Liebe Leser_innen,
Nach langer Pause mele ich mich wieder bei euch und hoffe, dass ihr noch da seid.
Freut euch auf ein wunderschönes Kapitel.
Viel Spaß beim Lesen,
Eure tatosensei
Kapitel 9 Hypothese
Er konnte es kaum noch abwarten, bis sie aus dem Tanzstudio kam. Einen Vorwand sie abzuholen hatte er auch. Teas Auto hatte endgültig den Geist aufgegeben. Sie wollte sich noch keinen eigenen leisten und wurde vom Chauffeur gefahren, der auch Mokuba bediente. Sowieso wollte sie mit den Ausgaben achtgeben. Sie hatte nicht mehr die Finanzen das ganze Personal zu stemmen, und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, auch nicht das Bedürfnis. Die Hälfte des Hauses war sowieso unbenutzt, ihre Mutter wohnte nach der Demütigung von Kaiba in der Wohnung, welche ihr durch das Testament überlassen wurde, zumindest war das, was ihre Mutter allen gegenüber erzählte. Ganz sicher, wo sie gerade wohnte, war sie nicht.
Kaiba sah, wie die Tür des Tanzstudios geöffnet wurde. Tea kam nicht allein heraus, sondern wurde von zwei Mittänzerinnen begleitet. Er wartete geduldig, bis die anderen beiden verschwunden waren, damit er mit seinem dienstlichen Geländewagen anfahren konnte. Tea schaute auf ihre Armbanduhr, es war kurz nach sechs, der Fahrer musste bald da sein. Just in diesem Augenblick fuhr ein Geländewagen vor das Tanzstudio und hielt vor ihrer Nase an. Das Fenster wurde heruntergerollt und sie sah den unmissverständlichen Gesichtsausdruck von Seto Kaiba, der sie in das Auto einlud. Sie zögerte.
„Tea, steig ein, der Chauffeur kommt nicht, ich habe angekündigt dich abzuholen".
Tea öffnete die Tür, und setzte sich. Sie hatte an diesem kalten Winterabend auch keine richtige Alternative als sein Angebot anzunehmen. Sobald sie die Tür verschlossen hatte, fuhr er los.
„Warum holst du mich ab?", fragte Tea mit einer natürlichen Verwunderung.
„Wir wurden bei unserem letzten Treffen von Mokuba unterbrochen, erinnerst du dich?", mit einem alles sagendem Grinsen schaute er sie kurz an und sah, wie sie errötete, dann ergänzte er, „wir haben einiges zu besprechen und das können wir dann machen, wenn wir ungestört sind. Wir fahren außerhalb der Stadt in ein kleines Örtchen, wo uns niemand stören wird."
Das gefiel Tea nicht. Sie waren allein, unterwegs irgendwohin, wo sie über etwas reden sollten, wovon sie sich lieber meilenweit entfernt halten wollte.
Sie fing an nervös mit ihrem Handschuh zu spielen.
„Ich dachte wir haben alles besprochen Seto, deine Frage war hypothetisch und ich gab dir eine hypothetische Antwort."
Kaiba wusste auf was sie hinaus wollte. Auf ihr Geständnis in der Silvesternacht, als sie zugab Gefühle für ihn zu haben.
„War der Kuss auch hypothetisch?"
Sie antwortete nicht. Er wollte aber das Gespräch nicht im Auto führen, deshalb hackte er nicht nach.
Nach weiteren fünfzehn Minuten Autofahrt über den Highway kamen sie in ein abgelegenes alten Landgasthaus an. Neben dem Hauptgebäude, eingewachsen mit Efeu und schneebedeckt, gab es auch abgelegene Hütten, die zum Landgasthaus gehörten. Vor einer dieser Hütten hielt er das Fahrzeug. Er stieg zuerst aus, ging um den Wagen herum und öffnete ihr die Tür. Wie es sich gehörte, hielt er ihr die Hand und half ihr aus dem Auto.
Sie gingen gemeinsam in die Hütte, die aussah, als wäre sie einem Filmset entsprungen. Ein Kamin in der hinteren Ecke erwärmte den nur fünfzehn quadratmetergroßen Raum, mittendrin stand ein gedeckter Tisch für zwei. In der Ecke neben dem Kamin waren zwei Ohrsessel platziert, vor dem Kamin Kissen, die zum gemütlichen Beieinandersitzen animierten. Fenster gab es in diesem Raum nur auf einer Seite und dieser waren bodenlang und in den Wald gerichtet, sodass sie sich absolute Diskretion erhoffen konnten.
