Ein neuer Start!

Maxwell Sheffield ging niedergeschlagen in Richtung Esszimmer. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend dachte er an den gestrigen Abend zurück. Ihm wurde deutlicher denn je bewusst,er hatte völlig überreagiert und war ziemlich ungerecht zu Fran Fine gewesen. Er konnte sich zwar immer noch nicht mit der Idee anfreunden, seine kleine Maggie in einem Alter, wo sie sich mit Jungs treffen wollte. Aber er musste zugeben, Miss Fine war mit ihren Äußerungen Maggie sei dabei, sich in eine junge Frau zu verwandeln, völlig im Recht.

Seine Stimmung sank noch tiefer, als er in das Esszimmer trat und seine Kinder mit hängenden Schultern, die Köpfe tief über ihre Teller gebeugt, am Frühstückstisch sitzen sah. Keiner sprach ein Wort und alle stocherten recht appetitlos und betrübt in ihrem Essen herum. Selbst Niles, der wie immer am Buffet stand, wirkte eher niedergeschlagen und hatte nicht sein übliches Lächeln auf den Lippen. Unweigerlich musste Maxwell Sheffield an das Frühstück vom vorherigen Tag denken. Er schmunzelte innerlich, als er daran zurück dachte, wie Fran Fine in einem unmöglichen Bademantel hereingeschneit war und mit ihrer Fröhlichkeit eine Stimmung der Ausgelassenheit in den Raum gezaubert hatte. Mit einem Lächeln erinnerte er wie sie sich einfach einen Stuhl geschnappt hatte, um sich an den Tisch zu setzen, da ihr gar nicht die Idee kam, dass das Kindermädchen nicht gemeinsam mit der Familie am Tisch sitzen sollte, um die Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Der Kontrast zwischen diesen beiden Frühstücksszenen konnte drastischer nicht sein.

Maxwell Sheffield setzte sich an seinen Platz, wünschte seinen Kindern einen guten Morgen und wartete, bis Niles ihm wie immer seine Eier servierte und ihm seinen Tee zubereitete. Er registrierte, keines seiner Kinder hatte seinen Guten Morgen Gruß erwidert und es brach ihm fast das Herz, seine Kinder in diesem Zustand zu sehen. Es war offensichtlich, sie wussten bereits von der Kündigung und waren offenbar sehr traurig darüber. Schweigend saßen alle da und die Atmosphäre im Raum wurde immer unerträglicher. Schließlich erhob sich Mr. Sheffield von seinem Platz, verabschiedete sich von seinen Kindern, wünschte ihnen einen guten Tag und verkündete, er würde nun ins Theater gehen.

Er war schon fast aus dem Raum als Grace ihn plötzlich ansprach und mit einer weinerlichen, flehenden Stimme das Wort an ihn richtete.

„Daddy warte! Ich weiß du bist böse auf Fran wegen dieser Kussgeschichte."

Sie warf einen bedeutsamen Seitenblick auf Maggie, die sich noch kleiner zu machen versuchte.

"Aber ich habe Fran wirklich sehr gemocht. Sie war das erste Kindermädchen, die sich wirklich um uns gekümmert hat und uns wirklich gerne hatte. Sie hat die Stelle nicht nur angenommen um einfach nur möglichst ohne viel Aufwand viel Geld zu verdienen oder dir heimlich einen Bewerbungsbogen für eine Rolle unter zu schmuggeln oder sich als Goldgräberin hier einzunisten."

Während sie sprach, liefen die ersten Tränen über ihr Gesicht und mit einer verzweifelten Stimme fuhr sie fort.

„Bitte Daddy kannst du nicht zu ihr hingehen und sie fragen, ob sie wiederkommen möchte. Bitte! Bitte! Daddy."

Maxwell Sheffield sah seine Tochter mit großen Augen an. Es war schon lange nicht mehr vorgekommen, dass Gracie so offen und ehrlich über ihre Gefühle gesprochen hatte und ihn so flehentlich um etwas gebeten hatte und er konnte ihr deutlich ansehen, dies war ihr allergrößter Herzenswunsch. Auch die anderen beiden Sheffield Sprösslinge richteten nun ihren Blick auf ihren Vater und Brighton fuhr fort.

„Ja Gracie hat völlig recht, Fran ist so cool und sie wird sich bestimmt immer gut um uns kümmern und wenn du sie zurückholst, dann gelobe ich hiermit hoch und heilig nie wieder irgendwelche Selbstmord Inszenierungen aufzuführen." Maxwell Sheffield musste grinsen und sah seinen Sohn mit einem leicht ungläubigen Blick an. Maggie meinte, es sei nun an der Zeit, ebenfalls etwas zu sagen und sprach nun ebenfalls ihren Wunsch aus. Auch sie bat ihren Vater Fran wieder einzustellen, da sie jemanden brauche, mit dem sie über Frauenthemen reden konnte. Mr. Sheffield sah seine Kinder, die ihn nun alle mit ihren Blicken fixierten, eins nach dem anderen an und er realisierte, dies war ein entscheidender Moment in seinem Leben als Vater. Auch wenn er seine Gefühle nicht immer offen zeigte, liebte er seine drei Kinder über alles und er konnte ihnen nicht so grausam das Herz brechen. Er gab sich einen Ruck, trat an den Tisch, legte jeweils einen Arm um Brighton und Maggie und versprach seinen Kindern.

