Das Dinner wurde mit einem enormen Aufwand an glitzerndem Kristall und blitzendem Silber an der obligatorischen, aber für ein Familien-Abendessen doch leicht überdimensionierten 20-Personen-Bankett-Tafel serviert. Und dank einem mehrgängigen Menü zog es sich so in die Länge, dass Leia schon daran zweifelte, ob sie das Dessert noch erleben würde. Gereizt erdolchte sie mit ihrem Fischmesser das vor Gräten nur so strotzende, aber ansonsten unschuldige Gambosi-Filet auf ihrem Teller. Sie wünschte sich wie so oft, sie könnte den Lauf der Zeit beschleunigen oder – noch besser! – in die ferne Zukunft reisen oder – am allerbesten! – in die Vergangenheit zurückkehren, um ihre eigene Geburt zu verhindern.
Ihre Eltern, scheinbar völlig ungerührt von der hormonschubverstärkten Sinn- und Lebenskrise gleich nebenan, unterhielten sich trotzdem mehr oder weniger angeregt. Tatsächlich führte im Großen und Ganzen Vader das Wort und gab mit leicht zynisch angehauchtem Enthusiasmus seine neuesten Schurkenstreiche ... pardon! ... Heldentaten zum Besten, während Padmé zwischen Phasen andächtigen Lauschens hier und da ein halbwegs denkwürdiges Detail aus ihrem eigenen Terminkalender wiederkäute, der mit Wohltätigkeitsveranstaltungen und ähnlichen gesellschaftlichen Heimsuchungen überfüllt war. Leias Beitrag zum Tischgespräch beschränkte sich auf exakt drei wortkarge, aber dafür reichlich giftig vorgebrachte Bemerkungen: „Nein!" und „Ach ja?" und als Krönung schließlich „Kann ich vielleicht bitte endlich mal das Salz haben?". Nach dieser kräftezehrenden Demonstration guten Willens versank sie für den Rest der Mahlzeit in verbissenem Schweigen.
Ja, es war eine Tortur und das zweifellos für alle Beteiligten. Aber zumindest rein theoretisch war nur Leia dazu gezwungen, bis zum Schlussakt durchzuhalten. Und sie wurde erlöst, als die Diener das farbenprächtige Arrangement aus Früchten und verschiedenen Käsesorten wieder abräumten, was das offizielle Ende des allgemeinen Martyriums einläutete.
Nach einem sehr kühlen Gruß an ihre Mutter und einem noch frostigeren an Vaders Adresse flüchtete sie mit 3PO im Kielwasser wieder in die rettende Festung ihres Zimmers und es ist wirklich schwer zu sagen, wer angesichts ihres hastigen Rückzugs vom Schlachtfeld mehr Erleichterung empfand.
„Bilde ich mir das nur ein oder wird sie wirklich immer einsilbiger?" sagte Vader, sobald die verzogene Göre außer Sicht- und Hörweite war – Sith sei Dank! „Du solltest sie bei Gelegenheit mal zu einem Med–Tech bringen und untersuchen lassen, ob ihre Stimmbänder schon Rost ansetzen. Sonst wird sie eines Tages noch völlig verstummen und wir, hartherzige Rabeneltern, die wir nun mal sind, werden es nicht einmal merken."
Er war offensichtlich wieder in einer seiner sarkastischen Stimmungen, aber es hätte schlimmer sein können. Sehr viel schlimmer.
Padmé, die nach all den Jahren auf gewisse Warnzeichen bei ihrem Ehemann so sensibel reagierte wie eine Wünschelrute auf eine Wasserader, überlegte, ob sie es womöglich sogar riskieren konnte, ein wirklich heikles Thema anzuschneiden. Sie hatte vor kurzem eine Idee ausgebrütet, die sie hier und jetzt vorbringen wollte, bevor Anakins Laune endgültig kippte, was von einer Minute auf die andere geschehen konnte. Er hatte einen Hang zu plötzlichen Temperamentsausbrüchen entwickelt, die schon fast genau so berüchtigt waren wie gewisse andere typische Charaktermerkmale, die er an den Tag legte. Padmé beschloss, die schon etwas wackelige Gunst der Stunde zu nutzen.
