XIX.


Vader zerrte mit Schwung die hohen Schaftstiefel von seinen Füßen und schleuderte sie zornig in die nächstbeste Ecke. Der wadenlange schwarze Ledermantel, aus dem er schon vorher geschlüpft war, flog gleich hinterher.

Nachdem er sich so zumindest von den lästigsten Kleidungsstücken befreit hatte, steuerte er als erstes die Hausbar neben einer ebenfalls mit schwarzem Leder überzogenen Sitzlandschaft an. Er brauchte jetzt einen Drink und das wirklich dringend.

Er nahm die schwere Kristallkaraffe, die auf der blankpolierten Greelholz-Theke auf ihn wartete, und goss einen soliden Schuss corellianischen Brandy in eines der ebenfalls parat stehenden Kelchgläser. Noch zwei wasserklare Eiswürfel aus dem randvollen Metallkübel in dem Minikühlschrank unter der Bar und er war bereit, all die Widrigkeiten dieses unerfreulichen Abends hinter sich zu lassen – oder jedenfalls bereit, genau das zu versuchen. Ob es ihm tatsächlich gelingen würde, stand auf einem anderen Blatt ...

Er wanderte mit seinem Glas, das jetzt mit sanft klingelnden Eisbrocken in einer hin und her schwappenden Welle aus flüssigem Gold gefüllt war, zu der riesigen Fensterfront hinüber, die die ganze Wand einnahm. Dort stand er nun, nippte an seinem gekühlten, köstlich rauchig schmeckenden Brandy und sah in die Dunkelheit hinaus – falls man die Myriaden von künstlichen Lichtern, die sich vor seinen Augen bis zu einem schier endlosen Horizont erstreckten, überhaupt noch als Dunkelheit bezeichnen konnte. Denn zu seinen Füßen lag seine Stadt, das pulsierende Herz seines Imperiums, in all ihrem Glanz, in ihrer ganzen funkelnden und gleißenden Pracht – eine wahre Königin der Nacht, gekrönt mit unzähligen Lichtfunken in allen Farben des Spektrums.

Imperial City bot zu dieser Stunde immer einen besonders grandiosen Anblick, eine atemberaubende Aussicht, die ihren künftigen Besitzer und Herrscher normalerweise beruhigte oder ihn mit einer angenehm prickelnden Erregung erfüllte.

Aber nicht heute Abend. Heute ließ ihn dieses faszinierende Panorama kalt, ohne ihn zu besänftigen. Hier und jetzt fühlte er nichts anderes als pure unverdünnte Rage.

Er trank noch einen Schluck (einen wesentlich größeren jetzt, um das säuerliche Aroma seines familiären Fiaskos zusammen mit dem bitteren Geschmack der Niederlage herunter zu spülen!), aber dann stellte er das immer noch halbvolle Glas achtlos auf dem breiten Fenstersims ab. Er begann mit weit ausgreifenden Schritten in seinem Wohnzimmer hin und her zu tigern, zu aufgebracht und viel zu ruhelos, um weiter die schöne Aussicht zu bewundern oder sich in der halbwegs beschwichtigenden Umarmung eines verlockend bequemen Ohrensessels niederzulassen.

Diese Frau macht mich noch wahnsinnig ... Und alles nur wegen diesem verfluchten Balg, mit dem man nichts als Ärger hat!

Sein einziger (wenn auch nur recht vager) Trost in diesem Moment war, dass das Leia-Problem möglicherweise schon kurz vor seiner Lösung stand. Zumindest wenn er Palpatines Andeutungen richtig interpretiert hatte...

Das Imperium befand sich seit einiger Zeit in Verhandlungen mit dem Hapan-Konsortium, einem aus dreiundsechzig dicht bevölkerten Welten bestehenden Planeten-Cluster, der sich seit Jahrtausenden völlig vom Rest der bewohnten Galaxis abgekapselt hatte. Aber mit dieser Isolations-Politik der Hapaner, die an die Allüren der ehemaligen Separatisten-Bewegung erinnerte, war es nun wohl endgültig vorbei. Die neu aufgenommenen diplomatischen Beziehungen gediehen prächtig und wenn man den enthusiastischen Ausführungen der imperialen Delegation glauben durfte, dann stand ein für beide Seiten äußerst vorteilhafter Vertrag kurz vor dem Abschluss. Ein Abkommen, das zum Beispiel einen Nichtangriffs-Pakt beinhaltete, der allen Schiffen beider Flotten endlich eine völlig ungestörte Nutzung der Hyperraumsprungpunkte bei der Perlemianischen Handelsroute erlauben würde.

