„... und jetzt ... HECHEL, HECHEL ... unterhalten wir uns ein wenig über den ... RÖCHEL, RÖCHEL ... Standort Eures Rebellenstützpunktes ... KEUCH, SCHNAUF ... Hoheit!" grollte der maskierte schwarze Gigant drohend.
Ein Wink mit seiner behandschuhten Pranke und schon schwebte ein absolut lächerlicher Apparat, der scheinbar den verhörtechnischen Alptraum aller Schmalspurterroristen darstellen sollte, unheilschwanger surrend durch die Gefängniszellen-Kulisse, eine monströse Spritze in einem völlig absurden Winkel in das Ende eines pathetisch ausgestreckten Greifarms gezwängt.
Aber die in jungfräuliches Weiß gehüllte Prinzessin hatte (genau wie zahllose andere wohlgeformte Leinwandheldinnen in ganz ähnlichen Nöten!) natürlich nichts Besseres zu tun, als sich auf ihrer Pritsche zusammenzukauern wie ein verschrecktes Kaninchen und schicksalsergeben der Dinge zu harren, die da kommen sollten, statt einfach aufzuspringen und sich mit Zähnen und Klauen und Stiefelabsätzen auf ihren finsteren Kerkermeister zu stürzen, wie es in der Realität wohl jede Frau getan hätte, die der Folter oder ganz allgemein einem Schicksal schlimmer als der Tod entgegensah ...
Doch Darth Vader hing trotz dieses hoffnungslos lebensfremden Szenarios vollkommen fasziniert in den Polstern seiner Arbeitszimmer-Ledercouch und starrte wie gebannt auf den zwei Meter breiten Holovidschirm an der Wand, der jedes einzelne Härchen der sorgfältig getuschten Wimpern um Prinzessin Lyras panisch weit aufgerissene Smaragdaugen erkennen ließ. Er war wirklich beeindruckt und das lag definitiv nicht nur an dem schicken Kostüm des Oberschurken. (Obwohl Vader diesen Helm doch ein ganz klein wenig übertrieben fand – genau wie dieses ganze demonstrative Lungenemphysem-Gejapse. Der Umhang dagegen war eindeutig ... na ja ... schick. Und der Rest irgendwie sexy, oder nicht?)
Am meisten fesselte ihn jedoch die offensichtliche Anspielung auf die Jedi ... uuups ... pardon! ... SITH-Fähigkeiten des schwer atmenden Lord Flaydars. Das konnte natürlich ebenso unmöglich ein Zufall sein wie die ultimative Massenvernichtungswaffe, von der hier ständig die Rede war – eine Waffe, die übrigens eine bemerkenswerte und höchst verdächtige Ähnlichkeit mit einem streng geheimen Militärprojekt von Vaders Imperium aufwies!
„TODESSTERN!" donnerte Vader mitten in eine besonders martialische Sequenz des Soundtracks hinein. Er lauschte dem Klang des Wortes nach. Er fand, es klang irgendwie ... passend.
Und natürlich konnte er jetzt sehr viel besser verstehen, warum der Chef der Coruscanter Zentrale des Imperialen Sicherheitsbüros am Rand eines totalen Nervenzusammenbruchs stand und ihn vorgestern mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt hatte, um unter hysterischem Geschrei darauf zu bestehen, dass der Film mit dem ebenso klangvollen Titel „Krieg der Sterne" a) sofort und bis ans Ende aller Zeiten verboten, vernichtet und am besten gleich mit einem todbringenden Fluch belegt wurde und b) möglichst noch vor diesen drastischen Maßnahmen von Seiner Lordschaft höchstpersönlich begutachtet, verurteilt und auf immer und ewig in den Neunten Kreis der Sith-Hölle verbannt wurde, denn
... „... wir müssen HANDELN, bevor dieser Rebellenabschaum von der ganzen Sache Wind bekommt, Mylord!"
