XVIII.
Der zehnfache Vergrößerungseffekt des Kosmetikspiegels verlieh ihren Krähenfüßen die Tiefe von Vulkankratern. Und die gnadenlose Beleuchtung von sechs quadratischen Glühpaneelen, die den Spiegel säumten wie eine Phalanx aus besonders grellen Suchscheinwerfern, machte es auch nicht gerade besser.
Padmé betrachtete das Netz von feinen Linien, das sich deutlich sichtbar um ihre müden schattenumringten Augen zog, und seufzte ein wenig.
„Runzel, Runzel, kleiner Stern … Falten sehen wir gar nicht gern", wisperte sie vor sich hin.
Sie fuhr mit dem Zeigefinger behutsam über die beiden noch viel auffälligeren waagrechten Furchen, die ihre hohe Stirn spalteten wie die Narben von Schwerthieben, und seufzte erneut. Es war vollkommen klar, warum diese absurd makellose lebendige Schaufensterpuppe, die in einem der zartrosa dekorierten Behandlungszimmer des Lisal-Arden-Instituts für Beauty und Lifestyle immer in Padmés Gesicht herumknetete wie ein Bäcker in einem Klumpen Fladenbrotteig, ihr gestern mit taktvoll gesenkter Stimme vorgeschlagen hatte, sich doch mal die eine oder andere Behandlungsmöglichkeit für die reifere Epidermis durch den Kopf gehen zu lassen.
Die Produktliste von Lisal Arden umfasste scheinbar alle chemischen oder naturidentischen Keulen, die dafür eingesetzt werden konnten: Zum Beispiel äußerst effiziente Collagen-Injektionen, die wieder aufpolstern sollten, was der Zahn der Zeit um entscheidende Millimeter hatte absacken und erschlaffen lassen. Oder sündhaft teure Cremes mit Hyaluronsäure, die angeblich den gleichen Zweck erfüllten. Oder sehr, sehr wirksame und garantiert völlig harmlose Botox-Spritzen, was so viele Damen in einem gewissen Alter bevorzugten, wenn es darum ging, ihrejugendliche Ausstrahlung wieder herzustellen oder sich ganz allgemein ein klein wenig aufzufrischen …
Ja, auch Damen aus Lady Vaders prominentem Bekanntenkreis, dafür konnte Miss Perfekt ihre mit akribischem Eifer manikürten und rosarot lackierten kleinen Krallen ins Feuer legen, auch wenn sie aus Gründen der Diskretion und des Datenschutzes natürlich keine Namen nennen durfte ...
Damen in einem gewissen Alter – ha!, dachte Padmé. Was bildet sich diese Göre eigentlich ein? Sieht so aus, als wäre sie gerade eben aus einer Retorte für Mannequin-Klone gekrochen, hat selber noch eine Haut wie ein Pfirsich und Titten wie aus Permabeton, aber will mir erzählen, dass ich mir irgendeine Proteinpampe oder irgendwelche Säuren und Nervengifte in mein Gesicht schmieren oder spritzen lassen soll, um jünger auszusehen. Was präsentiert mir das kleine Luder als nächstes? Die Visitenkarte von einem plastischen Chirurgen mit einem Sonderangebot für Faceliftings?
Aber obwohl derart drastische Maßnahmen zweifellos noch lange nicht nötig waren, ließ es sich nicht leugnen, dass Padmés eigene jugendliche Frische irgendwie und irgendwann verloren gegangen war. Sie befand sich jetzt eindeutig auf dem Weg in den so genannten Herbst des Lebens …
Herbst? Eher tiefster Winter!
… und man sah es ihr allmählich an. Vor allem abends, wenn sie abgespannt und abgeschminkt war – so wie hier und jetzt.
Götter, ich bin fast fünfzig und habe zwei erwachsene … na ja … beinahe erwachsene Kinder!
Und einen Ehemann, der fünf Jahre jünger ist als du, flüsterte die ruhelose kleine Stimme irgendwo tief in ihr, die neuerdings immer redseliger zu werden schien. Ein Ehemann, der dich kaum noch ansieht.
„Na und? Wen interessiert das schon?", murmelte Padmé vor sich hin.
„Was?!", fragte eine gereizte Baritonstimme hinter ihr prompt.
Verdammt! Ich habe gar nicht gehört, dass er reingekommen ist. Warum muss er sich auch immer an mich heran pirschen wie ein hungriger Thark?
„Nichts. Gar nichts. Ich habe nur laut gedacht", sagte sie rasch und griff nach dem Kamm auf ihrem Toilettentisch wie nach einem Alibi.
„Und ich dachte, du redest mit mir", sagte Vader, der inzwischen näher gekommen war und jetzt direkt hinter ihr stand wie ein großes schwarzes Ausrufungszeichen. „Deshalb bin ich doch hier. Weil du mit mir reden wolltest. Aber wenn du lieber Selbstgespräche führst, dann kann ich ja wieder gehen."
Er wandte sich tatsächlich sofort der Tür zu, sichtlich bestrebt, nicht einen Atemzug länger bei ihr zu verweilen als unbedingt nötig. Die Gesellschaft seiner Frau bedeutete ihm nicht mehr so viel wie früher. Schon lange nicht mehr. Bedeutete sie ihm überhaupt noch irgendwas? Padmé war sich da gar nicht so sicher. Es gab durchaus Anzeichen dafür, dass er inzwischen die Gesellschaft anderer Leute vorzog. Ganz anderer Leute ...
„Nein, Anakin. Bleib hier. Bitte … Nur für ein paar Minuten. Ich will mit dir ein Gespräch führen. Das heißt, ich will es endlich hinter mich bringen. Ich meine, wenn du schon mal da bist. Du bist nur noch so selten da – sogar wenn du auf Coruscant bist ...", erwiderte Padmé nicht ohne Bitterkeit.
„Also wenn du schon so anfängst, dann sage ich dir gleich, dass ich heute Abend weder Zeit noch Lust auf einen Streit mit dir habe", sagte er schroff. „Also erspare mir deine ewigen Vorwürfe und Anschuldigungen und Moralpredigten und ..."
„Ich will weder mit dir streiten noch dir Moralpredigten halten oder sonst was. Ich will einfach nur mit dir reden, Anakin."
„Also gut …"
Vader ließ sich auf den gepolsterten Sessel seitlich neben ihr fallen und streckte seine langen Beine aus. Er musste eben erst von einem seiner endlosen Meetings mit dem Imperator (oder von einer anderen Verabredung!) nach Hause gekommen sein, denn er hatte sich noch nicht einmal die Zeit genommen, seine Stiefel auszuziehen, wie sie ein wenig zerstreut feststellte.
Immer auf dem Sprung – buchstäblich!, dachte sie ironisch.
„Ich bin ganz Ohr. Fang an!", kommandierte er, sobald er sich bequem niedergelassen hatte. (Er hatte jetzt immer diesen Befehlston am Leib, wenn er mit ihr sprach. Grundsätzlich.)
Anfangen, ja … Aber genau das war gar nicht so einfach.
Padmé zauderte. Sie suchte nach dem richtigen Anfang (der Eröffnungszug in diesen schwierigen verbalen Schachpartien mit Anakin war immer der wichtigste!). Um Zeit zu gewinnen, zog sie langsam den breitzinkigen Kamm aus duftendem Cedaraholz durch ihr Haar, das zum Glück immer noch so üppig war wie früher.
Es war derselbe sanft gelockte, samtig schimmernde Vorhang, der sie schon seit ihren Kindertagen einhüllte wie ein Nerzmantel mit Glanzeffekten und über ihre Schultern und ihren Rücken bis zu ihren Schenkeln hinunter floss wie ein dunkler, mit Goldfäden durchwirkter Schleier. Aber allmählich schwand das Gold darin dahin, es waren immer mehr feine Silberadern, die sich jetzt durch die dicken Strähnen schlängelten.