Doch der für Vader wirklich interessante Punkt bestand darin, dass die Hapaner getreu ihrer etwas antiquierten Traditionen darauf bestanden, ihr neues Bündnis mit dem Imperium durch eine Hochzeit zu bekräftigen. Mit anderen Worten: Sie wollten ihren Kronprinzen Isolder mit einer möglichst hochrangigen imperialen Braut verheiraten. Und wer kam unweigerlich als erste Kandidatin für eine solche Verbindung in Frage? Leia natürlich, die immerhin die einzige Tochter des nächsten imperialen Thronprätendenten war, obwohl sie noch nicht offiziell als Prinzessin bezeichnet werden durfte. Aber das störte die Hapaner offenbar nicht im Geringsten.

Und Vader störte es auch nicht – ganz im Gegenteil: Es war die perfekte Gelegenheit, um diesen Stein in seinem Stiefel, diesen Stachel in seiner Seite loszuwerden und das für immer, wenn es nach ihm ging.

Auf Hapes Prime, der Hauptwelt des Hapan-Sektors, wo die königliche Familie residierte, konnte Leia treiben, was sie wollte, ohne dass hier auf Coruscant irgendjemand darunter zu leiden hatte oder es auch nur mitbekam. Obwohl nach allem, was Vader über Prinz Isolders Mutter (und die derzeitige Monarchin des Hapan-Konsortiums) gehört hatte, wohl kein Zweifel daran bestand, dass man Leia dort auf Kurs bringen würde. Weder Königin Ta'a Chume noch ihr Hofstaat würden sich von einer aufmüpfigen Schwiegertochter lange auf der Nase herumtanzen lassen. Leia würde demnach lernen müssen sich anzupassen und zu parieren – und zwar auf die harte Tour, wenn sie nicht spurte.

Doch vielleicht würde diese schwierige, launische, ewig kritische Rabentochter letzten Endes sogar davon profitieren. Zumindest würde sie auf Hapes Prime ihren Platz finden, was innerhalb des Imperiums offenbar völlig unmöglich für sie war...

Aber egal, wie DAS für Leia ausgeht: Immerhin wird sie sich vorher wenigstens einmal in ihrem Leben doch noch nützlich machen. Und ich habe sie vom Hals. Wir alle haben sie dann vom Hals, dachte Vader.

Denn sein Nervenkostüm war leider nicht das einzige in diesem Haus, das durch die ständigen Querelen mit oder wegen Leia zunehmend belastet wurde. Da war unter anderem auch sein Sohn.

Es ließ sich nicht leugnen, dass dieses Mädchen einen sehr schlechten Einfluss auf ihren Bruder hatte! Ihre Mutter übrigens auch. Beide hatten schon immer praktisch alles getan, um Luke die absurdesten Ideen einzuflüstern und ihm damit alle möglichen Flöhe in den Kopf zu setzen – was dann bei den unpassendsten Gelegenheiten zum Vorschein zu kommen pflegte!

Um dieser negativen Einwirkung einen Riegel vorzuschieben oder sie zumindest so weit wie nur möglich einzuschränken, war Vader nichts anderes übrig geblieben, als Luke aus der Schusslinie zu zerren. Denn das war der wahre Grund dafür, warum er vor vier Jahren entschieden hatte, seinen Sohn nach Carida zu schicken. (Die zertrümmerten Treibhäuser in den Palastgärten und ähnlich kostenträchtige Unfälle dank Lukes heimlichen Gleiter-Spritztouren waren nur ein Vorwand gewesen.)