Das fand Vader inzwischen übrigens auch, denn obwohl er normalerweise all diese Geheimdienstfreaks für eine Bande von paranoiden Nerds hielt, musste er zugeben, dass sie manchmal sogar Recht hatten – nicht sehr oft, aber immerhin. Und aus diesem Grund hatte er irgendwie das dunkle Gefühl, dass ein gewisser Gorgo Lucassa (ein amerigorianischer Filmproduzent, der auch Regisseur und Drehbuchautor dieses fiktiven Sternenkrieges war) sehr bald unerwarteten Besuch bekommen würde und zwar nicht von begeisterten Fans auf der Jagd nach Autogrammen und überteuerten Merchandising-Artikeln, sondern von ziemlich übellaunigen Agenten des ISB auf der Jagd nach Rebellensympathisanten und ähnlich kriminellen Elementen.
Und zweifellos würde der unglückselige Mr. Lucassa kurz darauf eine echte Gefängniszelle von innen kennenlernen und das gründlich und noch dazu unter der intensiven Fürsorge eines ganz und gar realistischen Verhördroiden. (Ein Gerät, das vielleicht nicht ganz so unheimlich aussehen mochte wie sein Filmdouble, aber dafür wesentlich effizienter war, wenn es darum ging, Informationen oder Geständnisse oder auch beides aus unkooperativen Häftlingen herauszukitzeln.) Auf jeden Fall würde Mr. Lucassa eine ganze Menge erklären und vor allem die wahrscheinlich käuflichen Quellen seiner künstlerischen Inspiration freilegen müssen. (Und in diesem Fall würden bald noch sehr viel mehr Leute unerwarteten Besuch bekommen – den allerletzten Besuch ihres Lebens!)
Aber es ließ sich einfach nicht abstreiten, dass dieser Film das gewisse Etwas hatte...
Na schön, die verschiedenen Kampfszenen entlockten Vader nur ein verächtliches Schnauben. Also wirklich, das war einfach ZU unglaubwürdig! Unter SEINEM Kommando wäre jedenfalls jeder Soldat oder Pilot, der bei Feindkontakt eine so auffällig miserable Trefferquote an den Tag legte, sofort unter dem Verdacht der Kollaboration vor dem Kriegsgericht gelandet. Oder einfach gleich draußen im All – und das OHNE Schutzanzug!
Andere Dinge dagegen waren unfreiwillig komisch wie zum Beispiel dieser verbeulte wandelnde Mülleimer, der mit seinem eigenwilligen Freiheitsdrang sogar Lukes unerträglichen Astromech-Droiden in den Schatten stellte, oder auch dieser fliegende Schrotthaufen von Schmugglerschiff, der angeblich die stolzesten Kreuzer eines rein hypothetischen Imperiums mühelos abhängen konnte.
Manche Szenen waren aber auch ärgerlich und ziemlich bedenklich noch dazu. Das ganze Geschwafel dieses senilen alten Zausels von einem Zauberer (eine Figur, die Vader übrigens unangenehm an eine ausgesprochen LÄSTIGE Person aus seiner Vergangenheit erinnerte!) enthielt eindeutig Rudimente der verkalkten Jedi-Philosophie, was in einer modernen fortschrittlichen Gesellschaft wie dem Imperium ein absolutes No-Go war. Und schon das allein hätte ausgereicht, um diesen Film auf die Schwarze Liste zu setzen und ein langes, ernsthaftes Gespräch mit seinem offensichtlich lebensmüden Schöpfer zu führen ...
Und doch: Irgendwie war es trotzdem schade, dass niemand außer Vader und ein paar Kunstbanausen von ISB-Agenten diesen Film jemals in voller Länge zu Gesicht bekommen würde. (Denn selbstverständlich würden alle Kopien von „Krieg der Sterne" umgehend zerstört werden bis auf ein einsames Restexemplar für das Zentralarchiv.) Und genau deshalb streckte Vader jetzt behaglich seine langen Beine aus und genoss dieses fragwürdige, aber durchaus unterhaltsame Popcorn-Epos so gut wie es ohne Popcorn eben ging ...
