Leia saß wie auf glühenden Kohlen auf einem der absurd niedrigen Schemel, die hier als Sitzgelegenheit angesehen wurden. Obwohl sie sich mit der sprichwörtlichen Langsamkeit einer Siebenschläferschnecke umgezogen hatte und jetzt schon seit einer halben Ewigkeit so tat, als wäre sie damit beschäftigt, die lächerlich langen Satinbänder der Tanzschuhe um ihre Waden zu winden, war die sanft beleuchtete Garderobe von Madame Kurakins Institut für Ballett und musische Körpererziehung immer noch mit kichernden Mädchen in duftigen zartblauen Tüllröcken überfüllt.
Im Gegensatz zu ihr selbst schien es nämlich keines dieser Mädchen besonders eilig zu haben. Vielleicht lag das auch einfach daran, dass sie genau wie Leia herzlich wenig Lust dazu verspürten, sich unter den aufmunternden Hieben von Madames Elfenbeinstöckchen mit endlosen Dehn- und Streckübungen zu quälen und sich anschließend die komplizierten Schrittfolgen eines weiteren stumpfsinnigen Menuetts eintrichtern zu lassen. Wie auch immer: Leia wünschte sich sehnsüchtig, dass die anderen endlich verschwanden, damit sie selbst sich so unauffällig wie nur möglich aus dem Staub machen konnte.
Sie schielte nervös zu der antiken Wanduhr hinauf, deren vergoldete Zeiger unerbittlich weiterrückten. Jede Minute, die sie hier mit Warten vergeuden musste, statt sie mit ihrer Verabredung zu verbringen, war eine schreckliche Zeitverschwendung. Leia spielte bereits mit dem Gedanken, einfach einen Feueralarm auszulösen und mit dieser drastischen Maßnahme das ganze Gebäude innerhalb von Sekunden leer zu fegen, als sie von unerwarteter Seite erlöst wurde.
Madame Kurakin höchstpersönlich erschien in der Tür wie ein Racheengel (sofern sich irgendjemand einen faltigen ausgemergelten Racheengel in einem rosafarbenen Gymnastikanzug vorstellen konnte), klatschte energisch in die Hände und rief: „Aber, aber, meine Damen, wo bleiben Sie denn? Husch, husch!"
Auf diese Aufforderung hin huschten tatsächlich alle anwesenden Damen unter weiterem Gekicher auf und davon – alle bis auf Leia. Sie blieb auf der äußersten Kante ihres Hockers sitzen und wippte ungeduldig mit dem Fuß, bis aus dem Tanzsaal gleich nebenan die ersten Takte der unvermeidlichen Polonäse drangen, mit der Madame ihre Elevinnen auf Trab brachte.
Doch erst als das lustlose Geklimper eines unterbezahlten und auch sonst desillusionierten Cimbarolo-Spielers mit dem unverwechselbaren Bantha-Stampfen von rund dreißig nicht besonders leichtfüßigen Grazien untermalt wurde, tauschte Leia ihre empfindlichen Satinslipper hastig wieder gegen solide vernünftige Straßentreter aus und warf sich ihren Mantel wie einen Tarnumhang über ihr Tanzoutfit, das dank seiner eher feenhaften Qualität weder solide noch vernünftig oder auch nur straßentauglich war. Ihre übrigen Kleider ließ sie hier, denn sie würde noch vor Ende der Stunde zurückkehren und sich ganz offiziell zusammen mit den anderen wieder ankleiden müssen – leider! Aber in der Zwischenzeit ...
Auf Leias Gesicht erschien ein spitzbübisches Grinsen, als sie sich auf Zehenspitzen aus der Garderobe hinaus und an dem Tanzsaal vorbei schlich, aus dem bereits Madame Kurakins gebieterisches: „Und eins ... und zwei ... und HOCH das Bein!" klang.
Ihr Lausejungengrinsen hielt an, bis sie die Treppe hinunter gepirscht war und das Erdgeschoss erreicht hatte, wo sie sich mit einem verstohlenen Blick darüber vergewisserte, dass ihre Bodyguards immer noch zusammen mit zwei wuchtigen Marmorlöwen brav die Eingangstür bewachten. Aber Leias Miene verfinsterte sich sofort wieder, als sie gleich darauf entdeckte, dass ihr Chauffeur nicht mehr auf dem Fahrersitz der nachtschwarzen Familienkarosse der Vaders thronte, wie es sich gehörte, sondern statt dessen direkt vor dem Bullaugenfenster des Notausgangs auf einen neuen Ausbruchsversuch der notorischen Ausreißerin lauerte.
Als der Fahrer sich zufällig umdrehte und dabei genau in ihre Richtung sah, schaffte Leia es gerade noch rechtzeitig hinter einer vollbusigen und auch sonst ziemlich kompakt gebauten Marmorballerina in Deckung zu gehen. In diesem Versteck verharrte sie für eine Weile regungslos, buchstäblich starr vor Zorn über die Perfidie ihrer Kerkermeister. Natürlich hatte Leia mit erschwerten Kampfbedingungen gerechnet, nachdem sie bei der Rückkehr von ihrem letzten kleinen Ausflug von einem sehr, sehr verärgerten Sturmtruppensergeant auf frischer Tat ertappt worden war. Aber nicht einmal nach der Gardinenpredigt ihrer Mutter hatte sie damit gerechnet, dass Padmé so weit gehen würde, sogar den Chauffeur dazu anzustiften, hinter ihr herzuschnüffeln. Ja, so viel Hinterhältigkeit hatte Leia weder ihrer Mutter noch ihrer Eskorte zugetraut. Unter diesen Umständen war es wirklich ein Wunder, dass sie überhaupt noch aus dem Haus gelassen wurde. Wenn sie nicht aufpasste, würde man sie eines Tages in Ketten legen und einsperren wie eine Sklavin ...