Und genau deshalb hatte er Luke vor kurzem auch auf die Warbride versetzt, statt ihn zu sich auf die Executor, sein eigenes Flaggschiff, zu holen: Damit der Junge weder zu oft noch zu lange zu Hause herumlungerte, was nur dazu geführt hätte, dass er ständig Padmés und Leias Manipulationen ausgesetzt gewesen wäre. Außerdem war Admiral Ozzel, der die Warbride und den dazugehörigen Flottenverband kommandierte, eine wahre Heimsuchung für jeden, der mit ihm zu tun hatte, und damit garantiert der ideale Schleifstein für die allzu stumpfe Klinge von Lukes Durchsetzungskraft und Willensstärke.

Vader stieß einen tiefen Seufzer aus. Er machte sich in letzter Zeit wirklich Sorgen um seinen Sohn.

Der Junge ist einfach zu weich, zu nachgiebig und alles in allem viel zu sentimental, dachte er.

Als Luke noch ein Kind gewesen war, hatten seine naive Gutherzigkeit und seine reichlich übertriebene Hilfsbereitschaft Vader einfach nur gerührt. Auch in den Teenager-Jahren seines Sohnes hatte er in diesen durchaus liebenswerten, wenn auch etwas lästigen Eigenschaften kein Problem gesehen. Doch jetzt WURDEN sie allmählich zu einem Problem, denn sie behinderten den Jungen eindeutig in seiner Entwicklung.

Der Imperator war unzufrieden mit den Fortschritten seines jungen Sith-Nachwuchses in der Anwendung der Macht. Nachdem Luke die Akademie verlassen hatte, war seine zuvor bewusst etwas verschleppte Ausbildung auf diesem Gebiet plötzlich zur Priorität geworden. Früher hatte Palpatine aus purem Eigennutz alles getan, um Luke zu bremsen. (Lieber einen eventuellen neuen Rivalen etwas zurückhalten, damit auch ja keiner der Vaders auf die verführerische Idee kam, aus Ungeduld oder ähnlich leichtsinnigem jugendlichen Überschwang eine Palastrevolution anzuzetteln!) Doch jetzt sah er es gar nicht gerne, dass der junge Mann so viel Zeit jenseits von Coruscant verbrachte.

Das führte regelmäßig zu Disputen mit Vader, der seinerseits darauf beharrte, dass es Zeit war, seinen Sohn als kommenden Befehlshaber innerhalb der imperialen Streitkräfte zu etablieren. Sein Standardargument dabei war, dass Luke nie dazu gezwungen sein sollte, sich seinen Kommandostatus unter den Stabsoffizieren so hart erkämpfen zu müssen wie er selbst, als er erstmals als Darth Vader auf so arrogante und selbstgefällige Männer wie Wilhulf Tarkin und ähnlich egomanische und anmaßende Kommissköpfe gestoßen war. Doch in Wirklichkeit wollte Vader auch hier vermeiden, dass Luke pausenlos und sozusagen auf Gedeih und Verderb der erstickenden Autorität des Imperators ausgesetzt war. Aber das konnte er natürlich auf keinen Fall offen sagen, also schob er die bekanntermaßen rigide Hackordnung innerhalb des Militärs als Deckmantel vor, was alles in allem eine ziemlich überzeugende Notlüge war.

Trotzdem rieb sich der Imperator an Lukes häufiger Abwesenheit und beschwerte sich bei jeder Gelegenheit darüber. Dass der Junge inzwischen ganz offensichtlich jeder privaten Begegnung mit dem alten Mann aus dem Weg ging und auch sonstige Besuche im Palast vermied, wenn es sich nur irgendwie einrichten ließ, ohne allzu sehr aufzufallen, machte die Sache nicht unbedingt besser.

Und Vader selbst kam bei ihren gemeinsamen Trainingseinheiten nicht umhin zu spüren, dass sein Sohn krampfhaft an sich hielt, sobald es um einen etwas aggressiveren Einsatz der Macht ging, dass er davor zurück scheute, seine Begabung zu entfalten, dass er sich davor fürchtete, sein wahres Potenzial zu verwirklichen.

Und in diesem Zusammenhang musste der Sith-Lord unwillkürlich an die ziemlich aufschlussreiche Bemerkung zurückdenken, die Palpatine bei ihrem letzten Gespräch über dieses Thema nur scheinbar ganz zufällig, ganz nebenbei hatte fallen lassen.