Der fehlgeleitete junge Held, der brandgefährliche magische Qualitäten an den Tag legte (weshalb der Schwarze Magier vernünftigerweise versucht hatte ihn aus dem Weg zu räumen!), hatte gerade mit einem unwahrscheinlichen Glückstreffer den Todesstern in einen spektakulären (und dank Vakuum völlig unmöglichen!) Feuerball verwandelt ...
... und Vader erging sich immer noch in Hohn und Spott über Lord Flaydars Fehlschlag („Versager!") und die hirnrissige Unfähigkeit von Ingenieuren, die die Sicherheit einer ganzen Raumstation durch eine völlig ungeschützte Abluftöffnung riskierten („Vollidioten!"), als unerwartet die Tür aufflog und etwas in sein Arbeitszimmer hereingeschossen kam, das über beinahe genauso viel Energie verfügte wie der mörderische Protonentorpedo von Lucian Skyrunner.
„HEY DAD!"
Glücklicherweise war die Magie oder vielmehr Macht zumindest in DIESEM Universum viel schneller als eine Fernbedienung und daher zeigte Vaders Holovid nur noch eine harmlose Dokumentation über die Sommerwanderungen der Zugvögel von Balinevo, als sein Sohn mit quietschenden Schuhsohlen vor ihm stehenblieb. Und das war auch gut so, denn der Junge hatte sich während des gemeinsamen Frühstücks so lange und so laut über die sinnlose Tyrannei der imperialen Zensur ereifert, dass Vader es aus rein pädagogischen Gründen für unklug hielt, sich von seinem Sprössling dabei erwischen zu lassen, wie er sich etwas ansah, dass er selbst erst vor wenigen Stunden ein wenig pompös als potenzielle Volksverhetzung mit garantiert jugendgefährdender Rebellenpropaganda verdammt hatte.
„Störe ich?" fragte Luke mit einem anzüglichen Blick auf die kreisenden und kreischenden Vogelschwärme über der balinevischen Arktis.
„Und wenn es so wäre? Würde dich das davon abhalten?" fragte Vader trocken zurück.
Sein Sohn ließ sich prompt neben ihm auf die Couch fallen, was eine indirekte, aber unmissverständliche Antwort war.
„Dad, ich habe da ein Riesenproblem, über das ich unbedingt mit dir reden muss."
„Also wenn es schon wieder um deinen Führerschein geht: Meine Antwort ist immer noch nein! Der Verkehr in Imperial City ist auch ohne deine Flugkünste schon schlimm genug. Du kannst also ruhig warten, bis du siebzehn und wenigstens ein kleines bisschen erwachsen wirst, so wie jeder andere auch."
„Nein, es geht ausnahmsweise mal nicht um meinen Führerschein, sondern um etwas ganz anderes."
„So? Na, dann leg ruhig los – ich bin ganz Ohr."
Trotz dieser Ermutigung schien Luke ein kleines Problem damit zu haben, sich über sein Riesenproblem zu äußern. Er rutschte auf der Couch hin und her, fand und kaperte die Fernbedienung, die vergessen unter einem Polster ruhte, fingerte geistesabwesend an sämtlichen Tasten und Knöpfen herum, bis sein Vater ihm das Teil mit Hilfe der Macht aus der Hand pflückte und es auf seinem Schreibtisch in Sicherheit brachte (nur damit der Junge nicht doch noch aus Versehen auf den konfliktträchtigen Inhalt von Vaders Video-Player stieß!), und seufzte ein wenig vor sich hin.
Nach zehn Minuten äugte Vader sehr, sehr unauffällig auf sein Armbandchrono, stellte fest, dass er bis zu seinem nächsten Termin immer noch gute zwei Stunden Zeit hatte, und fasste sich in Geduld, was ihm mangels Übung nicht gerade leicht fiel.
