Zur gleichen Zeit
„Ich habe viel Gutes über den Mossard gehört", sagte Kurt, als er gemeinsam mit Ziva die Taschen aus dem Hubschrauber zur Hütte trug.
„Ich war immer sehr stolz dabei sein zu dürfen, aber inzwischen ist mein Platz hier in den USA beim NCIS und bei Gibbs."
„Sie müssen viel erlebt haben." Ziva ahnte, worauf er hinauswollte.
„Sie haben mich gehört in der letzten Nacht?"
„Es tut mir leid, dass ich damit anfange."
„Ja, ich habe eine Menge erlebt. Einiges davon lässt mich nicht los." Sie schluckte hart.
„Dämonen sind nicht unüblich in unserem Job, Agent David. Sie verfolgen uns alle von Zeit zu Zeit."
„Nicht solche fürchte ich." Sie erreichten die Hütte.
„Und Agent Dinozzo ist Ihnen eine Hilfe dabei?", fragte Kurt und ließ einen Blick über die kleine Baracke schweifen, bevor er wieder den Blick auf Ziva legte, die ihn schockiert ansah.
„Wir haben gehört, wie er aus dem Zimmer gesprintet ist."
„Es ist nicht… wir sind…", stotterte Ziva. Kurt hob beschwichtigend die Hände.
„Ich bin der letzte Mensch, der über Beziehungen am Arbeitsplatz urteilt, Agent David. Wir gehen damit in unserer Dienststelle sehr offen um. Weil ich der festen Überzeugung bin, dass Menschen, die sich wichtig sind, besser aufeinander aufpassen. Aber ich bin ehrlich, eine Beziehung mit einem engen Kollegen ist nicht einfach."
„Wir haben keine Beziehung, Agent Weller. Gibbs ist da sehr streng. Regel 12." Sie umrundeten die Hütte gemeinsam, um nach dem Eingang zu suchen.
„Regel 12?"
„Ja, Gibbs hat Regeln, an die wir uns alle halten müssen."
„Wie viele gibt es davon?"
Ziva lachte kurz auf. „Etwa 50."
„Was ist Nummer eins?"
„Lasse niemals zwei Verdächtige zusammenkommen."
„Und Nummer 12?"
„Date niemals einen Kollegen." Sie erreichten die Holztür.
„Ich nehme an, Sie können die knacken", sagte Kurt und deutete darauf. Ziva lächelte nur breit und machte sich an die Arbeit.
„Aber warum diese Regeln?"
„Niemals die Regeln hinterfragen", antwortete Ziva, während sie hinkniete.
„Noch eine Regel von Gibbs?"
„Nein, eine von uns. Persönliche Erfahrung." Damit schwang die Tür auf. Sie brachten die Ausrüstung in den Raum und schauten sich um. Im nächsten Moment fiel ein Schuss.
Zur gleichen Zeit
„Die Insel ist echt winzig", sagte Tony. Jane war einige Schritte voraus und es war schwer für den NCIS Agenten mitzuhalten. Sie war trittsicher über den groben Steinen, die den Rand der Insel bildeten, während ihr Blick über die Umgebung huschte. Ein paar tote Äste hatte jeder von ihnen im Arm.
„Macht es einfacher für uns sie im Blick zu behalten."
„Glaubst du etwa hier ist noch Jemand?", fragte Tony.
„Ich weiß es nicht, aber da ist so ein Gefühl. Schwer zu beschreiben."
„Ja, der Ninja-Sinn. Den kenne ich von Ziva. Sie irrt sich eigentlich nie." Jane stoppte kurz und legte ihren Blick auf ihn.
„Ihr beiden steht euch sehr nahe, oder?"
„Wir haben schon viel erlebt. Überlebt. Sind Partner seit Jahren."
„Da lernt man sich gut kennen." Tony nickte zustimmend.
„Wie ist das? Verheiratet mit dem Boss?", fragte Tony so beiläufig wie möglich, während sich ein breites Lächeln über Janes Lippen zog.
„Wir hatten einen holprigen Start. Ich habe seinen Namen groß auf meinen Schulterblättern tätowiert. Also wirklich groß. Die ersten Monate waren hart ohne Gedächtnis, aber er hat etwas in mir gesehen, was sonst keiner gesehen hat. Dann wurde es noch komplizierter… ich erspare dir die ganze Geschichte. Aber als klar wurde, dass ich mehr sein konnte, als nur das Opfer und ich mir das Vertrauen des Teams hart erarbeitet hatte, war er wieder an meiner Seite. Und da blieb er, egal was passierte. Mit jedem Schritt, dem wir Sheppard näherkamen, wurde deutlicher wie kaputt ich eigentlich bin. Aber er war trotzdem noch da. Dank ihm habe ich ein Leben, eine echte eigene Wahl und eine Zukunft. Das hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht." Tony hing an ihren Lippen und ihm wurde schmerzlich bewusst, wie sehr sich die beiden Frauen ähnelten. Ausgebildet für den Kamp für das höhere Ziel, keine Wahl, keine Zukunft. Er schluckte heftig.