„Wenn die Geschichtsbücher irgendetwas beweisen, mein Freund, dann das: Auf jeden wirklich starken Herrscher folgt unweigerlich ein schwacher! Es ist so etwas wie ein Naturgesetz. Es ist so unvermeidlich wie Ebbe und Flut."

Vader hatte diesen doch ziemlich beleidigenden Kommentar zuerst auf sich selbst bezogen. Doch später war ihm klar geworden, dass der Imperator auf Luke angespielt hatte.

Das war ausgesprochen beunruhigend! Und Vader war nicht gewillt, die logische Schlussfolgerung, die man daraus ziehen musste, zu ignorieren oder einfach hinzunehmen. Wenn es sein musste, dann musste eben auch sein Sohn irgendwie und irgendwann auf Kurs gebracht werden – und das mit allen notwendigen Konsequenzen!

Aber jetzt noch nicht …

Luke war jung und es bestand immer noch die Hoffnung, dass er seine seltsamen und völlig unerklärlichen Hemmungen ganz von selbst überwinden würde, wenn er erst mal etwas erwachsener geworden war und vor allem mehr Erfahrungen im Umgang mit widerspenstigen oder unfähigen Untergebenen und ähnlich gelagerten Krisensituationen gesammelt hatte. Diese Sunnyboy-Flausen würde er sich vermutlich sehr schnell ganz von selbst abgewöhnen – das heißt, sobald seine Schwester ihm nicht mehr im Weg stand wie die Inkarnation eines permanent schlechten Gewissens.

Und was Padmé anging, so war Vader felsenfest davon überzeugt, dass Luke auch über ihren Einfluss und ihre Autorität bald hinauswachsen würde. Mit zunehmender Reife würde er sich unweigerlich von den Rockschößen seiner Mutter lösen. Es war wie der Imperator gesagt hatte: Es war so etwas wie ein Naturgesetz.

Vader hatte schließlich einen ganz ähnlichen Reifeprozess hinter sich gebracht.

Wenn er auf seine Vergangenheit zurück blickte (insbesondere auf seine Mittzwanziger und die Phase unmittelbar danach), dann konnte er beim besten Willen nicht mehr verstehen, warum er früher so entflammt gewesen war für diese Frau, mit der er nun schon seit fast einem Vierteljahrhundert verheiratet war.

Oh, er begriff durchaus, wie es überhaupt dazu gekommen war. Ihm war vollkommen klar, dass ein zehnjähriger Anakin Skywalker, ein schlicht gestricktes Kind mit dem eng begrenzten Horizont einer atembeklemmend armseligen Existenz auf einer öden Hinterwäldler-Welt, ganz und gar verzaubert worden war von diesem fremden bildhübschen Mädchen, das zusammen mit einem waschechten Jedi-Ritter so plötzlich in Wattos Laden aufgetaucht war wie Figuren aus einem Fantasy-Roman, wie die Helden aus einer Holo-Seifenoper. Und das unglaubliche Abenteuer, in das er durch sie hineingezogen und verwickelt worden war, hatte ihn dann endgültig gebannt, hatte ihn mit einer unaufhörlichen Abfolge von Epos und Drama und Glorie verhext und völlig vereinnahmt – vor allem, nachdem er erfahren hatte, wer seine Heroine unter ihrem simplen Dienerinnen-Pseudonym wirklich war.

Und später? Da war Padawan Skywalker einfach nur ein total entwurzelter und vereinsamter Knabe gewesen, ein pubertierender Jüngling, der in einem akuten Anfall von Testosteronrausch zuerst eine romantisch verklärte Verliebtheit und dann eine hoffnungslose Obsession für eine junge Frau entwickelt hatte, die in seinen Augen ungefähr so lieblich und so absolut vollkommen gewesen war wie ein Wesen aus einem Feenreich – also eher eine Vision, eine Fata Morgana als eine reale Person.