Doch Mr. Micelli junior, der mittlerweile den Friseursalon des Seniorchefs endgültig übernommen hatte und es sich trotz ganzer Schwärme von gut betuchten Kundinnen niemals nehmen ließ, Padmé höchstpersönlich zu bedienen, wirkte hier wahre Wunder. Seine Farbpalette umfasste jede Schattierung zwischen platinblond und ebenholzschwarz und dank seines Geschicks erstrahlte ihr Schopf jetzt abwechselnd in Umbra oder Haselnussbraun oder auch in einem warmen Kastanienton, wenn sie entsprechend gelaunt war. Möglicherweise würde Micelli der Jüngere sie eines Tages auch noch zu gewagteren Nuancen überreden wie Mahagonirot oder Karamell oder sogar eine gewagt gestreifte Kombination aus beidem, aber so weit war Padmé noch nicht. Ihr Stil war eher klassisch als avantgardistisch und außerdem ...
„Ich warte!"
Vaders Ungeduld war nicht zu überhören und ihr wurde klar, dass er einfach aufstehen und endgültig gehen würde, wenn sie nicht endlich loslegte – oder wenn sie sich in diplomatischen Umwegen verstrickte, statt sofort auf den Punkt zu kommen.
Einfach abwarten war ja noch nie seine Stärke. Und zuhören schon gar nicht … Hat er überhaupt irgendwelche Stärken außer Leute tyrannisieren?
„PADMÉ?!"
„Es geht um Leia", sagte sie schnell.
„Oh nein! Nicht schon wieder ..."
Es kam mit einem Aufstöhnen heraus, das eher Überdruss als Ärger verkündete, was in Anbetracht der Umstände gar nicht mal so schlecht war. Oder vielleicht doch?
„Sie ist schrecklich deprimiert in letzter Zeit ..."
„Wann ist sie das nicht?" klang es sarkastisch zurück.
„Ich meine, sie ist wirklich ganz trübselig. Sie ist das reinste Häufchen Elend."
„Sie hat ein Talent dazu, trübselig zu sein – zweifellos ihr einziges Talent."
„Sie leidet darunter, dass sie hier so festsitzt. Sie hat so gut wie nichts zu tun."
„Wenn die junge Dame sich so sehr langweilt, dann soll sie gefälligst ihren kleinen Hintern in Bewegung setzen und dir bei deiner Arbeit helfen. Dann hat sie etwas zu tun", entgegnete Vader scharf.
„Aber dieser ganze Wohltätigkeitskram ist einfach nicht genug für die Kleine", sagte Padmé beschwörend. „Sie will etwas Sinnvolles mit ihrem Leben anfangen, etwas wirklich Sinnvolles. Hier fühlt sie sich nutzlos."
„Sie IST nutzlos!"
„Anakin! Wie kannst du nur so etwas sagen?"
Ein Achselzucken. „Es stimmt doch, oder nicht?"
Padmé rang um Selbstbeherrschung, aber es war nicht leicht. Es war wirklich zu aufreizend, mit welcher Arroganz und Herablassung dieser Mann über ihr gemeinsames …nein! ... über IHR Kind sprach.
Doch sie musste höflich sein oder zumindest einigermaßen verbindlich bleiben, wenn sie ihrer Tochter helfen wollte. Sie musste es wenigstens versuchen ...
„Ich verstehe ja, dass du nicht zulassen konntest, dass Leia für den Senat kandidiert", sagte sie mit sorgfältig kontrollierter Stimme. „Zumindest versuche ich es zu verstehen … Obwohl es schon ein Schlag für mich ist, dass du inzwischen den ganzen Senat in Bausch und Bogen verurteilst, als wäre er so eine Art hochkriminelle Polit-Mafia. Wenn man bedenkt, dass ich früher selbst dort … Na ja, lassen wir das lieber ...
Aber du könntest ihr jetzt wenigstens erlauben, irgendetwas zu studieren. Sozusagen als Ausgleich. Oder als …" Padmé nahm ihren ganzen Mut zusammen, bevor sie es aussprach. „… als Wiedergutmachung."
„Wiedergutmachung?", rief Vader. „Ich soll bei ihr etwas wieder gut machen? Und das, obwohl sie mir nur Scherereien macht – und das praktisch schon, seit sie aus den Windeln raus ist? Ich denke ja nicht einmal im Traum daran!"
„Oh Götter! Was wäre denn so schlimm daran, wenn sie auf die Universität geht und dort irgendwas macht, das sie wirklich interessiert, das sie wirklich erfüllt? Sie hat nun mal ihr Herz daran gehängt."
„Ach ja? Na, dann ist es allerhöchste Zeit, dass sie endlich lernt, ihr Herz an gar nichts zu hängen. Sie ist eine künftige Prinzessin. Sie ist nicht dazu da, um von uns endlos verhätschelt und verzärtelt zu werden und irgendwelchen albernen Klein-Mädchen-Träumen nachzulaufen. Sie ist dazu da, um dem Imperium zu dienen. Na ja, so gut sie eben kann … Was nicht annähernd gut genug ist, wenn du mich fragst. Und das ist alles", schnappte Vader.
Padmé warf ihren Kamm zurück auf den Tisch und drehte sich zu Vader um. Sie starrte ihn an, ungläubig und empört zugleich.
„Hörst du dich eigentlich selber reden? Das kann doch nicht dein Ernst sein! Ist dir das Glück unserer Tochter wirklich so egal, Anakin?"
„Prinzessinnen müssen nicht glücklich sein. Sie müssen nur gehorchen und funktionieren. Das ist ihr Job. Nein, ihre einzige Existenzberechtigung", sagte er so kategorisch, dass nicht der geringste Zweifel daran bestehen konnte, dass er es wirklich genau so meinte, wie er es sagte.
Eine lange Pause trat ein, eine spannungsgeladene Pause. Ein Hauch von Frost schien sich über Padmés gemütliches Boudoir zu senken, kalt genug, um sie bis ins Knochenmark hinein frieren zu lassen …
Sie betrachtete das harte unnachgiebige Gesicht des Mannes, in den sie sich vor einer kleinen Ewigkeit verliebt hatte und das aus Gründen, die sie schon lange nicht mehr nachvollziehen konnte. Und sie sah, dass dieser Mann tot war, innerlich tot, auch wenn er äußerlich noch so lebendig, so vital wirkte. Aber seine Seele war tot.
Falls er überhaupt je so etwas wie eine Seele hatte!, dachte Padmé.
Nun, falls ja, dann war sie irgendwann gestorben und entschwunden, hatte sich spurlos in Luft aufgelöst, ohne dass Padmé es auch nur mitbekommen hatte. Anakin Skywalker … nein ... Darth Vader hatte sie zur Witwe gemacht, ohne dass sie es gemerkt hatte.
Sie schluckte ihre aufsteigenden Tränen hinunter, aber alles, was sie schmeckte, war Asche, kalte Asche, die ihren ganzen Mund zu füllen schien, die sie fast erstickte.
Nach einer Weile sagte sie sehr leise: „Du kannst Leia nicht ewig hier einsperren."
„Ach nein?"
Vader beugte sich ein wenig in seinem Sessel vor … Und plötzlich sah er wirklich aus wie ein hungriger Thark … jederzeit bereit, sie anzuspringen und sie in Stücke zu reißen, sie zu zerfetzen ...
Auch seine Augen erinnerten jetzt irgendwie an einen Thark … Da war ein Ring aus flüssigem Feuer um seine Pupillen ... ein Reif aus blutgerändertem Gold … So wie immer, wenn er wirklich aufgebracht war ...
Sogar seine Stimme sank so weit herab, dass sie nur noch ein seidig-bedrohliches Raubtiergrollen war, als er flüsterte: „Du weißt gar nicht, was ich alles kann, Padmé."
