Luke hatte inzwischen sein eigenes kleines Reich aufgesucht – aber erst nach einem Umweg über die Küche, wo er seinen Charme in alle Richtungen versprüht und besonders die allzeit bereite Mrs. Wombard mühelos um seinen kleinen Finger gewickelt hatte. Nach diesem kurzen und erfolgreichen Zwischenstopp hing er jetzt quer in seinem Lieblingssessel, die Füße auf der Armlehne, und leckte sozusagen seine Wunden, während er mit herzhaften Bissen ein dreistöckiges Schinkensandwich hinunterschlang.
Nachdem er sich so gestärkt und sich auch sonst ein wenig von den Widrigkeiten des Lebens erholt hatte, versuchte er aus purem Trotz, tatsächlich ein paar der Jungen aufzutreiben, mit denen er sich auf Carida angefreundet hatte. Aber heute Abend hatte sich eindeutig alles gegen ihn verschworen. Offensichtlich war Luke Vader so ziemlich das einzige Lebewesen in ganz Imperial City, das nicht längst von unternehmungslustigen Eltern in irgendein sonniges, von blauen Meeren gesäumtes Urlaubsparadies mit Animationsprogramm und All-inclusive-Service verschleppt worden war.
Das warf allerdings eine hochinteressante Frage auf, die Luke noch nie zuvor in den Sinn gekommen war. Warum machten SEINE Eltern eigentlich nie mit ihm und seiner Schwester Urlaub? Kannte ein Vader nicht nur keinen Schmerz, sondern auch keine Ferien? Oder lag es einfach daran, dass Luke und Leia dank jahrelangem Privatunterricht durch Hauslehrer noch nie zuvor in den Genuss von offiziellen Schulferien gekommen waren?
Doch früher waren sie immerhin für die Sommermonate nach Naboo geschickt worden, ohne ihre Eltern, aber dafür komplett mit Hauslehrern und dem ganzen Rest. Und diese Sommer waren einfach prachtvoll gewesen! Luke erinnerte sich immer noch voller Wehmut an wochenlange Aufenthalte oder wenigstens Wochenendbesuche bei scheinbar zahllosen Naberries, deren Häuser alle in die wildromantischen Märchenlandschaften von Naboo eingebettet waren wie Miniatur-Feenschlösser. Sogar Theed, die Hauptstadt, sah aus wie eine Kulisse aus einem Fantasyfilm.
Und all die wundervollen Picknicks im Grünen... und die abenteuerlichen Campingausflüge ... und die Angeltouren mit Dirdra, die es übrigens faustdick hinter den Ohren hatte, so dass die leckeren Taschenkrebse, die sie mit Lukes Unterstützung in kleinen kristallklaren Seen gefangen hatte, irgendwie immer zuerst in Leias Schlafsack gelandet waren, bevor sie ihren Weg in den Kochtopf gefunden hatten. (Ein Streich, der mit Hilfe von beeindruckend haarigen Spinnen und erstaunlich bissigen Käfern oft wiederholt worden war, was Leia ihrer frechen Cousine inzwischen aber vollkommen verziehen zu haben schien.)
Ach ja, herrliche Zeiten hatten sie auf Naboo erlebt ... und immer war die ganze Verwandtschaft mit Kind und Kegel dabei gewesen ... und manchmal war sogar Tante Sabé mit ihrer Brut aufgetaucht, obwohl sie eigentlich gar keine richtige Tante war, aber irgendwie gehörte sie eben trotzdem dazu ...
Und erst jetzt, da Luke ernsthaft darüber nachdachte, wurde ihm bewusst, wie sehr er diese hellen sorglosen Tage in seinem ganz persönlichen Urlaubsparadies vermisste, von den lieben Verwandten ganz zu schweigen. Denn das alles war praktisch eine Ewigkeit her. (Nicht ganz so ewig wie der ANDERE Vorfall, aber doch beinahe.) Für Luke und Leia gab es schon lange keine Sommer mehr auf Naboo. Heutzutage gab es nicht einmal mehr Wochenendbesuche ...