Als sich Tea fertig umgeschaut hatte, sprach Kaiba: „Ich habe etwas zum Essen bestellt, du wirst nach dem Training hungrig sein. Wir können hier ungestört essen und uns unterhalten".
Sie sagte nichts und gab mit dem Schweigen ihre Zustimmung, zumal sie wirklich Hunger hatte und dieser Ort zum Verweilen einlud.
Kaiba half ihr aus ihrem Mantel und sie setzten sich zum Dinieren an den Tisch. Die erste Viertelstunde verbrachten sie still und sprachen über Banalitäten, wie das Wetter, das Unternehmen und das leckere Essen. Alles, was auf dem Tisch war, hatte fantastisch geschmeckt. Obwohl Tea bis vor kurzem eine eigene Köchin hatte, hatte sie noch nie so gut gegessen.
„Wie ich sehe, schmeckt dir das Essen", fragte Kaiba nach weiteren Minuten stillem Essen.
„Das Essen ist bezaubernd und dieser Ort erst Recht, ich war noch nie an so einem verwunschenen Ort", konnte sie ihre Begeisterung nicht verstecken.
„Ich wusste, dass er dir gefallen wird."
Sie sah ihn an. Er hielt inne. Der Zeitpunkt war gekommen über das Unausweichliche zu sprechen.
„Tea", wollte er anfangen, doch sie unterbrach ihn.
„Bitte Seto, lass uns den Abend als solchen genießen. Lass uns vergessen, was zwischen uns war. Warum sich in etwas hineinreiten, wenn selbst die Vorstellung davon utopisch ist?" ohne ihn die Möglichkeit zu geben etwas dagegen sagen zu können, setzte sie fort, „Ich habe mich vom Augenblick und Zauber des Silvesters hinreißen lassen. Ich nehme meine Worte nicht zurück, bitte versteh mich nicht falsch. Unter anderen Umständen in einer völlig anderen Welt könnte sich zwischen uns etwas entwickeln, aber nicht im Hier und Jetzt."
„Du nimmst also nicht zurück, dass du mich liebst, genauso wie ich dich liebe?", auf seine direkte Frage bekam er keine Antwort, er wusste aber, dass das Schweigen ein Ja war, „Dann lass mich dir beweisen, dass wir auch in dieser Welt unter diesen Umständen zusammen sein können, Tea. Du brauchst dich um nichts zu sorgen, weder um die gesellschaftliche Meinung, noch um die Urteile der anderen. Wir leben nur einmal und sollten für uns leben und nicht für die anderen."
„Sag mir bitte", sprach sie, ohne auf das Gesagte einzugehen, „wie viel Mühe du heute darin gesteckt hast, dass wir hierherkommen konnten, Seto? Du bist mit dem Firmenfahrzeug angefahren, damit man an der Fahrzeugnummer deine Initialen nicht erkennen kann und vermutet, dass wir beide drinsitzen. Du hast mich hierhergefahren, an einem abgelegenen Ort, mit höchster Sicherheit, damit niemand mitbekommt, wer in dieser Hütte diniert. Deine Bodyguards haben sich vorher vergewissert, dass keine Paparazzi hinter dir herfahren und stellen nachher sicher, dass alle Aufzeichnungen von Sicherheitskameras gelöscht werden, die uns beide zeigen. Was wird denn alles passieren müssen, wenn ich dir jetzt bedingungslos meine Liebe erkläre und mich in eine Beziehung mit dir einlasse?"
Er war verblüfft, wie vieles von dem Gesagten sie richtig eingeordnet hatte. Sie hatte ein helles Köpfchen und war bereits einige Zeit Mitglied seiner Familie, um zu wissen, wie so ein normales Leben als einer der reichsten und prominentesten Familien des Landes funktionierte.
„Ich würde dies und noch vieles mehr in Kauf nehmen, damit ich mit dir zusammen bin.", sagte er sodann und meinte jedes Wort ernst.