Sie schluckte noch einmal. Aber jetzt war es Angst, nackte Angst, die ihr die Kehle zuschnürte, die sich in sie hinein krallte wie mit eisernen Klauen. Denn er irrte sich. Sie wusste ganz genau, was er alles konnte, wenn es zum Äußersten kam. Sie wusste, wozu er imstande war, wenn er sich alleine gelassen oder bedroht fühlte. Sie wusste es seit Jahrzehnten ...
Und doch … Von irgendwoher kam ihr ganz unerwartet etwas zu Hilfe, eine letzte Aufwallung von innerer Kraft, ein letzter Funken von Widerstand, mit dem sie ihm eine Herausforderung entgegen schleuderte …
„Du kannst UNS nicht ewig einsperren – keinen von uns!"
Vader stand abrupt auf. Es war, als ob eine Säule aus Rauch und Gewitterwolken sich erhob, nachtschwarz und furchterregend. Und für einen Moment war Padmé schlicht und einfach überwältigt von den Wellen aus Dunkelheit, die von ihm ausgingen, die auf sie zu fluteten wie die Brecher eines stürmischen Ozeans ...
„Wart's nur ab. Du wirst schon noch sehen, wie gut ich JEDEN von euch einsperren kann, wenn ich muss", sagte er kalt.
Und nun marschierte er doch hinaus. Und wie zornig er unter seiner eisigen Oberfläche war, konnte man schon daran erkennen, dass er die Tür mit so viel Schwung hinter sich zu warf, dass das Rechteck aus poliertem Greelholz lärmend gegen seine metallenen Zargen krachte und danach in seinen Angeln erzitterte wie der Schaft eines Pfeiles, der nach dem Aufschlag vibrierend in dem Zentrum einer Zielscheibe stecken blieb.
Padmé lauschte den schweren Schritten draußen im Flur nach, bis eine andere Tür am Ende des Korridors mit einem ähnlich hallenden Knall zuflog. Erst dann konnte sie wieder durchatmen oder vielmehr aufatmen. Er würde nicht zurückkommen – nicht heute Abend. Er kam jetzt nie mehr zurück, wenn er sie nach einem Streit verlassen hatte …
Im Gegensatz zu früheren Konfrontationen ließ er sich heutzutage nicht mehr dazu herab, seinen Standpunkt zu einer späteren Stunde noch einmal auf drastischere (und handfestere!) Weise zu demonstrieren.
Außerdem hauste er seit einem Jahr (oder genauer gesagt: seit dem Tag, an dem ihr Vater, ihre Schwester und Sabé hier erschienen waren, um ihm eine Szene zu machen!) in eigenen Gemächern und Padmé war keineswegs traurig über diese räumliche Trennung. Im Gegenteil! Sie war erleichtert. Vor allem an einem Tag wie heute …
Sie bedauerte ihr verwaistes Bett genau so wenig wie Vaders zwischenzeitlich mehrfach bewiesene Untreue. Sie wusste schon lange über seinen längst überfälligen (und vielleicht sogar schon oft wiederholten) Ehebruch Bescheid. Schon seit Monaten wusste sie darüber Bescheid – und das noch bevor Lady Adira Unassis, die größte Klatschbase und Giftspritze von Imperial City, sie mit heuchlerischer Anteilnahme darüber informiert hatte.
Lady Unassis hatte es nicht versäumt, Padmé davon zu berichten, dass sie und andere ebenso scheinheilig teilnahmsvolle Augenzeuginnen beobachtet hatten, wie Sharin Stiin, eine bekannte Holonet-Schauspielerin, in ausgesprochen zerzaustem und auch sonst derangiertem Zustand aus der Opernloge stolziert war, in der Lord Vader ganz alleine (oder doch nicht ganz so alleine!) einer Aufführung von Rengaws „Götterdämmerung" beigewohnt hatte.
Adira Unassis und ihre ebenso tratschsüchtigen Begleiterinnen waren von Lady Vaders gleichmütiger Reaktion auf diese sensationelle Mitteilung ziemlich enttäuscht gewesen. Die Damen konnten ja auch nicht wissen, dass Padmé bereits über die Buschtrommel ihres eigenen Haushaltes über Lippenstiftflecken und andere verräterischen Spuren auf verschiedenen Teilen von Mylords Kleidung in Kenntnis gesetzt worden war. (Die frohe Botschaft über die mutmaßlich leidenschaftlichen Techtelmechtel ihres Ehemannes verdankte sie übrigens ihrer treuen Zofe Zonia und deren garantiert leidenschaftlichem Techtelmechtel mit einem geschwätzigen jungen Diener aus dem Wäscheservice.) Und sie konnten nicht einmal ahnen, wie wenig ihr das inzwischen ausmachte ...
Padmé flocht ihr Haar zu einem lockeren Pferdeschwanz und band es lose zusammen. Sie stand auf und verknotete den Gürtel ihres etwas zu weit gewordenen Seidenkimonos über ihrer viel zu schmalen Taille. Sie fröstelte trotzdem, verzichtete aber darauf, sich einen wärmeren Morgenrock zu holen. Sie würde ohnehin gleich zu Bett gehen. Nicht dass ihr heute Nacht viel Ruhe vergönnt sein würde ...
Sie verließ ihr Boudoir und ging in ihr eigenes Schlafzimmer hinüber. Doch statt sich sofort hinzulegen und sich bis zum Kinn in den weichen türkisfarbenen, mit unzähligen silbrigen Sternen bestickten Quilt zu kuscheln, den Jobal und Sola einst für sie genäht hatten, wanderte sie ruhelos zwischen den eleganten weißen Schleiflackmöbeln auf und ab. Ihre Gedanken drehten sich wie Mühlräder in ihrem Kopf.
Was soll nur aus meiner Kleinen werden?, grübelte sie vor sich hin. Sie wird zugrunde gehen, wenn ich es nicht irgendwie schaffe, sie hier rauszuholen. Sie wird einfach verwelken wie eine Blume – genau wie ich … Sie braucht eine Chance. Eine Chance auf ein eigenes Leben. Aber wie soll ich ihr das ermöglichen?
Einer spontanen Eingebung folgend, ging sie zu der Wand hinüber, die von einem lebensgroßen Porträt ihres früheren Selbst geschmückt wurde: Königin Amidala I. von Naboo in der ganzen Pracht ihres Krönungsornates …
Der Imperator hatte ihr dieses Gemälde verehrt, nachdem er es trotz der Proteste der gegenwärtigen Königin aus der Großen Galerie im Staatsmuseum von Theed gestohlen hatte oder vielmehr hatte stehlen lassen. Es war natürlich als Ohrfeige für Padmé gedacht gewesen. Es war nur einer von unzähligen boshaften kleinen Seitenhieben, mit denen er sie verletzen wollte, mit denen er sie daran erinnern wollte, was aus ihr geworden war, mit denen er ihr unter die Nase reiben wollte, wie machtlos sie jetzt war – sie, die einst eine ganze Welt regiert hatte. Sie, die jetzt nur noch eine hilflos Marionette war …
Padmé hatte das Bild in irgendeinen abgelegenen Kellerraum verbannen wollen, wo es von ihr aus gerne verrotten konnte. Aber Anakin hatte natürlich darauf bestanden, dass es aufgehängt wurde. Ihm gefiel dieses Porträt – vermutlich deshalb, weil es ihn daran erinnerte, was aus ihm geworden war. Von einem bedeutungslosen Sklavenjungen zur praktisch allmächtigen rechten Hand eines Kaisers. Und in naher Zukunft sogar dessen Nachfolger – was für ein glorreicher Aufstieg!