Jane nahm ihren Weg wieder auf, fixierte bald eine Stelle neben sich im Wasser, warf in einer flüssigen Bewegung die Äste von sich weg und sprang ins knietiefe Wasser. Das aufspritzende Wasser umgab sie für einen Moment und nahm Tony die Möglichkeit sie zu sehen. Als die Spritzer sich legten, stand sie mit triumphierendem Blick im Wasser und hielt zwei dicke Fische in den Händen.
„Du hast nicht gerade wirklich einen Fisch gefangen?"
„Zwei.", sagte sie breit lächelnd. Er rollte mit den Augen, wobei er im Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Sofort schwang er herum und zog seine Waffe aus dem Holster.
„Jane!", schrie er noch, bevor er feuerte.
Sofort schoss Gibbs herum und jagte dem Geräusch nach in Richtung des Landeplatzes. Auch Kurt und Ziva kamen aus der anderen Richtung angelaufen. Mit fragendem Blick trafen sie sich neben dem Hubschrauber. Noch bevor sie sich auf die Suche nach Tony und Jane machen konnten, kamen diese auf sie zu geschlendert. Tony mit einem Stapel trockenen Ästen im Arm und Jane mit einem zwei toten Fischen in der Hand.
„Was war das?", fragte Gibbs und steckte beim Anblick der entspannten Gesichter seine Waffe zurück in den Holster. Die anderen Beiden taten es ihm nach.
„Wasserschlange", erklärte Jane.
„Du hast auf ein Tier geschossen?", fragte Kurt ungläubig.
„Ich nicht." Alle Blicke richteten sich auf Tony.
„Der Ninja hier ist mitten im Satz ins Wasser gesprungen und hat zwei Fische gefangen – mit den Händen. Und da kam diese riesige Schlage über die Steine auf uns zu und ich habe einfach reagiert." Entschuldigend zuckte er mit den Schultern. Ziva unterdrückte einen Lacher.
„War sie wenigstens giftig?", fragte Kurt weiter.
„Ganz bestimmt", antwortete Jane nickend, schüttelte aber heftig den Kopf und formte ein NEIN mit den Lippen hinter dem Rücken des NCIS-Agenten. Jetzt musste selbst der gestandene FBI-Agent ein Lacher unterdrücken. Gibbs schüttelte nur den Kopf und nahm Jane die Fische ab. Gemeinsam gingen sie auf die kleine Hütte zu, die als Lager dienen sollte. Ihre Einsatzausrüstung stand schon in dem kleinen Raum. Er war ausgestattet mit einem Schreibtisch, einer alten Couch und ein paar Stühlen. Außerdem gab es eine Toilette im Nebenraum. Mit allen fünf Agenten war nicht mehr viel Platz in dem Häuschen.
„Die Funkgeräte sind alle tot", erklärte Kurt und deutete auf die Wand neben dem Schreibtisch, die mit drei verschiedenen Funkgeräten bestückt war. Gibbs griff in seine Einsatztasche und zog ein altes Satellitentelefon heraus. Ohne ein Wort zu verlieren, tippte er eine Nummer und trat vor die Tür, um den Direktor auf den neusten Stand zu bringen.
Nachdem Vance über das Problem informiert war, versicherte er Truppen zu schicken, die beim Sichern des Stützpunktes helfen sollten. Aber nicht vor dem nächsten Morgen, so lange brauchte das Schiff. Nach dem Gespräch betrat Gibbs die Hütte wieder und fand er Kurt und Jane auf der Couch sitzend, Tony saß am Schreibtisch und spielte ein Spiel auf seinem Handy, während Ziva aus dem Fenster starrte.
„Ich habe ein ungutes Gefühl", verkündete die Israelin.
„Janes Ninja-Sinn hat auch ausgeschlagen vorhin", sagte Tony, ohne aufzuschauen.
„Ich habe vorhin hinter dem Hauptgebäude einen Schatten gesehen", sagte Gibbs trocken.
„Wir sind also nicht allein", Ziva trat neben ihn.
„Ich denke nicht. Wer auch immer hier unterwegs ist, wir müssen sehr wachsam sein." Ziva stimmte ihrem Boss nickend zu.
