Liebe Leser!

Also eines muss ich jetzt doch mal loswerden: Reviews sind hier ausdrücklich erwünscht und bestärken die Autorin garantiert in ihrer Schaffensfreude. Also gönnt mir wenigstens ab und zu mal ein kleines Feedback, okay? Viel Spaß beim Schmökern!

Herzliche Grüße

Nangijala

„... und ich weiß wirklich nicht, warum sie uns bis zum Rand mit Astro-Mathematik vollstopfen müssen. Da kommt man sich manchmal schon vor wie eine Nav-Konsole auf Beinen. Ich meine, wozu soll das gut sein? Es ist ja schließlich nicht so, als müssten wir eines Tages Hyperraumsprünge im Kopf ausrechnen oder so was in der Art.

Aber die Trainingseinheiten im Simulator sind einfach nur cool, sage ich dir. Davon kriege ich nie genug. Obwohl es natürlich nie ganz so ist, als würdest du richtig fliegen. Ach, wenn sie uns doch nur endlich mal an die Schulschiffe ranlassen würden! Aber das kannst du vergessen: Sie erzählen dir nur immer wieder, dass du noch mindestens drei Semester bis zu den ersten Flugstunden warten musst. Die lassen uns ja noch nicht mal in die Nähe von diesen uralten Z 95-Jägern, die da überall in der Gegend herumstehen und einstauben! Und an die anderen Dinger schon gar nicht.

Und die Senior-Kadetten sind genauso gemein wie die Ausbilder ... nein, noch viel gemeiner! Ich hab zwei von denen gefragt, ob ich mal mit ihnen zusammen eine Runde drehen darf – klammheimlich natürlich. Aber der eine hat bloß gelacht. Und der andere hat gesagt, nur über seine Leiche und ich soll endlich damit aufhören, ihm auf den Sender zu gehen. Und wenn ich nicht sofort freiwillig in meinen Kindergarten-Sandkasten zurückkrabble, dann trägt er mich eben einfach hin – kannst du dir das VORSTELLEN?"

Luke schnappte nach Luft, halb aus Empörung, halb aus Atemnot – es blieb eben nicht ohne Folgen, wenn man plapperte wie ein Wasserfall, ohne sich zwischendurch eine dringend benötigte Verschnaufpause zu gönnen.

Doch Padmé lächelte nur, von ganzem Herzen dankbar für den beinahe unaufhaltsamen Mitteilungsdrang ihres Sohnes. Nach all den einsamen Monaten mit Leia, die in ihrer Gegenwart praktisch zu Stein erstarrte und sich alles in allem lieber die Zunge abgebissen hätte, als sich ihr anzuvertrauen, war Lukes Redseligkeit für sie so belebend und erfrischend wie ein Springbrunnen für einen Verdurstenden.

„Mein großer Junge", sagte sie leise und wischte zärtlich ein paar zerzauste helle Strähnen aus seiner erhitzten Stirn.

Schmal ist er geworden, dachte sie, als sie ihn sich genauer ansah. Vielleicht eine Idee zu schmal?

„Bekommst du auch genug zu essen, Liebling?" fragte sie.

„Ja, natürlich. Mehr als genug. Ehrlich, die mästen uns wie Schlachtvieh", behauptete Luke, was nun nicht gerade der Wahrheit entsprach.

Tatsächlich gehörten regelmäßige Gewichtskontrollen zu den Standard-untersuchungen auf Carida – und wehe dem Vielfraß, der es wagte, mehr als maximal zehn Pfund über dem vorgeschriebenen und streng überwachten Body-Mass-Index für imperiale Militärs zu liegen!

Luke hatte mit eigenen Augen gesehen, was mit einem unglückseligen Erstsemester-Kadetten passiert war, der sich den entschieden herzlosen Akademie-Ärzten mit Pausbäckchen und einer soliden Schicht Babyspeck unter einer extrem eng sitzenden Uniformjacke präsentiert hatte. Es war brutal! Eine Radikaldiät und das doppelte Sportprogramm waren im Endeffekt sicherlich das Beste für den Betroffenen, ja. Aber brutal war es trotzdem.

Und ja: Notlügen waren definitiv erlaubt, fand Luke – vor allem dann, wenn man in akuter Gefahr war, von übertrieben besorgten Eltern tatsächlich gemästet zu werden. Aber als er sah, dass Padmé keineswegs davon überzeugt war, dass ihr Sohn nicht doch am Hungertuch nagte, nahm er sich voller Selbstlosigkeit vor, bei den kommenden Mahlzeiten von allem und jedem eine doppelte Portion zu verdrücken. Dieses kleine Opfer konnte er wirklich bringen, wenn Moms Seelenfrieden davon abhing – von Dads Seelenfrieden ganz zu schweigen ... Und zum Glück bot Dads Fitnessstudio ja genug Möglichkeiten, um den Rückwärtsgang einzulegen und rechtzeitig vor Beginn des neuen Schuljahrs wieder in Form zu kommen.

Luke schenkte Padmé ein breites Grinsen, in der Hoffnung, alle mütterlichen Ängste damit zu beruhigen, aber auch das funktionierte heute irgendwie nicht ganz. Er fragte sich, was seine Mutter in Wirklichkeit auf dem Herzen hatte, denn irgendetwas war zweifellos im Busch und es hatte nicht das Geringste mit dem Speiseplan der Carida-Kantine zu tun, so viel stand fest. Er betete im Stillen, dass es nicht das war, was er befürchtete...