„Wolltest du nicht über irgendetwas mit mir reden, Junge?" erkundigte er sich irgendwann, um seinem ungewöhnlich schweigsamen Ableger den Start zu erleichtern.
„Ja."
„Also dann ... Worüber?"
„Hmmm ...", sagte Luke, was nicht sehr hilfreich war, wie sein Vater fand. Nach dieser eher wortkargen Antwort verstummte er erneut.
Vader faltete die Hände und erinnerte sich in dem kontemplativen Schweigen, das nun eintrat, unwillkürlich an den vor Ratschlägen strotzenden Artikel in dem Elternmagazin, das er vor kurzem auf Padmés Nachttisch entdeckt hatte: „Dein Teenager – das unbekannte Wesen!"
Es war natürlich keineswegs so, dass ER es nötig gehabt hätte, sich von irgendwelchen wichtigtuerischen Seelenklempnern Belehrungen über den Umgang mit seinem Nachwuchs zu holen. Aber der Artikel war irgendwie trotzdem ganz interessant gewesen – insbesondere der Teil über den erstaunlichen Einfluss von ausgeschütteten Geschlechtshormonen auf die Gehirnaktivität bzw. auf die alarmierend reduzierte Logik adoleszenter Familienmitglieder.
„Das ist irgendwie viel schwieriger als ich es mir vorgestellt habe", teilte Luke schließlich mit.
„Was du nicht sagst", murmelte sein Vater.
„Dad?"
„Ja, Sohn?"
„Kann ich dich mal was fragen?"
„Tust du das nicht gerade?"
„Nein, eigentlich nicht", sagte Luke nachdenklich.
„Dann frag! Und zwar heute noch!"
„Dad?"
„Was ist?" schnappte Vader, dem langsam der Geduldsfaden riss, auch wenn die Erziehungs-Experten von „Pro Familia" offenbar der Meinung waren, dass Eltern sich jederzeit in einem Zustand heiterer Gelassenheit zu befinden hatten.
„Wir sind doch steinreich, oder? Ich meine, wir haben jede Menge Zaster, nicht wahr?"
„Materielle Dinge sind ohne jede Bedeutung, Junge", erwiderte sein Vater feierlich. „Es gibt Wichtigeres im Leben als Geld."
„Ja, klar. Ich meine, das kann man leicht sagen, wenn man genug davon hat. Aber wir haben wirklich ganz schön viel Kohle, oder?"
„Hmmm ...", sagte Vader, was nicht sehr hilfreich war, wie sein Sohn fand.
„Aber wenn wir die ganzen Moneten gar nicht brauchen und nicht mal wirklich wollen, warum haben wir sie dann überhaupt?"
Vader war jetzt doch LEICHT irritiert, zumal er immer noch keine Ahnung hatte, worauf Luke eigentlich hinauswollte.
„Warum? Nun ... weil eine Familie in unserer Stellung einen gewissen Lebensstandard aufrecht erhalten muss, weil nichts in dieser Galaxis umsonst ist und weil die Haftpflichtversicherung, die für deine vielen kleinen Unfälle aufkommt, erst noch gegründet werden muss, Junge! Übrigens habe ich heute noch etwas vor. Wie wäre es also, wenn du endlich auf den Punkt kommst?"
Luke zögerte und das ziemlich lange. Vader begann mit dem Fuß zu wippen, aber nur ganz diskret.
„Na ja, ich dachte nur, wenn wir schon so viel Kies haben, dann könnten wir ja auch ruhig mal etwas Sinnvolles damit anstellen", erklärte sein Sohn endlich.
„Kies. Moneten. Kohle. Zaster. Also wirklich, Junge, du hast das Vokabular eines Schmugglers", sagte Vader missbilligend. „Und was verstehst du schon unter sinnvoll?"
„Ich überlege mir nur, ob du jemals daran gedacht hast ... ob du dir überhaupt vorstellen könntest ... na ja ... ein Kind zu adoptieren."