Und was auch immer er für Padmé inzwischen empfinden mochte, ihre Herkunft und ihre eigene königliche Historie passten auch heute noch ausgezeichnet zu seinem Selbstverständnis als nächster Imperator. Er hatte ursprünglich sogar angeordnet, dass das Gemälde unten in der Eingangshalle platziert wurde – gut sichtbar für all die wichtigen Gäste, die die Vader-Residenz regelmäßig aufsuchten, um jetzt schon um den designierten Thronfolger herum zu scharwenzeln. Padmé hatte ihn nur mit Mühe von diesem Vorhaben abgebracht, was sie gleich danach bitter bereut hatte, denn nun hing dieses Relikt der Vergangenheit in ihrem Schlafzimmer, wo es unmöglich zu übersehen war.
Sie stand einen Moment lang einfach nur da und betrachtete ihr Teenager-Konterfei, das unter dem klassischen royalen Make-up wirkungsvoll versteckt war … Das weiß geschminkte Gesicht wirkte ausdruckslos wie eine Porzellanmaske. Abgesehen von den dramatisch überzeichneten steilen Bögen ihrer Augenbrauen, verliehen nur die traditionellen Purpurpunkte auf ihren Wangen und der senkrechte Strich auf ihrer Unterlippe dieser starren Larve so etwas wie Leben – zwar nur das Leben von stilisierten Blutspritzern, aber immerhin …
Und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie schon damals wie eine Marionette ausgesehen hatte: Eine fantastische Puppe in einer steifen Robe aus scharlachrotem Brokat und mit einer unwahrscheinlichen Frisur – ein zu völliger Unbeweglichkeit gelackter Haarkranz, der um die ausladenden, spitz zulaufenden Flügel einer vergoldeten Haube herum gerollt war wie die zurecht geknetete Tonmasse eines Bildhauers um eine verborgene Drahtkonstruktion. Eine Spielzeug-Königin mit der absurdesten Krone, die man sich nur vorstellen konnte …
Luke hatte das Porträt genau wie sein Vater immer gerne angesehen, von Anfang an. Aber eine damals erst sechsjährige Leia hatte es beim ersten Mal nur mit kindlicher Skepsis angestarrt und dann ganz erstaunt gefragt: „Bist das wirklich du, Mama?"
Jetzt nicht mehr, dachte Padmé. War ich es überhaupt jemals wirklich? War ich eigentlich je etwas anderes als ein Spielzeug, das an unsichtbaren Fäden von anderen gelenkt und gesteuert wird? Ich war doch nur ein Kind, als sie mich auf den Thron gesetzt haben … Und ich habe immer nur getan, was sie von mir wollten, was sie von mir erwarteten – auch wenn ich brav mein Zepter geschwenkt und 'Ich will!' gesagt habe … Ich habe einfach nur getan, was der Kronrat wollte, was Palpatine wollte ...
Und als meine Zeit vorbei war, als eine neue Königin an der Reihe war, als ich Senatorin geworden war, da war es nicht viel anders. Ich habe getan, was meine Nachfolgerin von mir wollte, was mein Volk von mir wollte, was Vader und sein Imperator von mir wollten...
War ich eigentlich jemals frei? Konnte ich je tun, was ICH will? Nicht wirklich … Aber Leia soll frei sein. Sie soll tun können, was SIE will ...
Ich weiß nicht, was aus meinem Sohn wird. Er muss seinen eigenen Weg finden, er muss seinem Stern folgen. Er ist jetzt schon viel stärker, als ihm klar ist. Er kann für sich selbst entscheiden. Er kann sich selbst befreien, wenn er so weit ist ...
Aber meine Tochter kann das nicht. Sie hält sich für stark, ist aber viel fragiler, als sie glaubt. Deshalb muss ich ihr helfen, sich zu befreien. Ich muss diesen Käfig für sie aufmachen und sie endlich fliegen lassen, bevor sie ihr die Flügel brechen, bevor sie sie zerstören, so wie sie mich zerstört haben. Leia muss weg von hier. Und ich kann ihr wenigstens das geben, was sie dafür braucht, wenn sie so weit ist. Nein, wenn ES so weit ist!
Padmé trat ein, zwei Schritte näher heran an das Gemälde und zog sachte an der linken unteren Ecke des schweren geschnitzten Rahmens. Ein gedämpftes KLICK!, ein leises Schnarren und schon schwang das Bild langsam von der Wand weg wie ein sich öffnender Fensterladen. Der Safe, der sich dahinter verbarg, war nicht besonders eindrucksvoll, aber das, was darin aufbewahrt wurde, dafür umso mehr.
Sie schloss den Tresor auf, hob die erste von vielen kleinen Stahlkassetten aus einem seiner Fächer heraus und ließ ihren Deckel aufschnappen. Sie lächelte ein wenig, als sie hinein spähte, und ihre trüben Augen leuchteten unwillkürlich auf – es war beinahe so, als würden die Diamanten, die vor ihr auf einem weißen Satinpolster aufgereiht waren wie glitzernde Eiskristalle auf einer Schneewehe, etwas von ihrem Glanz auf ihre Besitzerin übertragen. Sie zog das funkelnde Geschmeide aus seiner schützenden Hülle heraus und ließ die oval geschliffenen Steine langsam durch ihre Hände gleiten, bewunderte die Regenbogenprismen, die sie im Lichtkegel einer Stehlampe versprühten. Allein diese eine Halskette war ein kleines Vermögen wert. Und da war noch so viel mehr ...
Sie legte die Kette vorsichtig auf einem kleinen dreieckigen Tisch ab, der neben ihr stand, und nahm sich eine andere Schatulle vor. Und dann die nächste und die übernächste…
Sie öffnete eine nach der anderen, holte ihre kostbaren Inhalte heraus, sah sie sich kurz an und häufte sie dann auf dem Tischchen auf. Noch mehr Ketten, dazu Ringe, Armbänder, Ohrringe, Broschen, Kämme, Haarnadeln, Agraffen, Diademe, Tiaras … Noch mehr Brillanten, viele davon. Und daneben Sternsaphire, Feueropale, Smaragde in allen nur denkbaren Grüntönen, violett glühende Amethyste, Stränge von Perlen aus tausend verschiedenen Meeren und in allen Größen, Formen und Farben... Juwelen, die in jedes Edelmetall der bekannten Galaxis gehüllt waren oder einfach lose aus kleinen Samtbeuteln heraus kullerten wie exotische Murmeln ...
Der Stapel auf dem Tischchen wuchs und wuchs, bis sich ein wahrer Drachenhort dort angesammelt hatte – oder vielleicht eher das Lösegeld für eine geraubte Prinzessin, was ironischerweise seltsam passend war.
Am Ende war nichts mehr im Safe außer einem einsamen Etui, das zweifellos das Glanzstück von Padmés Kollektion enthielt: Das Collier von Xauxean von Yilmar. Sie wollte schon danach greifen, zögerte dann aber doch.
Lieber nicht, dachte sie. Das Ding ist sowieso unverkäuflich. Nicht einmal der skrupelloste Hehler wird seine habgierigen Pfoten mit einer so bekannten Antiquität belasten wollen. Er könnte nicht einmal die Blutrubine herausbrechen und sie einzeln verschachern, die Steine sind einfach zu groß, zu auffällig … Nein, es wäre viel zu riskant, dieses Teil zu Credits zu machen …
Und genau das war es ja, worum es hier ging: Credits. Sehr viele Credits. Genug davon, um Leia damit ein neues Leben zu kaufen. Ein anderes Leben irgendwo weit, weit weg. Oder jedenfalls weit genug weg, um sie in Sicherheit zu wissen …
Aber wie sollte sie Leia in Sicherheit bringen? Wie sollte Padmé ihre Tochter von Coruscant herunter schmuggeln?
Wenn ich nur jemanden kennen würde, dem ich vertrauen kann, dem ich mein Kind anvertrauen könnte, dachte sie.
