Nun, es ist eine Weile her, nicht wahr? Zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich es geschafft, eine meiner unzähligen WIPs fertigzustellen. (Es sind inzwischen über 50. Kein Scherz.)
Wie bei all meinen Geschichten, kann man sowohl die deutsche als auch die englische Version auf meinem Profil finden. Ein großer Dank geht an meine Betaleserin Daisy, welche die englische Übersetzung Korrektur gelesen hat. Vielen lieben Dank! 💛
Heiler haben den besten Kaffee
Eigentlich war Charlie Weasley ein lebensbejahender Mensch. Er stand jeden Morgen mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Selbst Überstunden und Nachtschichten ging er beherzt an. Und auch wenn ein Drache ihn mal schwer verletzte, konnte er noch Scherze reißen. Doch an diesem Tag, einem stürmischen Donnerstag im Spätfrühling, war seine Lebensfreude im Bett geblieben.
"Shit… Rückzug!", brüllte er und rannte blindlings nach rechts, um einem Drachenschweif auszuweichen. Seine Füße schlitterten durch matschigen Boden und verloren fast ihr Gleichgewicht. Der Regen der letzten Tage hatte alle Gehege ohne Wetterschutz in eine Stolperfalle verwandelt.
"Kreisformation!", rief Emil, einer seiner längsten Freunde und Kollegen. "Wir müssen ihn einkesseln!"
Charlie fluchte leise und befolgte die Anweisung, da es ihre beste Chance war, die momentane Situation unter Kontrolle zu bekommen. Gerade war er mit Sicherheit nicht der Einzige, der sich wünschte, das Reservat hätte ihren aggressiven Neuzugang erst im Herbst willkommen geheißen.
Silberne Schuppen, die wie Wasser im Mondschein glänzten. Schwarze Hörner, die ein ausgewachsenes Pferd aufspießen konnten. Und lange Flügel, die jeweils die Spannweite eines Muggel-Busses hatten.
Charlie verstärkte den Griff um seinen gefechtsbereiten Zauberstab. Der Schwedische Schädelleser war eine beeindruckende Kreatur, die einem nicht nur mit ihrer Größe und Kraft das Fürchten lehrte. Er war auch als einziger Drache auf der Welt dazu in der Lage war, die Gedanken seiner Beute zu lesen und dementsprechend zu reagieren.
"Versucht, eure Köpfe so frei wie nur möglich zu halten!", schrie Marisa, deren Stimme sich am Ende überschlug. Sie hatte erst vor einem Monat als Drachenwärterin angefangen und bisher nur wenig Felderfahrung sammeln können.
In einer anderen Situation, an jedem anderen Tag, hätte Charlie ihr lachend zugerufen, dass das leichter gesagt als getan war. Doch gerade benötigte er seine volle Konzentration, um am Leben zu bleiben. Leider stellte das Gedankenlesen nicht die einzige Fähigkeit dar, über die der Schädelleser verfügte. Diese war zwar weniger gefährlich, doch dafür umso nervtötender: sein betäubender Schleim.
"Weasley, pass auf!"
Charlie sah, wie der Drachenschweif in seine Richtung flog, und schmiss sich so hart zu Boden, dass sich die Luft aus seinen Lungen presste. Schmerz explodierte in seinem Oberkörper. Hustend stützte er sich auf und kam zurück auf die Beine. Doch er war zu langsam. Ein paar verdammte Sekunden zu langsam.
Charlie wurde von einem schweren Etwas umgeworfen, das er erst als Schleim registrierte, als er aufprallte und der klebrige Stoff über ihm zerfloss. Sein reflexartiges Einatmen blieb fruchtlos, was wiederum Panik einsetzen ließ. In seiner Brust raste sein Herz, als wollte es im Wettrennen gegen einen goldenen Schnatz gewinnen. Es war ohne Zweifel das schlimmste Gefühl, das ihm je untergekommen war. Die Schwärze, in die er kurz darauf fiel, war so dunkel wie eine sternlose Nacht.
~x~x~x~
Absolute Dunkelheit.
Es war nicht das erste Mal, dass Charlie eine Ohnmacht erlebte. Das war im Kräuterkunde-Unterricht seines ersten Schuljahres gewesen, als sie Alraunen umtopfen mussten und eine Slytherin als Scherz seine Ohrenschützer entfernt hatte. Auch die zweite Ohnmacht war ihm bereits passiert: Als er von der Attacke auf seinen Vater durch die Schlange Nagini erfahren hatte, war ihm kurz schwarz vor Augen geworden. Die Vorstellung, ihn zu verlieren, war damals wie ein Schlag gegen sein Gehirn gewesen.
Momentan durchlebte Charlie somit seine dritte Ohnmacht. Als seine Sinne langsam zurückkehrten, drangen verschiedene Geräusche zu ihm durch, die ihn erst an einen Bienenschwarm und dann an das Stimmengewirr von gut besuchten Orten erinnerten.
„…sich bewegt. Hey, ich glaube, er wacht auf.", sagte jemand in seiner Nähe.
Stöhnend versuchte Charlie, den Worten Taten folgen zu lassen. Sobald er die Muskeln seiner Augenlider wiederentdeckt hatte, hob er diese auf träge Weise. Jede andere Körperbewegung erwies sich jedoch als undurchführbar.
Das erste Gesicht, das er erblickte, war Emils. Das nächste gehörte Valerie, einer Heilerin mit Afrolook, die ihm grinsend zuwinkte. Ein stechender Geruch stieg ihm in die Nase. Ohne Zweifel von dem Desinfektionsmittel, das die muggelstämmige Hexe während ihrer Arbeit regelmäßig einsetzte.
„Na, Schlafmütze? Willkommen zurück im Reich der Wachen.", sagte sie und ließ ihren Zauberstab über ihm kreisen, um seine Werte zu überprüfen. „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Hab schon mit dem Gedanken gespielt, deine Familie zu kontaktieren. Wie wäre es mit deiner Mutter?"
Charlie riss seine Augen auf, woraufhin Valerie zu gackern begann. Sie liebte es, die Drachenwärter unter ihrer Pflege aufzuziehen.
„Oh, dieses Gesicht. Einfach herrlich.", lachte sie und wischte sich eine entflohene Träne aus dem Augenwinkel. Als Charlie sich mit einem Grunzen erheben wollte, gelang ihm nur ein Zucken. So musste sich ein Drache fühlen, dem man die Flügel geraubt hatte.
„Warum kann ich mich nicht bewegen?"
Emil trat näher an das Bett heran.
„Nachwirkung des Drachenschleims. Das Gegenmittel sollte bald anfangen, zu wirken."
„Na immerhin etwas.", murrte Charlie und kniff seine Augen zusammen, als seine Schläfen zu pochen begannen. Einmal mehr malträtierte ein unerträgliches Stimmengewirr sein Gehirn, bevor es glücklicherweise wieder in den Hintergrund trat. „Val, hast du einen Wiggenweldtrunk zur Hand? Ich hab das Gefühl, mein Kopf explodiert gleich."
Valerie verdrehte ihre Augen und drehte ihm den Rücken zu.
„Du kennst die Regel: keine verschiedenen Tränke so kurz hintereinander, außer es ist ein Notfall. Deine Werte sehen gut aus, also wirst du wohl noch eine Weile überleben.", sagte sie, aber holte eine Phiole des grünen Trankes schon mal aus einem Schrank. Jetzt sei mal nicht so empfindlich.
Charlie knurrte ungehalten und schielte so weit es ging in ihre Richtung.
"Empfindlich?", wiederholte er. "Hast du eigentlich eine Ahnung, wie schrecklich es ist, sich nicht bewegen zu können und von Kopfschmerzen geplagt zu werden?"
Nach seinem Vorwurf drehte sich Valerie hektisch blinzelnd zu ihm um. Sie patschte eine Hand auf ihren Mund.
"Ups.", kicherte sie gegen ihre Finger. "Hab ich das gerade laut gesagt?"
"Klar und deutlich."
Emil sah zwischen ihnen hin und her, seine Stirn stark gerunzelt. Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Was? Aber Val hat doch gar nichts gesagt.", meinte er und berührte sein rechtes Ohr. Shit. Wird mein Tinnitus wieder schlimmer? Ich muss die Dosierung des Heiltranks erhöhen.
„Tinnitus? Was ist das?", fragte Charlie sofort. „Ich wusste nicht, dass du krank bist."