Und was jetzt? Voller Ingrimm beobachtete Leia den Fahrer, der sich inzwischen einen Glimmstängel angezündet hatte. Als er sich lässig gegen die Türzarge lehnte und mit Genuss eine Rauchwolke nach der anderen absonderte, sah er beinahe aus wie ein feuerspeiender Drachen, der im Eingang seiner Höhle seelenruhig ein Verdauungsschläfchen hielt. Jedenfalls sah er nicht aus wie ein Mensch, der die Absicht hatte, seinen langweiligen Posten in absehbarer Zeit zu verlassen.
Und was die Soldaten vor der Vordertür anging, so würden sie natürlich eher in ihren Panzern verdorren wie altersschwache Schildkröten, als jemals ihren Posten zu verlassen. Sie waren so imprägniert mit imperialer Standhaftigkeit, dass ihre perfekt mumifizierten Überreste wahrscheinlich noch in tausend Jahren wartend vor Madame Kurakins Institut herumstehen würden. (Immer vorausgesetzt, dass Madame und ihre Nachfolger eine so gruselige Dekoration wie Sturmtruppenmumien zuließen.) Nein, nein, wenn Leia ihr kleines Rendezvous noch einhalten wollte, dann musste sie jetzt wohl oder übel eine andere Fluchtroute finden. Aber wie? Und vor allem wo?
Zutiefst geknickt zog sie sich von dem feindlich belagerten Notausgang zurück und begab sich wieder in die Halle, wo sie jeden Augenblick von einer anderen knochigen Muse der Tanzkunst erspäht, eingefangen und an Madame „Die-mit-dem-Stock-tanzt" ausgeliefert werden konnte. Leia starrte voller Verlangen auf die hohen Flügelfenster, die die Vorderfront säumten, aber dieser Ausweg kam natürlich nicht in Frage. Sobald sie aus einem dieser Fenster kletterte, würden ihre Leibwächter sie unweigerlich sehen und sich auf sie stürzen wie zwei ausgehungerte Mynocks auf einen Kabelstrang.
Und wenn sie tatsächlich einen Feueralarm auslöste? Leia grübelte über diese verführerische Idee nach, verwarf sie aber sofort wieder, als sie sich die Folgen ausmalte. Das Letzte, was sie jetzt brauchte, waren zwei zu Heldentaten entschlossene Soldaten, die garantiert sofort hereinstürmen würden, um sich dem flammenden Inferno im Alleingang zu stellen und Lord Vaders Tochter dem sicheren Tod zu entreißen – vielleicht sogar noch verschiedene andere Töchter als Zugabe, wenn sie schon mal dabei waren. Nein, das war definitiv auch keine Lösung ...
In der Hoffnung auf eine göttliche Eingebung sah Leia sich fieberhaft um, aber da war nur noch die kunstvoll zurecht geschliffene Glastür von Madame Kurakins Büro, das von einer mit Warzen übersäten und auch sonst bemerkenswert hexenhaften Sekretärin eifersüchtig gehütet wurde und schon deshalb unmöglich als Tor in die Freiheit zweckentfremdet werden konnte. Und dann gab es da noch eine schmale, unauffällig in die dunklen Holzpaneele eingelassene Tür, die aber ganz offensichtlich zu einem Wandschrank gehörte, was sicher ein nettes Schlupfloch für Notfälle aller Art, aber ansonsten eine absolute Sackgasse war. Ach, es war einfach hoffnungslos!
Leia dachte gerade darüber nach, ob sie für heute aufgeben und sich doch noch den tristen Geheimnissen des Menuetttanzes widmen sollte, als zu ihrer Bestürzung Madame Kurakins heisere Stimme aus dem oberen Stockwerk herunterhallte.
„Die Noten vergessen? Schon wieder? Also wirklich, Fedor! Wenn deine Finger nicht angewachsen wären, würdest du die auch noch zu Hause liegen lassen. Na gut, ich habe noch eine Kopie in meinem Büro. Ich werde sie holen. Ich bin sofort wieder da. Mach hier inzwischen weiter. Das gilt auch für Sie, meine Damen. Was soll das? Habe ich irgendetwas von Pause gesagt? Nein! Also steht sofort wieder auf und setzt euch gefälligst in Bewegung, ihr klumpfüßigen Trampeltiere! Und wehe, ich sehe auch nur eine von euch auf ihrem faulen kleinen Hintern sitzen, wenn ich wiederkomme!"
Mit dieser ominösen Drohung machte sich Madame Kurakin die Fürchterliche auf den Weg. Leia geriet in Panik, als sie Schritte nahen hörte. Von der strengen alten Tanzlehrerin hier unten beim Blaumachen erwischt zu werden, ohne eine halbwegs glaubhafte Ausrede wie zum Beispiel die mörderischen Krämpfe einer Blinddarmentzündung im Endstadium oder sonst ein akutes Leiden parat zu haben, war beinahe genauso schlimm wie von ihren Bodyguards auf offener Straße aufgegabelt zu werden. Sie musste hier weg. Aber wohin? Es gab im Grunde nur eine Möglichkeit ...
