Die Dienstboten waren in einer exakten Doppelreihe angetreten wie Soldaten bei einer Parade, bereit, ihrem Lord einen würdigen Empfang zu bieten. Es waren eine Menge Dienstboten, denn in diesem Haus wurde schon aus Sicherheitsgründen Personal aus Fleisch und Blut bevorzugt. Einem quicklebendigen Butler oder Stubenmädchen eine Bombe oder eine Giftgasgranate zu implantieren oder sie auf ähnlich drastische Art und Weise zum unglückseligen Werkzeug eines ferngesteuerten Attentatsversuchs zu machen, war sehr viel komplikationsträchtiger als es bei einem x-beliebigen seelenlosen Reinigungsdroiden der Fall gewesen wäre. Lord Vader vertrat die Meinung, dass man es den Rebellen und ähnlich mordlustigen Zeitgenossen gar nicht schwer genug machen konnte. Außerdem fand er, dass menschliche Diener generell besser zu dirigieren waren als Droiden. Sie waren leichter zu durchschauen und sehr viel leichter einzuschüchtern und mussten niemals wegen irgendwelcher Funktionsstörungen repariert werden, was den reibungslosen Ablauf des Haushalts garantierte.
Padmé stand am Kopfende dieser geschniegelten Phalanx aus ausdruckslosen Gesichtern und extrem sorgfältig gebügelten Livreen und wartete. Sie wartete schon seit einer Ewigkeit – zumindest kam es ihr so vor. Sie flocht ihre schmalen Finger so fest ineinander, dass sich der riesige funkelnde Diamant auf ihrem Ehering schmerzhaft hart in ihre Haut bohrte. Der Vorraum hallte bereits von befehlsgewohnten Männerstimmen und dem zackigen Salut der Wachen wider. Anakin musste jetzt jeden Augenblick hereinkommen, aber Leia war immer noch nicht da. Dieses Kind konnte es einfach nicht lassen, sie zu provozieren. Oder ging es Leia heute nur darum, ihren Vater zu provozieren?
Oh Götter! Bitte nicht! Bitte!
Padmés stummes Stoßgebet wurde sofort erhört. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, dass etwas Weißes die breite Treppe in die Halle hinunterwehte wie eine Handvoll Schneeflocken in einer Sturmbö und hastig neben sie flatterte. Padmé drehte den Kopf und da war sie auch schon: Leia. Wieder mal auf die allerletzte Minute, aber immerhin noch rechtzeitig. Gerade noch rechtzeitig! Denn schon wurden die schweren Türflügel mit Schwung aufgestoßen und ER fegte herein, gefolgt von einem ganzen Schwarm dienstbeflissener Adjutanten und aufmerksamer Leibwächter.
Padmé hielt unwillkürlich den Atem an wie immer, wenn sie ihn erblickte. Niemand – nicht einmal sie – konnte sich ohne weiteres dem überwältigenden Charisma entziehen, das von dem Mann ausging, der sich Darth Vader nannte. Es lag nicht nur an seiner Erscheinung, obwohl seine imposante, muskulöse Gestalt und sein ebenso nobel wie kraftvoll geschnittenes Gesicht inmitten einer wahren Löwenmähne zweifellos zu seiner Ausstrahlung beitrugen. Doch was alle Lebewesen, die in seinen Bannkreis gerieten, entweder sofort magisch zu ihm hinzog oder sie dazu veranlasste, in Zukunft einen sehr, sehr weiten Bogen um ihn herum zu schlagen, das war das absolute Selbstvertrauen, die unanfechtbare Dominanz, die unwiderstehliche Aura von unverfälschter Macht, das prickelnde Gefühl von Gefahr, das er ausströmte wie ein Sonne Ultraviolettlicht.
Es gab viele, die Vader mit fanatischer Bedingungslosigkeit verehrten, und noch mehr, die ihn aus tiefster Seele verabscheuten. Aber niemand blieb von ihm gänzlich unberührt, niemand stand ihm völlig gleichgültig gegenüber. Er gehörte zu jenen seltenen Menschen, die man nur leidenschaftlich lieben oder leidenschaftlich hassen konnte.