„Vielleicht wäre es das Beste für uns alle, wenn wir Leia für eine Weile nach Naboo schicken würden", sagte sie vorsichtig.
Anakin runzelte sofort die Stirn. Es war immer wieder eindrucksvoll, wie finster die Kontraktion einer einzigen Muskelpartie sein Gesicht werden lassen konnte. Eindrucksvoll und vage alarmierend. Vielleicht hatte es auch mit dem Bart zu tun, den er sich hatte wachsen lassen. Er sah damit älter aus. Ein klein wenig älter und sehr viel grimmiger. Er runzelte übrigens immer sofort die Stirn, wenn die Rede auf Naboo kam. Die bloße Erwähnung von Padmés Heimatwelt hatte auf ihn ungefähr dieselbe Wirkung wie ein besonders schriller Hochfrequenzton auf einen Rancor mit Kopfschmerzen.
„Naboo? Warum um Himmels willen ausgerechnet dahin? Damit sich sofort die ganze Naberrie-Sippe auf sie stürzen kann wie eine Meute hungriger Hunde auf einen Knochen? Damit sie wochenlang nach Strich und Faden verwöhnt und bei der Gelegenheit gleich noch ein bisschen mehr gegen uns aufgehetzt wird? Sie ist jetzt schon unerträglich, Padmé! Ein ganzes Rudel von ach so mitfühlenden und verständnisvollen Großeltern, Tanten, Onkeln, Cousinen und Cousins, die ihr noch mehr Flausen in den Kopf setzen, ist garantiert das Letzte, was Leia braucht. Naboo! Großer Sith!"
Vader schleuderte seine Serviette auf den Tisch, als würde er einem künftigen Duellgegner einen Fehdehandschuh vor die Füße werfen. Seine Beziehungen zu der angeheirateten Verwandtschaft hatten längst ein Stadium erreicht, das im Diplomatenjargon nicht umsonst als „verhärtete Fronten" bezeichnet wurde. Das galt ganz besonders für seine Schwiegereltern.
Seine heftige Reaktion beunruhigte Padmé, die schon ihre Felle davonschwimmen sah, bevor sie überhaupt zum Kern der Sache vorgedrungen waren.
„Ich hatte gar nicht vor, Leia in Theed unterzubringen – und schon gar nicht bei meiner Familie", sagte sie rasch. „Ich dachte an eine Schule. Es gibt da ein sehr gutes Mädcheninternat in einer wirklich idyllischen Ecke mitten im Seengebiet. Soriel, Sabés Älteste, ist seit dem letzten Semester dort und ganz begeistert. Sabé sagt …"
Padmé brach ab, als sie merkte, dass sie einen kleinen, aber entscheidenden Fehler gemacht hatte. Denn Anakins Gesicht hatte sich prompt noch mehr verdüstert – wie immer, wenn er diesen Namen hörte. Es war kindisch und doch so absolut männlich, diese klassische Eifersucht auf die beste Freundin der Ehefrau. Aber bei Anakin war es schon mehr als nur ein bisschen Eifersucht. Man konnte ihm nicht unterstellen, dass er Padmés Jugendfreundin und langjährige Weggefährtin wirklich hasste, aber viel fehlte nicht mehr dazu, weshalb seine Explosion praktisch schon vorprogrammiert war.