Vader starrte seinen Sohn an, völlig entgeistert. Ein ungeheuerlicher Verdacht ließ seinen Atem stocken. Seine Gedanken schlugen Purzelbäume.
Fünfzehn Jahre! Fünfzehn! Ich hätte nie gedacht, dass er schon so weit ist. Er ist doch praktisch selber noch ein Kind... Wenn ich nur geahnt hätte, dass er...Ich wollte immer irgendwann mit ihm über diese Dinge reden, so ganz von Mann zu Mann. Sieht so aus, als wäre ich damit ein bisschen zu spät dran...
„Luke, hast du etwa Schwierigkeiten mit einem Mädchen? Ganz bestimmte Schwierigkeiten? Mit einem ganz bestimmten Mädchen?" fragte er matt. (Ja, sogar einen Sith-Lord konnte die gänzlich unerwartete Aussicht auf das allererste Enkelkind ein wenig aus der Fassung bringen.)
Aber auch Luke geriet jetzt aus dem Konzept. Was für ein Mädchen? Und was für Schwierigkeiten?
„Dad, ich glaube, du verstehst nicht ganz ..."
„Ich verstehe nur zu gut!" unterbrach Vader ihn hastig. „Keine Angst, Junge, das regeln wir schon. Aber vorher muss ich über gewisse Details Bescheid wissen. Also: Wer ist sie? Wo ist sie? Wie lange kennst du sie schon? Wie hast du sie überhaupt kennengelernt? Und wann und wie habt ihr beiden eigentlich ... Ah! Vergiss das! Das ist nicht so wichtig. Wichtig ist nur eins: Seit wann ist sie in diesem ... Zustand? Ich meine: Wann ist es denn so weit?"
Luke war inzwischen völlig konfus.
„Äh ... Wann ist was so weit? Dad, ich glaube, wir reden irgendwie aneinander vorbei."
Dieses Gefühl überkam Vader allmählich auch. Und wie immer schlug seine Verwirrung sofort in Aggression um. Er schlug mit der Faust auf die Armlehne der Couch, dass die Lederpolster in die Höhe hüpften.
„Ich will jetzt eine klare Antwort, Junge!" bellte er. „Ist deine Freundin schwanger oder nicht?"
„Welche Freundin, Dad? Es geht doch um meinen Freund!"
Vader sank gegen die Rückenlehne der Couch, jetzt ernsthaft erschüttert. Was zu viel war, war zu viel ...
„Großer Sith!" stöhnte er.
Nicht mein einziger Sohn, mein Stammhalter, der künftige Träger einer ganzen Dynastie, dachte er verstört.
Doch als er den halb verständnislosen, halb besorgten Blick seines missratenen Ablegers auf sich gerichtet fühlte, riss er sich zusammen, denn als Vater hatte er (laut Pro Familia!) nun einmal eine Vorbildfunktion zu erfüllen. Und ein besonders mannhaftes ... maskulines ... NORMALES Verhalten konnte nur positive Auswirkungen auf dieses arme, auf Abwege geratene Kind haben. Luke war doch noch so jung ... Möglicherweise war er noch gar nicht festgelegt in seiner kleinen ... Verirrung ...
War es nicht überhaupt ganz normal für Jungen in diesem Alter, dass sie ihre Erfahrungen sammelten, ganz verschiedene Erfahrungen mit ganz verschiedenen Partnern von ... ja ... ganz verschiedenen ... Geschlechtern? Vielleicht kam Luke ja mit der Zeit über seine Veranlagung hinweg – und das hoffentlich freiwillig!
Und wenn nicht – großer Sith! Alles, nur das nicht! –, dann war es eben Schicksal. Es war schließlich nicht das Ende der Welt. (Nicht wirklich!) Man musste auch Toleranz zeigen können – vor allem, wenn es um den eigenen Sohn ging ...