Aber da war niemand mehr. Nicht einmal die Naberries. Nicht einmal die treueste Freundin aus den guten alten Tagen: Sabé, die jetzt natürlich vor allem an das Wohl ihrer eigenen Kinder denken musste, nachdem Vader ihr klipp und klar gesagt hatte, was er mit ihnen machen würde, wenn sie je wieder ihren Fuß auf Coruscant setzen oder ihm sonst wie auf die Nerven gehen sollte. Arme Sabé, die unter Tränen fortgegangen war und seither jeden Kontakt mit Padmé verweigerte – genau wie Ruwee und Sola und all die anderen ...
Wer also dann? Wer kann mir ... wer kann meiner Leia jetzt noch helfen?
Sie dachte kurz an Bail Organa. Der Vizekönig von Alderaan hatte ihr früher ziemlich nahe gestanden – vor langer, langer Zeit, als sie selber noch eine Senatorin gewesen war.
Als ich selber noch frei war!
Sie hatten die gleichen Ansichten vertreten und dieselben Ziele verfolgt, damals während der alten Republik. Und sie hatten die gleichen Sorgen geteilt, als der Niedergang des ganzen Systems nicht mehr zu übersehen gewesen war, ein langsamer, schleichender Zerfall von innen heraus, der schließlich mit dem totalen Zusammenbruch geendet hatte. Ja, vor allem diese Sorgen hatten sie als Kollegen und Freunde miteinander verbunden und das sogar recht eng.
Aber dann war die Republik von dem neugeborenen Imperium einfach weggespült worden wie von einer Riesenwelle, sie war untergegangen wie ein sinkendes Schiff und von einem bodenlos tiefen Abgrund verschlungen worden. Und aus Anakin war der berüchtigte Lord Vader geworden, der endlich ganz offen und ungeniert zugeben konnte, dass er mit Padmé verheiratet war, dass er zu ihr gehörte oder vielmehr, dass sie IHM gehörte – was zwangsläufig dazu geführt hatte, dass Organa und all die anderen Weggefährten sich sofort von ihr zurückgezogen hatten, als wäre sie an einer hochgradig ansteckenden Seuche erkrankt.
Die Pandemie der Angst hatte sich damals mit rasender Schnelligkeit ausgebreitet und Padmé hatte zu ihren ersten Opfern gezählt. Sie hatte auf einen Schlag alle verloren: Zuerst ihre Freunde und Kollegen und danach – Schritt für Schritt – ihre Familie, bis sie schließlich ganz alleine da stand, bis sie völlig auf sich selbst gestellt war.
Wenn Padmé heutzutage Bail Organa irgendwo begegnete (denn sie verkehrten natürlich nach wie vor in denselben Kreisen!), dann wurde sie zwar mit ausgesuchter Höflichkeit von ihm gegrüßt und vielleicht sogar mit ein paar oberflächlichen Bemerkungen über das Wetter oder ähnlich konventionellen, gesellschaftlich akzeptablen Plattitüden bedacht, aber das war es dann auch schon. (Und das war immer noch weit mehr, als sie von jedem anderen erwarten durfte. Die meisten ihrer ehemaligen Verbündeten zeigten ihr inzwischen ganz deutlich die kalte Schulter. Mon Mothma zum Beispiel hatte Padmé über Jahre hinweg bei jedem zufälligen Treffen so völlig ignoriert, als wäre sie unsichtbar.) Doch zu einer echten Unterhaltung kam es zwischen ihnen nicht mehr. Aus dieser Richtung Hilfe zu erwarten, war also völlig zwecklos. Organa würde keinen Finger für sie rühren – und schon gar nicht für ihre Tochter. Warum sollte er auch? Nur wegen einer längst verflossenen Freundschaft, dem traurigen Rückstand von Kameradschaft und Solidarität? Solche Dinge zählten schon lange nicht mehr ...
Sie haben mich einfach fallen lassen – sie alle!, dachte Padmé bitter. Auch dieser Jedi, obwohl er mir sogar sein Leben verdankt.
Obi-Wan Kenobi …
Padmé konnte heute noch sein vor Leid verzerrtes Gesicht vor sich sehen, das Grauen in seinen Augen, als er ihr in ihrer damaligen Wohnung in diesem absurd exklusiven Appartementhaus gegenüber gestanden hatte, als er ihr geschildert hatte, was er an diesem Abend in dem Jedi-Tempel vorgefunden hatte.
„Sie sind alle tot! Sogar die Kinder ... Er hat sie alle umgebracht! Er ist ein Monster, Padmé!"
Natürlich hatte sie Obi-Wan zuerst kein Wort geglaubt. Wie konnte Anakin … wie konnte der Mann, den sie liebte, der Vater ihrer Babys, ein Monster sein? Es war undenkbar. Es war unmöglich!
Oder war es vielleicht doch möglich?
Hatte der Mann, den sie liebte, so etwas nicht schon einmal getan? Hatte er ihr nicht in dem schäbigen Werkzeugschuppen dieser desolaten kleinen Lars-Farm auf Tatooine unter Tränen gestanden, dass er gerade ein ganzes Tusken-Dorf niedergemetzelt hatte, um seine Mutter zu rächen? Hatte er nicht sämtliche Einwohner dieser Siedlung (Männer, Frauen und Kinder – ja, auch völlig unschuldige Kinder!) ermordet, nur weil einige von ihnen für Shmi Skywalkers Tod verantwortlich gewesen waren?
Und das war das einzige Mal, dass Padmé ihn überhaupt je hatte weinen sehen. Und sogar in diesem Moment hatte sie mit einschneidender Klarheit erkannt, dass er nur um seine tote Mutter weinte.
Oder hatte er vielleicht sogar nur um sich selbst geweint? Was hatte sie ihm eigentlich noch bedeutet, diese Mutter, an die er offenbar kaum je einen Gedanken verschwendet hatte, nachdem die Jedis sich seiner angenommen hatten? Hatte ihm wirklich noch so viel an dieser Frau gelegen, um die er sich ein ganzes Jahrzehnt lang nicht im Geringsten gekümmert hatte?
Immerhin hatte auch er nie einen Finger gerührt, um Shmi zu helfen, um sie frei zu kaufen, obwohl er dazu durchaus Gelegenheit gefunden hätte, wenn er es nur wirklich gewollt hätte. (Tatsächlich hatte Padmé selbst damals Ratsmitglied Sio Bibble losgeschickt, der ihrem jungen Retter in ihrem Auftrag eine beträchtliche Summe für genau diesen Zweck angeboten hatte. Ja, Geld und darüber hinaus sogar eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung, mit der Shmi für den Rest ihres Lebens friedlich auf Naboo hätte wohnen und arbeiten können. Doch Sio Bibble war unverrichteter Dinge wieder von Coruscant abgereist und Padmé hatte auch später nie herausfinden können, ob Anakin selbst damals ihre Hilfe abgelehnt hatte oder ob die Jedis sich eingemischt hatten, um ihren neuen Padawan vor unerwünschten familiären Bindungen abzuschirmen. Alles, was mit Tatooine oder dem Jedi-Orden zu tun hatte, war bis heute ein Tabuthema im Hause Vader – so wie tausend andere Dinge.)
Wie auch immer – für seine Opfer hatte Anakin jedenfalls keine Träne vergossen, nicht eine einzige …
Und in diesem Moment hätte ich es merken müssen, dachte Padme. Ich hätte erkennen müssen, dass mit ihm etwas nicht stimmt, dass ihm etwas fehlt, etwas Wichtiges, etwas Fundamentales – ja, vielleicht sogar eine Seele. Kein normaler Mann … kein halbwegs menschliches WESEN hätte tun können, was er getan hat, und das alles ohne jede Reue – nicht einmal die allerkleinste Andeutung davon…
Wie konnte ich nur so blind sein? Ich hätte es merken müssen. Und ich hätte einfach auf und davon gehen sollen. Ich hätte weglaufen und mich vor ihm verstecken sollen! Aber auf gar keinen Fall hätte ich ihn jemals heiraten dürfen ...