Was Padmé anging, so hatte sie früher ersteres für diesen Mann empfunden. Sie wusste nicht, was sie jetzt für ihn empfand. Nicht genau jedenfalls. Vielleicht wollte sie es auch gar nicht so genau wissen.
Aber das war auch nicht wichtig. Wichtig war nur, dass sie ihre Pflicht erfüllte, so wie sie immer ihre Pflicht erfüllt hatte. Und so wartete sie, wie es ihre Pflicht war, und lächelte, weil es ihre Pflicht war.
Vader kam mit weit ausgreifenden Schritten auf seine Frau zu, ohne auch nur nach rechts oder links zu sehen. Er ignorierte das Personal vollkommen, obwohl ihm die devoten Verneigungen ringsum natürlich ebenso wenig entgingen wie ihm eine auf ihn gerichtete Schusswaffe entgangen wäre. Ihm entging grundsätzlich überhaupt nichts, wie einige der Diener inzwischen aus leidvoller Erfahrung wussten.
Er blieb direkt vor Padmé stehen und überragte sie dabei wie ein Schilfrohr einen Grashalm, wie ein schwarzer Turm, der das Sonnenlicht ausblendete und einen kühlen Schatten auf sie warf. Es war seltsam, aber sie vergaß tatsächlich immer wieder, wie groß er war, wenn er nicht direkt neben ihr stand. Vielleicht lag es daran, dass er viel kleiner gewesen war als sie, als sie ihn kennengelernt hatte. Doch inzwischen war er längst über sie hinausgewachsen – in jeder Beziehung. Trotzdem machte er sich immer noch die Mühe, Padmés Lächeln zu erwidern, was er heutzutage nur äußerst selten tat, wenn es um jemand anderen ging. Als rechte Hand des Imperators hatte er Höflichkeitsfloskeln und ähnlich überflüssige Nettigkeiten nicht mehr nötig.
„Ah! Da bist du ja", sagte er leichthin, als läge ihre letzte Begegnung nur eine Viertelstunde zurück statt Monate, als wären sie sich gerade rein zufällig hier in diesem prachtvollen Mausoleum von einem Haus über den Weg gelaufen, statt das übliche Empfangsritual durchzuziehen.
Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf die Stirn, sehr förmlich, was ebenfalls zu dem Ritual gehörte. Wären sie unter vier Augen gewesen, hätte er sie längst in seine Arme gerissen und ihr ganzes Gesicht mit stürmischen Küssen bedeckt. Vielleicht auch ein bisschen mehr als das – und sei es nur, um ihr unmissverständlich klarzumachen, dass er wieder da war und mit größter Selbstverständlichkeit Anspruch auf sie erhob, egal, was sie davon halten mochte. Aber vor Fremden oder Beinahe-Fremden hielt er sich an die ehernen Gesetze der Etikette. Meistens.
Leia küsste er nicht. Das tat er nie. Und das war auch gut so, denn sie hätte sich höchstwahrscheinlich mitten auf seinen eleganten schwarzen Umhang übergeben oder es wenigstens versucht. Doch so begnügte sie sich damit, aufrecht wie eine Lanze neben ihrer Mutter stehenzubleiben und eine gut dosierte Mischung aus flammender Verachtung und tiefgekühlter Feindseligkeit auszustrahlen, was nicht unbemerkt blieb.
Vader sah seine Tochter prüfend an. Seine Augen waren von einem kalten strahlenden Blau, das so intensiv war wie ein Laserstrahl und möglicherweise genauso tödlich. Unter den Höflingen des Imperators kursierte nämlich ein Scherzwort, wonach es unter dem Blick des Sith-Lords schon zu verschiedenen Fällen von spontaner Selbstentzündung gekommen sein sollte. Es war ein stehender Witz, den sich die Hofschranzen sehr diskret hinter vorgehaltener Hand und im Flüsterton erzählten und über den sie nur ganz, ganz leise lachten – und selbst das erst, nachdem sie sich gründlich umgesehen und sich darüber vergewissert hatten, dass ihnen auch ja kein Außenstehender zuhörte. Und natürlich kam es niemals in Vaders leibhaftiger Gegenwart zu diesen leichtsinnigen Anwandlungen von Galgenhumor: Obwohl eine gewisse zur Schau getragene Melancholie unter den mondäneren Angehörigen der imperialen Elite als schick galt, war niemand wirklich so lebensmüde!