Padmé zögerte. Ihr brannte wirklich etwas auf der Seele, aber in der ersten Woche nach Lukes Rückkehr hatte sie es immer wieder vermieden, das Thema anzuschneiden. Aus purer Feigheit vor dem Feind, wie sie jetzt zugeben musste, obwohl sie es vorher vor sich selbst damit gerechtfertigt hatte, dass sie einfach nur den richtigen Moment abwarten wollte. Sie konnte immerhin nur unter vier Augen mit ihrem Sohn darüber sprechen ... und es musste in einer möglichst entspannten Atmosphäre geschehen ... und Luke durfte auf keinen Fall das Gefühl haben, von ihr verurteilt zu werden ... Und außerdem ...

„Was ist denn, Mom?"

Die klaren blauen Augen ihres Sohnes sahen sie so offen und unbefangen an, so ... unschuldig. Ja, er war unschuldig, ihr Junge – noch! Und wenn sie als seine Mutter nicht dafür sorgen konnte, dass er es blieb, wer dann?

Padmé verwünschte den Kloß in ihrem Hals und die verräterische Feuchtigkeit in ihren eigenen Augen und rüstete sich zum Kampf. Sie war sich keineswegs sicher, dass jetzt der richtige Moment war oder dass der gezähmte Dschungel des Wintergartens, in dem sie saßen, verbunden mit der anheimelnden Szenerie der Fünf-Uhr-Teestunde für eine ausreichend entspannte Atmosphäre sorgte, aber es musste einfach sein, hier und jetzt. Sie wollte es nicht noch länger hinausschieben. Sie konnte es nicht ...

„Dein Vater hat mir erzählt, dass es auf Carida gewisse ... Schwierigkeiten gegeben hat", sagte sie behutsam.

In Lukes Kopf schrillten sofort sämtliche Alarmsirenen.

Oh nein! Nicht das! Nicht schon wieder! stöhnteer innerlich.

Doch offensichtlich führte kein Weg daran vorbei, denn um den Mund seiner Mutter lag jetzt dieser Zug sanfter, aber unnachgiebiger Entschlossenheit, den Luke nur zu gut aus ähnlichen Krisensitzungen kannte. Aber wie immer, wenn er sich in die Enge getrieben fühlte, versuchte er es erstmal mit einem Ausweichmanöver – was vielleicht nicht wirklich clever war, wenn man sowieso schon mit dem Rücken zur Wand stand.

„Was für Schwierigkeiten, Mom? Meinst du die Sache mit den Fenstern oder ...?"

„Du weißt genau, was ich meine. Oh, Liebling, du hast doch diesen armen Jungen nicht etwa ...?"

Luke sprang so heftig auf, dass sein leichter Korbsessel hintenüber kippte und zwischen zwei riesigen Tontöpfen mit üppig wuchernden Phrinxpalmen zu Boden ging. Das ganze Teeservice klirrte, als knochige Jungenknie mit dem ungelenken Schwung jugendlicher Aggression mit der Kante des niedrigen Glastischs kollidierten.

„Es war nur eine harmlose Rauferei, Mom! Nur das und sonst gar nichts. Es war nicht so wie damals – überhaupt nicht. Ich bin nicht mehr sieben Jahre alt. Ich habe es im Griff. Ich habe mich im Griff. Absolute und totale Kontrolle! Von morgens bis abends... Tag und Nacht ... Rund um die Uhr ... Immer!"

Ungeachtet dieser Feststellung begannen Padmés Tasse und ein Teller mit Biskuits gleich daneben gefährlich zu vibrieren, was sozusagen die psychokinetische Antwort auf die wachsende Aufregung ringsum war.

„Herrje, ich habe es damals nicht mal mit Absicht getan! Es war eigentlich nur ein Unfall! Nein, nicht mal das. Ich meine, was ist denn schon groß passiert? Gar nichts! Und deshalb verstehe ich wirklich nicht ... Warum musst du mir das immer wieder unter die Nase reiben, Mom?"

Die Tasse machte einen kleinen Luftsprung und rutschte dann erstaunlich schnell quer über den Tisch, offensichtlich in einer Art Selbstmordmission. Padmé fing sie gerade noch rechtzeitig auf. Dass der Teller nach einem kurzen, aber eindrucksvollen Kamikazeflug an die Wand knallte, konnte sie allerdings nicht mehr verhindern.

Luke errötete bis unter die Haarwurzeln, als ein Regen von zerbrochenen Biskuits und winzigen Porzellanscherben auf die starren, wachsartigen Blätter einer alderaanischen Riesenbromelie hinunterprasselte. Es war lange her, dass sich seine Frustration auf eine so kindische Art und Weise entladen hatte. Und das ausgerechnet jetzt – so eine Blamage!

„Tut mir Leid, Mom", murmelte er beschämt. „Ich räume auch alles wieder auf, okay?"

„Setz dich bitte wieder hin, Luke."

Luke, von einer Minute auf die andere wieder handzahm, hob seinen Korbsessel so vorsichtig auf, als könnte das misshandelte Möbelstück unter seiner bloßen Berührung ebenfalls in seine Einzelteile zerfallen. Er schob den Stuhl zaghaft an den Tisch zurück, sank fügsam in den schaumkissengepolsterten Sitz und wünschte sich, stattdessen in die terrakottafarbenen Fliesen unter seinen Füßen versinken zu können. Das wäre jedenfalls besser gewesen, als jetzt seiner Mutter gegenüberzusitzen ...