Stille fiel wie eine schwere Decke über den Raum. Verwirrt starrte er in die Gesichter seiner Kollegen, die ihn ansahen, als hätte er sich in einen Geist verwandelt.
Nicht möglich, sagte Valerie, doch ihre Lippen bewegten sich nicht. Kann er etwa… unsere Gedanken lesen?
„Was?", rief Charlie lautstark. „Aber ich bin doch kein Legilimentor!"
Der Ausruf hatte ihn kaum verlassen, da stand die Heilerin bereits direkt neben ihm. Blitzartig beugte sie sich über ihn und packte seinen Kopf wie einen Quaffel. Ihre langen Fingernägel piksten dabei.
"Faszinierend. Das muss eine Nachwirkung vom Schleim sein.", hauchte sie entzückt. "Wie fühlt es sich an? Hören sich unsere Gedankenstimmen genau wie unsere richtigen an? Hörst du nur Worte oder kannst du auch Bilder sehen? Was denke ich in diesem—"
"Val. Stop.", unterbrach Emil und berührte ihre Schulter. "Atme. Ein und wieder aus."
Vernehmlich machte er den Atemvorgang vor. Während Valerie aufgewühlt seiner Anweisung folgte, kickte bei Charlie endlich das Gegenmittel ein. Stöhnend setzte er sich auf und hielt sich seinen Schädel.
"Fuck." Mehrere Gedanken durchschossen ihn zeitgleich. "Wie lange wird das anhalten?"
Die Antwort auf seine Frage folgte ein paar Minuten später, als die Chefheilerin persönlich seinen Zustand inspizierte und diesen als unbedenklich einstufte.
"Vielleicht ein paar Stunden. Aber nicht länger als einen Tag.", beruhigte sie beim Lesen seiner Werte. "Die Inhaltsstoffe des Schleimes sollten spätestens dann Ihren Körper verlassen haben. Gehen Sie es bis dahin etwas ruhiger an. Keine Arbeiten, bei denen Ihre ganze Konzentration gefragt ist."
Sobald sie den Raum verlassen hatte, legte er den Kopf in den Nacken.
„Na klasse.", sagte er frustriert. „Der Tag wird echt immer besser und besser."
„Hey, schluck diesen britischen Sarkasmus herunter und betrachte das Ganze lieber von der positiven Seite.", entgegnete Emil mit einem Grinsen. Für ihn war das Glas schon immer halbvoll gewesen. Charlie erinnerte sich noch gut an ihren ersten Ausbildungstag, der für beide in einem Krankenbett geendet hatte. Während sein Freund Lobeshymnen über die bequeme Matratze gesungen hatte, war er selbst von einem Heuler seiner Mutter überrascht worden. Molly Weasleys wütende Stimme — „VERLETZT? UND DAS BEREITS AN DEINEM ERSTEN TAG?" — brachte jedes Glas, ob halbleer oder halbvoll, zum Sprengen.
„Normalerweise würde ich dir zustimmen. Aber ich habe keine Ahnung, was an meinem Zustand positiv sein soll.", sagte Charlie und rieb sich seine Stirn. Verschiedene Antworten prasselten kurz darauf sowohl verbal als auch gedanklich auf ihn ein. „Okay. Stop. Redet oder denkt, aber nicht beides zugleich."
Valerie setzte zu einer Entgegnung an, aber keuchte dann stattdessen. Auch Emils Interesse lag plötzlich woanders. Beide sahen an Charlie vorbei.
"Juliet.", sagten sie wie aus einem Mund. Das Bild, das sie momentan abgaben, wäre das perfekte Werbeplakat für einen Liebestrank gewesen. Es fehlten nur noch kleine Herzen in ihren Augen.
Charlie folgte ihrer Blickrichtung und schnaufte leise. Die blonde Heilerin war erst vor ein paar Wochen in ihr Reservat versetzt worden, doch hatte bereits einigen Personen den Kopf verdreht. Ein Hüftschwung hier. Ein Augenaufschlag da. Und schon benahmen sich alle wie Drachen während der Paarungszeit.
Juliet sah von ihrem Klemmbrett auf, bemerkte ihre kleine Gruppe und winkte ihnen lächelnd zu. Emil packte Charlies Schulter.
„Okay, Char, du hast jetzt die Gelegenheit, mich endgültig von meinem Leid zu befreien.", sagte er mit einem Hundeblick. „Steht sie auf mich? Ja oder nein?"
Valerie verschränkte ihre Arme.
„Hey, das ist nicht richtig. Wir sollten ihre Privatsphäre respektieren.", sagte sie, doch Charlie konzentrierte sich bereits auf Juliets Standort. Es dauerte einen Moment, doch dann schaffte er es, ihre Stimme aus dem Strudel der Geräusche herauszufiltern.
…so viel zu tun… Merlins Bart, sie sehen immer noch her. Hab ich etwas auf dem Gesicht?
Juliet verwandelte ihren Stift in einen Taschenspiegel und überprüfte ihr Aussehen, bevor sie sich erneut ihrer Arbeit widmete. Ihre Gedanken blieben jedoch bei ihrer Gruppe. Genauer gesagt bei einer bestimmten Person.
Vals Afro sieht so flauschig aus. Richtig süß, dachte sie und stellte sich unerwartet einen Knuddelmuff mit Valeries Brille vor. Irgendwann sag ich ihr das mal. Irgendwann.
Das letzte Gedankenwort klang halb entschlossen, halb verzweifelt. Es folgten noch weitere Satzfetzen, die dazu führten, dass Charlies Mundwinkel nach oben reisten.
"Sorry, Mann, aber du scheinst nicht ihr Typ zu sein. Dich mag sie aber sehr, Val.", sagte er und musste glucksen, als sich ihre Augen weiteten. Ihre Gedankenwelt vibrierte regelrecht vor Euphorie.
„Wirklich?"
„Wirklich."
Entzückt patschte sie ihre Hände zusammen und starrte Juliet an. Mit einem Mal waren Charlie und Emil vergessen. Als würde sie von einer unsichtbaren Schnur gezogen werden, steuerte sie in Juliets Richtung und begann ein Gespräch.
„Tja, das heißt dann wohl, dass deine Heilung offiziell vorbei ist.", sagte Emil. Seine Gedankenwelt wog aufgrund seiner Enttäuschung schwer wie Blei. „Werde ich jemals in diesem Leben eine Hexe finden, die sich zu mir hingezogen fühlt?"
„Hey, nimm es nicht so schwer. Deine Zeit wird kommen."
Doch Charlie musste gestehen, dass er Emils Frust gut nachempfinden konnte. Seit Bill und Fleur ihr drittes Kind zur Welt gebracht hatten, überkam ihn immer öfter der Wunsch, endlich sesshaft zu werden. Doch bisher hatte er noch keine Frau gefunden, mit der er sich diesen erfüllen konnte. Entweder stimmte die Chemie nicht oder ihre Lebensziele passten nicht zueinander. Sein letzter Versuch war zum Beispiel daran gescheitert, dass er für immer in Rumänien bleiben wollte.
Charlie sah zu dem Heiler-Pärchen und spürte einen Stich aus Neid in seiner Brust. Bevor dieses Gefühl wie ein schlechter Zaubertrank überkochen konnte, traf er eine kurzfristige Entscheidung. Er hatte diese Woche noch keinen richtigen Koffeinkick gehabt.
"Wenn ich schon hier bin, werde ich mir einen Kaffee holen.", verkündete er und hievte sich aus dem Krankenbett. Emil hob beide Augenbrauen.
"Wie oft muss ich dich noch daran erinnern, dass wir eine eigene Küche haben?", fragte er.
In seinem Kopf trat die Vorstellung auf, wie Charlie eines Tages mal den letzten Rest Kaffee trinken und die Rachegelüste eines koffeinabhängigen Heilers kennenlernen würde.
"Hey, nicht meine Schuld, dass die Heiler den besten Kaffee haben.", widersprach er glucksend. "Und überhaupt: Ich bin so oft wegen irgendwelcher Verletzungen hier, dass es genauso gut meine Küche sein könnte."
Emil lachte auf und schüttelte seinen Kopf.
"Nein, nicht wirklich."
~x~x~x~
Als Charlie die Küche des Heilzentrums betrat, befand sich in dieser bereits eine Hexe, die ihm gut vertraut war. Einen Moment verharrte er und saugte ihren Anblick in sich auf. Braunes, schulterlanges Haar. Schmale Schultern. Weißes Heiler-Gewand.