Mit einem Satz war Leia bei dem Wandschrank und drängte sich hastig zwischen ein Durcheinander aus Besen, Wischmops und Putzeimern.
Es war ihr Glück, dass sie in dem Sekundenbruchteil vor dem lautlosen Zuschwingen sorgfältig geölter Türscharniere noch die Umrisse eines Treppengeländers direkt neben sich entdeckte, sonst wäre sie vermutlich bei der ersten unbedachten Bewegung Hals über Kopf in den Keller hinuntergefallen, zu dem der angebliche Wandschrank unerwarteterweise Zugang gewährte. Aber so stand sie nur mit wild klopfendem Herzen in der plötzlichen Dunkelheit und tastete sich schließlich zaghaft eine Menge schmale steile Stufen in die unbekannte Tiefe hinab.
Als ihr Fuß wieder ebene Erde erreichte, wagte sie mit weit ausgestreckten Armen ein paar unsichere Schritte vorwärts, bis sie gegen eine Wand stieß. Eine hastige Untersuchung dieses Hindernisses förderte endlich einen altmodischen Lichtschalter zutage. In dem trüben Licht einer mit Spinnweben verbrämten Glühbirne sah sie sich voller Neugier um. Ein paar mit Kartons vollgestopfte Regale, ein ausrangiertes Cimbarolo, jede Menge Gerümpel ... und eine weitere Tür!
Einen Augenblick später hüpfte Leia voller Triumph in einen engen düsteren Hinterhof voller Müllcontainer hinaus. Das war genau das, wonach sie gesucht hatte! Jetzt trennte sie nur noch eine hohe Ziegelsteinmauer von ihrem Abenteuer.
Sie rollte eine der unangenehm müffelnden Mülltonnen direkt an die Mauer heran und kletterte hinauf. Der dünne Kunststoffdeckel ihrer Ersatzleiter wölbte sich unter ihrem Gewicht mit einem bedenklichen Knacken nach innen, aber Leia hatte jetzt ganz andere Sorgen. Diese Mauer war wirklich hoch (und mit Flechten und Moos bewachsen, igitt!) und ein langer Rock aus einem extrem leicht zerreißbaren Stoff war genauso wenig für ernsthafte sportliche Aktivitäten geeignet wie ein schicker, aber dafür reichlich enger Mantel. Aber versuchen musste sie es trotzdem.
Unter Einsatz all ihrer Kräfte hievte sich Leia mühsam auf die Mauerkrone hinauf. Natürlich blieb ihr Rock mit einem verräterischen RRRATSCH! an irgendeinem kantigen Vorsprung hängen – wie hätte es auch anders sein können? Sie fluchte leise vor sich hin, aber da der Schaden nun schon angerichtet war, warf sie alle Bedenken über Bord und befreite sich mit einem entschlossenen Ruck. Den langen hässlichen Riss, der sich jetzt durch den Rock zog, und die traurig herabhängenden Tüllfetzen ignorierte sie einfach. Leia vergeudete niemals ihre Energie darauf, sich über Unvermeidliches aufzuregen.
Das galt übrigens auch für die Herausforderung, die ihr jetzt bevorstand. Der Aufstieg war ja relativ einfach gewesen, aber wie um Himmels willen sollte sie wieder von ihrem ungemütlichen Sitz in luftiger Höhe herunterkommen? Leider standen auf der anderen Seite der Mauer keine Mülltonnen oder andere nützliche Gegenstände herum. Leia würde wohl nichts anderes übrig bleiben als zu springen ...
Die Landung auf dem Gehweg war hart genug, um einen scharfen Schmerz durch ihren linken Knöchel zucken zu lassen, doch ernsthaft verletzt war sie nicht, wie Leia feststellte, als sie sich wieder aufgerappelt hatte. Leicht hinkend, aber voller Zuversicht machte sie sich auf den Weg zu ihrem Treffpunkt. Weit hatte sie es Gott sei Dank nicht ...
Die inzwischen so vertraute silberfarbene Schwebelimousine mit dem anmutig verschlungenen Lackstreifendesign wartete nur zwei Straßen weiter. Leias Herz schlug unwillkürlich höher, als sie die bunten Wimpel auf der Kühlerhaube fröhlich im Wind flattern sah. Das vielfarbige Wappen, das einen von Sternen umringten blühenden Baum darstellte, hatte in ihren Augen eine Symbolkraft, die dem allgegenwärtigen imperialen Hoheitsabzeichen völlig abging. Es war ein Symbol für Leben, Wachstum, natürliche Schönheit, eine jahrhundertealte Kultur. Es verkörperte alles, was das monochrome, übertrieben künstlich stilisierte Sonnenemblem des Imperiums in seiner sterilen Kälte schon aus Prinzip zu verachten schien ...