Padmé studierte das schuldbewusste Gesicht vor sich. Sie suchte nach den richtigen Worten, Worte, die heilen sollten, statt alte Wunden noch weiter aufzureißen. Andererseits mussten manche Dinge klipp und klar ausgesprochen werden. Es hatte keinen Sinn, immer nur um den heißen Brei herumzureden, wenn man sah, dass der eigene Sohn sorglos am Rand eines Abgrundes entlang tanzte ...

„Du hast dich nicht im Griff, Liebling. Noch nicht. Und das weißt du auch ganz genau, wenn du ehrlich zu dir selbst bist. Nein, lass mich aussprechen!" sagte sie mit ungewohnter Schärfe, als der Junge sofort zum Protest ansetzte.

Lukes bereits geöffneter Mund klappte wieder zu, eher aus Überraschung als aus Gehorsam. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass seine Mutter je so gebieterisch mit ihm gesprochen hatte. Normalerweise war es sein Vater, der diesen Kommandoton anschlug ...

„Es war nie meine Absicht, dir irgendetwas unter die Nase zu reiben. Weder die Angelegenheit auf Carida noch diesen ... anderen Vorfall. Aber ich kann es einfach nicht zulassen, dass du in jeder Stresssituation sofort die Beherrschung verlierst, Luke. Immer gleich seinem Temperament nachzugeben, grundsätzlich seine Launen an anderen auszulassen, ist ein Zeichen von Schwäche. Andere Menschen zu beherrschen, erfordert nichts als rohe Willenskraft. Aber sich selbst zu beherrschen, das erfordert Charakterstärke. Und für jemanden, der eines Tages die Verantwortung für viele Menschenleben zu tragen hat, vielleicht sogar für das ganze Imperium, gibt es keine wichtigere Eigenschaft als einen starken Charakter – was auch immer dein Vater dazu sagen mag. Oder Palpatine ..."

Padmés Mundwinkel bogen sich herab, bis ihre Lippen eine herbe strenge Linie formten. (Wann immer sie den Namen des Imperators aussprach – was so selten vorkam, dass es an sich schon ein bemerkenswertes Ereignis war –, machte sie ein Gesicht, als hätte sie auf eine unreife Sananafrucht gebissen oder einen ähnlich bitteren, fast schon Übelkeit erregenden Geschmack auf der Zunge.) Sie sah ihren Sohn eindringlich an.

„Absolute Macht korrumpiert jeden, der sie ausübt, Luke – vor allem diejenigen, die es nie gelernt haben, sich selbst Grenzen zu setzen und ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen Zügel anzulegen. Aber ein wahrer Herrscher ist sich darüber im Klaren, dass er seinen Untertanen gegenüber nicht nur Rechte hat, sondern auch Pflichten – vor allem Pflichten. Deshalb muss ein wahrer Herrscher immer wieder über sich selbst hinauswachsen. Er muss seine Launen oder seine eigenen Bedürfnisse unterdrücken, sobald ihm bewusst wird, dass das Wohl seiner Untertanen darunter leiden könnte. Denn ein Herrscher, der das nicht will oder vielleicht auch gar nicht kann, ist nichts anderes als ein erbärmlicher Tyrann – egal, was andere dir einreden wollen! Verstehst du, was ich dir damit sagen will?"

Luke war viel zu verblüfft, um darauf zu antworten. Doch sein Teint hatte inzwischen eine neue tiefere Rotschattierung angenommen, fast schon einen Purpurton. Das Gespräch hatte eine höchst unerwartete Wendung genommen – und eine reichlich gewagte Wendung noch dazu. Luke war jung genug, um gewisse Aspekte des imperialen Alltags immer noch durch eine rosafarbene Brille zu sehen. Aber sogar er wusste bereits, dass es nicht ratsam war, gewisse Gedankengänge laut auszusprechen. Nicht einmal zu Hause im Kreis der Familie. Schon gar nicht im Haus oder im Kreis SEINER Familie!

Er sah sich unwillkürlich nach allen Seiten um, aber der Butler, der ihnen den Tee serviert hatte, hatte sich natürlich längst diskret zurückgezogen. Was natürlich keineswegs bedeutete, dass ihnen nicht doch gerade irgendeine weit weniger diskrete Person aufmerksam zuhörte. Die Wände hier hatten Ohren. Und es waren nicht unbedingt die Ohren seines Vaters ...

„Mom!" sagte er nach einer spannungsgeladenen kleinen Pause unruhig.

Doch Padmé lächelte nur versöhnlich und beugte sich zu ihm vor. Ihre Hand ruhte für Sekunden leicht und angenehm kühl auf seiner glühenden Wange.

„Schon gut, Liebling. Wir wollen nicht weiter darüber reden. Aber du musst wirklich lernen, dich ein bisschen zusammenzunehmen. Das siehst du doch ein, oder?"

Luke starrte auf die Porzellansplitter, die immer noch in der Ecke lagen, malerisch umrahmt von zerkrümelten Biskuits. Er sah es ein – mehr oder weniger. Er nickte, um seiner Mutter zu zeigen, wie einsichtig er war.

Padmé atmete auf. Es war besser gelaufen, als sie gedacht hatte, viel besser. Für heute hatte sie alles erreicht, was zu erreichen war. Schade nur, dass ihr keine Zeit mehr blieb, die Unterhaltung auf angenehmere Dinge zurückzulenken. Aber heute Abend wurde sie auf einem Empfang im Palast erwartet und bevor sie sich dafür ankleiden und frisieren ließ, musste sie wenigstens noch einen kurzen Blick auf ihre endlose Rückrufliste werfen und vielleicht sogar zwei oder drei höchst überflüssige Kom-Gespräche über sich ergehen lassen.