Vader presste seine Fingerspitzen so fest zusammen, dass er seine Knöchel knacken hören konnte, und versuchte krampfhaft tolerant zu sein. Aber irgendwie fühlte er sich gerade jetzt damit ein klein wenig ÜBERFORDERT!
„Und was genau ist mit deinem ... Freund, wenn ich fragen darf?" forschte er schließlich mit sorgfältig kontrollierter Stimme. (Da war allenfalls ein verräterisches kleines Vibrato in seinem Bariton, in dem sich ein nur mit eiserner Willenskraft unterdrücktes Gebrüll versteckte.)
„Du sollst ihn adoptieren", erklärte Luke. „Wenn es dir nichts ausmacht", fügte er schnell hinzu, als sein Vater zur Salzsäule erstarrte.
„ADOPTIEREN?" röhrte Vader so laut, dass ein Stubenmädchen draußen auf dem Flur mit einem erschrockenen kleinen Quieken ihren Staubwedel von sich warf und in die relative Sicherheit des Dienstbotentraktes floh. „SEI FROH, WENN ICH IHN NICHT TÖTE!"
„Ha, ha! Wirklich witzig, Dad", sagte Luke achselzuckend. „Aber jetzt mal im Ernst: Mars Leute sind einfach grauenhaft. Er will unbedingt Musik studieren und sie lassen ihn nicht. Sie zwingen ihn aus reiner Bosheit dazu, seine Zeit auf Carida zu vertrödeln. Wertvolle Zeit, die er eigentlich für eine Ausbildung als Fiedler braucht. Und du weißt ja, wie das auf Carida läuft, wenn jemand ein bisschen ... na ja ... anders ist. Es ist die reinste Folter für den armen Kerl. Er leidet Qualen."
„GUUUT!" zischte Vader und er meinte es auch so.
Luke ignorierte diese völlig widersinnige Antwort einfach.
„Ich brauche deine Hilfe, Dad", verkündete er. „Mar Shelmerdee – mein allerallerallerbester Freund! – braucht deine Hilfe. Also gib deinem Herzen einen Stoß, okay?"
Vader kochte schweigend vor sich hin, sozusagen auf kleiner Flamme. Er hatte keineswegs die Absicht, seinem Herzen einen Stoß zu geben. Aber Mar Shelmerdee, diesem schamlosen Verführer unschuldiger Kinder, hätte er ganz gerne einen Stoß gegeben. Einen besonders kräftigen Stoß von einer besonders hohen Landeplattform zum Beispiel ...
Doch sein verführtes unschuldiges Kind sah so treuherzig und unbefangen zu ihm auf, dass in Vader zum ersten Mal der erlösende Gedanke aufkeimte, dass hier möglicherweise einfach nur ein fundamentales Missverständnis vorlag.
„Shelmerdee ...", brummte er vor sich hin, um Zeit zu gewinnen. „Hat dieser Mar vielleicht irgendetwas mit Admiral Shelmerdee zu tun?"
„Ja. Nein. Kann sein. Keine Ahnung."
„Das war jetzt wirklich eine unglaublich informative Antwort, Junge!" klang es ironisch zurück.
„Du musst dich wirklich nicht immer gleich so aufregen, Dad. Das ist ganz schlecht für deinen Blutdruck, weißt du? Mar hat eben irgendeinen Onkel irgendwo in der Flotte. Woher soll ich wissen, wie der Typ heißt? Ich bin ihm noch nie begegnet.
Er könnte der Bruder von Mars Vater sein, dann heißt er natürlich auch Shelmerdee. Er könnte aber auch zur Familie von Mars Mutter gehören, dann hat er natürlich einen ganz anderen Nachnamen ... vor allem dann, wenn er ein ganz weit entfernter Verwandter ist ... so etwas wie ein Vetter dritten Grades oder ein Schwippschwager oder was auch immer ... Ja, genau! Vielleicht ist er gar nicht mal Mars richtiger Onkel, sondern wird von ihm einfach nur Onkel genant, weil alles andere viel zu umständlich wäre. Man kann jemanden schließlich nicht mit Vetter dritten Grades ansprechen, oder? Es wäre aber auch rein theoretisch möglich ..."