Das lag natürlich nur daran, dass Dad mit Moms ganzer Familie auf dem Kriegsfuß stand. Warum das so war, hatte Luke nie wirklich begriffen, weil seine Eltern es grundsätzlich vermieden, in seiner oder Leias Gegenwart darüber zu sprechen. Aber hier und da REIN ZUFÄLLIG aufgeschnappte Gesprächsfetzen – nein, Luke würde niemals ABSICHTLICH lauschen! – deuteten darauf hin, dass diese Entfremdung irgendetwas mit Dads Job zu tun hatte oder vielmehr damit, dass angeblich alle Naberries hoffnungslos versponnene Traumtänzer waren.
Mehr hatte Luke nicht darüber in Erfahrung bringen können – schon gar nicht zufällig – und er hütete sich davor, ganz offen danach zu fragen. Dad kam nämlich immer gleich mächtig in Fahrt, wenn man ihm irgendwelche Fragen stellte, die er für belanglos hielt – was eigentlich ziemlich unfair war, wenn man bedachte, dass Dad selbst grundsätzlich alles haargenau wissen wollte und einem regelrecht Löcher in den Bauch fragen konnte, bis er endlich zufrieden war. Doch Mom wurde einfach nur traurig, wenn die Rede auf Naboo kam – sogar noch trauriger als damals nach dem ANDEREN Vorfall ...
Luke schnippte erbittert ein paar Brotkrümel von seinem Ärmel. Es war aber auch zu ärgerlich, dass er schon wieder an diese dumme Geschichte erinnert wurde! Er wechselte seine Lage, so dass seine Füße zusammen mit seinen Waden über die Rückenlehne hinausbaumelten, aber nicht einmal die ausgesprochen durchblutungsfördernde Kopfstand-Position, die er dadurch jetzt einnahm, änderte etwas daran, dass ES hartnäckig durch seine Gedanken geisterte. Er musste einfach daran denken, ob er wollte oder nicht ...
Sieben. Luke war sieben. Um genau zu sein: Es war sein (und natürlich auch Leias) siebter Geburtstag, ein großes Ereignis, das mit einer ebenso großen Party gefeiert wurde, die dank der ausdrücklichen Einladung des Imperators in den weitläufigen Palastgärten stattfand. Der Upperclass-Nachwuchs des ganzen Sektors war versammelt, Hunderte von Kindern in allen Altersstufen zwischen Windeln und der ersten Akne wimmelten lärmend über samtige Rasenflächen, auf denen eine verwirrende Anzahl von Karussells und Kuchenbüfetts aufgebaut waren. Es gab kunterbunte Hüpfburgen und Zauberer, die Kunststücke vorführten. Es gab sorgfältig arrangierte Preisspiele und Zirkusclowns, die die lieben Kleinen zum Lachen bringen sollten. Es gab fette niedliche Ponys zum Streicheln und Reiten und feingliedrige gelenkige Akrobaten und Entfesselungskünstler zum Bestaunen und Bejubeln. Es gab eine ganze Armee von verstörten Kellnern und kündigungswilligen Nannys, die ihre völlig entfesselten Schützlinge davon abzuhalten versuchten, sich gegenseitig ihre teuren Designerkleider mit Torten und anderen kindgerechten Hochgenüssen vollzuschmieren. Es gab steinäugige Sicherheitsleute und nervöse Rettungssanitäter, die im Hintergrund lauerten, entschlossen ihre Funkgeräte und Erste-Hilfe-Packs umklammerten und nach unerwünschten Eindringlingen und ähnlich akuten Notfällen Ausschau hielten. Es war grandios. Es war Chaos pur.