„Am Anfang wäre es aufregend, keine Frage", sagte Tea und stand auf, „aber dann würde es mehr und mehr Probleme bereiten, anstrengender sein miteinander Zeit zu verbringen, irgendwann mal würde der Stress und das ständige Versteckspiel zu Streitereien führen, oder einer von uns würde es nicht mehr Wert finden dafür so viel zu opfern und würde sich langsam der Idee nicht mehr verpflichtet fühlen. Nein bitte hör mir zu", sagte Tea als sie Kaiba ebenfalls aufstehen, ihr nähern sah. Er wollte was sagen, wurde jedoch aufgehalten, „wenn wir reden müssen, dann müssen wir auch über diese Dinge sprechen, denn es wird nicht immer eine heile und friedvolle Welt sein. Ganz im Gegenteil Seto, es wird anstrengender sein als die meisten Beziehungen, uns wird nicht genug Zeit gelassen werden, damit wir uns in Ruhe kennenlernen, herausfinden, was der eine mag und der andere hasst. Wir werden nicht wie die anderen eine normale Entwicklung einer Beziehung erleben mit den verschiedensten Stufen und Höhepunkte. Irgendwann einmal werden wir auch mehr sein wollen als ein heimliches Liebespaar. Was ist, wenn wir einmal eine eigene Familie gründen wollen, dafür werden uns die Hände gebunden sein."
Ihre prophezeienden und schicksalhaften Worte berührten ihn mehr, als es ihm lieb war. Er hatte nicht so weit in die Zukunft gedacht, weil er nicht mal die Gegenwart konstruieren konnte, die er sich wünschte, geschweige denn über eine Zukunft nachzudenken, die viele Probleme bereiten würde.
Er senkte den Kopf unter der Last des Besagten. Tea fühlte ein Stechen in ihrer Brust, als sie ihn so niedergeschlagen sah. Sie wollte ihn nicht wehtun, aber wusste gleichzeitig, dass es besser war, jetzt diesen Schmerz auszuhalten, als in einer Fantasie zu leben, die sich schnell zu einem Alptraum wandeln könnte. Ihr bereiteten ihre eigenen Zukunftsaussichten ebenfalls schmerzen, deshalb hatte sie jahrelang ihre eigenen Gefühle für ihn verdrängt und daraus die Panikattacken erschaffen, damit sie nicht nur nicht an etwas glauben musste, was nie Wirklichkeit werden konnte, sondern auch sich von allem fernhalten konnte, was annähernd in diese Richtung brachte. Sie ging einige Schritte auf ihn zu und sprach auf ihn ein. Er schaute mit seinen intensiver leuchtenden blauen Augen Tea an. Wenn es Tea nicht besser wüsste, würde sie denken, dass er Tränen in den Augen hatte.
„Vielleicht interpretierst du etwas als Liebe, was eigentlich keine Liebe ist.", setzte sie fort, sie musste noch weitermachen, sie musste bis ans Ende gehen und jede noch so kleine Hoffnung in ihm unwiderruflich zerstören, „wir waren jung, Seto, wir hatten gegenseitigen Crush und wir begangen eine Tat in dieser Nacht, die uns bis heute prägt. Die uns möglicherweise Gefühle suggeriert, die wir eigentlich nicht haben. Vielleicht sind es Schuldgefühle, die du als Liebe interpretierst, vielleicht der Drang eine verwerfliche Tat gegenüber mir wiedergutmachen zu wollen. Vielleicht will ich selbst diesem Fehler eine neue Deutung geben"-
Er ließ sie nicht mehr weitersprechen und besiegelte ihre letzten Gedanken mit einem Kuss. Dieser Kuss hatte die Macht und die Stärke alle Zweifel und alles vorher Gesagte wieder zu neutralisieren. Es waren nicht Schuldgefühle, die er kompensieren wollte, es waren nicht Wunschvorstellungen, die seine verächtliche Tat in ein besseres Licht rücken würde, es war pure, grenzenlose, unzerstörbare Liebe, die er gegenüber ihr seit fast fünfzehn Jahren verspürte und er wusste, dass sie dasselbe spürte.
Sie rissen sich los, als der Sauerstoff zu knapp wurde.
„Ich glaube wir haben uns nichts mehr zu sagen, Seto", sagte Tea mit einer kalten Entschlossenheit, dass der Abend so nicht weitergehen konnte und ging Richtung Garderobe, wo ihr Mantel hing, „bitte fahre mich nach Hause."