Klara Dalton war wie eine wunderschöne Zimmerpflanze. Auf den ersten Blick mochte sie nicht auffallen, aber wenn man sie einmal ins Auge gefasst hatte, konnte man nicht mehr wegsehen. In ihrer Arbeit als Heilerin hatte sie sich auf schwerwiegende Brandverletzungen spezialisiert, was sie zu einer unentbehrlichen Person für das Reservat machte. Hier, wo Verletzungen durch Drachenfeuer gang und gäbe waren, rettete ihre Magie fast täglich Haut und Leben.
Klara, die offenbar ihre Mittagspause genoss, hatte es sich am Gemeinschaftstisch gemütlich gemacht und stellte augenblicklich Augenkontakt mit ihm her. Ihre Gedankenstimme drang problemlos zu ihm durch.
Ein Glück, seufzte sie innerlich. Ich dachte schon, du kommst diese Woche nicht.
Überrascht hielt Charlie inne. Er wartete, ob sie ihn wegen irgendetwas sprechen wollte, aber stattdessen schenkte sie ihm bloß ihren üblichen, lächelnden Gruß und strich sich eine entflohene Haarsträhne hinters Ohr. Auf dem Tisch vor ihr ruhte ein aufgeschlagenes Buch.
"Hey, du. Darf ich mir was von deinem Kaffee einschenken?", fragte Charlie und deutete in Richtung der Karaffe. "Den habe ich gerade bitter nötig."
"Natürlich. Bedien dich."
Als er sich dankend zur Küchenecke begab, kam er nicht darum herum, Klaras weitere Gedanken aufzuschnappen.
Er sieht müde aus. Hatte er schon wieder eine Nachtschicht? Sorge tränkte ihre innere Stimme. Er sollte sich besser schonen, sonst wird ihm das noch irgendwann zum Verhängnis.
"Ähm, ist alles in Ordnung?", fragte sie zögernd.
Charlie winkte beruhigend ab.
"Ja, alles okay.", sagte er, aber seine Worte vermissten die nötige Überzeugungskraft.
Genau. Und deshalb siehst du auch so aus, als hätte dich ein Drache verspeist und sofort danach wieder ausgespuckt, dachte Klara bissig und überraschte ihn damit. In ihrem Kopf war sie wesentlich schlagfertiger. Man durfte eben nie allein nach Äußerlichkeiten gehen.
Charlie runzelte seine Stirn, als er den Bereich neben der Spüle betrachtete, der ungewohnt blitzblank war. Irgendjemand musste aufgeräumt haben.
"Weißt du, wo meine Tasse hin ist?", fragte er und drehte sich zu ihr um. "Die rote mit den Rillen?"
Oberer Schrank. Links. Aber stattdessen antwortete sie: "Guck mal unten."
Verwirrt von ihrer Widersprüchlichkeit folgte Charlie zunächst ihrer verbalen Antwort. Er öffnete die Schranktür unter der Spüle und ging in die Hocke. Keine Tasse. Weder seine noch irgendeine andere.
Klara entfuhr ein langgezogenes Seufzen, doch der leichte Nachhall verriet ihm, dass dieses in ihrem Kopf aufgetreten sein musste.
Ja, eindeutig der knackigste Hintern des gesamten Reservats. Fest… Stramm… Wie gerne würde ich… Merlin, das darf doch nicht wahr sein. Reiß dich zusammen.
Charlie, der nun ihre Absicht erkannt hatte, musste schmunzeln. Es passierte nicht alle Tage, dass sein Körper ein direktes Kompliment dieser Art bekam. Obwohl er natürlich für gewöhnlich nicht wissen konnte, wann und wie oft solche gedanklich geäußert wurden.
"Hier ist sie nicht.", sagte er, stand auf und öffnete den richtigen Schrank. "Ha, gefunden."
Während der Kaffee von der Karaffe in seine Tasse floss, ertappte sich Charlie dabei, wie er Klaras Gedanken größere Aufmerksamkeit zukommen ließ. Ihre innere Stimme sprach wesentlich deutlicher und nahm kein Blatt vor den nicht-vorhandenen Mund.
Du willst ihn, also schnapp ihn dir endlich. Verdammt, Jess, das sagt sich so leicht. Wie soll ich das bitte anstellen?
Mehrere Szenarien blitzten in ihr auf, die Charlie nicht schnell genug erfassen konnte.
Wie wäre es hiermit? Ich komme jeden Tag zur gleichen Zeit hierher in der stillen Hoffnung, dich zu treffen. Und dabei habe ich die Hälfte der Woche in einem ganz anderen Gebäudekomplex zu tun. Was sagt uns das, Charlie? Dass ich nicht ganz dicht bin? Du hast ja so recht. Dann wäre das ja geklärt. Da ist die Tür. Ich wünsche dir noch ein schönes Leben.
Klara blätterte eine Seite weiter, um vermutlich den Schein zu wahren, dass sie am Lesen war. Doch in ihrem Kopf führte sie einen Kampf mit sich selbst.
Oder warum mache ich es mir nicht noch einfacher? Klipp und klar. Ohne Rückzieher, dachte sie sarkastisch. Charles Weasley, hier bin ich. Nimm mich und werde der Vater meiner Kinder. Ich bin bereit.
Klara stellte sich vor, wie er sie an Ort und Stelle in einen leidenschaftlichen Kuss zog, gegen die nächstgelegene Wand presste — und noch mehr. Ihr Inneres stöhnte vor Verlangen. Charlie bemerkte erst, dass seine Tasse überlief, als ihr Gedankenfluss unerwartet abbrach und sie vernehmlich nach Luft schnappte.
"Charlie, dein—"
"Oh fuck!"
Luft zischte an seinen Zähnen vorbei, als das vergossene Gebräu den Rand seines Hemdes erreichte. Hitze leckte wie eine Drachenflamme an seiner Haut. Hastig sprang Klara von ihrem Stuhl auf und zückte ihren Zauberstab. Anschließend zerrte sie ohne mit der Wimper zu zucken an seinem Oberteil und wandte einen Heilzauber an. Die Effizienz von diesem zeigte erneut, dass sie es sonst mit wesentlich schlimmeren Verbrennungen zu tun hatte.
"Sicher, dass es dir gut geht?", fragte sie und zauberte die Theke sauber. Wehe, du lügst mich an.
Charlie griff sich unter ihrem aufmerksamen Blick an den erhitzten Nacken. Seine Hose fühlte sich mit einem Mal wesentlich enger an. Nicht überraschend. Wann sah man sich schon mal selbst im Kopf-Porno einer anderen Person?
"Ich… Ja, alles okay. Heute ist nur ein… Sagen wir einfach, es ist ein komplizierter Tag."
"Oh. Möchtest du darüber reden?"
"Nein, ähm, danke, aber lieber nicht."
Charlie hob das befleckte Stück seines Hemdes und grübelte darüber, wie nochmal der Reinigungszauber seiner Mutter für solche Fälle funktionierte. Doch es stellte sich als schwieriges Unterfangen heraus, über das Entfernen von Flecken nachzudenken, wenn zeitgleich fremde Gedanken auf ihn niederprasselten, die sein gesamtes Hemd wegwünschten.
Oh mein… Das ist ein Four… Nein, ein Six-Pack, dachte Klara mit großen Augen und wandte sich in Richtung Tisch, um zu ihrem Platz zurückzukehren. Nicht starren. Setz dich einfach hin und konzentriere dich auf dein…
Der Gedanke endete auf die gleiche Weise wie ein Quidditch-Spieler, der beim Fliegen gegen eine Torstange knallte. Plötzlich und unerwartet. Ihren Lippen entkam ein Wimmern.
Sich unbeteiligt gebend hielt Charlie sein ausgezogenes Hemd in der Hand und spannte absichtlich seine Muskeln an, bevor er den Reinigungszauber anwandte. Er wusste, dass sein Verhalten nicht fair war. Doch ihr Interesse erfüllte ihn mit Euphorie. Vor ein paar Monaten noch hatte er die stille Hoffnung gehabt, zwischen der Hexe und ihm könnte es gefunkt haben. Aber dann musste er nach einem Zwischenfall mit einem Hornschwanz aufschnappen, dass sie sich verlobt hatte — und das war das Ende vom Lied gewesen. Ihm war nicht mal in den Sinn gekommen, sich verhört zu haben. In der Tat hatte er damals bloß gedacht: Typisch. Da gefällt mir mal eine ansässige Hexe und sie ist in festen Händen.