Er war damals und auch in der Folgezeit so sehr in Padmé vernarrt gewesen, dass er über lange Jahre hinweg einfach nicht erkannt hatte, wie wenig sie zueinander passten. Denn im Grunde hatten sie nichts gemeinsam: Ihre Herkunft, ihre Kultur, ihre Ansichten und Einsichten, ihre grundlegenden Prinzipien, praktisch alles trennte sie voneinander.

Aber Gegensätze zogen sich ja bekanntlich an und so hatten sie aneinander geklebt wie zwei Magnete mit unterschiedlicher Ladung – obwohl er irgendwie immer gespürt hatte, dass seine Gefühle für Padmé sehr viel stärker, klarer und definierter waren als ihre Gefühle für ihn.

Einer, der liebt, und eine, die sich lieben lässt – das kann auf Dauer ja gar nicht gut gehen, dachte Vader.

Und es war auch nicht gut gegangen. Denn irgendwie und irgendwann waren sie einfach auseinander gedriftet wie zwei Kontinentalplatten durch Konvektionsströme, sehr langsam und für das bloße Auge fast unmerklich, aber unvermeidlich.

Und heute?

Sogar die größte Liebe stirbt irgendwann, wenn sie nicht erwidert wird. Sie erlischt einfach wie eine brennende Kerze, die keinen Sauerstoff mehr findet, deren Flamme in ihrem eigenen Wachs ertrinkt, dachte er mit einer Mischung aus Resignation und Bitterkeit.

Denn heute waren sie nur noch nach außen hin ein Paar, so viel stand fest. Lord Vader und seine Lady waren nur noch eine schöne Fassade, auch wenn diese inzwischen schon deutlich abbröckelte. Und so lebten sie jetzt eben einfach nebeneinander her – inklusive der klassischen separaten Schlafzimmer.

Aber eine offizielle Trennung oder sogar Scheidung war undenkbar, denn das künftige Imperium brauchte nun einmal eine Kaiserin an der Seite seines Kaisers. (Palpatine hatte dieses Defizit nur ausgeglichen, indem er die Ehefrau seines Erben von Anfang an als Galionsfigur benutzt, das heißt als erste Dame des Reiches proklamiert und auch eingesetzt hatte.) Und man konnte Padmé nachsagen, was man wollte, aber ihre Rolle spielte sie immer noch und das mit Perfektion. Und genau das würde sie auch in Zukunft tun – bis in alle Ewigkeit, wenn es sein musste. Ob sie wollte oder nicht!

Und was den Rest anging …

Nun ja, auch ein Sith-Lord hatte seine Bedürfnisse. (Bedürfnisse, die übrigens keineswegs nur körperlicher Natur waren!) Und da draußen gab es wahrhaftig genug angenehme weibliche Gesellschaft für jeden Mann, der an einen lebenden Eiszapfen, an eine wandelnde Marmorstatue gekettet war.

Alles wird gut – egal wie!, dachte besagter Sith-Lord in der mitternächtlichen Stille seines Wohnzimmers.

Denn genau dafür würde er sorgen – und falls nötig mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen!

Wie auf Stichwort klingelte sein Kom. Vader verdrehte die Augen ...

Großer Sith! Können die mich eigentlich nie in Ruhe lassen? Müssen sie mich wirklich immer rund um die Uhr auf dem Laufenden halten? Hätte das nicht einmal Zeit bis morgen früh?

… nahm den Anruf aber trotz seiner spontanen Irritation pflichtbewusst entgegen. Wenn ER mitten in der Nacht gestört wurde, war es grundsätzlich ein Notfall oder jedenfalls etwas sehr Wichtiges.

Zu seiner Genugtuung betraf dieser Anruf nicht nur die zweite Kategorie, sondern sogar eine erfreuliche Nachricht, was sonst eher selten der Fall war.

„Gute Neuigkeiten, Mylord!", dröhnte der alleroberste Chef des Imperialen Sicherheitsbüros. „Es ist uns gelungen zu verhindern, dass die Konstruktionspläne des Todessterns den Rebellen in die Hände fallen."