Gerade als sich die Tür zu dem Fahrgastabteil mit einem diskreten Summen vor ihr öffnete, entdeckte Leia in dem spiegelnden dunkel getönten Glas der Scheiben, dass sie reichlich zerzaust aussah und ihr Mantel einen scheußlichen grünlichen Schmierstreifen aufwies. Konsterniert raffte sie wenigstens ihren zerrissenen Rock ein wenig zusammen und glitt dann so ladylike wie nur möglich auf die pflaumenblauen samtweichen Lederpolster, was natürlich idiotisch war, wenn man bedachte, dass sie noch nie in ihrem Leben so wenig ladylike ausgesehen hatte wie hier und jetzt. Aber Haltung war eben alles, nicht wahr – ganz besonders dann, wenn man gerade aussah wie ein Straßenkind auf der Flucht oder irgendetwas in dieser Art...
„Tut mir Leid, tut mir schrecklich Leid, dass ich so spät dran bin ... aber es war heute wirklich unglaublich schwierig, da rauszukommen ... und jetzt haben wir nur noch so wenig Zeit ... ich muss ja praktisch gleich wieder zurück", hauchte sie atemlos und ziemlich überstürzt.
Sie konnte fühlen, wie ihr Gesicht zu glühen begann und das nicht nur wegen ihrer Verspätung oder dem wild bewegten Anblick, den sie bot. Denn in ihrem Bedürfnis, sich für ihre Unpünktlichkeit zu rechtfertigen, hatte sie nicht nur einen richtigen Wortschwall ohne Punkt und Komma herausgesprudelt, sondern auch noch völlig vergessen, ihr Gegenüber erstmal zu begrüßen. Wie ungezogen von ihr, wie plump und unhöflich, wie ... unkultiviert! Was musste er nur von ihr denken?
„Oh! Guten Tag, Hoheit. Wie geht es Ihnen?" sagte sie sehr schnell und sehr verlegen und hielt ihm gleichzeitig ihre ebenfalls nicht allzu saubere Hand hin, um all ihre Versäumnisse auf einen Schlag wieder gut zu machen.
Eine sorgfältig manikürte Männerhand kam zum Vorschein und umschloss ihre immer etwas raue Schulmädchen-Pfote mit einem festen, warmen Griff. Braune Augen erwiderten Leias Blick mit einer wohlwollenden Offenheit, die das amüsierte Funkeln in ihren Tiefen sofort von jedem Verdacht des Spotts freisprach. Doch erst als er sie voller Zuneigung und ohne jeden Vorwurf anlächelte, atmete Leia auf – sie vergaß immer wieder, dass sie sich bei ihm absolut sicher fühlen konnte, dass sie von ihm niemals die vernichtende Kritik fürchten musste, der sie sonst ständig ausgesetzt war.
„Auch Ihnen einen guten Tag, Leia. Mir geht es ausgezeichnet – wie immer, wenn ich Sie sehe", sagte er.
Bei jedem anderen hätte Leia hinter dieser kleinen Galanterie sofort Speichelleckerei gewittert. Aber nicht bei ihm, nein. Sie kannte keinen Menschen, der die zweihundertprozentige Aufrichtigkeit dieses Mannes übertroffen hätte – jedenfalls nicht auf dieser Welt voller Kriecher und Heuchler. Er war tatsächlich einzigartig – zumindest was Leias stark eingeschränkten Bekanntenkreis anging.
„Aber ich muss zugeben, dass ich mir schon Sorgen um Sie gemacht habe", fuhr er auf seine leichte angenehme Weise fort. „Ich wollte gerade wieder auf und davon, weil ich mir gedacht habe, dass es Ihnen nach Ihrem kleinen ... nun ja ... Missgeschick letztes Mal wahrscheinlich gar nicht mehr möglich ist, sich hier mit mir zu treffen."
Leia seufzte, als sie an die Folgen ihres kleinen „Missgeschicks" erinnert wurde.
„Ich fürchte, es wird hier auch nicht mehr möglich sein", gestand sie. „Ich glaube nicht, dass ich mich noch mal klammheimlich aus dieser Anstalt für Dressur und musikalische Kindesmisshandlung rausschleichen kann." Sie musste selber über ihre kleine humoristische Einlage lächeln, wenn auch ein wenig schuldbewusst.
„Es wäre nämlich einfach verheerend, wenn sie mich noch mal hier draußen schnappen würden", sagte sie leise. „Sie würden es IHM erzählen ... und danach würden sie mich wahrscheinlich nie wieder auch nur eine Sekunde lang aus den Augen lassen."
„Keine Angst, das wird nicht geschehen. Wir lassen uns einfach etwas anderes einfallen, ja?"
Leia nickte, sofort wieder voller Optimismus, denn wenn irgend jemand den Bogen raus hatte, sobald es um raffinierte Versteckspiele oder um ähnlich fintenreiche Jongleurkunststücke direkt vor misstrauischen imperialen Augen ging, dann ihr Mentor. Er war so klug, so geschickt, er steckte voller Ideen und ungeahnter Ressourcen, er kannte alle möglichen und unmöglichen Tricks. Das war auch gut so, denn sein Leben hing davon ab. Sein Leben und das vieler anderer Leute. Einige dieser Leute hoffte Leia irgendwann kennenzulernen, aber das konnte noch dauern. Er war vorsichtig. Sehr vorsichtig. Er hatte auch allen Grund dazu ...
„Ich habe Ihnen übrigens eine kleine Überraschung mitgebracht."