Irgendwann am späten Nachmittag, inzwischen ziemlich erschöpft und völlig überreizt von all den Attraktionen und der ganzen Aufmerksamkeit, die ihm und seiner Schwester zuteil wurde, entdeckte Luke irgendwo in dem allgemeinen Getümmel ein etwa gleichaltriges Mädchen, das sich in einem Punkt auffällig von den übrigen Kindern unterschied: Sie hatte lange, flammendrote Zöpfe.
Luke war sofort fasziniert, nicht von den hübsch geflochtenen und mit Stoffblumen verzierten Zöpfen, aber von ihrer höchst ungewöhnlichen Farbe. Er hatte noch nie rote Haare gesehen. Alle Menschen in seiner näheren Umgebung hatten blonde, braune, schwarze oder sogar graue Schöpfe in den verschiedensten Schattierungen. Aber rot? Das war eine Merkwürdigkeit, die Luke unbedingt aus der Nähe begutachten und gründlich untersuchen musste.
Also ging er einfach auf das fremde Mädchen zu und zog versuchsweise, aber ziemlich kräftig an ihren verführerisch hin und her wippenden Anhängseln, nur um zu testen, ob sie echt waren oder nicht. (Luke wusste bereits, dass es so etwas wie Perücken gab: Nur Tage zuvor hatte er aus Versehen eine ältliche Hofdame, die bei seiner Mutter im Wintergarten saß, mit einer allzu tief fliegenden Frisbeescheibe skalpiert – ein Unfall, der für allgemeine Verlegenheit gesorgt hatte, zumal die künstliche Turmfrisur der Besucherin in Padmés Huikarpfen-Teich gelandet war und nach ihrer Bergung ausgesehen hatte wie das Fell einer ertrunkenen Beesamratte.)
Doch unglücklicherweise wurde Lukes etwas rabiater Forscherdrang von dem unbekannten Kind ausgesprochen übel aufgenommen: Hellgrüne Katzenaugen funkelten ihn bitterböse an und bevor er auch nur ahnen konnte, was ihm blühte, traf ihn eine magere, schokoladenverschmierte Faust mit solcher Wucht mitten auf die Nase, dass er Sterne tanzen sah.
Was danach geschehen war, war Luke bis zum heutigen Tag ein Rätsel. Er wusste nicht, wie er es fertiggebracht hatte. Er wusste nur, dass er zornig geworden war, nein, ZORNIG! Und plötzlich hatte die rothaarige kleine Hexe in einem Blumenbeet fünf Meter weiter gelegen und Zeter und Mordio geschrien, was nicht weiter schlimm gewesen wäre, wenn nicht gleichzeitig ihr mit Sommersprossen getüpfeltes Gesicht beunruhigend blau angelaufen wäre. Und spätestens als ihr durchdringend schrilles Kreischen in ein grässlich gurgelndes Röcheln überging, wurde Luke klar, dass IRGENDETWAS mit ihr passierte, etwas, für das zweifellos er verantwortlich war, obwohl er nicht verstand wie oder warum.
Doch erst als irgendein zur Rettung herbeigeeiltes Kindermädchen ebenfalls in hysterisches Geschrei ausbrach, erkannte er, dass er nicht DAMIT aufhören konnte, obwohl er inzwischen nur zu gerne aufgehört hätte, aber er war immer noch viel zu ZORNIG. Und auf einmal kamen aus allen Richtungen Erwachsene auf ihn zu gerannt, viele aufgeregte und verängstigte Erwachsene, die alle auf ihn einbrüllten ... Und Luke geriet in Panik, weil er einfach nicht wusste, was er TUN sollte ... und weil alle jetzt so furchtbar zornig auf IHN waren ... und weil alles seine Schuld war ...