Vader konnte ein Lächeln nicht ganz unterdrücken, was nicht nur an dieser frohen Botschaft lag. (Nach all den Jahren, die inzwischen vergangen waren, amüsierte es ihn heute noch, dass der Imperator höchstpersönlich darauf bestanden hatte, ihre neueste Superwaffe ausgerechnet auf diesen Namen zu taufen – was natürlich bewies, dass sogar Palpatine sich gelegentlich indizierte Filme zu Gemüte führte und sie ebenso unterhaltsam und inspirierend fand wie sein Sith-Lord, obwohl der alte Herr das natürlich niemals zugegeben hätte. Er hasste es, wenn man ihn für exzentrisch hielt!)

„Ausgezeichnet!", sagte er enthusiastisch. „Hervorragende Arbeit, Isard."

Er war wirklich hocherfreut. Dass die Allianz dank der unglaublich schlampigen Sicherheitsmaßnahmen der imperialen Forschungsstationen auf Jedha und Eadu, für die der leitende Direktor Orson Krennic unmittelbar verantwortlich war, überhaupt von dem Todesstern-Projekt erfahren und sich in der absurden Hoffnung auf eventuell mögliche Sabotageakte sofort auf die Jagd nach den Konstruktionsplänen gemacht hatte, hatte den gesamten Generalstab des Imperiums viele schlaflose Nächte und unzählige Konferenzen voller hitzköpfiger Diskussionen zum Thema Sicherheitslecks gekostet.

Armand Isards selbstgefälliges Gesicht strahlte sofort mindestens drei Schattierungen heller. Ein Lob von Lord Vader war noch viel seltener als erfreuliche Nachrichten, was den Wert seiner Anerkennung enorm steigerte.

„Übrigens kam unsere Flotte gerade noch rechtzeitig bei Scarif an, wenn ich das anmerken darf, Sir. Diese Spione waren tatsächlich gerade dabei, die Daten vom Archivturm unserer eigenen Zitadelle aus an Allianz-Schiffe im Orbit zu funken, nachdem die Rebellen es sogar geschafft hatten, den Deflektorschild um die Basis zu beschädigen.

Leider haben wir uns deshalb dazu genötigt gesehen, den Archivturm zu sprengen, wobei auch ein erheblicher Teil unseres Stützpunktes zerstört und ein großer Teil der Besatzung getötet wurde. Bedauerlicherweise zählt auch Direktor Krennic zu den Opfern."

„Gut", sagte Vader, der das keineswegs bedauerlich fand. (Krennic hatte sowieso ausgedient. Der Imperator reagierte allergisch auf Pfuscherei aller Art – und Vader selbst reagierte auf so viel fahrlässigen Dilettantismus generell mit einer schnellen und garantiert letalen Machtdemonstration, für gewöhnlich mit seinem Lichtschwert. Das vorzeitige Ableben des Direktors hatte ihm also nur Arbeit erspart.)

„Und was ist mit den Rebellen-Schiffen geschehen?"

„Wurden alle ausradiert, Mylord", erwiderte Armand Isard mit einer Promptheit, die ein bisschen ZU prompt kam.

Er verbirgt etwas, dachte Vader sofort. „Wirklich alle?", fragte er lauernd.

Isard zögerte ein, zwei Herzschläge lang, dann gab er auf – zu seinem Glück. (Vader anzulügen, konnte ebenfalls eine letale Machtdemonstration zur Folge haben – auf diese Distanz allerdings gänzlich ohne Lichtschwert!).

„Ein Schiff ist uns leider, leider entkommen, Sir", gestand er, sichtlich nervös jetzt.

Leider, leider, LEIDER!, dachte Vader sardonisch.

„Es hatte sich offenbar im Hangar eines Rebellen-Kreuzers versteckt", fuhr Isard hastig fort. „Als der Kreuzer von unserem Sternzerstörer Devastator einen Volltreffer abbekam, ist es gestartet, aber unsere Sensoren konnten es wegen den Trümmern des Allianz-Schiffes nicht gleich orten. Und dann ist es in den Hyperraum gesprungen, bevor wir auch nur seine ID-Signatur scannen konnten. Doch der Scan-Offizier von der Devastator ist sich ziemlich sicher, dass es eine alderaanische Korvette war."

Ein alderaanisches Schiff? Natürlich! Ich hätte schwören können, dass Bail Organa seine Finger in dieser Sache hat. Er ist ein Verräter – genau wie dieses chandrilanische Weibsstück, dachte Vader empört.