Sein Lächeln wurde breiter, gewann an Wärme und Herzlichkeit, als seine Hand in seiner Manteltasche verschwand und mit einem kleinen Gegenstand in seiner geschlossenen Faust wieder auftauchte.
„Wie wäre es mit einer längst überfälligen Nachricht von einer guten alten Freundin?"
Er kniff verschwörerisch ein Auge zu und ließ dann einen rhombenförmigen Datenkristall verführerisch vor Leias Nase hin und her pendeln.
„Siri!" rief sie erfreut und griff nach dem Datenkristall.
Er zog seine Hand sofort wieder zurück, langsam, neckend, spielerisch und gerade so weit, dass sie außerhalb von Leias Reichweite blieb.
„Nicht so schnell", sagte er vergnügt. „Machen wir das lieber von Anfang an streng nach Vorschrift, damit wir uns daran gewöhnen und es Routine ist, wenn es wirklich mal darauf ankommt. Also was war noch mal Regel Nummer Eins in dem berühmt-berüchtigten HABUFAS?"
Leia lachte. Das HABUFAS oder eigentlich „Handbuch für Amateurspione" war seit Monaten ein stehender Witz zwischen ihnen, zumal ihr Mentor immer wieder mit todernster Miene, aber mit einem winzigen Zucken um die Mundwinkel zu behaupten pflegte, dass dieses obskure Regelwerk tatsächlich existierte. Dass er über solche Dinge Witze reißen konnte, gehörte zu den Eigenschaften, die Leia an ihm zu schätzen wusste.
Von dem unvermeidlichen Spaßfaktor einmal abgesehen, war das imaginäre HABUFAS aber auch jetzt schon durchaus nützlich. Und eines nicht allzu fernen Tages würde das Befolgen seiner garantiert ungeschriebenen Regeln vielleicht sogar lebenswichtig sein. Noch war alles nur ein Spiel, aber es war ein Spiel mit einem zunehmend realistischen Hintergrund ...
„Treffen grundsätzlich nur an einem neutralen Ort, möglichst unauffälliges Verhalten und immer in Bewegung bleiben", dozierte Leia in einem gespielt oberlehrerhaften Tonfall, der ihr Gegenüber ebenfalls zum Lachen brachte.
„Na schön, neutral ist mein edles Gefährt ja nicht gerade, aber den Rest sollten wir noch hinbekommen." Er klopfte an die Glasscheibe, die sie von dem Fahrerkabine trennte. „Anatol, fahren Sie uns doch mal ein paar Runden um den Block. Und tun Sie es bitte so unauffällig wie nur möglich."
„Ich kann's ja versuchen, Sir. Aber dass wir mit DIESEM Schlitten NICHT auffallen wie ein rosarotes Bantha mit einer Neonreklame auf dem Rücken, das kann ich Ihnen jetzt wirklich nicht versprechen. Mit dem Teil hier sind wir in dieser Gegend nämlich ungefähr so unauffällig wie ein Leichenwagen auf einem Rummelplatz", klang es nonchalant zurück. „Vielleicht sollten wir für das nächste Mal doch lieber eine sechsspännige Hochzeitskutsche mieten oder eine fliegende Würstchenbude oder ..."
„Danke, Anatol! Ich werde diese Vorschläge ernsthaft in Erwägung ziehen."
Leia schmunzelte, als sich die Schwebelimousine in Bewegung setzte und auf unsichtbaren Repulsorfeldern dicht über der Straße dahin glitt. Ihr eigener Chauffeur hätte es niemals gewagt, so mit seinem Brötchengeber zu sprechen. (Vader hegte eine intensive Abneigung gegenüber exzentrischem Personal und schreckte nie davor zurück, seine Unzufriedenheit mit unangemessenem Benehmen so drastisch wie nur möglich unter Beweis zu stellen. Fristlose Kündigungen wie bei Siri Te'Relkin wurden nur äußerst selten ausgesprochen. Und Beileidskundgebungen gegenüber den trauernden Hinterbliebenen von ehemaligen Angehörigen des Personals überhaupt nicht!)
Aber Mr. Anatols Brötchengeber hatte offenbar nichts gegen kleine Extravaganzen wie einen saloppen Umgangston einzuwenden. Er schmunzelte ebenfalls, als er sich zu Leia hinüber beugte und den Datenkristall endlich in ihre Handfläche fallen ließ.
„Und wie war das mit Regel Nummer zwei?" fragte er augenzwinkernd.
„Sofort lesen, Inhalt einprägen und gleich wieder löschen", verkündete Leia.
„Richtig, aber das ist hier leider nicht möglich. Also nehmen Sie das Ding ausnahmsweise mit nach Hause und lesen Sie es dort in aller Ruhe, bevor Sie es wieder in einen Zustand von Reinheit und Unschuld versetzen. Und bis es so weit ist, lassen Sie es bitte auf keinen Fall herumliegen, junge Dame."
„Niemals!" schwor Leia und steckte den Datenkristall ein. „Ich habe Ihnen übrigens auch etwas mitgebracht, Hoheit."
Sie kramte das leicht zerknitterte Flugblatt heraus und präsentierte ihm voller Stolz ihr Werk.
„Es geht um Tullzaar", erklärte sie, was eigentlich überflüssig war, denn schließlich verriet schon die Überschrift, worum es ging – in fett gedruckten knallroten Großbuchstaben und in der größten Type, die Leias Drucker oder vielmehr das Papierformat hergab, um die Dramatik der Situation gebührend zu unterstreichen.