In der so genannten feinen Gesellschaft von Imperial City gab es ein paar extrem engagierte Damen, die nicht nur felsenfest von ihrer eigenen weltbewegenden Wichtigkeit überzeugt waren, sondern auch davon, dass Padmé nichts Besseres zu tun hatte, als höchstpersönlich jede einzelne Entscheidung abzusegnen, die von besagten Damen getroffen wurde. Ob es nun um die Organisation einer rauschenden Party für die neuesten mit Orden überhäuften Kriegshelden ging oder um die Planung einer stillen, würdevollen Gedenkfeier für die Witwen und Waisen der ebenfalls mit Orden überhäuften, aber leider im Kampf gefallenen Heroen: Lady Vader hatte gefälligst ihren Senf dazuzugeben und selbstverständlich durch ihre Anwesenheit zu glänzen – und sei es nur, um ihre bloße Existenz zu rechtfertigen.

Und hatte die LIEBE Lady Vader nicht immer entzückende Ideen wie zum Beispiel die überaus erfolgreiche Gartenfest-Tombola zur Finanzierung eines weiteren Kriegerdenkmals mitten auf dem Platz des Friedens? Und sah sie nicht immer einfach hinreißend aus, wenn sie auf einem Podium stand und eine sorgfältig formulierte kleine Rede über all die glorreichen Errungenschaften der Neuen Ordnung hielt? Na also!

Natürlich hätte sich Padmé lieber um echte Wohltätigkeitsprojekte gekümmert wie um den Bau eines dringend benötigten neuen Krankenhauses in einem der hoffnungslos unterversorgten Stadtviertel, die als sozialer Brennpunkt galten, oder vielleicht sogar um die Einführung von Lebensmittelgutscheinen für besonders bedürftige Familien. Aber mit derart trivialen Vorschlägen konnte sie bei all den spendenfreudigen Gönnerinnen der High Society einfach nicht punkten. Nein, nein: Lieber ein neuer Flügel für die bildungshungrigen Besucher der Akademie der Künste als eine Art Sanatorium für das ganze arbeitsscheue Gesindel in der Stadt. Und lieber die überdimensionale Palpatine-Statue in irgendeiner netten Ecke von Imperial City als kostenloses Futter für eine Unterschicht, die sich ohnehin mit alarmierender Schnelligkeit vermehrte. Sollte der Pöbel doch sehen, wo er blieb!

Das war – kurz gesagt – der traurige Stand der Dinge. Schon aus diesem Grund hätte Padmé die angebliche Wohlfahrtspflege nur zu gerne aufgegeben – wenn der Imperator nicht bei jeder Gelegenheit immer wieder ausdrücklich betont hätte, was für eine wertvolle Arbeit Lady Vader doch leistete. So blieb Padmé also gar nichts anderes übrig, als weiter brav die Galionsfigur zu spielen, denn Palpatines Wille war nun einmal Gesetz – ganz besonders im Hause Vader!

Sie stand auf, mehr als nur widerwillig, wenn sie an den langen, langen Abend dachte, der ihr bevorstand. Stundenlang dem lauernden Basiliskenblick des Imperators ausgeliefert zu sein, war schon schlimm genug. Aber dabei auch noch mit einem ganzen Saal voller intriganter Hofschranzen Smalltalk halten zu müssen, war ungefähr so amüsant wie ein Spießrutenlauf durch ein ganzes Bataillon von blutgierigen Harpyien.

Nun ja, wenigstens würde sie dabei nicht vollkommen verlassen sein – falls es ihrem Ehemann gelang, sich rechtzeitig von den faszinierenden Blaupausen seines künftigen Super-Hyper-Ultra-Sternzerstörers loszureißen. Trotz all der unauslotbaren Untiefen und Unterströmungen in ihrer Beziehung konnte Padmé es sich nicht einmal vorstellen, sich mutterseelenallein der geballten Feindseligkeit des ganzen Hofstaates zu stellen. Egal, was sie von Anakin hielt, seine Gegenwart hatte trotzdem eine erstaunlich abstumpfende Wirkung auf die scharfen Schnäbel der Harpyien. Und das machte sogar seine Gesellschaft erträglich. Gerade noch erträglich ...

„Und was hast du heute Abend vor, Liebling?" fragte sie zerstreut.

Luke war froh und dankbar für den Themawechsel – aus den verschiedensten Gründen.

„Ach, ich weiß nicht ... Vielleicht gehe ich mit Leia ins Kino."

Padmés Augen leuchteten sofort auf.

„Eine gute Idee, Liebling. Du solltest ruhig öfter etwas mit deiner Schwester unternehmen."

„He, es ist nicht meine Schuld, dass sie sich so in ihrem Elfenbeinturm einmauert!" sagte Luke entrüstet.

Also wirklich! Gab er sich denn nicht schon seit Tagen alle Mühe, Leia aus ihrem Schneckenhaus herauszulotsen? Ständig hockte sie an ihrem Schreibtisch und trieb Sith weiß was. Sollte er sie vielleicht mit Gewalt hinausschleifen, am besten gefesselt und geknebelt? Nicht dass er ernsthaft daran glaubte, dass es einen Knebel gab, der groß genug war, um mit Leias Genörgel und Gekeife fertig zu werden ... Na ja, einen Versuch war es vielleicht wert ...