Doch genau das hatte sie getan. Sie hatte ihn geheiratet – in aller Heimlichkeit, damit diese asketischen Mönche, diese strengen und in ewiger Missbilligung die Stirn runzelnden Jedis nichts davon mitbekamen. Und keiner von ihnen hatte es je erfahren. (Niemand hatte es erfahren, bis Padmé gegen ihren Willen als offizielle Lady Vader ans Tageslicht und in den Fokus der imperialen Öffentlichkeit gezerrt worden war wie eine Molluske aus ihrem schützenden Schneckenhaus!) Abgesehen von Obi-Wan natürlich. Er hatte es seinerzeit als einziger gewusst. Aber er hatte ihr Geheimnis bewahrt, obwohl auch er deswegen oft genug die Stirn gerunzelt hatte.
Doch Padmé und ihr junger Jedi (der übrigens das genaue Gegenteil von einem asketischen Mönch war!) waren trotzdem eine ganze Weile glücklich gewesen. Bis ihr privates Paradies durch den Krieg mit den Separatisten und all die anderen warnenden Fanale des kommenden Feuersturms erschüttert worden war. Bis ihre heile kleine Welt zusammen mit der Republik von einer Apokalypse verheert worden war. Bis Obi-Wan eines Nachts plötzlich vor Padmé gestanden und ihr endgültig ihre rosarote Brille von der Nase gerissen hatte. Und danach war nichts mehr so gewesen wie zuvor ...
Denn natürlich hatte Obi-Wan ihr die Wahrheit gesagt – sie hatte es in Anakins … nein ... Vaders Augen gelesen, als er nach Hause gekommen war. Die Jedis waren tot, ausgelöscht, Geschichte – und das galt auch für die Republik. Alles war vorbei, aus und vorbei … Sogar ihre Ehe, wenn man es genau nahm …
Aber sie hatte es nicht gewagt, Vader das ins Gesicht zu sagen. Noch nicht. Sie hatte sich zu sehr vor ihm gefürchtet, vor diesem Mann, der so verändert war, der kaum noch Ähnlichkeit mit ihrer wahren Liebe hatte. Sie hatte zu große Angst vor ihm gehabt – und noch größere Angst um die beiden wehrlosen kleinen Leben in ihrem Bauch. Denn was würde diesen Sith, diesen Darth Vader oder wie er sich nun plötzlich nannte, jetzt noch zurückhalten?
Also hatte Padmé einfach nur geschwiegen, während er mit Engelszungen oder vielleicht doch eher mit Silberzungen auf sie eingeredet hatte, während er versucht hatte sie zu beruhigen, zu beschwichtigen, sie erneut auf seine Seite zu ziehen, sie einzulullen, sie zu betören mit seinen Rechtfertigungen, seinen Versprechungen, seinen fantastischen Zukunftsplänen ...
Aber im Stillen hatte sie sich an den Gedanken geklammert, dass sie bei der erstbesten Gelegenheit vor ihm und seinem blutrünstigen nagelneuen Imperium fliehen würde. Und sie hatte sich damit getröstet, dass Obi-Wan bald zurückkommen würde, um sie zu holen, um sie zu retten – sie und ihre Babys. Denn das hatte ER ihr versprochen in diesen zehn hektischen, Panik erfüllten Minuten, bevor er wieder in die absolute atembeklemmende Finsternis dieser Nacht hinaus gerannt war, um nach den wenigen Jedis zu suchen, die das Massaker im Tempel vielleicht doch überlebt hatten. Und um all die anderen zu warnen, die jetzt noch in den Straßen von Coruscant oder irgendwo da draußen oder auch an der Front unterwegs waren, ohne auch nur zu ahnen, dass sie verraten worden waren, dass sie zu Freiwild erklärt worden waren, dass sie bereits gejagt wurden, dass sie sogar von den Soldaten ihrer eigenen Truppen jederzeit erbarmungslos abgeschlachtet werden konnten.
Padmé hatte natürlich vollkommen eingesehen, dass Obi-Wan in dieser Nacht Wichtigeres zu tun hatte, als sich ausgerechnet um die hochschwangere Ehefrau des schlimmsten Verräters aller Zeiten zu kümmern. (Ganz ehrlich, sie hatte nie ganz verstanden, warum der Jedi-Meister überhaupt zu ihr gekommen war! Um auch sie zu warnen? Oder hatte er nur Anakin mit seiner Tat konfrontieren wollen?) Und so hatte sie nach Anakins Rückkehr den Mund gehalten und einfach abgewartet, zumal ihr schnell klar geworden war, dass dieser neue Ehemann, dieser Vader, aufgeputscht durch die jüngsten Ereignisse und aggressiver, gewaltbereiter als sie ihn je zuvor erlebt hatte, weder für Klagen noch für vernünftige Argumente zugänglich sein würde.
Also hatte sie gewartet und zugleich krampfhaft versucht, sich ihre Bestürzung und ihren Abscheu nicht anmerken zu lassen, was ihr überraschend leicht gefallen war, denn der frisch gebackene Sith-Lord war ebenfalls sehr beschäftigt und so im Siegesrausch gewesen, dass es ihn für die wahren Gefühle seiner Frau blind gemacht hatte. Zumindest in den ersten paar Tagen ...
Doch Obi-Wan hatte Padmé im Stich gelassen. Denn als er endlich wieder aufgetaucht war, außer sich vor Kummer und von einer ganz uncharakteristischen, völlig unjedimäßigen Rage erfüllt, da war er nicht ihretwegen gekommen, sondern um Vader für seine Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.
Und dann hatten sie vor Padmés entsetzten Augen auf der Dachterrasse ihres Appartements miteinander gekämpft. Es war ein Duell auf Leben und Tod gewesen und schon nach wenigen Minuten hatte nicht der leiseste Zweifel daran bestanden, wer von ihnen gewinnen würde.
Sie hatte dabei zugesehen, wie der Jedi zu Boden ging, niedergehämmert von dem Sith und seinem unglaublichen, unerklärlichen Hass. Und sie hatte begriffen, dass Obi-Wan sterben würde, wenn sie nicht eingriff, wenn sie nicht sofort irgendetwas unternahm.
Und so hatte sie einfach einen gellenden Schrei ausgestoßen, der erstaunlicherweise tatsächlich Vaders Aufmerksamkeit erregt hatte – womit sie angesichts seiner konzentrierten Mordlust gar nicht gerechnet hatte.
Und als er ganz perplex von seinem schon niedergestreckten Feind abließ und zu ihr herumwirbelte, umklammerte sie theatralisch ihren Bauch, der in den letzten Wochen den Umfang oder zumindest die Form eines Fesselballons angenommen hatte, und sank mit einem pathetischen kleinen Wimmern zwischen zwei großen Keramikurnen voller Wysteriaranken ebenfalls zu Boden.
Und das Ablenkungsmanöver funktionierte – wenn auch nur für ein paar Sekunden. Aber das reichte schon, um den Jedi-Meister wieder hochschnellen und zum Rand der Terrasse hinüber hechten zu lassen. Und dann sprang er einfach hinunter oder vielmehr auf den Rücksitz eines gerade vorbei rasenden offenen Gleiters – und das bevor ein vor Wut schäumender Vader reagieren und ihm sein Laserschwert hinterher werfen konnte wie einen Speer aus gleißendem blauen Licht. Es war Padmé übrigens immer noch schleierhaft, wie Obi-Wan diesen wahnwitzigen Stunt überlebt hatte. Jeder Nicht-Jedi wäre einfach abgestürzt oder hätte sich bei dem Aufprall auf den Gleiter jeden einzelnen Knochen gebrochen. Aber irgendwie hatte er es geschafft und danach war er sogar entkommen.