„Wenn ich das schon höre! Sabé sagt ... Sabé meint ... Sabé schlägt vor ... Sabé rät uns dies und das ... Warum muss sich diese Frau eigentlich pausenlos in unser Privatleben einmischen? Kann sie ihre spitze Nase nicht einmal aus unseren Angelegenheiten heraushalten? Hör zu, Padmé: Wenn deine Lieblings-Besserwisserin ihre eigene Tochter unbedingt in so einem rosaroten Kleinmädchen-Paradies für die hoffnungslos verträumten Ableger von irgendwelchen romantisch verkalkten Naboo–Adeligen abliefern muss, dann ist das ihr Problem. Ich jedenfalls werde nicht zulassen, dass Leia in einem blaublütigen Gänsestall landet, wo sie wahrscheinlich den ganzen Tag über nichts Sinnvolleres zu tun haben, als sich gegenseitig Blumen ins Haar zu flechten und singend durch die Wiesen und Wälder zu hüpfen, wenn sie nicht gerade selbstverfasste Gedichte rezitieren oder auf ihren Harfen herumklimpern oder was auch immer sie noch so alles treiben."
„Anakin! Wie kommst du denn darauf? Das sind doch lauter Vorurteile ... das ist kompletter Unsinn! Selbstverständlich gibt es dort einen regulären Unterricht und zwar auf einem sehr viel höheren Standard als auf Coruscant, das kannst du mir glauben. Jedenfalls wird den Kindern auf Naboo noch selbstständiges Denken beigebracht – wir wissen beide, dass das hier schon lange nicht mehr der Fall ist! Jedenfalls nicht in dieser trostlosen Kaderschmiede, wo Leia jetzt hingeht ... dieses stumpfsinnige Seelensilo, wo die tägliche Gehirnwäsche Nummer Eins im Lehrplan ist und wo die hundertprozentige Konditionierung der Schüler in lauter brave kleine Imperiale wichtiger ist als ihr gottverdammter Notendurchschnitt!"
Erst als der „gottverdammte Notendurchschnitt" unter dem Tonnengewölbe der hohen Zimmerdecke verhallte, wurde Padmé bewusst, dass sie mit jedem Satz lauter geworden war und die letzten Worte aus voller Kehle geschrien hatte. Sie hielt inne, halb bestürzt über ihren unerwarteten Ausbruch, halb erschrocken über ihren eigenen Mut.
Das muss das Valiin sein, dachte sie leicht benommen.
Oder lag es etwa daran, dass sie jede Attacke auf Naboo als Angriff auf sich selbst empfand?
Doch ein einziger Blick von Anakin reichte, um sie erkennen zu lassen, dass ihre ganze Empörung wirkungslos verpufft war – wie immer.
„Bist du jetzt fertig oder hast du noch mehr hysterische Anfälle auf Lager?" sagte er kalt. „Wenn das nämlich den ganzen Abend so weitergehen soll, dann können wir die Fortsetzung dieses kleinen Dramas ebenso gut in mein Arbeitszimmer verlegen. Erstens hört dich dort niemand außer mir herumschreien und zweitens könnte ich nebenher noch ein paar Berichte durchlesen, während du mich ankeifst. Dann wäre es wenigstens keine komplette Zeitverschwendung."
Zum zweiten Mal an diesem Tag drohten Padmés Augen überzufließen wie ein Staudamm angesichts einer Flutwelle. Dass er sie so abfertigen konnte, so abweisend, so verächtlich ... Als wäre sie einer seiner Untergebenen oder völlig schwachsinnig, als würde ihre Meinung überhaupt nicht zählen ... Es war so demütigend, so erniedrigend ... Es war einfach zu viel!
Und doch konnte sie nicht aufgeben. Nicht jetzt und nicht so. Es ging um ihr Kind, das sie schon fast verloren hatte und das sie nicht vollkommen verlieren wollte. Sie musste es wenigstens noch einmal versuchen. Nur noch einmal ...
Sie schluckte mühsam, rang gleichzeitig um eine feste Stimme und einen festen Willen. Aber ihr Wille war längst genauso brüchig wie ihre Stimme, als sie beharrte: „Ich will, dass Leia nach Naboo geht."