Aber plötzlich teilte sich die aufgebrachte Menschenmenge und seine Mutter segelte auf ihn zu wie ein Rettungsboot durch eine aufgewühlte See. Sie stürzte sich auf ihn und riss ihn in ihre Arme, und das war auch gut so, denn gerade jetzt waren ihre Arme der einzige sichere Ort auf der ganzen weiten Welt. Sie umhüllte ihn mit ihrer Wärme und ihrem Duft und ihrer Zärtlichkeit, schirmte ihn ab vor all den anderen, die ihn umzingelten und so hungrig auf ihn hinunterstarrten wie die menschenfressenden Riesen aus seinem Märchenbuch auf den verirrten kleinen Prinzen. Aber Mom drückte ihn an sich, beschützte ihn, wiegte ihn tröstend hin und her.
„Ganz ruhig, Liebling", wisperte sie ihm ins Ohr. „Es ist gut, alles ist wieder gut, mein Kleiner. Du kannst sie jetzt loslassen. Lass sie einfach los."
Und in der Geborgenheit ihrer Arme beruhigte Luke sich tatsächlich. Er konnte selbst fühlen, wie er sich entspannte. Es war wie nach einem Muskelkrampf: Es hatte so schrecklich wehgetan. Und dann war es einfach vorbei wie ein böser Traum ...
„So ist es brav, Liebling", raunte Mom ihm zu. „Und jetzt musst du ein bisschen ausruhen. Komm, ich bringe dich hier weg."
Und sie hatte ihn aufgehoben und weggetragen, einfach so, obwohl er doch jetzt schon so ein großer Junge und viel zu schwer für sie war, wie sie ihm oft neckend erzählt hatte.
Doch was sich förmlich in Lukes Gedächtnis eingebrannt hatte, war die rotzöpfige Göre, die inzwischen wieder auf den Beinen war und von ihrer Nanny und allen anderen umschwärmt und umsorgt wurde wie eine Bienenkönigin von ihrem Volk, obwohl sie auch ohne die Sauerstoffmaske eines hilfsbereiten Sanitäters bemerkenswert schnell wieder zu Kräften gekommen war. Tatsächlich sah das kleine Luder aus wie das blühende Leben, was nicht zuletzt an dem spöttischen Blick lag, mit dem sie den schmählichen Abzug ihres Feindes beobachtete. Der eigenartig triumphierende Ausdruck auf ihrem spitzen sommersprossigen Gesicht hatte Luke lange verfolgt und war ihm heute noch genauso unerklärlich wie der Vorfall an sich.
Er hatte dieses Mädchen nie wieder gesehen und er war keineswegs unglücklich darüber.
Was ihn dagegen unglücklich gemacht hatte, war das Gefühl des Versagens und die Scham, die dieses Ereignis heute noch aus seinem Unterbewusstsein empor brodeln ließ, sobald er nur daran dachte. Und natürlich die Erinnerung an die Melancholie, an die Hoffnungslosigkeit in Padmés Augen, als sie ihn damals in einem ruhigen abgeschiedenen Pavillon auf eine Liege gebettet und seine geschwollene, gegen jede Berührung empfindliche Nase und seine plötzlich vor rasenden Kopfschmerzen hämmernden Schläfen abwechselnd mit einem Eisbeutel gekühlt hatte, während sie leise auf ihn einsprach und ihm erklärte, dass es sehr, sehr schlimm war, was er da getan hatte, dass es noch viel, viel schlimmer hätte ausgehen können und dass er ihr deshalb unbedingt versprechen musste, so etwas nie wieder zu tun ...
„... nie wieder, Liebling, hörst du?"
Und Luke hatte es ihr versprochen, hoch und heilig hatte er es ihr versprochen. Und er hatte sein Versprechen gehalten, oder? Mom hatte also absolut keinen Grund, sich so aufzuregen. Und das alles nur wegen diesem widerwärtigen Solveyn! Luke wünschte jetzt beinahe, er hätte diesem unausstehlichen Bengel ein paar Zähne ausgeschlagen, dann hätte sich der ganze Aufstand wenigstens gelohnt ...