Und der Rest spielte dann keine Rolle mehr. Jedenfalls nicht für sie, die gleich darauf feststellte, dass sie gar nichts mehr vorspiegeln musste, weil plötzlich tatsächlich verfrühte Wehen durch ihren Unterleib pflügten wie eine Sichel, die sie von innen her aufriss, was sie gleich noch einmal aufschreien ließ, dieses Mal aber in echtem Schmerz. Der Schock und der Stress der letzten Minuten waren einfach zu viel für Padmé gewesen – von den Aufregungen der letzten Tage ganz zu schweigen!
Und so kam es, dass die herbeigerufene Ambulanz sie gerade noch rechtzeitig in den Kreißsaal der nächstbesten Klinik schaffen konnte.
Und dort lag sie dann fast eine ganze Woche lang in dem größten Zimmer der exklusiven Privatpatienten-Station und das sozusagen mutterseelenallein – wenn man von ganzen Schwärmen von fürsorglichen Hebammen und Krankenschwestern absah, die sie und ihre Babys verhätschelten und unter entzücktem Gegurre die unzähligen Blumensträuße arrangierten, die ihr Angetrauter ihr schicken ließ. Ihr frisch geadelter Gemahl, der gerade so sehr davon in Anspruch genommen war, noch mehr Jedis zur Strecke zu bringen und ganz nebenbei Palpatine dabei zu helfen, eine völlig illegale Monarchie aus dem Boden zu stampfen, dass er einfach keine Zeit dafür fand, sich seinen Vaterfreuden oder ähnlich sentimentalen Gefühlsaufwallungen hinzugeben.
Das holte er dann allerdings nach, als er endlich wieder auf der Bildfläche erschien – bewaffnet mit einem noch größeren Blumenbukett im Arm, der ersten Diamanten-Tiara in seiner Manteltasche und einer vagen Entschuldigung auf den Lippen. Und bei dieser freudigen Gelegenheit verzieh er dann sowohl Padmé als auch den Zwillingen gnädigerweise ihre ausgesprochen schlecht getimte Geburt – wenn auch nicht Obi-Wans erfolgreiche Flucht, die ihn mit großer Erbitterung und einer niemals nachlassenden Rachsucht erfüllte, zumal sie ihn sein Lichtschwert gekostet hatte, das er dann grimmig durch einen Säbel mit einer blutroten Klinge ersetzte.
Aber Obi-Wan wurde nach dieser … nun ja … nicht wirklich glücklichen Familienzusammenführung ohnehin nie wieder von ihm erwähnt – genau so wenig wie die übrigen getöteten oder entwischten Jedis. Oder tausend andere Gräueltaten ...
Padmé schüttelte langsam den Kopf, als sie ihren Rückblick beendete.
Ich darf mich jetzt nicht mit sinnlosen Grübeleien über die Vergangenheit aufhalten. Ich muss mich auf die Zukunft konzentrieren – auf Leias Zukunft!
Aber damit war sie wieder bei ihrem Problem, ohne eine Lösung dafür gefunden zu haben. Gab es dafür überhaupt eine Lösung?
Mir wird schon etwas einfallen. Und das hoffentlich bald! Aber bis dahin tue ich einfach, was getan werden muss ...
Sie dachte ein paar Minuten lang nach. Dann nahm sie ihren Kommunikator auf und wählte eine Funkfrequenz, die sie schon lange nicht mehr benutzt hatte.
Es dauerte nur Sekunden, bis sich eine Stimme meldete, die trotz ihrer künstlichen Geziertheit eine gewisse Irritation verriet.
„Ja? Wer wünscht mich zu dieser späten Stunde noch zu sprechen?"
Padmé musste trotz ihres Kummers lächeln. Dieser Droide wurde wirklich immer schrulliger – obwohl er schon immer die Manierismen eines besonders affektierten Butlers aufgewiesen hatte.
„Hallo 3PO. Ich bin es – Padmé."
„Ach du meine Güte!" klang es zurück. Dann formvollendet: „Guten Abend, Mylady. Welch unerwartetes Vergnügen."
„Wo bist du jetzt gerade?"
„Im Korridor vor Miss Leias Zimmer … Um präzise zu sein: Ich hänge an der Steckdose neben dem Notausgang, um mich wieder aufzuladen. Ich wollte gerade auf Standby-Modus herunterfahren."
Das klang etwas vorwurfsvoll – C-3PO schätzte es generell nicht, wenn sein Ladeprozess oder ein ähnlicher Ruhe-Zyklus unterbrochen wurde.
„Tut mir wirklich Leid, dass ich dich um diese Uhrzeit noch stören muss", erwiderte Padmé leicht sardonisch.
„Oh, das macht fast gar nichts. Ich habe immerhin noch genau 3,2 Prozent Energie. Das ist noch genug, um mich nicht vor lauter Entkräftung automatisch abzuschalten. Ich existiere, um zu dienen. Und wie kann Ihnen dienen, Lady Padmé?"
„Komm her. Ich habe einen kleinen Auftrag für dich. Und keine Sorge, du kannst dich auch bei mir aufladen", antwortete sie trocken.
„Zweifelsohne. Ich bin schon auf dem Weg, Mylady." Aus dem Hintergrund war ein gedämpftes Klirren zu hören. „Oh nein! Ich torkle ja schon! Ich hoffe, ich schaffe es noch bis zu Ihnen. Aber ganz sicher bin ich nicht."
Jetzt musste Padmé sogar ein wenig lachen. Es wunderte sie selbst. Aber 3PO war eben unwiderstehlich komisch.
„Dann beeil dich lieber. Ich warte", sagte sie.
Und sie hatte auch noch etwas zu tun, während sie wartete.
Nachdem sie den Kommunikator wieder deaktiviert und ihn achtlos neben dem glimmernden Haufen auf dem Tisch abgelegt hatte, wanderte sie in ihr Ankleidezimmer. Sie zog nach und nach die verschiedenen Schubladen einer Kommode heraus und begutachtete kritisch die Handtaschen, die dort untergebracht waren. Sie brauchte einen Behälter, der groß genug war, um ihren ganzen Schmuck einzupacken. Aber er durfte auch nicht zu groß sein, denn der Platz, an dem er gleich eingelagert werden sollte, war eher sparsam bemessen.
Nach kurzem Überlegen wählte sie ein eckiges Etwas aus einem weichen dunkelroten Veloursleder, das von seinem Stil her eher an eine Aktenmappe erinnerte als an das typische modische Attribut, das sich Damen so gerne an den Arm hängten, um so nützliche Utensilien wie zum Beispiel Makeup-Kits darin unterzubringen. Tatsächlich hatte Padmé dieses recht pragmatisch aussehende Teil früher gerne benutzt, um ihr Datapad und eine Menge andere wirklich nützliche Utensilien darin unterzubringen, wenn sie zu ihren Senatssitzungen oder Komiteetreffen gegangen war. Es war viel geräumiger als es auf den ersten Blick aussah.
Sie schätzte seine ungefähren Maße mit den Händen ab und beschloss, dass sie es damit versuchen würde. Sie löste den jetzt überflüssigen Schulterriemen aus seinen Schlaufen und warf ihn in seine Schublade zurück. Sie würde ihn später via Müllschlucker entsorgen und bei der Gelegenheit auch die übrigen Handtaschen ein wenig verschieben, damit Zonia und Maalin keine Lücke entdeckten, die nur unnötige Fragen aufgeworfen hätte. (Das Lästige an dienstbeflissenen Zofen war, dass sie das Eigentum ihrer Herrin besser kannten als diese selbst und sofort aufmerksam wurden, wenn irgendetwas davon fehlte.)