Anakin ... nein, jetzt ganz und gar Vader ... beugte sich ein wenig vor und starrte seiner Frau mit derselben faszinierten und faszinierenden Konzentration in die Augen, mit der eine jagende Regenbogenviper ihre samtpelzige Nagetier-Beute in absolute und tödliche Regungslosigkeit hinein hypnotisierte.
Seine tiefe Stimme sank fast zu einem Flüstern herab, als er sehr langsam und sehr deutlich sagte: „Und ich will, dass Leia hier bleibt. Und sie wird hier bleiben – es sei denn, du wünschst ausdrücklich, dass ich sie auch nach Carida schicke!"
Die unverhüllte Drohung ließ den Rest von Padmés Kampfgeist zusammenbrechen wie die maroden Stützpfeiler einer baufälligen Kathedrale bei einem Mini-Erdbeben. Leia in der Militärakademie? Das war das Letzte, was sie für ihre Tochter wollte!
Also wieder eine Niederlage. Eine von vielen. Ein verlorenes Gefecht nach dem anderen ... Es war wie eine winzige, aber tiefe Wunde, die ewig weiter blutete, Tropfen für Tropfen. Padmé fragte sich, ob man auch auf Raten verbluten konnte.
Sie sah diesen Mann an, diesen allzu vertrauten Fremden, den sie so geliebt hatte, bevor er sich in einer immer noch unbegreiflichen Nacht-und-Nebel-Aktion in einen Despoten verwandelt hatte, unter dessen Knute die ganze Galaxis zusammenzuckte. Man hätte es nicht für möglich gehalten, wenn man ihn so sah, wie er ihr jetzt gegenüber saß, ganz ungezwungen, ganz lässig in seinen bequemen Stuhl zurückgelehnt und in der rechten Hand ein Weinglas balancierend, an dem er in aller Ruhe genießerisch nippte. Als wäre nichts geschehen, als hätte er nicht gerade wieder mal den Widerstand seiner Frau gebrochen, indem er ihr mit einem billigen Erpressungsmanöver den Wind aus den Segeln genommen hatte. Als hätte er ihr nicht einfach einen Knebel in den Mund gestopft, genau auf dieselbe Weise, wie sie wenige Stunden zuvor Leia geknebelt hatte. Doch Padmé hatte es aus Liebe zu ihrer Tochter getan, aus dem Bedürfnis heraus sie zu schützen. Sie glaubte nicht, dass ihr Ehemann sie aus demselben Motiv bei jeder sich bietenden Gelegenheit unterwarf.
Und plötzlich wollte Padmé nur noch weg. Irgendwohin, Hauptsache weg von ihm. Sie stand abrupt auf.
„Ich gehe jetzt zu Bett", sagte sie schroff. „Du kannst ja nachkommen, wenn du mit deinen kostbaren Berichten fertig bist. Natürlich nur, wenn du es ausdrücklich so wünschst. Ich wünsche mir nämlich, dass du heute Nacht auf der Couch in deinem Arbeitszimmer schläfst. Aber so viel Rücksichtnahme auf meine Wünsche ist ja wohl zu viel verlangt, nicht wahr? Gute Nacht!"
Vader setzte sein Weinglas so hart ab, dass sich sofort ein langer Sprung von dem fragilen Stengel bis zum geschliffenen Rand des hauchdünnen Kelches zog.
„Ist es nicht einfach wundervoll, wieder zu Hause zu sein?" sagte er bitter.
Doch Padmé würdigte ihn dieses Mal keiner Antwort, sondern rauschte stattdessen mit hocherhobenem Kopf hinaus.
Sie war nicht die Frau, die sich einen moralischen Sieg entgehen ließ, egal, wie winzig, kurzfristig und bedeutungslos er im Endeffekt auch sein mochte. Sie konnte es sich auch gar nicht leisten, ihre bescheidenen Siege zu ignorieren. Denn Darth Vader war ganz entschieden nicht der Mann, der sich aus seinem eigenen Schlafzimmer verbannen ließ ...
Fortsetzung folgt ...
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