Sie zog sich hastig an und ging nach draußen. Die kalte Winterluft bewirkte, dass sich ihre Gedanken wieder ordnen konnte. Sie atmete tief ein und aus und hörte, wie er aus der Hütte kam und das Auto entsperrte. Sie fuhren still, ohne ein Wort zu sagen nach Hause. Die dreißig Minuten, die sie bis zum Landhaus gebraucht hatten, kamen ihr wie Stunden vor, bis er die lange Auffahrt bis zur Villa nahm und vor dem Eingang hielt. Sie watete diesmal nicht, dass er aus dem Auto stieg, denn während der ganzen Fahrt widmete er ihr keines Blickes. Sie verspürte, dass sie zu weit gegangen war, dass sie ihn möglicherweise beleidigt hatte, aber sie war sich der Aufrichtigkeit und Wichtigkeit ihrer Tat bewusst. Also schloss sie wortlos die Autotür und ging zu den Treppen am Eingang der Haustür.
Kaiba stieg aus dem Auto und ging ihr hastigen Schrittes hinterher. Er schaute sich um und fand über dem Eingang der Tür und an den Seiten die Kameras, die das Gelände überwachten. Sein Leben lang waren die Kameras an denselben Stellen platziert und zeichneten einen bestimmten Blickwinkel nicht auf, den er nur zu gut kannte. Noch bevor Tea das Passwort zum Öffnen der Tür wählen und hinter der schweren Tür verschwinden konnte, zog Kaiba sie am Arm und führte sie ins Gebüsch neben der Säule, wo weder Licht fiel noch die Kamera aufnahm. Er küsste sie erneut an diesem Abend mit der gleichen Begierde, ließ sie lange nicht los. Erst als sie nach Luft schnappte, hörte er auf, umarmte sie und sprach mit einem Flüstern in ihr Ohr:
„Selbst wenn all das passieren sollte, was du dir ausgemalt hast, selbst wenn Gott und die Welt gegen uns wären, würde ich alle Hebel in Bewegung setzten, damit wir zusammen sind, und sei es auf dem Mond."
Mit diesen Worten verschwand er zum Auto und in die Nacht.
Tea konnte nicht fassen, dass sie die einzig Vernünftige inmitten von verrückt gewordenen erwachsenen Menschen geblieben war. Konnte einzig und allein sie die Reichweiten einer Beziehung mit Kaiba begreifen, oder wieso war auf einmal Mai auf seiner Seite? Jahrelang hatte sie ihn beschimpft und gehasst, weil sie ihre Geschichte mit Kaiba wusste und ihr beistand. Und jetzt, auf einmal, wo sie ihr all die Ereignisse der letzten Tage erzählt hatte, wollte dieselbe Mai sie davon überzeugen, dass es sich lohnte für die Liebe zu kämpfen. Dass Kaiba unter Einfluss seiner Gefühle die Realität nicht begreifen konnte, war verständlich. Es konnte aber nicht sein, dass die personifizierte Realistin und Frauenaktivistin Mai nun so etwas sagte. Sie führte diese starke Verfechtung der Liebe seitens von Mai auf ihren Besuch bei Joey zurück.
Kaiba gab sich nicht geschlagen. Er war sich sicher, dass Tea verängstigt war, immer die Vernünftige und die moralisch tadellos Handelnde sein wollte. Das war auf ihre Persönlichkeit zurückzuführen und auf die katholische Mädchenschule, die jahrelang ihren schönen Kopf mit wirrem Zeug gefüllt hatte. Mit jedem Treffen, jedem Kuss, den er ihr heimlich stehlen konnte, wann immer er die Gelegenheit dazu fand, wurde ihm klar, dass er mehr und mehr ein Leben ohne sie nicht vorstellen könnte. Er hoffte sie durch Demonstrierung seiner Zuneigung davon überzeugen zu können, ihre Meinung zu ändern. Er wusste für viele Probleme noch keine klare Lösung, aber er wusste, dass er auch das Unmögliche möglich machen konnte, wenn sie nur an seiner Seite wäre.