Ihr Begleiter studierte ihren Flyer mit einem konzentrierten Interesse, das schmeichelhafter war als jedes Kompliment, das er ihr hätte machen können.
Aber natürlich freute sie sich trotzdem, als er sie ansah und voller Enthusiasmus sagte: „Gut gemacht, Leia, wirklich gut! Sie haben die Sache auf den Punkt gebracht und Ihre Ausdrucksweise wahrt genau die richtige Balance zwischen Sachlichkeit und Emotion. Jetzt müssen wir nur noch dafür sorgen, dass Sie genug Leser dafür finden."
„Ach, das ist kinderleicht!"
Und Leia verbreite sich mit so viel Feuereifer über ihren beinahe perfekten Plan, dass es ein paar Minuten dauerte, bis sie merkte, dass ihr Mentor jetzt nicht mehr ganz so begeistert aussah.
„Ist wohl nicht so gut, meine Idee, was?" erkundigte sie sich leicht ernüchtert.
„Gut schon, Leia, aber einfach zu gefährlich für Sie. Nein, warten Sie einen Augenblick", sagte er rasch, als er sah, dass ihr Mund sofort widerspruchsbereit aufklappte. „Mir ist klar, dass Sie darauf brennen, endlich selber in Aktion zu treten. Aber wenn Sie sich uns wirklich anschließen wollen, dann ist das Erste, was Sie lernen müssen, das sorgfältige Abwägen zwischen Risiko und Effektivität einer Operation. Es gibt Dinge, für die es sich lohnt, seinen Kopf zu riskieren, Dinge, für die jeder von uns ohne zu zögern den eigenen Tod in Kauf nehmen würde. Aber das Verteilen von Flugblättern gehört nicht dazu. Sie werden für uns eines Tages unglaublich wertvoll sein, mein Kind, daran besteht nicht der geringste Zweifel. Aber Sie werden niemandem etwas nützen, wenn Sie heute schon wegen ein paar Flyern die Aufmerksamkeit des Imperiums auf sich ziehen."
Leia war maßlos enttäuscht. Nein, mehr als nur enttäuscht. Sie war ... am Boden zerstört, ja, genau das. Sie hatte sich so auf ihre erste eigene Aktion erfreut und jetzt...
Und was hieß hier überhaupt „mein Kind"? War es etwa das, was er in ihr sah, ein Kind? Aber sie war kein Kind mehr, schon lange nicht mehr. Sie war erwachsen – also gut, vielleicht nicht nach ihrem Geburtsdatum oder nach den Maßstäben imperialer Jurisdiktion, aber ... na ja ... innerlich eben. Ja, sie war sehr, sehr erwachsen und unglaublich reif für ihr Alter und ganz und gar vernünftig.
Zu peinlich, dass ihr trotz all ihrer Reife und Vernunft plötzlich Tränen in die Augen schossen, was nun wirklich grässlich kindisch von ihr war. Hoffentlich merkte er es nicht ...
Ein makelloses Taschentuch mit eingesticktem Monogramm flatterte sehr diskret auf ihren Schoß. Leia kämpfte mit ihrem Stolz, verlor und griff hastig nach dem Viereck aus weißer Seide, um ihr Gesicht wenigstens ein bisschen zu wahren, indem sie es für ein paar Sekunden versteckte.
Zwei halberstickte Schluchzer und ein geräuschvolles Naseputzen später kam sie wieder zum Vorschein und sagte zögernd: „Sie haben ja Recht. Es ist nur ..."
„Ich weiß", sagte er ruhig. „ Es ist für uns alle hart. Es fällt uns allen schwer, wenn wir immer nur warten und zusehen müssen, statt endlich zu handeln. Aber manchmal haben wir einfach keine andere Wahl. Manchmal müssen wir einfach Geduld haben und den richtigen Augenblick abwarten. Denn wir dürfen niemals vergessen, dass jeder von uns nur ein kleine Rädchen im Getriebe ist, dass wir alle nur Teil einer großen Bewegung sind, deren Sieg wir unter keinen Umständen aufs Spiel setzen dürfen. Und so etwas kann leider sehr leicht geschehen, wenn wir uns aus rein persönlichen Gründen unbedingt so schnell wie möglich als Held der Stunde sehen wollen."
Leia war bestürzt. Von diesem Standpunkt aus hatte sie es noch nie gesehen. Aber wenn sie ganz ehrlich mit sich selbst war, dann musste sie zugeben, dass sie tatsächlich auch aus persönlichen Gründen darauf aus gewesen war, ihre Flugblattaktion in einem waghalsigen Solo durchzuführen. Natürlich ging es ihr im Endeffekt um eine positive Veränderung auf Tullzaar. Doch sie konnte nicht leugnen, dass sie auch sehr daran interessiert war, sich bei gewissen Leuten ins richtige Licht zu setzen. Sie hätte sich zu gerne endlich als leidenschaftlich überzeugte Kämpferin für die Rechte der Armen und Unterdrückten profiliert – und sich auf diese Weise automatisch von dem verhängnisvollen Nimbus des Namens Vader befreit. Doch jetzt wurde sie mit der Erkenntnis konfrontiert, dass in diesem Wunsch auch ein Kern von Selbstsucht verborgen war, der ihr nie zuvor bewusst geworden war. Sie schämte sich dafür. Aber bevor sie dazu kam, diesen unangenehmen Gedanken weiter zu verfolgen, wurde ihr Arm ermutigend gedrückt.