Er verabschiedete sich mit einem prophylaktischen Gute-Nacht-Kuss von seiner Mutter und machte sich auf den Weg zu seinem widerspenstigen anderen Ich …

Leia saß ausnahmsweise einmal nicht an ihrem Schreibtisch. Luke, im Zweifelsfall immer Optimist, hielt das für ein gutes Zeichen. Er pirschte sich auf Zehenspitzen an das Schlafzimmer seiner Schwester heran wie ein Spähtrupp an eine Rebellenfestung. Erst vorsichtig die Lage peilen und dann ... Angriff!

Er schielte um die Ecke. Leia kauerte im Schneidersitz auf ihrem Bett und tippte wie besessen auf dem Laptop herum, das auf einem spitzenrüschenverzierten Kissen vor ihr stand.

Luke bewunderte die fließende Fingerfertigkeit, mit der sie schrieb. Er selbst hackte nach wie vor jeden Text in einer Art Zwei-Finger-Adler-Such-System auf seiner Computertastatur herunter und das im Zeitlupentempo, ein Umstand, der bereits verschiedene Lehrer auf Carida an den Rand der Raserei getrieben hatte. (Commander Villiar, der kein Optimist, sondern ein echter Zyniker war, bezeichnete Lukes Schreibtechnik gerne als „Terror-System": Jede Minute ein Anschlag! Darüber hinaus hoffte der Commander inständig, dass Kadett Vader niemals in die Verlegenheit geriet, eine Detonationsautomatik auslösen zu müssen. Er war nämlich davon überzeugt, dass sogar die saumseligsten Rebellen der Galaxis mühelos dazu fähig waren, jedes x-beliebige imperiale Schiff zu entern und seine komplette Crew zu erschießen, lange bevor Luke dazu in der Lage war, die komplizierte zwanzigstellige Codesequenz zu beenden, die den Selbstzerstörungszyklus initiierte.)

Leia starrte auf ihren Bildschirm wie hypnotisiert, ihre Zungenspitze zwischen die Zähne eingeklemmt vor lauter Konzentration und sichtlich völlig losgelöst vom Rest der Welt und all ihren alltäglichen Sorgen. Sie war so eifrig bei der Sache, dass sie vor Schreck fast von ihrem Bett fiel, als Luke plötzlich und unerwartet mit seinem üblichen explosiven Schlachtruf („HEY!") in ihr Zimmer gesprungen kam wie ein Schachtelteufelchen aus seiner Schachtel.

„Idiot! VOLLIDIOT!" schrie sie zurück, sobald sich der erste Schock gelegt hatte.

„Auch dir einen schönen guten Abend", sagte ihr Bruder fidel und scheinbar völlig unbeeindruckt von ihrer lieblosen Begrüßung.

„Verschwinde!"

„Mom sagt, es ist ein Zeichen von Charakterschwäche, wenn man seine Launen an anderen Leuten auslässt", verkündete Luke. (Wenn er schon Ermahnungen wegen seines allzu leicht entflammbaren Temperaments einstecken musste, dann konnte er seine neue Weisheit wenigstens gleich an den Giftzwerg da drüben weitergeben, oder nicht?)

„HA!" äußerte seine Schwester mit Todesverachtung.

„Du hörst dich an wie Dad, wenn du das sagst. Du siehst sogar aus wie er!"

Luke duckte sich blitzartig, doch das Kopfkissen, das mit viel Energie und erstaunlicher Zielgenauigkeit nach ihm geschleudert wurde, verfehlte ihn trotzdem nur um Haaresbreite. Bei Leia funktionierten seine Reflexe nie so gut wie bei anderen.

„RAUS HIER!"

„Warum regst du dich immer gleich so auf?" fragte Luke, dieses Monument an Gelassenheit, achselzuckend.

Leia verdrehte die Augen, streckte aber vor so viel brüderlicher Hartnäckigkeit dann doch die Waffen. „Na schön. Bevor du mich weiter nervst: Was willst du?"

„Ich bitte vielmals um Verzeihung, Prinzessin Griesgram! Entschuldigt, dass ich lebe, Euer Verdrossenheit! Tja, eigentlich wollte ich dich ins Kino einladen, Lady Sauertopf, aber wenn du so drauf bist ... Was machst du da eigentlich?"

Luke verrenkte sich fast den Hals bei dem Versuch, einen Blick auf den Bildschirm zu erhaschen, aber Leia klappte ihr Laptop sofort mit einem harten entschiedenen KLICK! zu.

„Es geht dich zwar überhaupt nichts an, aber ich schreibe einen ... Brief. Einen Brief an ... Cousine Dirdra."

Luke griff sich in demonstrativer Fassungslosigkeit an die Stirn und ließ sich scheinbar völlig überwältigt auf das Fußende von Leias Bett fallen. Dass sich jemand im Zeitalter der HoloNet-Kommunikation allen Ernstes die Mühe machte, sich auf seine vier Buchstaben zu setzen und eine rein private Nachricht Seite für Seite zu schreiben, statt sie einfach in das Mikrophon einer Vid-Kam hineinzudiktieren, das grenzte nun wirklich schon an Masochismus – was andererseits wieder absolut typisch für seine Schwester war! Er hatte oft das Gefühl, dass Leia nur dann mit sich zufrieden war, wenn sie sich das Leben so schwer machte wie nur irgend möglich.

„Na, von mir aus. Aber schreib ihn morgen fertig. Jetzt gehst du nämlich mit mir ins Kino. Im Cinemax läuft dieser neue Film an ... ‚Krieg der Sterne' oder so ähnlich. Ich habe keine Ahnung, worum es dabei geht, aber der Trailer war einfach cool. Du kommst doch mit, oder? BITTE!"