„Also gut! Wenn es wirklich euer Herzenswunsch ist, werde ich zu Miss Fine gehen, mit ihr reden und sie versuchen zu überzeugen, als euer Kindermädchen zurückzukommen."

Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, fiel Maggie ihm um den Hals und Grace rannte von ihrem Platz um den Tisch herum und schmiegte sich ebenfalls an ihren Vater. Maxwell Sheffield nahm alle seine Kinder in den Arm und zum ersten Mal nach sehr sehr langer Zeit lag sich die ganze Familie in den Armen. Niles, der die ganze Szene beobachtet hatte, bekam feuchte Augen. Es berührte ihn sehr, die Familie, die er so sehr liebte, in dieser innigen Umarmung zu sehen. Auch ihm wurde bewusst, dies war möglicherweise der entscheidende Wendepunkt in ihrer aller Leben. Die Familie, die durch den tragischen Verlust von Maxwells erster Ehefrau und Mutter der Kinder immer mehr zu zerfallen drohte, war nun im Begriff, wieder stärker denn je zusammenzuwachsen.

Maxwell Sheffield saß in seiner Limousine in Richtung Queens und sah sich mit neugierigem Blick um. Er war nicht oft in diesem Stadtteil von New York, der so ganz anders aussah als die Gegend rund um die Park Avenue. Als die Limousine hielt, stieg er aus und lief auf das Gebäude zu, von dem er wusste, dort lebte Fran Fine in einem Apartment zusammen mit ihren Eltern. Er suchte das richtige Stockwerk und lief die Türen entlang, um die richtige Apartmentnummer zu finden, als er schließlich hinter einer Tür eine sehr schrille Stimme hörte, die anscheinend irgendjemandem Pralinen anbot. Diese Stimme erinnerte ihn nur allzu gut an die Person, die am vorigen Tag so einfach in sein Haus geschneit war. Er trat näher, klingelte und betete nervös stumm zu Gott, er möge ihm helfen die richtigen Worte zu finden.

Fran Fine öffnete die Tür und war mehr als überrascht ihren ehemaligen Boss auf der anderen Seite zu sehen. Sie blickte ihn erstaunt an und wusste gar nicht so recht was sie sagen sollte, da kam schon Sylvia Fine angerauscht, zog Maxwell Sheffield an seinem Ärmel in das Apartment und bot ihm zugleich Pralinen, Kuchen und Pastete an. Fran rollte mit ihren Augen, ihre Mutter brauchte wirklich keine 10 Sekunden, um sie bis zur Unmöglichkeit zu blamieren. Fran trat zu ihrer Mutter und machte ihr eindeutig klar, sie möge mit ihrem ehemaligen Chef gerne unter vier Augen reden. Nachdem sich Sylvia in die Küche zurückgezogen hatte, bot Fran Mr. Sheffield mit einem stummen Blick an Platz zu nehmen und setzte sich auf einen Sessel gegenüber. Er setzte sich auf die mit Plastik bedeckte Couch und blickte sich erstaunt in der Wohnung um. Er fühlte sich von der fremdartigen Umgebung völlig erschlagen und wusste nicht so recht, wie er anfangen wollte.

Nervös rieb er sich die Hände, als er schließlich mit einer unsicheren Stimme das Wort an Fran richtete.

„Sie sind sicherlich sehr überrascht mich hier zu sehen, aber ich musste einfach herkommen, um einige Dinge klarzustellen. Ich bin noch nicht völlig von der Idee überzeugt, Margret sollte sich bereits in ihrem Alter mit Jungs treffen, jedoch gebe ich zu, meine Reaktion auf das gestrige Ereignis war wohl doch ein wenig überzogen."

Fran musste grinsen. Es war ihm deutlich anzumerken, wie schwer ihm diese Entschuldigung fiel. Mit einer ihr unbekannten schüchternen Stimme antwortete sie.

„Ich hätte Sie auch nicht so energisch zurechtweisen dürfen, da habe ich möglicherweise auch ein wenig die Grenze überschritten. Aber ich schätze sehr, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, extra hierher zu kommen, um mir das zu sagen. Also von daher, Entschuldigung angenommen."

Maxwell Sheffield seufzte erleichtert auf, aber er wusste nur den ersten Teil seines Anliegens vorgebracht zu haben.

„Dies war noch nicht alles, Miss Fine. Ich hatte heute Morgen ein sehr langes und intensives Gespräch mit meinen Kindern und sowohl die Kinder als auch ich möchten sie bitten, wieder als Kindermädchen in unserem Hause tätig zu sein."