„Keine Sorge, Leia. Ihre Stunde wird noch kommen – vielleicht sogar früher als Sie denken. Und Ihren Flyer hier nehme ich einfach mit. Ich habe nämlich Freunde, die Freunde haben, die auf solche Dinge spezialisiert sind. Wahrscheinlich wird in spätestens achtundvierzig Stunden ganz Imperial City Ihr Flugblatt lesen."
Leia war zutiefst beeindruckt und ziemlich kleinlaut noch dazu. Ganz Imperial City! Und sie hatte von ein paar hundert Exemplaren in einer einzigen Straßenschlucht geträumt! Sie würde sich daran gewöhnen müssen, in viel größeren Dimensionen zu denken ...
Sie sah in sein lächelndes Gesicht hinauf und fühlte sich plötzlich tatsächlich sehr jung und sehr unwissend. Kein Wunder, dass er sie noch für ein Kind hielt. Vielleicht hatte er auch hierin Recht. Vielleicht war sie doch noch nicht so erwachsen, wie sie immer geglaubt hatte ...
Die Limousine hielt abrupt an.
„Da vorne bauen sie gerade eine Straßensperre auf, Sir. Und da schwirren jede Menge Bullen rum. Das sieht gar nicht gut aus", sagte Anatol.
Leia reckte ihren Hals und spähte durch die getönte Frontscheibe, die zum Glück einen hervorragenden Sichtschutz bot. Von außen konnte niemand in die Limousine hineinsehen und das war auch besser so: Direkt vor ihnen standen nämlich zwei Polizeitransporter links und rechts auf den Seitenstreifen. Ein paar schwarz uniformierte Männer mit Helmen und schusssicheren Westen zerrten etwas, das wie ein stabiler Maschendrahtzaun aussah, aus einem der Transporter heraus und zogen ihn quer über die Straße, um ihn an dem Kühlergrill des zweiten Transporters zu verankern.
Irgendwo im Hintergrund konnte Leia einen undefinierbaren Lärm hören, eine Art Brausen und Summen, das an ein aufgestacheltes Hornissennest erinnerte – oder an eine aufgebrachte Menschenmenge. Aus einer Nebenstraße tauchte unvermutet ein AT-ST auf, überquerte die behelfsmäßige Barrikade mit einem großen schaukelnden Schritt und stakste mit quietschenden Hydraulikgelenken in Richtung Lärmquelle davon.
„Oh nein! Irgendwo da vorne muss eine Demonstration sein", murmelte Leias Begleiter. „Die armen Leute. Wenn man nur ..."
„Achtung!" zischte Anatol.
Einer der Polizisten war plötzlich auf sie aufmerksam geworden und entfernte sich von seiner Einsatzgruppe, kam direkt auf sie zu.
Leia glitt sofort von ihrem Sitz hinunter und kauerte einen unbequemen Augenblick lang unentschlossen auf allen Vieren in dem engen Fußraum, bevor sie sich wie eine Katze zusammenrollte und sich so klein wie nur möglich machte. Die Sprungfedern in den Sitzpolstern knirschten protestierend, als jemand über ihr sich hastig und heftig bewegte, dann sank etwas Schweres, Samtiges leise raschelnd auf sie herab und deckte sie zu, hüllte sie in Dunkelheit, um sie vor neugierigen Augen zu verbergen.
Sie konnte hören, wie der Wagenschlag geöffnet wurde und eine amtliche Stimme wichtigtuerisch schnarrte: „Durchfahrt verboten! Drehen Sie sofort um und fahren Sie zurück, Mister!"
Und dann wieder Anatols Stimme, jetzt sehr respektvoll und mit dem typischen Unterton unterwürfiger Kooperationsbereitschaft, der von braven Bürgern auch erwartet wurde, sobald sie es mit einem Hüter von Recht und Ordnung zu tun bekamen.
„Natürlich, Officer, sofort! Aber was ist da vorne eigentlich los? Ein Massenunfall? Ein Reaktorleck? Ein Volksaufstand?"
„Das geht Sie gar nichts an! Kümmern Sie sich gefälligst um Ihre eigenen Angelegenheiten", schnappte das Auge des Gesetzes herrisch.
„Aber, aber, Officer! Man wird doch wohl noch fragen dürfen, oder?"
„Nein! Und jetzt sehen Sie zu, dass Sie Ihre klotzige Karre endlich hier wegschaffen, bevor ich Ihnen einen saftigen Strafzettel UND einen kräftigen Tritt in den Hintern verpasse."
„Das wird nicht nötig sein, aber trotzdem vielen Dank für das nette Angebot, Officer. Einen schönen Tag noch!"
Der Wagenschlag wurde mit aller Kraft und einem wahrscheinlich behördlich genehmigten Abscheu vor jedem einzelnen Mitglied einer zunehmend dreisten Zivilbevölkerung zugeknallt. Anatol kicherte vor sich hin.
„Also wirklich, Anatol!"
Doch der Fahrer blieb völlig unbeeindruckt von dem milden Tadel seines Arbeitgebers. „Sorry, Sir, aber DAS war nötig, sonst wäre ich geplatzt."