Luke machte große flehende Hundeaugen, unwiderstehlich wie ein Welpe, der bei Tisch um einen Leckerbissen bettelte. Oder jedenfalls beinahe unwiderstehlich, denn Leia zog sofort eine Grimasse.

„Ach, nein, auf so was habe ich heute überhaupt keine Lust."

„Spielverderberin! Also gut, dann gehen wir morgen, okay?"

„Morgen habe ich keine Zeit. Ich bin mit ... einer Freundin verabredet."

„Na schön, dann ziehen wir eben zu dritt los. Wir machen erst das, was ihr Mädchen vorhabt, und danach ab ins Cinemax. Wir können auch in die Spätvorstellung gehen, wenn ihr wollt. Ich lade euch beide ein. Na, was sagst du jetzt? Hast du nicht den besten, nettesten und großmütigsten Zwillingsbruder aller Zeiten?"

Lukes Grinsen reichte von einem Ohr zum anderen und schien beinahe sein Gesicht in zwei Hälften zu spalten. (Übertriebene Bescheidenheit war ihm übrigens völlig fremd.)

Doch Leia fixierte nur ihr Laptop und rieb geistesabwesend mit ihrem Handballen über ein gutes Dutzend verschmierte Fingerabdrücke, die die mit einem glänzenden dunkelblauen Lack überzogene Oberfläche verunzierten.

Lukes Grinsen schrumpfte Millimeter für Millimeter auf Normalgröße zurück, als er bemerkte, dass sein Vorschlag auf herzlich wenig Begeisterung stieß.

„Was ist jetzt wieder?"

„Nichts. Gar nichts", sagte Leia leise, ohne ihren Bruder anzusehen. „Es ist nur ... Du kannst morgen nicht mitkommen, Luke."

Ein peinlich berührtes Schweigen breitete sich aus und türmte sich über ihren Köpfen auf wie eine gewitterträchtige Kumuluswolke, jederzeit bereit für den ersten sengend heißen Blitz oder gleich für eine ganze Sintflut. Ein Weltbild erbebte in seinen Grundfesten. Eine perfekte Geschwisterbeziehung wackelte auf ihrem Sockel und drohte abstürzen und sich in einen Trümmerhaufen zu verwandeln. Sekunden tickten unerbittlich langsam vorbei und dehnten sich zu Minuten ...

„Ach so", murmelte Luke, als er mitten in seiner Erschütterung endlich seine Stimme wiederfand. „Na dann ... Wenn ihr eben lieber alleine unterwegs seid, du und deine Freundin ..."

Er stand abrupt auf und wandte sich ab, kehrte dieser treulosen Wanze von einer Schwester den Rücken zu, damit sie nicht sehen konnte, wie tief ihn diese Ablehnung getroffen hatte. Es erstaunte ihn selbst, wie verletzt, wie gedemütigt er sich plötzlich fühlte. Aber sie hatten sich immer so nahe gestanden, er und Leia, wirklich nahe. Früher hatten sie alles gemeinsam gemacht, nie war einer von ihnen solo irgendwohin gegangen. Er hatte sie so vermisst in all den Monaten auf Carida. Und jetzt ... aus und vorbei, einfach so. Er war abgemeldet. Er wurde ausgeschlossen, er wurde regelrecht ausgestoßen und das von seinem eigenen Fleisch und Blut! Und warum? Wegen irgendeiner albernen Freundin aus der Schule oder aus der Tanzstunde oder ... Wegen irgendeines dummen wildfremden MÄDCHENS! Es war nicht auszudenken!

Zum ersten Mal in seinem Leben durchlitt Luke die Qualen der Eifersucht. Aber das konnte er sich natürlich nicht anmerken lassen. Er hatte schließlich auch seinen Stolz, nicht wahr? Und wie Dad immer sagte: Ein Vader kennt keinen Schmerz! Und wenn das keine gute Devise war, was dann?

Luke atmete tief durch und raffte die Überreste seines Stolzes um sein verwundetes Ego zusammen wie einen zerfetzten Umhang.

„Keine Sorge, ich dränge mich euch schon nicht auf. Ich dränge mich niemandem auf, der mich nicht haben will", sagte er frostig, aber mit Würde.

Oh ja, mit Würde! Es war zweifellos ein Augenblick voller innerer Größe, voller Charakterstärke. DAS war Selbstbeherrschung! Vollendete Selbstbeherrschung! Hätte seine Mutter ihn jetzt sehen können, sie wäre stolz auf ihn gewesen...

Er warf einen kühlen Blick auf die gemeinste, egoistischste und gehässigste Zwillingsschwester aller Zeiten, die ihn jetzt mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, das grausame, kaltherzige, undankbare Ding!

„Es ist ja schließlich nicht so, als wäre ich von dir abhängig, Leia", sagte er hochmütig, aber ein klein wenig heiser, weil seine Stimme unbegreiflicherweise deutlich zu schwanken begann. „Ich habe eigene Freunde, weißt du? Eine ganze Menge Freunde! Und ich glaube, es ist höchste Zeit, dass ich mich mal bei ihnen melde."

Er drehte sich auf dem Absatz um und schickte sich an hinauszumarschieren, aufrecht wie eine Lanze und mit stolzgeschwellter Brust – wirklich, was für ein Abgang! Es war filmreif. Leider verdarb Leia ihm die große dramatische Abschiedsszene.

„BLEIB GEFÄLLIGST HIER, DUMMKOPF!"

Luke blieb stehen und wartete, steif und stumm wie ein Stockfisch und immer noch sehr, sehr gekränkt. Jetzt war mindestens eine gute Entschuldigung fällig, am besten gleich mehrere auf einmal ...