Fran klappte die Kinnlade herunter und sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte niemals damit gerechnet, er würde hierherkommen, um ihr wieder ihren alten Job anzubieten. Sie strahlte bei dem Gedanken, wieder in die Villa zurückzukehren und sich wieder um seine Kinder, die sie schon nach einem Tag tief in ihr Herz geschlossen hatte, zu kümmern. Sie hatte die Drei in den wenigen Stunden, in denen sie fort war, schon sehr vermisst und der Gedanke, nun tagtäglich den Alltag mit ihnen zu verbringen, stimmte sie ganz fröhlich. Jedoch fühlte sie auch eine Unsicherheit gegenüber ihrem zukünftigen Boss. „Ich bin wirklich sehr gerührt. Sie wollen mir wieder den Job als Kindermädchen anvertrauen? Ich mag ihre Kinder wirklich sehr gerne, jedoch müssen Sie zugeben, wir beide kommen aus verschiedenen Welten. So ein Vorfall wie gestern ist bei unseren unterschiedlichen Ansichten praktisch vorprogrammiert. Glauben Sie wirklich, ein steifer Brite und eine flippige Jüdin aus Queens können einträchtig unter einem Dach zusammenleben?"

„Um ehrlich zu sein ich weiß es nicht." antwortete Maxwell Sheffield.

"Alles was ich weiß ist, Sie sind die erste Person, die die Kinder seit dem Tode ihrer Mutter sofort angenommen und respektiert haben und ich bringe es nicht übers Herz, meinen Kindern diese Person zu entziehen."

Fran kämpfte mit den Tränen der Rührung. Maxwell Sheffield richtete sich auf, trat zu ihr und reichte ihr seine Hand entgegen.

„Also sind Sie wieder an Bord?"

Fran stand auf, sah ihm einen langen Augenblick in die Augen und nickte.

„Ja!"

Die Beiden schüttelten sich die Hand, als sie plötzlich von einem hellen Blitz geblendet wurden. Sylvia Fine stand mit einem Fotoapparat vor ihnen.

„Cheese!"

Währenddessen war in der Villa Sheffield eine große Unruhe zu verspüren. Alle befanden sich im Wohnzimmer und konnten es nicht abwarten zu erfahren, ob es ihrem Vater gelungen war, Miss Fine wieder als Kindermädchen zurückzugewinnen. Ungeduldig rannten sie alle durch die Gegend, blickten immer wieder zur Tür und konnten nicht stillhalten. Brighton versuchte sich mit seinem Game Boy abzulenken. Als er jedoch das sechste Mal schon durch das erste Level durchgefallen war, schaltete er entnervt seinen Game Boy aus und tigerte im Wohnzimmer herum, immer mit Blick auf die Tür. Maggie, die in einer Zeitschrift geblättert hatte, ohne auch nur ein Wort zu lesen, warf diese auf den Fernsehtisch, setzte sich auf die Couch und knabberte nervös an ihren Fingernägeln. Grace saß auf der Treppe immer den Blick aus dem Fenster gerichtet und trampelte unruhig mit den Füßen.

Schließlich hörten alle das Geräusch einer Limousine und die Stimme ihres Vaters, konnten jedoch nicht genau verstehen was er sagte. Alle drei sprangen auf, versammelten sich in der Eingangshalle und beteten, ihr Vater möge jeden Moment mit Fran an seiner Seite durch die Tür marschieren. Maxwell Sheffield trat ins Haus, zog seinen Mantel aus, sah seine Kinder an und meinte in einem fröhlichen heiteren Ton.

„Da bin ich wieder!" Die Herzen der Kinder rutschten eine Etage tiefer, als ihr Vater offensichtlich allein durch die Tür kam. Traurig ließen sie ihre Köpfe hängen, als sie plötzlich das Geräusch von Stöckelschuhen vernahmen. Ihr Vater legte einen Arm um die Schultern von Fran Fine, sah seine Kinder an und lachte.

„Ach ja, ich habe euch noch jemanden mitgebracht!"

Einen Augenblick starrten alle Fran und ihren Vater an, bis plötzlich wie auf Kommando alle drei auf ihre zukünftige Nanny zu stürmten und sie so fest umarmten, dass sie beinahe umfiel. Gerührt stand Maxwell Sheffield dabei, es erfüllte sein Herz mit allergrößter Freude seine Kinder so glücklich und zufrieden zu sehen.

Auch Niles, der das ganze Geschehen aus dem Hintergrund beobachtet hatte, fand sein Lächeln wieder. Er fühlte eine tiefe Befriedigung bei dem Gedanken, Miss Fine wieder in diesem Haus zu wissen. Während die Kinder abwechselnd Fran und ihrem Vater um den Hals fielen und Maxwell wieder seinen Arm um die Schultern von Fran legte, kam Niles der Gedanke, was für eine großartige Familie diese Menschengruppe bilden würde. Er dachte, wer weiß was die Zukunft noch bringen wird. Als er in Richtung Küche ging, um das Abendessen vorzubereiten, dachte er grinsend, er würde wohl seinem Boss unter die Arme greifen müssen, um das Schicksal in die richtigen Bahnen zu lenken.