Dieses Argument wurde kommentarlos akzeptiert. Die Limousine wendete behutsam und schnurrte auf demselben Weg zurück, den sie gekommen war.
„Sie können jetzt ruhig wieder aus der Versenkung auftauchen, Leia."
Leia schüttelte ihre Verhüllung ab, blinzelte, erkannte, dass das, was sie für eine simple Decke gehalten hatte, in Wirklichkeit der teuer aussehende Umhang ihres Begleiters war, und krabbelte wieder auf ihren Sitz. Sie gab den Mantel an seinen Besitzer zurück, der es nur unter komplizierten Verrenkungen schaffte, sich wieder in das kostbare Stück hinein zu winden. (Wenn man nicht gerade die scheinbar völlig knochenlose Biegsamkeit eines Schlangenmenschen besaß, dann hatten sogar Luxuslimousinen ihre Tücken, sobald man sie als Umkleidekabinen zu benutzen versuchte.)
„Das war ganz schön knapp", sagte Leia nachdenklich. „Was für ein Glück, dass der Bulle ... äh ... Polizist mich nicht gesehen hat. Er hätte mich bestimmt erkannt. Und es wäre schlimm, wenn man uns zusammen sehen würde, wirklich schlimm. Ich meine, gerade jetzt, wo ER auf Coruscant ist und so."
„Ja. Aber es ist ja noch mal gut gegangen. Und im schlimmsten Fall hätten wir uns einfach schnell irgendeine Geschichte ausgedacht. Über dieses Thema sollten wir uns überhaupt mal bei Gelegenheit unterhalten, Leia, denn ewig werden wir unsere kleinen Treffen ohnehin nicht geheim halten können. Und wir sollten darauf vorbereitet sein, wenn das Unvermeidliche passiert, nicht wahr?"
Leia war voller Bewunderung. Dieser Mann dachte einfach an alles! Nichts konnte ihn jemals überraschen – oder jedenfalls nicht so sehr, dass er völlig aus der Rolle fiel und sich hoffnungslos verplapperte, wie es bei ihr selbst leider durchaus vorkommen konnte.
Die Limousine hielt erneut an, aber dieses Mal sehr viel sanfter.
„Wir sind da", meldete Anatol.
„Und auf die Minute pünktlich, wie ich sehe", sagte Leias Begleiter nach einem Blick auf sein Armbandchrono. „Ich fürchte, wir müssen uns für heute voneinander verabschieden, meine Liebe."
Leia dachte leicht beklommen an die Ziegelsteinmauer, die sich gleich vor ihr auftürmen würde wie die Steilwand des Mount Manassi, schier unüberwindlich und in hochmütiger Erhabenheit über sterbliche Zwerge, die sie zu erklimmen wagten wie größenwahnsinnige Ameisen eine Fahnenstange. Sie seufzte ein wenig. Für das, was ihr jetzt bevorstand, hätte sie wirklich gerne eine Bergsteigerausrüstung zur Verfügung gehabt.
„Gibt es irgendein Problem?"
„Na ja, irgendwie schon." Und Leia schilderte den fälligen Kraftakt.
Er nahm es mit Humor wie alles andere auch.
„Also wenn es weiter nichts ist ... Ich habe es Ihnen nie erzählt, aber als Junge habe ich praktisch meine ganze Freizeit damit verbracht, auf Bäumen herumzukraxeln. Und eines können Sie mir glauben, Leia, wer auf eine von unseren Zirbelkiefern hinaufkommt, der kommt überall hinauf. Sehen wir uns Madame Kurakins hauseigene Klagemauer doch mal gemeinsam an."
Erleichtert kletterte Leia aus der Limousine, dicht gefolgt von ihrem ausgesprochen ritterlichen Retter. Das Leben konnte ja so einfach sein, wenn alles wie am Schnürchen lief ...
„Hallo Schwesterherz! Schön, dich zu sehen. Aber weißt du was? IRGENDWIE habe ich mir deine Freundin GANZ ANDERS vorgestellt!"
Leia wirbelte herum. Keine drei Schritte von ihr entfernt stand Luke, so plötzlich und unerwartet, als wäre er vom Himmel gefallen ...
Wären die Götter gnädig gewesen, dann hätte es in diesem Augenblick ein Erdbeben der Stärke Zehn gegeben und die Straße hätte sich unter Leias Füßen aufgebäumt wie ein scheuendes Pferd, um sich gleich danach zu öffnen und sie für immer und ewig in einer bodenlos tiefen Spalte verschwinden zu lassen. Aber die Götter zogen es offensichtlich vor, sich nicht einzumischen, und deshalb musste Leia jetzt hier stehen und ihren Bruder anstarren, dessen Gesicht eine einzige Studie in Verrat war.
Ein Maler hätte seine helle Freude daran gehabt und wahrscheinlich eine Menge Credits dafür gegeben, um Lukes Gesichtsausdruck in einem sensationellen Porträt verewigen zu dürfen. Aber Leia schlug die Augen nieder vor diesem glühenden blauen Blick, der ohne Weiteres Durastahl zum Schmelzen gebracht hätte, und wünschte sich einfach nur weit, weit weg.
„Hallo Luke", sagte sie nach einer Schrecksekunde matt. „Wie ... wie war dein Film?"
*Fortsetzung folgt ...
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