Was Leia betraf, so erfüllten sie die absurden Ammenmärchen über Vader mit Ungeduld. War die Realität nicht schon schlimm genug? Obwohl sie verstehen konnte, wie solche Geschichten über ihn zustande und in Umlauf kamen, war es ihr unbegreiflich, was die Leute daran so komisch fanden. Sie selbst fand nichts an diesem Mann komisch – und schon gar nicht die erbarmungslos Art, mit der er sie von oben bis unten musterte, als würde er einen seiner bedauernswerten Offiziere inspizieren. Wie er sie anstarrte! Sie war sich völlig sicher, dass er sofort jede einzelne verdammte Stecknadel in diesem lächerlichen Fetzen von einem Kleid entdeckt hatte und sie für ihre Nachlässigkeit verurteilte – so wie er sie immer für alles und jedes verurteilte.
„Leia. Wie schön, dich zu sehen", sagte die berühmte Baritonstimme, die ganze Welten erzittern ließ, ausdruckslos.
Leia verkniff sich nur mit Mühe den passenden Kommentar, der ihr fast ein Loch in die Zunge brannte. Aber hätte sie jetzt offen ausgesprochen, dass sie diese Behauptung für eine glatte Lüge hielt, wäre genau die Situation eingetreten, die ihre Mutter offensichtlich um jeden Preis vermeiden wollte.
Zum Glück verlor Vader gleich wieder jedes Interesse an ihr und wandte sich erneut seiner Gattin zu, der er galant den Arm bot.
„Wollen wir hineingehen? Ich muss gestehen, dass ich am Verhungern bin."
Padmé neigte zustimmend den Kopf und hakte sich bei ihm ein. Alle übrigen Anwesenden wurden mit einem knappen herrischen Wink entlassen, dann setzten sich die Vaders in Richtung Esszimmer in Marsch.
Aber natürlich konnte von einem Marsch nicht ernsthaft die Rede sein – nicht bei diesen Beiden, dachte Leia wehmütig, während sie im größtmöglichen Abstand hinter ihren Eltern herzockelte. Ihre Mutter schwebte in ihrer lavendelfarbenen Robe dahin wie eine Fee, nichts als zerbrechliche Anmut und Grazie. Und Vader tigerte mit der Eleganz einer großen Raubkatze neben ihr her.
Ja, sie waren zweifellos ein bemerkenswertes Paar. Die Frau zierlich, dunkel und schön wie ein schwarzer Schwan, der Mann ein mit fließendem Gold gekrönter Riese, aristokratisch, überlegen, unverwundbar. Zusammen sahen sie beinahe unwirklich aus, ein König und seine Königin, die direkt ihrem Es−war−einmal−vor−langer−Zeit−Märchen entstiegen zu sein schienen, ein zu neuem Leben erwachter Kriegerfürst und seine verzauberte Prinzessin aus irgendeiner klassischen Heldenlegende aus der Dämmerung der Zeit.
Und Leia, die sich ganz besonders klein, plump und unscheinbar fühlte, als sie in ihrem behelfsmäßig zusammengesteckten Kleid widerwillig hinter diesen Sagengestalten hertrottete, fragte sich nicht zum ersten Mal, ob sie möglicherweise gar nicht deren leibliche Tochter war, sondern einfach nur ein ausgesetztes Findelkind oder eine zwangsadoptierte Waise, der ihre wahre Herkunft aus irgendeinem düsteren Grund verheimlicht wurde. Denn das hätte immerhin einiges erklärt ...
Fortsetzung folgt ...© 2010 by Nangijala