Aber hatte er sich wirklich geirrt? Vielleicht war die Verlobung geplatzt oder sie war unglücklich in ihrer Beziehung oder… Charlie atmete tief ein und wieder aus. Dieses Gedankenlesen führte dazu, dass er sich selbst in unnötige Grübeleien stürzte. Er musste das Ganze anders angehen.
Aufmerksam lauschte er ihrer inneren Stimme, während er sein Hemd anzog und im Anschluss an seiner überfüllten Kaffeetasse nippte.
…nicht wahr. Warum in Merlins Namen muss er nur so gut aussehen? Wenn doch wenigstens körperliches Interesse da wäre. Von da aus könnten wir uns hocharbeiten.
Klara seufzte bedrückt. Dieses Mal nicht innerlich, sondern klar vernehmlich.
Andererseits bin ich ja auch nicht gerade offensichtlich. Wann traue ich mich denn schon mal, ihn zu berühren? Na schön, beim Heilen. Aber da liegen die Prioritäten ja ganz woanders. Ich kann mich doch schlecht nach getaner Arbeit auf ihn werfen, wenn er… Obwohl…
Klara stellte sich vor, wie sie nach einer erfolgreichen Heilung scheinbar stolperte, auf ihn fiel und von seinen Armen aufgefangen wurde. Dann brach der Gedanke jedoch abrupt ab und Charlie konnte beobachten, wie sich zeitgleich ihr Gesicht verzog.
Ja, genau so macht man einen Mann auf sich aufmerksam, dachte sie schnaubend. Man überfällt ihn, wenn er gerade noch angeschlagen war. Super, Klara. Wirklich super.
Charlie konnte es nicht verhindern, seinen Kopf zu schütteln, als sie ihre Idee direkt verwarf. Ihm widerstrebte diese nämlich ganz und gar nicht. Ehrlich gesagt erregte ihn die Vorstellung sogar ungemein, wenn er sich die Möglichkeiten vorstellte, die eine solche Situation offerierte. Natürlich nur, solange die beiden kein Publikum bestehend aus anderen Heilern hatten.
Mit einem tiefen Atemzug nahm er den kräftigen Kaffeeduft in sich auf, lehnte sich an die Theke und sah sie über den Rand seiner Tasse hinweg an. Es war Zeit, herauszufinden, ob diese Idee irgendwann mal Realität werden könnte.
"Kein Ring?", fragte er und beobachtete, wie sie zusammenzuckte.
"Was?"
Er nickte leicht mit dem Kopf, den Blick auf ihre Hand gerichtet.
"Du bist verlobt, richtig? Stört der Ring bei der Arbeit?"
In einem Zustand absoluter Verwirrung klappte Klara ihr Buch auf dem Tisch zu. Auch ohne das Gedankenlesen hätte Charlie in jenem Moment erkennen können, dass ihr Kopf zu brodeln begann.
"Verlobt? Ich habe ja nicht mal einen Freund."
Wo hat er denn das gehört? War es… Nein… Oder vielleicht…
Ihre Sätze rannten wie panische Schafe im Angesicht eines Antipodischen Opalauges durcheinander. Einiges konnte er nicht verstehen, aber das Ende dafür umso mehr.
Ich bin so Single, mehr Single geht nicht. Verdammt, die letzte Person, die mich unten rum nackt gesehen hat, ist meine Gynäkologin!
Charlie verschluckte sich an seinem Kaffee, den er hastig abstellte. Braune Tropfen spritzten auf Boden und Theke. Als er sich hustend umdrehte, sprang Klara erneut von ihrem Platz und eilte an seine Seite, um ihm auf den Rücken zu klopfen.
"Ich wusste nicht, dass mein Beziehungsstatus dich so aus der Fassung bringen würde.", kicherte sie unwissend. "Ist es so schockierend, dass ich Single bin?"
"Nein! Ähm, ich meine, ja! Nein, warte…"
Seine unklare Antwort entlockte ihr ein sanftes Lächeln. Rein äußerlich hätte man es als ein glückliches verbuchen können, doch Charlie hörte die Niedergeschlagenheit ihrer inneren Stimme.
Ja, ich sollte das Ganze wirklich aufgeben.
In einer Sekunde wollte Klara sich abwenden, in der nächsten hatte Charlie ihre Oberarme gepackt, um sie am Gehen zu hindern. Überrascht sah sie mit ihren großen Rehaugen zu ihm hoch.
"Charlie, was—"
"Kann ich dich mal um deinen Rat fragen?"
Klara legte ihren Kopf schräg und starrte seine Hände an, bis er sie entschuldigend losließ. Wärme legte sich wie eine Decke auf ihre Gedanken. Der kurze Körperkontakt zwischen ihnen hatte bereits ausgereicht, um diese Reaktion hervorzurufen.
"Natürlich. Jederzeit.", sagte sie. "Worum geht es?"
Charlie holte tief Luft. Das durfte nicht schiefgehen.
"Es gibt da jemanden… einen Drachenwärter genauer gesagt… der sich in eine Heilerin verguckt hat. Aber leider weiß er nicht, wie er am besten auf sie zugehen soll."
Also genau das Gegenteil zu meiner Situation, dachte Klara vor ihrer Antwort. Welch I-ro-nie.
"Hat er denn schon richtig mit ihr geredet und sie kennengelernt? Oder sprechen wir hier von einer rein äußerlichen Anziehung?"
"Geistig wie körperlich."
"Hm…"
Mit einer Hand an ihrem Kinn gab sich Klara möglichen Ideen hin. Charlie fand es faszinierend, ihren Denkprozess zu verfolgen. Im Vergleich zu ihren vorherigen Gedanken, lief dieser wesentlich geordneter ab. Als hätte sie einen reißenden Fluss verlassen, um stattdessen einen ruhigen See zu überqueren.
"Ich würde sagen, die effizienteste Lösung wäre es, wenn er sie nach einem Date fragen würde.", sagte sie und rügte sich innerlich, weil sie einen Vorschlag machte, den sie nicht mal selbst beherzigte. "Er sollte herausfinden, was sie gerne unternehmen würde. Manche mögen es ruhiger, andere suchen die Aufregung."
Charlie lächelte zustimmend und stupste sie liebevoll an.
"Was würde denn bei dir funktionieren?"
"Oh, ich bin pflegeleicht.", kicherte Klara und hatte sogleich ein Bild im Kopf, dessen Klarheit vermuten ließ, dass es nichts zum ersten, nicht zum zweiten und auch nicht zum dritten Mal auftrat.
Ein gemeinsam gekochtes Essen. Kein Fisch. Bin sowieso kein Fan von Meerestieren.
Charlie fühlte sich, als würde in seiner Brust ein Kessel angeheizt werden. Sie hatte sich seine Allergie gemerkt. Er konnte sich nicht mal mehr daran erinnern, wann er mit ihr darüber gesprochen hatte.
Klaras Gedanken blieben einen Moment beim Essen und möglichen Rezepten, dann kam eine andere Vorstellung in ihr hoch, die beinahe sofort abbrach — aber zu spät. Charlie hatte den Anfang gesehen. Es war Frühstück im Bett gewesen, das die beiden miteinander genossen hatten. Kaffeenippend. Lächelnd. Splitterfasernackt.
Charlie fühlte sich hart werden. Hitze sammelte sich in seinen Lenden.
"Pflegeleicht, hm?", wiederholte er mit tieferer Stimme. "Das wird den Drachenwärter freuen zu hören. Obwohl er nur zu gerne etwas Außergewöhnliches planen würde, um diese Heilerin für sich zu gewinnen."
"Warum sollte es ihn freuen, dass ich pflegeleicht bin, wenn er doch…"
Oh.
Mehr dachte Klara nicht, als ihr klar wurde, worauf das Ganze hinauslief. Und plötzlich — Charlie konnte es nicht besser ausdrücken — tränkte eine tiefe, unerwartete Enttäuschung ihre Gedanken. Machte diese schwer und leise.
Er will mich mit einem seiner Kollegen verkuppeln. Brauche ich noch einen Beweis, dass er kein Interesse an mir hat?
Sie lehnte sich mit einem Seufzen gegen die Theke.
"Hör mal, das ist ja wirklich sehr nett von dir, dass du den Vermittler spielen möchtest, aber… es gibt da bereits jemanden, für den ich mich interessiere, und…"
Merlins Bart, das hast du gerade nicht wirklich gesagt, unterbrach sie sich selbst. So laut, dass Charlie zusammenzuckte. Das kann er doch nur missverstehen!