Die Wolken wurden immer dichter, als sie aus dem Feuerholz vor der Hütte ein kleines Feuer machten und die gefangenen Fische darauf zubereiteten. Die Wasserflaschen, die jeder im Einsatzgepäck mit sich trug, würden bis zum Morgen reichen. Nach dem Essen, das aus Fisch und Energieriegeln bestand, machten sich alle fünf Schlafplätze auf dem Boden der Hütte.
„Ich übernehme die erste Schicht", verkündete Gibbs.
„Jane und ich übernehmen die letzte", sagte Kurt und legte sich neben seiner Frau auf den Boden. Sie warf eine dünne Armeedecke, von denen sie ein paar in der Hütte gefunden hatten, über sie beide und küsste ihn flüchtig. Auch Tony hatte sich mit einer der Decken auf dem Boden bequem gemacht und Ziva legte sich unter die kratzige Decke ein paar Meter neben ihren Partner. Die Couch war für Gibbs reserviert, der aber neben dem Fenster auf einem Stuhl saß und in die Dunkelheit hinausstarrte. Eine Stunde später ließ er seinen Blick über den dunklen Raum wandern, hörte auf die ruhigen Atemzüge der vier Agenten.
Eine weitere Stunde später nahm er ein Wimmern wahr, aber es kam nicht von draußen. Er stand auf, ging leise auf seinen Agenten zu und weckte ihn.
„Tony", sagte und er schüttelte ihn. Tony schlug die Augen auf. „Boss?" Gibbs deutete mit dem Kopf auf Ziva, die anfing sich im Schlaf herumzuwälzen.
„Hilf ihr." Tonys Augen wurden größer. „Was?"
„Glaubst du etwa ich weiß nicht, dass ihr das schon seit Monaten macht."
„Boss, ich…"
„Los jetzt oder soll ich es machen?" Tony stand auf, nahm seine Decke mit sich und legte sich neben seine Partnerin auf den Boden. Beherzt legte er die Arme um sie und hielt sie fest.
„Alles ist gut, Zi. Niemand kann dir etwas tun. Du bist sicher", flüsterte er ihr leise zu und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Sie wurde ruhiger, ließ sich in seine Arme fallen und atmete tief aus.
„Danke, Tony", flüsterte sie zurück. Erst dann schien ihr bewusst zu werden, wo sie waren und sie setzte sich erschrocken auf.
„Schon gut, er weiß es", sagte Tony nur. Beide wussten, wen er meinte.
„Du weißt es?", fragte Ziva ihren Vorgesetzten.
„Ich bin nicht blind, Ziva", antwortete er nur. Ihr geschockter Blick ging wieder auf Tony, der nur mit den Schultern zuckte.
„Sollen wir dich ablösen, Boss?", fragte Tony.
„Ihr habt noch eine gute Stunde. Schläft noch etwas." Damit legten sich die beiden Agenten wieder hin, dieses Mal direkt nebeneinander und wie es auch Jane zuvor gemacht hatte, legte Tony seine Decke über sie beide. Er versuchte zu verdrängen, dass Gibbs jede seiner Handlungen genau beobachtete, zog Ziva an sich heran und sie schmiegte sich mit dem Rücken gegen seine Brust. Er legte den Arm über sie und küsste auf ihre Haare. Für die Beiden war es so normal geworden, dass sie nach einem ihrer Albträume seine Nähe suchte. Nach ein paar weiteren geflüsterten Worten zwischen ihnen wurde es wieder ruhiger und Gibbs Blick ruhte noch einen Moment auf seinen beiden Agenten, ineinander verschlungen und… friedlich. Erinnerungen an seine Erfahrungen mit Liebe am Arbeitsplatz kam in ihm hoch und er hoffte, dass es bei diesen Beiden anders laufen würde.
Die Schicht von Kurt und Jane begann ein paar Stunden vor Sonnenaufgang. Tony und Ziva hatten es sich wieder auf dem Boden bequem gemacht, direkt nebeneinander dieses Mal und Gibbs schlief lautlos auf der Couch. Die beiden FBI-Agenten setzten sich auf zwei Stühle neben das Fenster und versuchten ihre Augen an die Dunkelheit draußen anzupassen.
„Wer hätte gedacht, dass sich dieser Treffer so entwickelt", flüsterte Jane.
„Wann verlaufen die Tattoo-Fälle mal ruhig oder vorhersehbar?" Sie lächelte zustimmend.
„Ich wollte dir noch danke sagen."
„Wofür?", fragte er überrascht und legte seinen Blick auf Jane.
„Nachdem wir den NCIS hier kennen gelernt haben, bin ich dankbar, dass ich an dich geraten bin."
„Das war nicht meine Entscheidung. Sheppard hat das entschieden und mit dem riesigen Tattoo auf deinem Rücken sehr klar gemacht."