„Sei nicht so kindisch! Du hast absolut keinen Grund, böse auf mich zu sein, Luke. Ich meine es nur gut mit dir. Du würdest dich mit uns sowieso nur zu Tode langweilen. Wir gehen nämlich ins Naturkunde-Museum, weil wir nach den Ferien ein Referat über irgendeine botanische Ausstellung halten müssen – und ich weiß, was du von Museen hältst.

Und außerdem ... außerdem wollen wir bei der Gelegenheit mal so richtig miteinander reden, Na'oomi und ich. Sie ist nämlich fix und fertig, weil ihre Eltern sich scheiden lassen wollen. Ihr Vater trinkt schon seit Jahren und ihre Mutter wechselt ihre Liebhaber so oft wie ihre Unterwäsche. Und jetzt streiten und prügeln die beiden sich den ganzen Tag und die Nachbarn alarmieren ständig die Polizei und das Jugendamt und es ist überhaupt die absolute Hölle für Na'oomi. Sie ist völlig mit den Nerven runter, das arme Ding. Sie weint nur noch und will gar nichts mehr essen. Wenn du mich fragst, dann ist sie eindeutig magersüchtig ... Ist das nicht einfach furchtbar?"

Leia legte eine kurze Pause ein, was nicht nur daran lag, dass ihre blühende Fantasie sie plötzlich im Stich ließ. Ein schlechtes Gewissen stellte schon ein Hindernis dar, wenn man dazu gezwungen war, aus dem Stehgreif heraus die halbwegs überzeugende Leidensgeschichte einer rein fiktiven Freundin zusammenzufabulieren. Außerdem musste sie sich vergewissern, wie ihr kleiner Schwindel ankam.

Zwischen gesenkten Wimpern beobachtete sie aufmerksam Lukes Gesichtsausdruck. Kaufte er ihr die Story tatsächlich ab? Es sah ganz so aus. Bei Vader wäre sie mit all den Flunkereien, die sie sich in den letzten fünf Minuten aus den Fingern gesogen hatte, natürlich niemals durchgekommen, aber bei ihrem Bruder standen die Chancen immer noch relativ gut. Luke war viel zu vertrauensselig. Er war überhaupt einfach zu gut für diese Welt, aber genau das liebte sie an ihm. Und schon deshalb musste sie verhindern, dass er in Dinge hineingezogen wurde, die ihn nur in Schwierigkeiten gebracht hätten. Ganz abgesehen davon, dass Luke ihr Schwierigkeiten gemacht hätte, wenn sie ihm erzählt hätte, was sie morgen in Wirklichkeit vorhatte ...

„Jetzt verstehst du doch, dass du nicht mitkommen kannst, ja?" fuhr sie honigsüß fort und kam sich dabei selber wie eine falsche Schlange vor. Aber was hätte sie sonst tun sollen? Der Zweck heiligte die Mittel ...

Von Lukes Herz rollten inzwischen zentnerschwere Steine, es war eine richtige Lawine. Das erklärte natürlich alles. Stundenlanges Mädchengelaber und dazu auch noch Berge von vertrockneten alten Fossilien? Hilfe! Was für ein Glück, dass seine kluge, verständnisvolle und durch und durch liebenswerte kleine Schwester nicht einmal im Traum daran dachte, ihm solche Gräuel zuzumuten.

„Na gut", sagte er gnädig. „Dann will ich mal nicht so sein." (Zu einfach wollte er es ihr jetzt auch nicht machen.)

„Wir können uns deinen komischen Film ja übermorgen ansehen. Oder vielleicht nächste Woche", sagte Leia mit einem leicht gönnerhaften Unterton, der andeutete, dass sie eigentlich schon viel zu reif und erwachsen war, um ihre Zeit an ein kitschiges und wahrscheinlich sogar gewaltverherrlichendes Produkt der konsumorientierten Unterhaltungsindustrie zu verschwenden, das offensichtlich für ein eher schlicht gestricktes Zielpublikum gedacht war.

Zwischen Lukes Augenbrauen erschien eine steile kleine Falte – es war aber auch zu aufreizend, wenn Leia die große Intellektuelle herauskehrte!

„Ja, vielleicht nächste Woche. Aber ich muss erst mal sehen, ob ich dann Zeit habe", erwiderte er majestätisch. (Sie sollte sich ja nicht einbilden, dass er immer nach ihrer Pfeife tanzte!)

Sofort erschien auf Leias Stirn sozusagen der Zwilling von Lukes Falte.

„Wie du willst, Bruderherz. Und jetzt lass mich endlich hier weitermachen, ja?"

Luke verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und trollte sich, immer noch ein wenig mürrisch. Aber ein taktischer Rückzug war einfach besser als die offene Konfrontation mit einem überlegenen Gegner – das gab sogar Commander Villiar zu, wenn auch nur zähneknirschend.

Leia wartete voller Anspannung, bis sie die Tür zum Flur zufallen hörte. Sie wollte hundertprozentig sicher sein, das sie wirklich ganz alleine war. Erst dann klappte sie ihr Laptop wieder auf. Mit kritischen Augen überflog sie noch einmal den Absatz, an dem sie geschrieben hatte, bevor Luke hereingestürzt war wie ein Überfallkommando. (Was für eine Nervensäge dieser Junge doch war! Zweifellos süß, ja, aber trotzdem eine Nervensäge!)