Rasend drehten sich ihre Gedanken im Kreis. So wie Drachen, die ihren eigenen Schweif jagten.
"Nein, warte. Eigentlich will ich sagen, dass…" Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. "Oh nein, was rede ich hier eigentlich? Warte kurz. Ich muss mich einen Moment sammeln."
Charlie trat unbewusst näher. Dieses Drumherumgerede würde jetzt ein Ende finden.
"Der Drachenwärter, von dem ich rede…", sagte er mit leiser Stimme und entfernte sanft ihre Hände, damit sie ihn ansehen konnte. "…liebt es, wie sie lächelt, wenn er diese Küche betritt. Ihm wird dann immer ganz warm in der Brust. Genau hier."
Klaras Augen weiteten sich, als er ihre Hände zu der Stelle führte, unter der sein Herz kräftig schlug. Sobald er sich sicher war, dass ihre Finger dort verharrten, platzierte er links und rechts von ihr seine Arme auf der Küchentheke. Ihr nächster Gedanke überschwemmte ihn wie eine reißende Welle.
Was? Oh mein…
Plötzlich Stille. Kein einziges Geräusch hallte aus ihrem Kopf wieder. Dieser Blackout ließ Charlie kurz glauben, seine Zeit als Gedankenleser wäre zu einem abrupten Ende gekommen. Doch dann kehrte mit der Röte auf ihren Wangen auch ihre innere Stimme zurück.
Er… Hat er… Meint er etwa… Heiliger Hornschwanz, er flirtet mit mir!
Klaras Atmung beschleunigte sich kaum merklich. Erregung tränkte ihre Gedanken und anscheinend auch ihre Unterwäsche, wenn er die Bewegung ihrer Beine richtig deutete.
"Diese Heilerin…", sagte sie bemüht ruhig. "…könnte sich fragen, warum er gerade jetzt seine Gefühle offenbart."
"Darauf würde der Drachenwärter antworten, dass er schon vor Monaten gehandelt hätte, wenn ihm klar gewesen wäre, dass da kein verfluchter Verlobter ist."
Mit einem glückseligen Lächeln wich Klara seinem Blick aus und holte rasselnd Luft. Charlie sah den Kuss in ihrem Kopf, bevor er eintraf. Kurz entschlossen presste sie ihre Lippen gegen seine und schreckte zurück, als ihr Übereifer einen schmerzhaften Zusammenstoß ihrer Köpfe verursachte. Ächzend griffen sich beide an ihre jeweils getroffene Stelle.
"Oh Merlin, es… es tut mir so leid.", stotterte Klara. Nein, nein, nein, nein…
Prustend lehnte Charlie sich nach vorne, um ihre Stirn zu küssen und ihre panischen Gedanken zum Verstummen zu bringen. Sobald das vollbracht war, wanderten seine Lippen weiter. Über die Lücke zwischen ihren Augenbrauen, die leichte Welle ihres Nasenrückens und die darauffolgende Spitze. Klaras Augenlider waren auf halbem Weg flatternd zugefallen.
"Oh, bitte lass mich nicht aufwachen.", hauchte sie.
Glucksend umfasste und rieb Charlie ihre Wangen.
"Was?"
Mit nach wie vor geschlossenen Augen zuckte Klara mit ihren Schultern. Ihre Gedanken waren im Moment in eine so allumfassende Wärme gehüllt, dass er sich kaum auf ihren Inhalt konzentrieren konnte. Es war, als würde er durch ein Meer aus Pudding tauchen.
"Das hier ist ganz klar ein Traum. Jeden Moment vibriert mein Zauberstab und ich wache auf.", seufzte sie. "Es wäre nicht das erste Mal."
Charlie lehnte sich vor, um einen neuen Kuss zu starten. Zärtlich presste er ihre Lippen zusammen und dankte dem Schwedischen Schädelleser, der diesen Moment unbeabsichtigt ermöglicht hatte. Klaras Hand fuhr über seinen Rücken und erzeugte dabei eine kribbelnde Linie. Stöhnend verstärkte er den Kuss, der wie der Kaffee schmeckte, den sie beide getrunken hatten. Daneben klang eine süße Note hindurch, die vermutlich von dem braunen Zucker stammte, den sie immer ihrer Tasse beimengte. Sie war die einzige Heilerin, deren Kaffee-Präferenz er sich jemals gemerkt hatte.
Charlie löste sich von ihr mit einem Keuchen, bloß um danach drei weitere, schnelle Küsse zu initiieren, die sie zum Kichern brachten.
"Du bist nicht am Schlafen.", sagte er. "Der einzige Traum hier ist die Sicht, die sich mir gerade bietet."
Erst hoben sich ihre Mundwinkel, dann ihre Augenlider.
"Du bist also nicht nur Drachen gegenüber ein Süßholzraspler.", schmunzelte Klara und ahnte nicht, wie sehr sie sein Blut zum Kochen und Rauschen brachte. Dieses Gefühl verstärkte sich, als sie in Gedanken anhängte: Rede so weiter und du kannst mich direkt hier in dieser Küche nehmen.
Sie stellte sich einen langen Moment eben jene Situation vor. Wie er sie packte, auf die Theke setzte und dort in einen hungrigen, leidenschaftlichen Kuss zog. Charlie musste gestehen, dass ihn diese Idee sehr reizte. So sehr, dass er fast dazu übergangen wäre, dieses Gedankenbild Realität werden zu lassen. Seine Hände zuckten bereits in die Richtung ihrer Hüften, als plötzlich ein vernehmliches Piepen erklang. Luftschnappend griff Klara nach ihrem Zauberstab. Eine helle Kugel schoss aus der Spitze.
"Heilerin Dalton: 6 — 2 — 3.", sagte eine helle Stimme. "Ich wiederhole: 6 — 2 — 3."
Der Zahlencode war ein altbewährtes System, das alle Heiler des Reservates verinnerlicht hatten. In diesem Fall bedeutete er, dass ihre Anwesenheit auf Station 6 für zwei Schwerverletzte mit Verbrennungen dritten Grades verlangt wurde.
"Verdammt.", zischte Klara und rannte zur Tür. "Vergiss nicht, wo wir stehengeblieben sind!"
Ihre Gedanken waren ein einziges Durcheinander aus Frust, Stress und der Hoffnung, dass er bei ihrem nächsten Treffen noch genauso Interesse haben würde wie jetzt. Als sie weg war, verschränkte Charlie seine muskulösen Arme, die hoffentlich bald eine weitere Chance erhalten würden, diese Hexe zu packen.
"Das hier vergessen?", murmelte er. "Mit Sicherheit nicht."
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Vier Tage. Es dauerte vier Tage, bevor sie sich das nächste Mal sahen. Genauer gesagt vier Tage, drei Stunden und ein paar Minuten. Aber wer zählte schon?
Charlie, der eben erst die Heileinrichtung betreten hatte, beobachtete Klara dabei, wie sie sich hinter der Empfangstheke mit einer Kollegin unterhielt. Sein Oberarm schmerzte aufgrund einer Verbrennung, die ihm ein kleiner Hornschwanz zugefügt hatte. Es war keine Verletzung, für die er normalerweise hergekommen wäre, aber der Gedanke an eine bestimmte Heilerin hatte ihn regelrecht hergetragen.
"Charlie, was tust du denn hier?" Juliet kam neben ihm zum Halt. "Ich glaube, ich habe dich so noch nie hier gesehen. Stehend, meine ich."
Schmunzelnd schüttelte er seinen Kopf.
"Auch schön, dich zu sehen. Und ich bin hier, weil ich zufälligerweise medizinische Hilfe benötige.", sagte er und zeigte auf seinen angesengten Arm. "Würdest du Klara Bescheid geben, dass ich sie brauche?"
"Oh, der Mann hat auch noch Extrawünsche. Dir ist schon bewusst, dass wir nicht diese Art von Etablissement sind?"
Juliet zeigte ein breites Grinsen, das sogar noch breiter wurde, als Charlie sich räuspernd an seinen Nacken griff. Hitze brannte unter seiner Handfläche. Valerie und sie wussten gar nicht, wie gut sie zusammenpassten.
"Du nimmst alles viel zu ernst." Sie patschte mit ihrem Klemmbrett gegen seinen gesunden Arm. "Geh schon mal in Raum 28. Deine private Heilung wird gleich stattfinden." Ihr teuflisches Kichern würde ihn noch verfolgen. "Denkt nur daran, danach alles gründlich zu desinfizieren."