In Vaders Ohren erklang ein feines Rauschen – er könnte hören und fühlen, wie sein Blutdruck tatsächlich stieg und stieg, mit jeder Sekunde ungeahnte Höhen erklimmend, schwindelerregend ...
„... dass die ganze Verwandtschaft nur durch Mars Tante kommt. Dann wäre sie entweder die Schwester seiner Mutter oder seines Vaters ... wenn sie nicht gerade eine Cousine dritten Grades ist oder so was in der Art. Aber auf keinen Fall ist Shelmerdee ihr Mädchenname ... Und deshalb könnten die Leute im Grunde jeden Nachnamen im Kom-Nummernbuch von Imperial City haben. Aber wir können ja einfach Mar fragen. Wir werden ihn gleich anrufen und ihm sagen, dass ..."
„Luke?"
„Ja, Dad?"
„Halt den Mund!"
„Okay, Dad. Aber was machen wir jetzt nur mit dem armen Mar?"
„GAR NICHTS!" schrie Vader, der dringend Dampf ablassen musste. „Ich bin absolut sicher, Admiral Shelmerdee und seine Frau können sehr gut selber entscheiden, was sie mit ihren Neffen, Vettern oder Schwipp-Schwapp-Schwagern dritten Grades anfangen. Und ... großer Sith! ... ich beneide die beiden nicht um ihre Aufgabe! Wenn dieser Junge nämlich auch nur die geringste Ähnlichkeit mit dir hat, du Quälgeist, dann werden die Shelmerdees wahrscheinlich mit jedem Tag um zehn Jahre altern und lange vor ihrer Zeit an einem Schlaganfall eingehen!"
Das war natürlich das genaue Gegenteil der Reaktion, die Luke erhofft hatte.
„Ooooch!" sagte er langgezogen, um seinem Unmut über diesen Mangel an väterlicher Hilfsbereitschaft Ausdruck zu verleihen.
„Und fang jetzt bloß nicht an zu schmollen, Junge! Wir haben uns schon oft genug über dieses verrückte Helfersyndrom von dir unterhalten, aber scheinbar hast du das völlig verdrängt. Also ein für allemal ..." Vader hob einen ermahnenden Zeigefinger.
„... wir lesen grundsätzlich niemanden von der Straße auf, um ihn hier bei uns einzuquartieren! Das gilt für streunende Flohquasten, auch wenn sie bei deinem Anblick noch so niedlich mit ihren räudigen Schwänzen wedeln. Das gilt für ungewaschene obdachlose Säufer, auch wenn sie sich bei strömendem Regen unter irgendwelchen Brücken herumtreiben und unter ihrem ganzen Dreck irgendwie so nett aussehen. Und das gilt ganz speziell für deine allerallerallerbesten Freunde, ob sie nun von bösen Onkels, Tanten, Kadetten oder wem auch immer geplagt werden. Niemand! Niemals! Nicht hier unter diesem Dach! Habe ich mich klar ausgedrückt?"
„Ja, Sir", sagte Luke kleinlaut. Er war ganz niedergeschmettert von dieser eindeutigen und eindeutig herzlosen Ansage.
„Und sieh mich nicht so an! Das bringt dich auch nicht weiter. Ich bin immun gegen solche Blicke", behauptete Vader.
Das entsprach übrigens nicht ganz und gar der Wahrheit, wenn es um seinen Sohn ging, aber es wäre natürlich ausgesprochen leichtsinnig gewesen, das zuzugeben. Luke konnte schrecklich anstrengend sein, wenn man ihn ließ ...