Tja, alles in allem waren die letzten Zeilen ganz gut gelungen. Oder klangen die einzelnen Formulierungen vielleicht doch ein bisschen zu pathetisch? Es lag Leia sehr viel daran, dass ihr Flugblatt über die schrecklichen Folgen der Umweltverschmutzung auf Tullzaar die Leser berührte, ohne dass die nüchternen Fakten in einem allzu pompösen Wortschwall untergingen. Die Leute sollten nicht nur begreifen, dass irgendein Bergwerk für all den hochgiftigen Industrieschlamm verantwortlich war, der die Flüsse auf Tullzaar verseuchte. Nein, die Leute sollten vor allem erfassen, dass es die imperiale Kriegsmaschinerie war, die immer mehr Erzvorkommen für den Bau neuer Raumschiffe forderte und damit keineswegs nur für global beschränkte Katastrophen unmittelbar verantwortlich war.

Leia hatte lange und hart an ihrem Flyer gearbeitet und sie wollte, dass er gut wurde. So gut, dass die Person, der sie morgen Mittag unbedingt den ersten Ausdruck ihres fertigen Werks präsentieren wollte, davon beeindruckt war. Denn die Zustimmung dieser Person war Leia inzwischen fast genauso wichtig wie die Zustände auf Tullzaar. Es tat gut, von einem Fremden für etwas gelobt zu werden, für das sie von ihrer Familie alle möglichen Reaktionen erhalten hätte, aber bestimmt kein Lob.

Leias Magen füllte sich mit einem unangenehmen Prickeln, als sie sich vorzustellen versuchte, WIE alle möglichen Reaktionen von gewissen Teilen dieser Familie aussehen würden, wenn sie beim Verteilen ihres Flugblattes erwischt wurde. Natürlich hatte sie sich einen perfekten Plan zurechtgelegt, um genau das zu verhindern, aber leider hielt sich die Realität nur selten an Pläne, so perfekt sie auch sein mochten.

Sie ging alles noch einmal durch, nur um zu sehen, ob sie vielleicht doch noch eine Lösung für den ultimativen Schwachpunkt fand. Also: Am ersten Tag gleich nach den Ferien würde sie in der großen Pause in die Schulbibliothek gehen und ihr Flugblatt mit dem Farbkopierer dort vervielfältigen. Die Bibliothek war absolut sicher – Leia wusste aus Erfahrung, dass sich dort nie jemand aufhielt, schon gar nicht in der großen Pause. Sie würde sechshundert Exemplare anfertigen, das musste für ihre erste Aktion reichen, denn mehr ging einfach nicht in ihren Rucksack hinein. Den Rucksack würde sie anschließend in einer der Kabinen der Mädchentoilette auf ihrem Stockwerk deponieren. Das Schloss der Kabinentür ließ sich mit einem simplen Schraubenzieher von außen leicht schließen und auch wieder öffnen. Ein von Leia noch anzufertigendes Schild würde alle eventuellen Benutzerinnen darüber informieren, dass die bewusste Toilette wegen eines Defekts außer Betrieb war.

Mitten in der nächsten Unterrichtsstunde würde Leia unter dem Vorwand eines dringenden Rufs der Natur ihr Klassenzimmer verlassen und den Rucksack holen. Danach würde sie einfach aus dem Toiletten-Fenster steigen und auf dem meterbreiten Sims bis zur Feuertreppe laufen. Von der Feuertreppe aus kam sie ungesehen bis zum obersten Stockwerk hinauf und von dort aus in den Dachgarten, der wie eine Galerie um das ganze Schulgebäude herumlief. Die Westseite dieser Galerie zeigte auf den Palpatine-Boulevard hinaus. Die Brüstung war so hoch, dass Leia von der Straße aus praktisch unsichtbar war. So geschützt würde sie einfach ihre Flyer aus dem Rucksack auskippen und der Wind würde die leichten Flimsiplastbögen über den ganzen Boulevard wehen, wo sie hoffentlich von möglichst vielen zufälligen Passanten gefunden und gelesen werden würden. Leia aber würde auf dem gleichen Weg zurückkehren, ihren leeren Rucksack dieses Mal in ihrem Spind einschließen und sich wieder in ihr Klassenzimmer begeben, ganz die brave Schülerin, die garantiert kein Wässerchen trüben konnte.

Vor den Ferien hatte sie einen Testlauf gemacht und dabei die Zeit gestoppt. Sie war davon überzeugt, dass sie die ganze Aktion innerhalb von knapp acht Minuten durchziehen konnte. Und mit etwas Glück und genügend Wind würde niemand je herausfinden, dass die Flugblätter ausgerechnet vom Dach ihrer Schule aus in Umlauf gebracht worden waren, weshalb Leia auch nicht in Verdacht geraten würde. Wenn sie allerdings das Pech hatte, dass irgendein Fußgänger mitbekam, von welchem Punkt aus der Blätterregen in die Tiefe ging, dann würde es für sie eng werden.

Leia hatte keine Ahnung, ob man sie nur für ein paar Wochen vom Unterricht suspendieren oder sie gleich ganz aus der Schule werfen würde, wenn die Sache aufflog. Aber sie wusste jetzt schon ganz genau, dass Vader so oder so einen Tobsuchtsanfall bekommen würde. Na ja, manchmal musste man eben alles auf eine Karte setzen. Es war der Preis, den man dafür zahlen musste, dass man ein Mensch war und keine armselige kleine Marionette wie Mutter.

Entschlossen wandte sich Leia wieder ihrem Text zu. Noch ein, zwei Stunden Arbeit und dann vielleicht noch ein bisschen Feinschliff hier und da ... Bis morgen würde sie auf jeden Fall fertig sein …

Fortsetzung folgt ...

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