So ließ er keine Gelegenheit aus, die Villa zu besuchen, jetzt wo Lucrecia offiziell ausgezogen war und die meisten Bediensteten nicht mehr in der Villa arbeiteten. Erst wollte er entgegen Teas Wunsch alle Angestellten selbst bezahlen und sie weiter im großen Haus arbeiten lassen, denn es war sein Eigentum, weshalb es seine Verantwortung war, dieses Instand zu halten, jedoch sah er sehr frühzeitig die Vorteile, wenig, bis gar kein Publikum zu haben, wenn er sie besuchen kam.
So wagte er immer mehr und immer öfter sie aufzusuchen.
So kam es, dass er an einem verschneiten Wintertag in die Villa fuhr, und Mokuba und Tea bei den Versteckspielen draußen im eigenen kleinen Wald nahe der Villa entdeckte. Mokuba hatte sich versteckt und Tea zählte angelehnt an einem Baum die Zahlen von 10 bis 1 herunter. Er schaute sich um und sah, dass Mokuba sich außer Blickweite von Tea versteckt hatte und näherte sich ihr mit lautlosen Schritten
6, 5
Er legte seine Hand auf ihre Schulter. Ihr Kopf noch immer angelehnt an einem schlanken Eichenbaum.
4,3
Tea spürte die Hand an ihrer Schulter, hörte auf zu zählen und drehte sich überrascht um. Kaiba nutzte den Augenblick und statt sie zu begrüßen, involvierte er sie in einem atemberaubenden Kuss, bis sie sich loslöste. Sie hatte schon so oft auf ihn eigeredet so etwas nicht in der Öffentlichkeit zu tun. Dass sie sich diesmal die Rede ersparte und nach Mokuba Ausschau hielt, der bald aus einem Gebüsch hervorkam. Er hatte sie nicht gesehen, stellte sie hoffnungsvoll fest.
Ein anderes Mal hatte er sie im Backstagebereich in ihrer Umkleide nach einer Aufführung im Ballett aufgesucht. Unter dem Vorwand ihr den Blumenstrauß zu überreichen, ging er in ihre Umkleide und noch bevor sie was sagen konnte, begrüßte er sie mit einem Kuss. Trotz Ermahnungen und Tadel, wurde Kaiba unvorsichtiger, als ob ihn egal wäre, ob sie erwischt würden oder nicht.
Bis sie tatsächlich eines Tages auf frischer Tat ertappt wurden. Von der Hausdame, die jeden Freitag zum Putzen zu Tea in die Villa kam und ihr beim Instandhalten des enormen Hauses behilflich wurde. Er war da, um Mokuba abzuholen, konnte sich jedoch den Drang wie immer nicht verkneifen Tea zu sehen, die, währenddessen, die große Küche putzte. Während Mokuba noch seine Sachen zusammenpackte, um das Wochenende an einem See zu verbringen, fand er sie in der Küche inmitten eines Chaos auf einem Hocker stehend und die Schrankoberflächen putzend. Selbst in einer Situation, wo sie nur Schlabberkleidung anhatte, ihre Haare zu einem zerzausten Dutt zusammengesteckt waren und sie sich mitten Putzmittel, Lappen und Unordnung befand, könnte sie für ihn mit ihrer kurzen Hose und dem am Bauch zusammengeknoteten T-Shirt nicht sexier sein. Er umarmte sie von hinten, während sie gedankenverloren putzte, worauf sie erschrak und fast vom Stuhl gefallen wäre. Er hatte sie jedoch fest im Griff und senkte sie auf die Zehenspitzen. Ihr vorwurfsvolles, geschmolltes „Seto" als sie ihn verspürte, war so süß, dass er ihre Lippen gefangen nehmen musste. Ein „Oh-Mein-Gott" artiger halblauter Ruf brachte sie dazu sich voneinander loszuließen. Im ersten Augenblick dachte Tea, Mokuba hätte sie gesehen und wäre von dem Gedanken fast ohnmächtig geworden. Dann sahen die beiden die noch mehr erschrockene Putzhilfe stehen, die nicht wusste, wie sie sich aus der Situation retten könnte. Die Situation wurde nicht weniger unangenehm, als Mokuba dazustieß und sagte, dass er fertig gepackt hatte. Die Putzfrau nahm den günstigen Moment zum Anlass, um zu verschwinden. Auf Kaibas Wort, er solle schonmal zum Auto gehen, verabschiedete sich Mokuba und ließ die beiden allein.