Luke beendete seine unerfreulichen Reminiszenzen mit einem brunnentiefen Seufzer und wälzte sich wieder in eine etwas normalere Sitzposition zurück. Er angelte sich die Fernbedienung und schaltete sein Holovid ein. Er wollte sehen, was das Fernsehprogramm zu bieten hatte, wenn er schon nichts Besseres zu tun hatte.
Gelangweilt zappte er durch die gefühlte Unendlichkeit von tausend Unterhaltungs-Kanälen, die bis zur Schmerzgrenze mit rührseligen Seifenopern, reißerisch aufgemachten Gerichtssendungen und sonderbaren Talkshows voller Freaks angefüllt waren. Für ein paar Minuten verharrte er bei der neuesten Castingshow SSS (Super-Schnüffler-Sause!) und starrte ungläubig auf eine Handvoll splitterfasernackter mutmaßlicher Polizistinnen, die alle aussahen wie Models und sich unter dem Gejohle eines außer Rand und Band geratenen Publikums eine Art Schlammschlacht mit knallblauem Wackelpudding lieferten. Ein wenig betreten stellte er fest, dass die gestochen scharfen Bilder seines 3D-Plasmaschirms tatsächlich jedes Detail erkennen ließen – sogar Details, auf die Luke im Interesse seines Mageninhaltes liebend gerne verzichtet hätte.
Angewidert schaltete er auf die letzte Episode der achtunddreißigsten Staffel von CSI Imperial City um, erschauerte bei dem Anblick einer extrem realistisch wirkenden Gundark-Leiche, die gerade von der anmutigen Pathologin Professor Smart in einer gruseligen Autopsie zerstückelt wurde, und rettete sich schließlich auf einen Musikkanal, der gerade ein jugendfreies und daher beruhigend harmloses Video der „Corellian Pirates" ausstrahlte – Sith sei Dank! Er sah sich noch einen Live-Konzert-Zusammenschnitt der „Pirates" an, danach war sein Holovid-Bedarf gedeckt. Außerdem wurde es allmählich spät.
Er grübelte gerade darüber nach, ob er doch noch eine Runde „Captain Starfuryund die Rache der Enterbten" spielen oder gleich zu Bett gehen sollte, als seine Kom-Einheit mit dem Wookie-Heulen zum Leben erwachte, das zurzeit Lukes Lieblingsklingelton war.
Luke war überrascht. Um diese Uhrzeit erhielt er für gewöhnlich keine Anrufe mehr. Natürlich abgesehen von Dad, der es nicht lassen konnte, ihm ab und zu auf diesem Weg mitzuteilen, dass es Zeit war, endlich zum Matratzen-Horchdienst anzutreten. Unter diesen Umständen war die Versuchung, das Kom einfach klingeln zu lassen, groß, doch Lukes Neugier war eindeutig größer, zumal er die eingeblendete Wählernummer nicht kannte. Aber es war immerhin die Vorwahl eines gehobenen Viertels von Imperial City und man konnte ja nie wissen. Er drückte die Annahmetaste.
„Ja?"
Der kleine Kom-Bildschirm flammte auf und ließ ein schmales Gesicht mit einer langen dünnen Nase und einem sensibel geschwungenen Mund erkennen, gekrönt von pechschwarzen Haarbüscheln, die sich ungeachtet ihrer Kürze eigenwillig kringelten.
„Hallo Luke! Ich versuche schon den ganzen Abend dich zu erreichen. Warum ist bei dir eigentlich ständig besetzt?"
„Mar Shelmerdee!" rief Luke, hin und her gerissen zwischen Freude und Verblüffung. „Was machst du denn hier? Ich dachte, du bist mit deinen Leuten auf Surica unterwegs."