Stöhnend drehte Charlie sich um und verließ ohne ein weiteres Wort den Wartebereich, um sich durch den rechtsgelegenen Korridor zu begeben. Während er diesen im Eilschritt durchquerte, saugte er die normale Geräuschkulisse in sich auf und beobachtete das Gewusel aus Menschen, die ihm vor vier Tage noch Kopfschmerzen bereitet hätten. Die Nebenwirkungen des Drachenschleims waren inzwischen vollkommen abgeklungen. Es war ein Segen, bloß die eigenen Gedanken hören zu können. Nicht nur für ihn selbst, sondern auch für sein Umfeld.
Charlie las die Zahlen der Räume, an denen er vorbeikam. Die 28 lag am Ende des Ganges und war schnell gefunden. Es war ein einfacher Behandlungsraum. Eine Liege. Ein Schreibtisch. Zwei Stühle. Ein großer Medizinschrank.
Ausatmend setzte er sich auf das erstgenannte Möbelstück und zuckte zusammen, als plötzlich die Tür aufflog. Klara rauschte so schnell wie ein menschlicher Schnatz an seine Seite.
"Charlie, was hast du angestellt?", fragte sie und begutachtete ihn von oben bis unten. Ihre Schultern hoben und senkten sich in tiefen Atemzügen, was ihn vermuten ließ, dass sie gerannt war.
"Eine Verbrennung am Arm."
Er streckte besagtes Körperteil aus, das sogleich ergriffen und untersucht wurde. Erst noch eifrig bei der Sache, dann zunehmend langsamer bewegte Klara ihre Hände. Am Ende sah sie ihm unentwegt in die Augen.
"Charlie?"
"Hm?"
"Du weißt schon, dass ich eigentlich nur für die schweren Verletzungen zuständig bin, oder?"
Charlie setzte ein ertapptes Lächeln auf und umfasste spontan die Stelle unter der Verbrennung. Ächzend verzog er sein Gesicht, obwohl er nur ein erträgliches Pochen spürte.
"Oh, diese Schmerzen.", klagte er übertrieben. "Ich weiß nicht, wie ich das ohne die Hilfe einer fähigen Heilerin überstehen soll."
Schmunzelnd zückte Klara ihren Zauberstab und ließ diesen über seinen Arm gleiten. Nicht zum ersten Mal bemerkte er die Wärme, die ihre Magie verströmte. Es fühlte sich an wie die unsichtbare Umarmung eines nahestehenden Menschen. Innerhalb von Sekunden hörte die Wunde auf zu brennen, wurde blass und verschwand schließlich ganz.
"So. Fertig. Du kannst von Glück reden, dass wir gerade keine Notfälle haben."
Als Klara routinemäßig seinen restlichen Körper begutachtete, fragte sich Charlie, welche Gedanken gerade durch ihren Kopf schwirrten. Nun, da er kurzzeitig Zugang zu diesem gehabt hatte, war er sich bewusst, dass sich hinter jedem Blick, jedem Lächeln und jedem Stirnrunzeln eine unerwartete Bedeutung verstecken konnte.
Sobald Klara auf der Seite seines starken Arms angelangt war, streckte er diesen blitzartig aus, um sie näher zu ziehen. Laut schnappte sie nach Luft, als das Liegegestell ihre Oberschenkel traf.
"Möchtest du mal mit mir ausgehen?"
"Was… Du… Wirklich?"
Ihre Stimme geriet eine Oktave in die Höhe. Er hatte sie erfolgreich aus der Fassung gebracht.
"Natürlich. Wie klingt ein gemeinsames Abendessen? Ich kenne ein tolles Restaurant in Bukarest.", sagte Charlie und musste lächeln, als er die bereits bekannte Antwort in ihren Augen sah. Dafür brauchte er kein Gedankenleser zu sein.
Klaras Miene erstrahlte. Erst nur ein wenig wie ein sanftes Lumos, dann so hell wie die Sonne selbst. Es war ein Anblick, der einem selbst im tiefsten Winter die Brust erwärmte. Dann jedoch dämpfte sich das Leuchten, wie er mit Besorgnis feststellte.
"Charlie, lass mich bitte los.", sagte sie und trat einen Schritt zurück, sobald er der Aufforderung nachgekommen war. Als er seinen Mund mit der Absicht einer Frage öffnete, schüttelte sie sogleich ihren Kopf. "Bevor ich dir eine Antwort gebe… Gibt es da nicht noch etwas, das du mir sagen möchtest?"
Charlie runzelte seine Stirn. Eingehend dachte er über ihre Worte nach und suchte nach der Antwort, die sie hören wollte. Unruhig fuhr er sich durchs Haar und wünschte sich für einen Moment sogar, er könnte noch ihre Gedanken lesen. Denn dann…
Charlie verharrte und atmete vernehmlich ein, als ihm klar wurde, worauf sie hinauswollte. Sobald sich ihre Blicke das nächste Mal trafen, verschränkte Klara ihre Arme und sah unglaublich müde aus.
"Meine Chefin hat es mir gesagt. Na ja, eigentlich meinem gesamten Team. Damit unsere Privatsphäre nicht verletzt wird, falls du medizinische Versorgung benötigst." Sie seufzte leise. "Wann hattest du vor, mir zu sagen, dass du letztens meine Gedanken gelesen hast?"
"Ich… Das…"
Charlie wusste nicht, was er sagen sollte. Nein. Das stimmte nicht. Er wusste genau, was er jetzt sagen musste und sie mehr als verdiente. Nämlich eine Entschuldigung.
"Klara, es tut mir leid. Ich muss gestehen, dass ich nicht nachgedacht habe.", sagte er mit Inbrunst und nahm ihre Hand. "Was mir aber nicht leid tut, ist alles, was zwischen uns in der Küche passiert ist. Das war einer der besten Momente meines Lebens."
Klara holte rasselnd Luft.
"Es war auch für mich…" Sie entzog ihm kopfschüttelnd ihre Hand. "Nein, ich kann darüber nicht einfach so hinwegsehen. Fakt ist, dass nichts zwischen uns passiert wäre, wenn du nicht meine Gedanken gelesen hättest." Stöhnend vergrub sie ihr Gesicht in den Händen. "Verdammt, du musst mich doch für verrückt halten. Entweder das oder komplett wollüstig."
"Nein, das tue ich nicht. Na ja, okay, vielleicht einen Hauch wollüstig, aber—"
"Oh Merlin."
Klara riss ihre Arme in die Höhe und lief in Richtung Tür. Bevor sie jedoch den Raum verlassen konnte, war Charlie von der Liege gesprungen und hatte ihr erfolgreich den Weg abgeschnitten.
"Bitte geh nicht. Im Vergleich dazu, was ich mir schon alles mit dir vorgestellt habe, waren deine Gedanken noch harmlos.", rauschte es aus seinem Mund. Klaras Augen flogen auf und trafen auf seine.
"Du…" Er sah sie schlucken. "Wirklich?"
Charlie rieb seinen Nasenrücken und entließ einen Atemzug, in dem eine ganze Welt zu schlummern schien. Verschiedene Antworten purzelten in seinem Kopf herum — von einem inbrünstigen Ja bis hin zu einer ausschweifenden Nacherzählung einer seiner Fantasien. Doch keine davon erschien ihm angemessen.
"Ich sage zwar immer, dass ihr Heiler den besten Kaffee habt, aber denkst du wirklich, dass das der einzige Grund ist, weshalb ich eure Küche aufsuche? Klara, ich habe jedes Wort ernst gemeint. Wenn ich gewusst hätte, dass du nicht verlobt bist, dann—"
"Warum hast du mich dann nicht schon früher gefragt?"
Charlies Hand fiel nach dieser Unterbrechung nach unten.
"Nun, vermutlich aus dem gleichen Grund, aus dem du nicht schon früher etwas gesagt hast.", antwortete er und erkannte an ihrer Miene, dass diese Retourkutsche gesessen hatte. Ihre Lippen fest zusammengepresst umarmte Klara ihren Oberkörper und zerknitterte den Stoff ihrer Uniform.
"Hey." Er strich über ihren Arm. "Daran ist doch nichts auszusetzen. Wir hatten eben beide Angst. Punkt."
Charlie war ein Gryffindor durch und durch. Doch er hatte im Gegensatz zu manchen seiner Hauskameraden schon früh erkannt, dass Mut und Angst nah beieinander lagen. Mut war nicht die Abwesenheit von Angst. Mut war es, die Angst zu akzeptieren und mit ihr voranzuschreiten.