Padmé kehrte in ihr Schlafzimmer zurück, klaubte hastig ihre Kleinodien zusammen und ließ sie in die ausgewählte Tasche hinein rieseln. (Die danach natürlich randvoll war und noch dazu eine bedenklich umfangreiche Beule in der Mitte aufwies!)
Sie war gerade damit fertig, als 3PO herein schlurfte. Schlurfen war genau das richtige Wort, denn der Droide schien nun kaum noch genug Energie zu haben, um seine metallenen Füße zu heben.
„Bbb-bin ddd-da, Lll-lady Pppp...", stotterte er mühselig, als er langsam auf sie zu wackelte.
„Oh je, das war ja nun wirklich auf die allerletzte Sekunde, was? Geh besser sofort da rüber und schließe dich dort an."
Padmé zeigte auf eine Dockingstation, die so diskret in ein blütenförmiges Mural an der gegenüberliegenden Wand eingelassen war, dass sie kaum zu sehen war.
3PO stolperte gehorsam hinüber und steckte im Zeitlupentempo einen goldenen Mittelfinger in ein passendes Interface. Seine bereits zu einem alarmierend trüben Orangerotton verblassten Videosensoren blinkten zweimal auf und wurden gleich darauf merklich heller, obwohl sie noch weit von ihrem standardmäßigen Gelb entfernt waren. Padme dachte, dass der Entwickler, der auf die Idee gekommen war, die Ladeanzeige dieses Droiden-Modells ausgerechnet dort unterzubringen, über einen gewissen Sinn für Humor verfügt haben musste.
„Na? Schon besser?"
„V-viel b-besser, M-mylady", stammelte 3PO.
„Fein", sagte Padmé knapp. Und dann sehr viel lauter und entschiedener: „Rugor Nass Vier ... Varykino Drei … Minus Beta ... Soriel Zwei … Panaka Eins … Minus Alpha … Amidala Zero!"
Sobald sie ihren Countdown beendet hatte, erloschen 3POs Videosensoren so abrupt wie eine ausgeblasene Kerze. Aus seinem Inneren erklang ein leises Summen und Surren, als sein heruntergefahrener Doppelkern-Prozessor neu durchstartete, dann flammten seine Augen wieder auf. Aber jetzt waren sie grün.
„Dormé … Kannst du mich verstehen?"
„Jawohl, Eure Majestät", zirpte eine eindeutig feminine AI-Stimme. „Was kann ich für Sie tun?"
Padmé atmete unwillkürlich erleichtert auf. Sie hatte nicht ernsthaft erwartet, dass der Override-Code, den Sabé heimlich für sie einprogrammiert hatte, kurz nachdem Anakin ihr seinen selbstgebastelten alten Protokoll-Droiden zu ihrem rein persönlichen Gebrauch überlassen hatte, immer noch funktionierte. Bei Lukes Tendenz, ständig an den Familien-Droiden herum zu schrauben und auch noch ihre Programmierung zu modifizieren (angeblich um sie verbessern, was aber leider nicht immer der Fall war!), war es doch ziemlich wahrscheinlich gewesen, dass der Code inzwischen schon mehrfach überschrieben worden war.
Aber er funktionierte und das machte ihr Vorhaben doch viel einfacher …
„Hör mir jetzt gut zu, Dormé!"
Sie wechselte von Basic zu Gungan und gab ein paar detaillierte Anweisungen in der Sprache der Ureinwohner Naboos.
„Ende. Neues Passwort …" Sie zögerte, bevor sie mit bewusster Kühle fortfuhr: „Shmi Skywalker aka Lars."
Sie ging zu 3PO hinüber und klappte ein gut verborgenes, nie genutztes und entsprechend widerspenstiges Fach in seinem Hinterteil auf, was sie einen ihrer Fingernägel kostete – oder jedenfalls einen schmerzhaft großen Teil davon.
Padmé fluchte leise vor sich hin, ließ sich aber durch diese kleine Unannehmlichkeit nicht aufhalten. Sie holte ihre Tasche, die sich erstaunlich schwer anfühlte, glättete die Ausbuchtung mit einem energischen Druck ihrer Handfläche …
Es wird da drinnen schon nichts kaputt gehen!
… und zwängte das nun wieder etwas flachere, aber immer noch sehr pralle Paket in die Öffnung hinein, die ursprünglich für den Transport von zwei Ersatz-Akkus bestimmt gewesen war.
Es passte, aber gerade noch.
Padmé schob die Klappe wieder zu, wobei sie erneut etwas Gewalt anwenden musste. Sie hoffte, dass der Mechanismus diese Belastung auf Dauer aushalten würde. Sie hoffte es inständig! Es war gar nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn das neue Innenleben von 3POs Gesäß zur falschen Zeit oder am falschen Ort entdeckt wurde. Oder von der falschen Person …
Sie wiederholte ihren Override-Code in der umgekehrten Reihenfolge und sah mit Befriedigung, wie die Alltags-Persona des Droiden nach einem erneuten Start wieder zum Leben erwachte.
„Oh! Ich bitte vielmals um Verzeihung. Ich fürchte, ich war für einen Moment … abwesend."
„Ja. Du hast dich wirklich kurz abgeschaltet. Aber jetzt bist du ja wieder wach. Alles in Ordnung, 3PO?", fragte sie betont unschuldig.
„Jawohl, Lady Padmé", antwortete der Droide. „Wie lautet Ihr Auftrag?"
„Vergiss das einfach. Ich habe es mir anders überlegt und brauche dich jetzt doch nicht. Du kannst wieder runter gehen und dich dort fertig aufladen. Gute Nacht, 3PO."
„Oh! Wenn das so ist … Gute Nacht, Mylady."
Der Droide entstöpselte sich wieder und stakste würdevoll hinaus.
Sobald er verschwunden war, räumte Padmé eilig die leeren Stahlkassetten zurück in ihren Safe und verschloss ihn wieder, wobei sie sicherheitshalber auch hier ein neues Passwort eingab. Unter den gegebenen Umständen wäre es sehr unklug gewesen, wenn sie zugelassen hätte, dass Vader die Möglichkeit hatte, den Tresor in ihrer Abwesenheit aufzumachen und zu entdecken, dass er sozusagen komplett ausgeplündert war.
Was den fehlenden Schmuck an sich anging …
Nun ja, falls Padmé demnächst in die Verlegenheit kommen sollte, sich für einen Auftritt im Palast mit irgendwelchen aufsehenerregenden Klunkern herauszuputzen wie ein Zirkuspferd mit Flitterkram, so gab es genug Juweliere in Imperial City, bei denen sich eine Ehefrau in Nöten ganz diskret entsprechend dekorative, wenn auch nicht ganz so teure Ornamente ausleihen konnte.
Übrigens wusste sie auch das von Lady Unassis, die viel zu regelmäßig die Spieltische in jedem halbwegs bekannten Casino frequentierte und daher oft dazu gezwungen war, ihre eigenen Preziosen zur Tilgung ihrer Schulden zu verpfänden, was sie auf diese Weise geschickt vor ihrem Gatten verbarg, bis sie wieder flüssig war.
Als sie alles erledigt hatte, konnte Padmé endlich ihr müdes Haupt zur Ruhe betten, aber das hieß noch lange nicht, dass sie auch wirklich Ruhe fand.
Sie drehte sich noch eine ganze Weile unruhig hin und her, während sie zu entscheiden versuchte, wie ihr nächster Schritt aussehen würde. Doch ihre Erschöpfung ließ ihre Lider schließlich doch zufallen und ihr letzter klarer Gedanke war:
Ach, verschieben wir es doch auf morgen ... Oder noch besser auf übermorgen ...
Und damit schlief sie endlich ein.
Fortsetzung folgt ...
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