiner blaugrünen Augen spiegelte den Trotz seiner Mutter wider. „Das ist ihre Entscheidung und sie hat das Recht dazu."

„Nein, das hat sie nicht!" Der General schlug erneut zu. Diesmal verpasste er ihm nicht nur eine Ohrfeige, sondern er ließ ihn seine Faust in der Magengrube spüren und mit dem nächsten Hieb brachte er ihn zu Boden. „Ich habe sie so erzogen, sie ist mein Werk und ich entscheide, was aus ihr wird!"

Augustin krümmte sich auf dem Boden und unterdrückte einen Schmerzenslaut. Sein Großvater durfte keine Schwäche bei ihm sehen. Also rappelte er sich auf alle Viere und keuchte. „Irrtum. Oder wie erklärt Ihr, dass Marguerite, François und ich auf der Welt sind?"

„Schweig, wenn du nicht zurück in dein erbärmliches Dorf willst!" Reynier sah nur noch rot vor Zorn und verpasste seinem Enkel einen Fußtritt in die Rippen. „Merke dir das und wage es nicht, mir noch einmal zu widersprechen! Nachdem Oscar versetzt wird, werdet du und François sie begleiten! Ihr seid schon alt genug dafür und es wird Zeit, dass ihr Soldaten werdet!" Der General wusste, dass es falsch war, den Jungen derart zu bestrafen und das tat ihm leid, aber er erinnerte ihn so sehr an Oscar und ihren Trotz, dass er einfach die Beherrschung verlor. „Jetzt geh und mach deine Arbeit, wie bisher!", befahl er etwas versöhnlicher und auch, um nicht die Grenze zu überschreiten und Augustin nicht auf übelste Weise verprügeln zu müssen.

Augustin sagte nichts dazu und rappelte sich mühsam hoch. Diesmal verpasste er ihm nicht nur eine Ohrfeige, sondern er ließ ihn auch seine Faust in der Magengrube spüren. Seine Rippen schmerzten noch schlimmer als seine Wange. Ohne ihn anzusehen, schleppte er sich auf leicht wackeligen Beinen aus dem Kontor und erst im Korridor lehnte er sich mit dem Rücken an die Wand und legte sich einen Arm um die Mitte. „Verdammt...", zischte er und biss die Zähne zusammen.

„Augustin, was ist passiert?" François tauchte plötzlich vor ihm auf und wollte helfen, aber Augustin lehnte seine stützenden Hände ab. „Es geht schon. Großvater hat anscheinend seine Tochter in mir gesehen und das hat ihn wütend gemacht."

François verstand seinen Bruder mit Bedauern und spürte ein unangenehmes Stechen in seinen Rippen. „Aber warum hasst er uns so?"

Augustin verzog eine schiefe Grimasse und lächelte matt. „Er hasst uns nicht, Bruderherz. Er macht sich nur Sorgen um die Ehre und das Wohlergehen der Familie de Jarjayes. Wenn unsere Eltern noch ein Findelkind ins Haus bringen, hat er Angst, dass das ganze Lügenspiel auffliegt und er alles verliert: seinen Rang, seinen Titel und die Treue zu dem Königshaus. Deswegen macht er das alles..."

„Ich verstehe...", seufzte François. „Ich wünschte, wir würden eine ganz normale Familie sein..."

„Das sind wir, nur darf es niemand wissen." Augustin stieß sich von der Wand ab. „Aber was machst du eigentlich hier? Wo ist Vater?"

„Vater ist wieder zu Mutter gegangen und sie wollen nach Versailles aufbrechen.", erklärte François und gab seinem Bruder doch noch eine Stütze. „Lass uns zurück in unsere Zimmer gehen und dort warten, bis sie zurück sind."

„In Ordnung." Augustin lehnte zwar erneut die Stütze ab, aber ging Seite an Seite mit seinem Zwillingsbruder in Richtung deren gemeinsamen Zimmer und erzählte ihm genauer, was sein Großvater mit ihnen allen vor hatte.