"Also was sagst du? Freitagabend? Du und ich?", fragte er und reichte ihr sein Herz damit. "Ich schwöre dir, dass ich alles dafür tun werde, damit wir eine tolle Zeit miteinander haben. Und jeder Gedanke bleibt privat, bis er laut ausgesprochen wird."
Klaras langanhaltendes Schweigen war die größte Tortur seines Lebens. Doch dann hoben sich ihre Lippen zu der Art Lächeln, die jede Sekunde des Wartens wert war. Halb sinnlich. Halb geheimnisvoll. Ganz und gar erregend.
"Da muss ich erst mal meinen Terminkalender checken.", sagte sie und umschiffte ihn, um die Tür zu erreichen. Charlies Kinnlade fiel nach unten, als sie den Raum verließ und ihn einfach stehenließ. Sein Schock war jedoch nur von kurzer Dauer. Keine zehn Sekunden später kehrte sie mit zuckenden Mundwinkeln zurück. Die Tür fiel hinter ins Schloss.
"Ich habe Zeit.", verkündete sie und ihr leises Kichern war Charlies Untergang.
Nach zwei großen Schritten und doppelt so vielen Herzschlägen schwebten seine Lippen über ihren. Luftschnappend krallte Klara nach seiner Brust und bekam sein Hemd zu fassen. Er war erleichtert, dass er heute das Protokoll übergangen und seine Jacke aus Drachenleder nicht angezogen hatte. Doch selbst das Hemd erschien ihm momentan zu viel. Er wollte sie spüren. Er wollte Hautkontakt.
"Darf ich…" Er legte seine Hand auf ihre. "…dich küssen?"
Großäugig sah Klara zu ihm hoch. Ihr Mund war kaum merklich aufgegangen. Wenn es jemals einen Moment gegeben hatte, in dem ein Lippenpaar einen Kuss verdiente, dann war es dieser. Eine volle Unterlippe, eine etwas dünnere Oberlippe und dazwischen eine rosa Zunge, die beide kurz befeuchtete.
"Du darfst.", hauchte Klara und gewährte ihm damit Eintritt in ihren Himmel.
Charlie zögerte nicht. Zielstrebig fing er ihren Mund ein, während seine Hände den Rest von ihr packten. Sie war weich unter seinem festen Griff. Und warm. So wundervoll warm wie es nur ein anderer Mensch sein konnte.
Klaras Hände agierten erst orientierungslos. Unentschieden bewegten sie sich hin und her, bevor sie auf seinem Nacken zur Ruhe fanden. Eine Weile lang taten sie sich nichts anderes, als ihre Körper so sprechen zu lassen, wie sie es schon seit Monaten tun wollten. Charlie spürte ihr Lächeln, bevor er es zu Gesicht bekam.
"Als du meine Gedanken gelesen hast…", sagte Klara schweratmend. "…hast du da nur Worte gehört oder auch Bilder gesehen?"
"Beides."
Auf seine Antwort hin verdeckte sie ihre Augen und gab leise Worte der Scham von sich. Nachdem sie sich ausreichend gefasst hatte, straffte sie ihre Schultern.
"Na schön. Immerhin eine positive Sache hat das Ganze: Du weißt jetzt, worauf ich stehe."
"Ich habe vielleicht eine Ahnung.", grinste er selbstsicher. "Aber letztendlich zählt nur, was du mir direkt mitteilst. Also?"
Klara senkte ihren Blick und biss sich auf die Unterlippe. In Charlies Brust hämmerte es, als er sich daran erinnerte, wie oft ihn diese Geste schon hypnotisiert hatte. Sie tat es, wenn sie über etwas angestrengt nachdachte. Wenn sie sich unsicher fühlte. Und anscheinend auch, wenn es um intime Themen ging.
Klara sah zu ihm hoch.
"Ich werde gerne dominiert."
Der Satz war sanft wie ein Lufthauch und doch fühlte es sich so an, als hätte ihn ein Sturm getroffen, sein Inneres durchgeschüttelt und nur das zurückgelassen, was ursprünglichster Trieb war. Charlie kam ihr näher.
"Und ich dominiere gerne."
Erst Stille. Dann ein gemeinsames Lachen. Es war perfekt.
Klara schnappte nach Luft, als er sie packte und eine Drehung vollzog. Sobald sie auf der Liege ruhte, platzierte er erst ihr linkes und dann ihr rechtes Handgelenk über ihrem Kopf. Nun da ihre Position unter ihm gefestigt war, raubte er ihr einen energischen Kuss, der sie zum Stöhnen brachte. Hätte er noch Gedanken lesen können, dann wäre ihm vermutlich aufgrund ihrer Freude und übermäßigen Erregung, die sie gedanklich preisgab, schwindelig geworden.
"Klara, ist das okay?", fragte er atemlos, seine Augen halb geschlossen.
"Ja.", flüsterte sie und wiederholte das Wort mit jedem weiteren Kuss, den er auf ihrer Haut platzierte. Langsam arbeitete er sich einen Weg nach unten, bevor ihr nächster Satz jede Bewegung zu einem Halt brachte.
"Aber ich habe noch eine weitere Frage."
"Hm? Und die wäre?"
"Was denkst du gerade?"
Charlie entkam ein vernehmliches Lachen, das er tief in seinem Bauch spürte. Diese Hexe war wirklich genau nach seinem Geschmack.
"Okay. Fair ist fair.", zwinkerte er. "Jetzt gerade denke ich, dass ich Glückspilz und Pechvogel in einem bin. Ein Glückspilz, weil… Merlin, das ist wohl klar. Sieh dich nur an." Er drückte leicht ihre Handgelenke und fuhr mit seiner freien Hand über ihre Heiler-Uniform. "Aber ein Pechvogel bin ich auch, denn hier ist kein richtiges Bett, auf das ich werfen kann. Und meine nächste Schicht beginnt in einer halben Stunde, wenn die verdammte Uhr da richtig geht."
Klara verrenkte ihren Hals, um zu der Wanduhr über der Tür zu blicken. Ihre verdrießliche Miene bestätigte ihm, dass diese pünktlich ging.
"Wo musst du hin?"
"Zone B. Zu den Feuerbällen."
Seufzend drückte Klara gegen seinen Griff um ihre Handgelenke, woraufhin er sie sofort freiließ. Er wusste, was ihr gerade klar geworden war. Die Zeit reichte nicht. Jedenfalls nicht für das ausgiebige Liebesspiel, das sie sich beide ersehnten.
"Tja, dann solltest du wohl jetzt besser los.", sagte sie mit einem traurigen Lächeln und richtete sich auf. "Flieg vorsichtig."
Charlie verzog sein Gesicht. Er liebte seine Arbeit. Abgöttisch. Seine Geschwister scherzten oft genug, dass er in einer Parallelwelt einen Drachen heiraten würde. Doch seine Arbeit war nur ein Teil von ihm. Ein anderer Teil lechzte gerade danach, diese Hexe zu entführen und sich den restlichen Tag in einem Schlafzimmer zu verbarrikadieren.
Charlie sah dabei zu, wie sich Klara durch ihr Haar fuhr. Zarte Finger, die schon Leben gerettet hatten, doch jetzt ruhelos schienen. Er erinnerte sich an ihren sexuellen Frust, den er noch vor ein paar Tagen in ihrem Kopf vernommen hatte.
Ich kann sie nicht schon wieder unbefriedigt zurücklassen.
Entschlossen nahm Charlie seinen Zauberstab und rief seinen Patronus herbei. Ihm entging nicht das überraschte Lächeln, das Klara dem kleinen Drachen aus weichem, hellem Licht schenkte. Ja. Diese Hexe verdiente einen erderschütternden Orgasmus.
"Emil, ich verspäte mich um ein paar Minuten. Lass schon mal ein Schaf frei, das sie jagen können. Oder besser zwei.", sagte er und schickte den Patronus fort. Klaras Augen wurden groß.
"Charlie, was—"
Er fiel vor ihr auf die Knie.
"Oh Merlin."
Es war ein glücklicher Umstand, dass Klara die Art von Uniform trug, die einen Rock miteinschloss. Er hätte ihr auch eine Hose vom Leib gezerrt, doch gerade war jede zusätzliche Sekunde ein Geschenk.