„Ich kümmere mich um die Sache, mach dir keine Sorgen", sagte er, während Tea vor Scham die Hand vor den Augen hielt und sich fragte, was wohl passiert wäre, wenn Mokuba sie erwischt hätte. Sie fasste den Entschluss der Sache ein Ende zu setzen. Als sie versuchte mit der Putzfrau zu reden, sagte diese, dass es ihr nichts anginge, was sie im Privaten miteinander machten. In ihren Worten waren so viel Verachtung und Eckel herauszuhören, dass Tea innerlich schauderte. War das die Meinung der durchschnittlichen Bevölkerung?
„Bitte verraten Sie es Keinem", flehte sie die Putzhilfe an. Dieser schaute sie einige Sekunden an und ging, ohne ein Wort zu sagen ihre Arbeit verrichten. Tea war sich nicht sicher, ob sie jemanden davon erzählen würde, aber wenn sie es diesmal nicht tat, dann würde es jemand anderes ein anderes Mal tun.
Als sie wenige Tage später erfuhr, dass Kaiba der Putzfrau eine beträchtliche Menge Schweigegeld ausgezahlt hatte, wurde ihr Unbehagen noch größer. Das war eine schlechte Energie und schlechte Energie brachte schlechtes Karma. Sie konfrontierte ihn im Büro des Notars, wo sie sich versammelt hatten, um über die anstehende Gerichtsverhandlung zu sprechen. Tea wollte so neutral wie möglich bleiben, wollte aber Herrn Iso unterstützen die Wahrheit zu verteidigen. Jetzt, nach der ersten Besprechung der morgigen Verhandlung, ging Iso kurz ins Archiv und ließ Kaiba und Tea allein.
„Was möchtest du machen, die ganze Welt mit Schweigegeld kaufen, damit niemand was mitbekommt?", fragte sie ihn.
„Wenn es sein muss."
„Bitte sei vernünftig, Seto. Ich werde meine Meinung nicht ändern. Wir können nicht zusammen sein, nicht jetzt, nicht in der Zukunft. Ich möchte nicht mehr der Gefahr ausgesetzt werden, dass uns irgendjemand sieht. Vor ein paar Tagen war es die Putzfrau, morgen kann es Mokuba sein oder die Presse. Du hast eine Gerichtsverhandlung am Laufen, was würde passieren, wenn uns die Presse durch den Dreck zieht. Meine Mutter wartet nur darauf, etwas an dir zu finden, damit das Gericht dich erbunwürdig einstuft."
„Tea, du lässt dich schon wieder von deinen Ängsten leiten.", sagte Kaiba schroff.
„Und du lässt dich von deinem Wunschdenken leiten.", antwortete Tea verzweifelt und etwas lauter werdend.
„Ich habe dir das schon vor zwei Wochen gesagt Seto und ich wiederhole mich jetzt. Ich bin nicht bereit alles aufs Spiel zu setzen, wenn um uns herum Menschen auf unsere Vernunft vertrauen. Dein Unternehmen, die tausenden Mitarbeiter, die ihre Jobs verlieren, Mokuba, der durch den Dreck gezogen wird, wenn das Ganze publik wird."
„Das Ganze kann auch ganz anders laufen, Tea", sagte er nicht weniger gereizt, „wenn du dich auf diese Situation einlässt, dann werden wir vorsichtiger sein und ich muss dich nicht in allen möglichen Situationen hinterherlaufen, um dich wenigsten ein paar Minuten sehen zu können."
Teas Mund fiel offen von seiner Vorstellung der Problemlösung.
„Das ist dein Vorschlag, wie wir die Probleme lösen können? Indem wir uns bewusst Zeit nehmen, um uns heimlich zu treffen, sodass du dich nicht mehr gezwungen siehst mich in den unmöglichen Situationen zu küssen?"
Auf einen Versuch Kaibas die Situation mit einem „Ich-Habe-es-nicht-so-gemeint" zu entschärfen, nahm Tea ihren Mantel und die Tasche, die auf einem Stuhl lag und ergänze vor dem Hinausgehen aus dem Zimmer:
„Es tut mir leid, aber wir dürfen nicht egoistisch sein und nur an uns denken. Ich zumindest möchte es nicht. Bitte respektiere meine Entscheidung."