Vader schaltete das Holovid mit einem gebieterischen Fingerschnippen ab, sprang auf und wanderte zu seinem Schreibtisch hinüber, wo er nach seinem Datapad griff wie nach einem Rettungsanker. Er warf einen Blick in seinen Terminkalender, aber es waren immer noch eine Stunde und fünfundvierzig Minuten bis zu seiner Konferenz, was eindeutig ZU lange war, wenn er bedachte, dass ein Zehn-Minuten-Gespräch mit seinem Sohn noch nervenaufreibender war als jede mitternächtliche Marathonsitzung mit dem Imperator.
„Du kannst jetzt gehen. Geh schon!" sagte er ungnädig zu Luke.
„Okay, Dad. Aber eines muss ich dich doch noch fragen: Ist das wirklich dein allerallerallerletztes Wort in dieser Angelegenheit?"
„JA! UND JETZT RAUS!"
Und Luke erkannte, dass er dieses Mal tatsächlich eine komplette Niederlage erlitten hatte und das ohne jede Chance auf Revanche. Oder vielleicht doch nicht?
In der Tür drehte er sich noch einmal um und sandte einen langen, vorwurfsvollen Blick zu diesem Mann hinüber, der sich gerade ganz unerwartet als knallharter, rücksichtsloser Rabenvater ohne jeden Sinn für die Bedürfnisse der geknechteten Jugend entpuppt hatte. Es war einfach unbegreiflich!
„Nur damit du es weißt, Dad: Du hast mich gerade sehr, sehr traurig gemacht!"
Vader warf sein Datapad auf den Tisch, dass es nur so klirrte.
„Oh! Also das bricht mir jetzt wirklich das Herz. Ob ich mir das jemals verzeihen kann?" sagte er sarkastisch.
„Du verzeihst dir das vielleicht, aber ICH nicht. Niemals!" erwiderte Luke mit Würde und warf die Tür mit einem hallenden Knall hinter sich zu, um das Ausmaß seiner Gekränktheit auch noch mit einem akustischen Ausrufungszeichen zu unterstreichen.
„Kinder!" murmelte Vader hinter der blankpolierten Barrikade seines Schreibtischs kopfschüttelnd vor sich hin.
„Eltern!" sagte sein Sohn draußen auf dem Flur erbittert zu zwei völlig teilnahmslosen Wachposten, die links und rechts von der Tür standen wie bestellt und nicht abgeholt. „Immer wenn du sie wirklich brauchst, lassen sie dich hängen!"
Die beiden Wachen sahen auf ihn herunter und dann wieder starr geradeaus. Keiner von ihnen gab einen Kommentar zu Lukes Statement ab. Und keiner von ihnen gab auch nur mit einem Wimpernzucken zu erkennen, dass sie zumindest die lautere Hälfte des Streites mitbekommen hatten. Sie wussten, was sich für Wachen im Hause Vader gehörte: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen und vor allem nichts denken.
„Hach!" sagte Luke.
Er drehte sich auf dem Absatz um und stiefelte beleidigt auf und davon. Aber weit kam er nicht.
Er bog gerade in einen anderen Korridor ab, ein wenig ziellos, weil er eigentlich gar nicht wusste, wohin mit sich und all seinem Frust, als ganz plötzlich und unerwartet hinter einer riesigen Bodenvase mit speerlangen getrockneten Gräsern eine kleine Hand auftauchte, um ihn erstaunlich kraftvoll am Ärmel zu packen und eisern festzuhalten.
„HEY!" rief Luke.
Aber noch bevor er sich von dieser Überraschung erholt hatte, kam auch schon die Besitzerin dieser Hand zum Vorschein und verpasste ihm mit der anderen Hand eine schallende Ohrfeige. KLATSCH!
„Verräter! Mieser gemeiner Verräter!" fauchte sie aufgebracht.
Und Luke Vader, völlig überwältigt von diesem unerklärlichen Überfall, starrte mit offenem Mund in das kreideweiße wutverzerrte Gesicht seiner Schwester ...
Fortsetzung folgt ...
© 2011 by Nangijala