"Okay, folgender Plan: Ich werde dich gleich so heftig kommen lassen, dass du diesen Raum hier nie wieder betreten kannst, ohne daran zu denken." Seine Hand fand ihren Slip und brachte sie zum Erbeben. "Und Freitag bei unserem Date solltest du etwas anziehen, aus dem man leicht wieder rauskommt. Ansonsten muss ich von Evanesco, Diffindo oder meinen bloßen Händen Gebrauch machen."
Eben jene Hände machten sie unten auf flinke Weise frei. Charlie bemerkte mit tiefer Zufriedenheit die feuchte Mitte ihres Slips. Er sah auf.
"Klingt der Plan gut?"
Klara blinzelte. Sie blinzelte ein weiteres Mal. Schließlich nahm sie ihren Zauberstab und wedelte diesen hektisch in Richtung Tür. Ihr erster Schließzauber ging daneben. Der zweite traf. Zusätzlich hängte sie noch einen Schalldämpfungszauber dran.
"Das… Ähm, guter Plan. Ein sehr guter Plan.", sagte sie wackelig und kicherte, als er ihre Innenschenkel anknabberte. Dann jedoch drückte sie plötzlich ihren Rock nach unten. "Oh shit, wir können das nicht tun."
Charlie lehnte sich verwundert zurück.
"Okay? Aber warum?"
Langsam hob Klara ihre Hände und presste diese gegen ihre Wangen.
"Ich habe mich nicht rasiert.", flüsterte sie kaum hörbar. "Im Intimbereich, meine ich."
Dieses Mal war Charlie derjenige, der blinzeln musste. Etwas Leichtes blubberte in ihm auf und wanderte von seinem Kopf bis zu den Zehen, bis er es in jeder Pore zu spüren glaubte. Auf der Oberfläche war es Erheiterung. Auf tieferer Ebene der Wandel von Anziehung und Begehren zu etwas Tieferem.
Charlie lachte auf. Schallend. Es war gut, dass sie den Raum schalldicht gezaubert hatte. Andernfalls wäre nun mit Sicherheit jemand auf sie aufmerksam geworden.
"Hey, das ist nicht witzig.", sagte Klara, aber ihre zuckenden Mundwinkel betrogen ihre Worte.
Während er versuchte, sein Lachen unter Kontrolle zu kriegen, sprach sie ohne Punkt und Komma weiter. Darüber, dass sie ausschließlich einen Muggel-Rasierer verwendete und deshalb den Zauber vergessen hatte. Darüber, dass sie über eine starke Behaarung verfügte und da unten ein Urwald wartete. Und darüber, dass sie nicht glauben konnte, dass sie das gerade laut erzählte.
"Klara. Atme.", sagte Charlie, sobald er selbst dazu imstande war. Sie folgte seiner Anweisung und bewegte ihre Hände im Einklang mit ihren Atemzügen. Sobald das Lächeln auf ihre Lippen zurückgekehrt war, drückte er sanft ihr Knie.
"Okay. Uns läuft gerade die Zeit davon, darum werde ich mich kurz fassen." Er fuhr noch beim Sprechen mit einer Hand unter ihren Rock. "Ich will dich. Egal, ob rasiert oder unrasiert."
Ein letzter Blickkontakt und Charlie verschwand dort, wo er hinwollte, seit Klara ihn das allererste Mal verarztet hatte. Es war eine Vergiftung durch einen Peruanischen Viperzahn gewesen. Unermüdlich hatte sie — gerade mal einen Monat im Einsatz — das Toxin aus seiner Schulter gesaugt und sich damit selbst in Gefahr gebracht. Damals waren nicht genug Giftheiler vor Ort gewesen, weshalb das Team für Verbrennungen einspringen musste. Und Charlie war dankbar dafür. Jeden Tag aufs Neue. Also auch heute.
Klara keuchte auf, als er sein Ziel erreichte. Sanft küsste er ihr unteres Lippenpaar und spreizte ihre Beine so weit es ihr Rock zuließ. Er wagte einen Blick nach oben, wo ihn ihr errötetes Gesicht begrüßte. Unruhig rutschte sie auf ihrer Sitzfläche umher. Sie war wunderschön.
„Charlie, bitte. Ich brauche—"
Er schnellte nach vorne. Ohne Zurückhaltung versank er in ihrer Wärme, die ihn sogleich willkommen hieß. Es gab Dinge, die man verlernte, wenn man sie längere Zeit nicht durchgeführt hatte. Doch auf diese Art der Befriedigung traf dies — zumindest für ihn — nicht zu. Charlie wusste seit seiner Besenkammer-Eskapaden in Hogwarts, was er zu tun hatte.
„Ja. Dort.", keuchte Klara und dirigierte ihn auf perfekte Weise. „Stärker."
Plötzlich versank ihre Hand in seinem Haar und Blitze schossen sein Rückgrat hinab. Als sie ihn bereits in der nächsten Sekunde losließ, entkam ihm ein halbes Knurren. Es hieß nicht selten, dass Haustiere und ihre Besitzer irgendwann anfingen, einander zu ähneln. Vielleicht war es bei Drachen und ihren Wärtern das Gleiche.
"Nein. Greif in mein Haar.", befahl er und fühlte sein Blut rauschen, als sie der Aufforderung sofort nachkam. Ihre atemlose Stimme erklang.
„So?"
„Ja. Perfekt."
Charlie brachte sein gesamtes Repertoire zum Einsatz. Beharrlich verwöhnte er sie und lauschte der Symphonie ihrer Worte und Atemzüge. Allein die Vorstellung, welchen Anblick sie momentan abgaben, machte ihn unfassbar hart. Er wusste nicht, wie er es schaffen sollte, in ein paar Minuten zu fliegen. Es würde ohne Zweifel der unbequemste Flug seines Lebens werden.
"Oh… Oh Charlie.", stöhnte Klara und schnappte nach Luft. Es war berauschend.
Charlie verlor sein Zeitgefühl und gab sich ihr vollkommen hin. Als sie schließlich wimmernd über ihm zusammenbrach, konnte er nicht sagen, wie viele Minuten sie bereits zusammen waren. Doch er war sich sicher, dass Emil ihn einen Kopf kürzer machen würde.
Mehrere Sekunden lang war nichts außer schweren Atemzügen zu vernehmen. Langsam richtete Klara sich auf. Als Charlie es ihr gleich tat, bemerkte er ihren offenen Mund, ihre geschlossenen Augen. Dieses Bildnis zufriedener Erschöpfung blieb auch nach dem Heben ihrer Augenlider bestehen.
"Du weißt nicht, wie sehr ich das benötigt habe."
"Ähm, eigentlich schon.", grinste er. "Sogar aus erster Hand."
Klara lachte auf und warf dabei ihren Kopf zurück. Es war die perfekte Gelegenheit, um ihren Hals mit Küssen zu übersähen. Also tat er genau das. Ihr Seufzen, das zur Antwort in den Himmel stieg, ließ ihn fast vergessen, dass die Zeit drängte. Aber nur fast.
Lächelnd hüpfte Klara nach einem Reinigungszauber von der Liege und zog ihr Höschen an. Sobald die beiden wieder präsentabel aussahen, liefen sie eng einander gepresst in Richtung Tür. Jeder Schritt war zugleich ein Kuss.
"Unser Date endet in einem Bett.", versprach Charlie. "Inklusive Frühstück am nächsten Morgen."
"Mit Kaffee?"
"Natürlich. Ich habe sogar braunen Zucker."
Klara lehnte sich zurück und stellte Blickkontakt her.
"Aber du trinkst deinen Kaffee und Tee doch pur. Warum hast du…"
Charlies Nacken erhitzte, während ihre Stimme versiegte. Die Wärme intensivierte sich, als sie kurz darauf seinen Namen auf eine Weise hauchte, die süßer als jeglicher Zucker war. Sie packte seinen Kragen. Ihr nächster Kuss geschah plötzlich, doch verlief langsamer als alle ihre vorherigen. Irgendwann mal, wenn er alt und grau war, würde Charlie sich nur noch an dieses allumfassende Glücksgefühl erinnern, das ihn in jener Sekunde überkam. Doch jetzt gerade brannte sich alles — Geschmack, Geruch und Gefühl — in sein Gedächtnis.
Klara seufzte, als sie sich voneinander trennten. Charlie setzte dieses Geräusch auf die gleiche Stufe wie den ersten Laut eines Drachenbabys. Leise. Unverkennbar. Wunderschön.
"Du hast übrigens recht."
"Hm?"
Sie presste ihre lächelnden Lippen an sein Ohr.
"Wir Heiler haben tatsächlich den besten Kaffee."