„War ich auch", seufzte Mar. „Aber Onkel Jeoff hat ein neues Kommando zugeteilt bekommen und musste sofort nach Coruscant zurück. Und du weißt ja, wie meine Tante ist: Allein hält sie es keine halbe Stunde mit mir aus. Also haben wir unser reizendes kleines Familienidyll abgebrochen und sind gleich mit ihm zurückgeflogen."
Der fein geschnittene Mund kräuselte sich ironisch, als von dem Familienidyll die Rede war.
„Tut mir Leid für dich", sagte Luke unbeholfen.
Er wusste nie wirklich, was er zu Mar sagen sollte, wenn das Gespräch auf diese Schiene kam. Denn ihre familiäre Situation unterschied sich genauso grundlegend voneinander wie die beiden Jungen selbst, die ungefähr so viel gemeinsam hatten wie Feuer und Wasser. Aber irgendwie waren sie trotzdem Freunde geworden. Vielleicht gerade deshalb ...
Mar war Vollwaise und lebte seit drei Jahren unter der Kuratel von sehr, sehr unterkühlten Verwandten, die über die Verantwortung, die ihnen so plötzlich in den Schoß gefallen war, alles andere als erfreut waren. Da sein Onkel ein hochrangiger Offizier war und einfach nichts Sinnvolleres mit seinem Mündel anzufangen wusste, war auch Mar auf Carida gelandet.
Leider war er nicht gerade aus dem Stoff, aus dem Vorzeige-Kadetten geschneidert wurden. Mar gehörte nämlich zu dem kreativ angehauchten Typ Jungen, die Gedichte schrieben (heimlich mit der Taschenlampe unter der Bettdecke!) und Geige spielten (ganz offiziell und überall dort, wo er nicht sofort weggescheucht wurde!). Mit solchen Zivilistenallüren war er seinen Ausbildern und engstirnigen, boshaften Kreaturen wie zum Beispiel Solveyn natürlich ein Dorn im Auge und er wäre der Witzbold seines ganzen Jahrgangs gewesen, wenn Luke und einige andere das nicht verhindert hätten.
Ungeachtet dieser Rückendeckung hasste Mar schlicht und einfach jeden Augenblick, den er auf Carida oder bei seinen Verwandten auf Coruscant verbringen musste – gleich zwei Gefängnisse, die in Mars Vorstellung nichts anderes waren als ein kollektiver Ort der Verdammnis, der speziell für Leute wie ihn aus irgendeinem unterirdischen Inferno erschaffen worden war.
Er träumte nur noch von dem Tag, an dem er laut Gesetz erwachsen und von dem Joch seiner Abhängigkeit erlöst werden würde, denn er konnte es kaum noch erwarten, endlich ein eigenes Leben anfangen zu dürfen. Er war ein netter Bursche und durch und durch bedauernswert ...
„Schon gut", sagte Mar, der tapferer war als Luke es je von einem werdenden Poeten und Musiker in Uniform erwartet hätte. „Hör mal, wollen wir uns morgen treffen? Hier bei mir kann ich jedenfalls nicht den ganzen Tag herumhängen, sonst springe ich aus dem nächstbesten Fenster."
Luke lachte, wenn auch ein wenig unsicher. Er hoffte inständig, dass Mar diese Ankündigung wirklich nur als Scherz gemeint hatte.
„Ja, natürlich", sagte er lebhaft. „Was hältst du davon, wenn wir morgen ...?"
Innerhalb von fünf Minuten hatten sie ihre Pläne für den nächsten Tag geschmiedet. Aber bis sie damit fertig waren, sich über all ihre bisherigen Ferienerlebnisse auszutauschen, war es schon weit nach Mitternacht.
Und als Luke endlich nach dem obligatorischen Zähneputzen und einer flüchtigen Katzenwäsche mit halbgeschlossenen Augen in sein Bett taumelte, dachte er, wie froh er doch sein konnte, dass sein Vater noch nicht auf die Idee gekommen war, sein Zimmer mit einer Überwachungskamera auszustatten ...
Fortsetzung folgt ...
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