Versailles. Oscar beugte das Knie vor dem Generalchef der königlichen Armee, der ihr ein Dokument vorlas: „Kommandant Oscar François de Jarjayes. Hiermit ernenne ich Euch mit Wirkung zum 1. April zum Befehlshaber der Söldnertruppe. Eure neue Uniform könnt Ihr Euch jetzt schon abholen und die Uniform des Kommandanten des königlichen Garderegiments gleich abgeben. Ihre Majestät hat noch eine Anmerkung für Euch hinzugefügt. Zurzeit steht nur der oben genannte Posten zur Verfügung. Werdet Ihr ihn nicht annehmen können, dann lasst es mich umgehend wissen."

Zum 1. April? Aber das wäre dann in zwei Tagen! Oscar hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell passieren würde. Sie dachte, sie würde vielleicht eine Woche frei vom Dienst haben und wollte diese Woche zusammen mit ihrem Geliebten und ihren Kindern in ihrem Haus in der Normandie verbringen. Anscheinend aber wollten die Königin und ihr Vater, dass sie so schnell wie möglich ihren Dienst als Offizier weiter führte. „Ja, bitte übermittelt der Königin folgende Worte von mir: Ich danke ihr aus tiefstem Herzen für ihre Freundlichkeit und Güte. Ich bitte sie mein eigensinniges Tun zu verzeihen. Sagt ihr, sie soll auf sich gut aufpassen, damit ihr nichts widerfährt."

„In Ordnung, das werden wir machen." Der Generalchef winkte einen Soldaten zu sich und nahm ihm ein verpacktes Bündel ab. „Hier ist Eure neue Uniform, Oberst de Jarjayes."

„Danke." Oscar stand auf, nahm die neue Uniform und verließ die Gemächer des Generalchefs.

Draußen, vor der Tür, begegnete sie sogleich Graf de Girodel. „Kommandant, die Soldaten sind zum letzten Appell angetreten.", teilte er mit Bedauern in seiner Stimme mit. Auch wenn er seit einiger Zeit versuchte Lady Oscar zu meiden, traf ihn ihre Dienstquittierung sehr hart. Zu wissen, dass sie noch ferner von ihm als bisher sein würde, zerriss ihm das Herz buchstäblich in kleinste Stücke. Victor warf einen Blick auf das Paket in Oscars Händen und seufzte schwer. „Ich frage mich, warum Ihr uns so plötzlich verlasst... Ist das wegen André und den Kindern? Und warum werdet Ihr ausgerechnet in die Söldnertruppe bei Paris versetzt? Sie besteht aus Menschen aus niederer Herkunft und genießt das geringere Ansehen. Ich will nicht, dass Ihr Euch solch einer Truppe anschließt." Er sagte nicht, „Euren Kindern", um zu vermeiden, dass sie jemand zufällig hörte. In Versailles hatten die Wände bekanntlich Ohren und sie liefen gerade durch die Säle, wo ihnen einige Hofdamen oder andere Höflinge und Diener begegneten.

Oscar hörte ihm zwar zu, aber war gleichzeitig in Gedanken. Die letzte Truppeninspektion... Das hatte sie beinahe vergessen. Also würde sie sich erst danach umziehen und ihre alte Uniform abgeben können. Nicht, dass sie darauf erpicht war, sie wollte nur Versailles wieder schnell verlassen und die zwei Tage vor ihrem neuen Dienst mit André und ihren Kindern verbringen. Um Girodel nicht ohne Antwort zu lassen, sagte sie mit fester Stimme: „Ich danke Euch herzlichst für alles, Graf – besonders für Eure Treue und Eure Dienste. Ich bin sehr zufrieden mit Euch und ich habe Euch zu meinem Nachfolger bestimmt. Von jetzt an kümmert Ihr Euch um das königliche Garderegiment. Um François und Augustin braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen. Sie werden mich zusammen mit André in meinem neuen Posten begleiten."

Die Worte von Treue und dass sein weiblicher Kommandant mit ihm sehr zufrieden war, schmeichelten Victor sehr, aber vertrieben nicht die Sorge und Kummer um sie. Und der letzte Satz von ihr, machte ihn noch zusätzlich stutzig. „François und Augustin werden euch auch begleiten? Heißt das, dass sie auch Soldaten werden? Aber sie sind erst dreizehn Jahre alt!" Irgendwie ahnte Girodel, dass es womöglich die Idee vom General de Jarjayes war und als Oscar ihm das mit den Worten: „Mein Vater wollte es so.", bestätigte, verfluchte er innerlich den General noch mehr.