„Du weißt was ich meine. Wäre ich bei denen gelandet, die hätten mich in eine Zelle gesteckt und nie mehr nach mir gesehen. Gibbs wirkt wie ein laufendes Handbuch."
„Ziva hat mir erzählt er hat fünfzig zusätzliche Regeln, an die sich seine Agenten halten müssen." Jane verzog das Gesicht.
„Ich bin auf jeden Fall sehr froh, dass du bei uns gelandet bist", sagte Kurt und lächelte. Auch Jane lächelte, lehnte sich nach vorn und küsste ihn.
„Was denkst du läuft hier?", fragte sie.
„Ich denke hier hat Jemand Spuren verwischt, Mitwisser beseitigt."
„Aber das sind alles Soldaten. Warum an denen experimentieren?"
„Sie bringen alles mit, was es braucht. Geplant lange weg von zuhause, absolut loyal und gesund. Sobald man einen Ranghöheren dazu bringt die richtigen Befehle zu geben, sind das die perfekten Versuchskaninchen."
„Und wenn das nicht der einzige Standort ist?", fragte Jane. Im nächsten Moment drehte sich Gibbs auf der Couch um und seufzte.
„Sobald die Sonne aufgegangen ist, setzte ich McGee darauf an", grummelte er.
„Wir wollten Sie nicht wecken", entschuldigte Kurt sich.
„Ich brauche nicht viel Schlaf." Er stand auf und ging ins angrenzende Badezimmer.
„Ich mache eine Runde um die Hütte", verkündete Jane.
„Okay, pass auf dich auf." Sie nickte ihm zu und schnappte sich ihre Taschenlampe, bevor sie die Hütte verließ. Das Geräusch der sich öffnenden Tür weckte Ziva, die erschrocken die Augen aufschlug. Sie legte Tonys Hand, die auf ihrem Bauch ruhte, auf seine Brust und stand vorsichtig auf.
„Alles ruhig?", fragte Ziva.
„Ja. Du kannst ruhig noch schlafen." Am Abend hatte Kurt verkündet, wenn sie schon zusammen auf einer Insel voller Toter feststeckten, sich wenigstens mit Vornamen ansprechen konnten. Tony und Ziva waren sofort dabei, Gibbs hingegen bevorzugte es, wie es war.
„Ich bin wach." Die dunklen Augenringe in ihrem Gesicht verrieten, dass sie log, aber der FBI-Agent beließ es dabei.
„Wo ist Jane?"
„Sie wollte eine Runde um die Hütte drehen."
„Ich denke ich gehe ihr Gesellschaft leisten." Damit griff Ziva auch nach einer Taschenlampe und ging hinaus.
„Wo haben Sie den her?", fragte Kurt, als Gibbs einige Zeit später mit einem Becher in der Hand neben ihm erschien, der nach Kaffee roch.
„Instantkaffee", antwortete Gibbs nur und deutete mit dem Kopf auf die Dose.
„Sie sind wirklich auf alles vorbereitet." Der FBI-Agent streckte die Hand nach der Dose aus, doch Gibbs hielt ihn auf.
„Regel 23." Kurt legte die Stirn in Falten.
„Das bedeutet?"
„Vergreif dich nicht an dem Kaffee eines Marines, wenn du Leben willst." Kurt lachte auf, in der Hoffnung das sei ein Scherz, aber todernste Blick seines Gegenübers lehrte ihn etwas anderes und er zog die Hand zurück.
„Ziva hat von den Regeln erzählt. Woher kommen die?"
„Lebenserfahrung."
„Alle?" Der NCIS-Agent nickte während er einen weiteren Schluck nahm.
„Warum keine Beziehung unter Kollegen?"
„Regel 12", sagte Gibbs knapp. Kurt nickte.
„Ich befürworte persönliche Beziehungen unter meinen Leuten. Ich glaube sie passen besser aufeinander auf, wenn sie sich etwas bedeuten."
„Ablenkung, Agent Weller. Wenn die Augen nur auf den Kollegen liegen, sind sie nicht bei den Verdächtigen. Dadurch können Agents ihr Leben verlieren."
„Da gebe ich Ihnen Recht. Aber lenken Gefühle, die man zu unterdrücken versucht und heimliche Blicke nicht noch mehr ab?" Gibbs dachte darüber nach. An Tony und Ziva, die so viel mehr waren als Partner, die zusammen so viel erlebt hatten und die beide alles daran setzten die Gefühle füreinander zu verstecken. War er wirklich alleine schuld daran?
Authors note: Danke fürs Dranbleiben und Weiterlesen. Das bedeutet mir viel. Bald geht es weiter.