Als sie den letzten Satz aussprach, sprang sie so schnell aus dem Zimmer heraus, wie sie nur konnte, um ihren Tränen keinen Raum zu bieten. Sie wollte nicht, dass er ihre Tränen sah, denn dann würde das Gesagte kein Gewicht mehr haben und sich in Luft auflösen, er würde ihr kein Wort glauben, denn nicht mal sie war sich sicher, ob sie sich nicht doch etwas Egoismus gönnen könnte. In diesem Augenblick wünschte sie sich nichts sehnlicher, als tatsächlich in einer anderen Welt zu leben, und sei es auf dem Mond, nur um mit ihm zusammen zu sein.
Es gab eine Person, die den Streit der Beiden im Arbeitszimmer des Notars belauschte und nicht von Tea gesehen wurde, als sie hinausstürzte. Er machte sich sorgen um die Entwicklung dieser Gegebenheiten und konfrontierte bei erster Gelegenheit den CEO.
„Sie hatten sich ein Versprechen gegeben, Sir", sagte Roland, als sie im 98. Stockwerk angekommen waren und die Bürotür schlossen.
Kaiba schaute auf Roland. Ihm war bewusst, wovon er redete, aber warum auf einmal das Thema?
„Ich habe mitgehört, was Ihnen Miss Tea im Arbeitszimmer des Notars gesagt hatte. Sie ist also mehr als einmal eindeutig gewesen."
„Sie weiß nicht, was sie von sich gibt, Roland. Sie hat mir an Silvester ihre Liebe gestanden und in der Hütte dies bestätigt. Ich brauche nur Zeit, um sie zu überzeugen, dass wir eine Lösung zu diesem Problem finden werden."
„Aber Sie hatten mir und vor allem sich selbst versprochen, dass selbst dann, wenn sie Sie liebt aber dennoch sich nicht zutraut mit Ihnen eine Beziehung einzugehen, dass Sie sie loslassen würden, Sir."
„Was willst du damit sagen, Roland", brüllte er entnervt los, „willst du etwa sagen, ich soll einfach mal meine Gefühle ausschalten und zusehen, wie unser Glück den Bach runter geht, weil Tea zu ängstlich ist, gegen diese veralteten Sitten und Denkmuster zu kämpfen? Ich kann und will nicht aufhören zu kämpfen."
„Das Kämpfen würde sich lohnen, wenn Sie Beide gemeinsam an einem Strang ziehen würden, Sir", sprach Roland unbeeindruckt weiter, „Miss Tea ist dem nicht gewachsen. Noch keine zwei Monate her hatte sie in Sie das Monster gesehen, das Sie für sie zwölf Jahre lang waren. Heute wollen Sie mit ihr Ihre Zukunft gestalten. Es ist völlig verständlich, dass sie verwirrt und desorientiert ist, Sir. Geben Sie ihr wenigstens Zeit. Setzen Sie sie nicht unter Druck, dass würde fatale Konsequenzen haben."
Er hasste es, dass Roland immer die Stimme der Vernunft war, die Stimme, auf die er am liebsten nicht hören wollte, aber wusste, ihm sonst die Ignoranz auf die Füße treten würde. Das war ihm schon mal passiert vor zwölf Jahren.
Er hasste sich dafür auf diesen Deal eingegangen zu sein, aber er wäre nicht er, wenn er sein Versprechen brechen würde.
Was sollte er machen. Was könnte er in dieser Situation machen? Ihr Zeit geben? Wie lange? Wäre er dem gewachsen sie jedes Mal zu sehen und sich von ihr fernzuhalten. Gott weiß, wie bemüht er anfangs war und wie schwer es ihm immer mehr fiel, je mehr er sich ihr annäherte. Weglaufen? So weit wie möglich von ihr weg sein, um sie zu vergessen? War er in der Lange sie jemals zu vergessen, wenn es in den letzten Jahren und auf mehreren tausend Meilen Entfernung nicht funktioniert hat?
Er verbrachte die nächsten Tage in einem komatösen Zustand. Er ging nicht ins Büro, er traf sich nicht mit Mokuba, er versank in Selbstmitleid und Depression.
Bis eine Woche später ein Brief in die Villa in Domino einging, die die Aktionäre zu einer außerordentlichen Hauptversammlung einlud: Thema: Neuwahl eines CEO wegen Resignation des amtierenden CEOs. Er hatte einen Entschluss gefasst.
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