Aber genau wie bei Senatorin Mon Mothma konnte er ohne hieb- und stichfeste Beweise nicht gegen Organa vorgehen. Noch nicht ...

„Und wie sicher ist ZIEMLICH sicher?"

Armand Isard zauderte erneut. „Der ... der Mann sagt, er würde seine Hand dafür ins Feuer legen, Mylord."

Vader stöhnte innerlich auf. Alles Larifari! Was kann ich denn mit so einer schwammigen Information anfangen? Gar nichts!

„Ach ja? Dann sollte Ihr Scan-Offizier lieber darum beten, dass ich ihm keinen Besuch abstatte, um mit ihm eine Probe aufs Exempel zu machen. Denn das würde GANZ sicher ZIEMLICH schmerzhaft für ihn werden", erwiderte er sarkastisch.

„Uh … ja, Mylord", stammelte Isard.

„Gut!", sagte Vader knapp. „War's das jetzt, Isard, oder gibt es sonst noch etwas, das Sie mir unbedingt mitteilen müssen?"

„Da wären noch ein oder zwei Angelegenheiten, Sir."

„Ich höre", sagte Vader.

„Unsere Außenstelle im Arkanis-Sektor hat gemeldet, dass dort Gerüchten zufolge ein Jedi gesichtet worden ist."

Arkanis … also das war immerhin ein Begriff (ein allzu vertrauter Begriff!), mit dem Vader durchaus etwas anfangen konnte. Trotzdem zog er erstmal eine skeptische Augenbraue in die Höhe.

„Gerüchte? Sie kommen mir mit Gerüchten, Isard?"

„Aber es soll sich dabei um einen bekannten Jedi handeln. Einen von unserer Fahndungsliste, Sir. Ein gewisser Obi-Wan Kenobi."

Vader sog die Luft ein und stieß sie in einem zischenden Atemzug wieder aus. (Nicht ganz unähnlich einer gewissen fiktiven Figur in einem gewissen Film auf der Schwarzen Liste, dem der Todesstern seine geradezu poetische Bezeichnung verdankte!) Diese Neuigkeit verblüffte ihn – gelinde ausgedrückt!

Kenobi! Im Arkanis-Sektor? Das kann unmöglich ein Zufall sein … Er wird doch nicht etwa auf Tatooine herumstrolchen?!

„Woher im Arkanis-Sektor kommt diese Meldung?", fragte er mit einer Schärfe, die Armand Isard gleich noch ein wenig straffer und aufrechter an seinem Schreibtisch sitzen ließ.

„Von Wyssa, Mylord."

Was Lichtjahre von Tatooine entfernt lag – aber nicht allzu viele. Es war immer noch in der Nachbarschaft, wenn man das Wort „Nachbarschaft" ein wenig großzügiger auslegte.

„Ich habe mir gedacht, dass es nicht schaden könnte, wenn ich eine erhöhte Alarmbereitschaft auf Wyssa veranlasse … Und in allen Systemen in der Nähe auch, Mylord."

„Ja, tun Sie das. Und setzen Sie die Garnison auf Tatooine auf Alarmstufe Rot", ergänzte Vader.

Sicher ist sicher, fügte er in Gedanken hinzu. Wenn Obi-Wan wirklich dumm genug sein sollte, sich ausgerechnet dort zu verkriechen, dann werden sie ihn früher oder später aus seinem Rattenloch heraustreiben. Und dann wird er sein blaues Wunder erleben!

„Wie Sie wünschen, Sir. Und dann wäre da noch diese andere Sache ... Obwohl mir natürlich klar ist, dass so eine Kleinigkeit Ihre Aufmerksamkeit eigentlich gar nicht wert ist ..."

„Machen Sie es nicht so spannend, Isard! Was für eine Kleinigkeit?"

„Es geht um diese Flyer, die seit einiger Zeit immer wieder auftauchen, Mylord."

„Was für Flyer?", fragte Vader ungeduldig.

„Zum Beispiel das über die Umweltverschmutzung auf Tulzaar. Und über das Seuchenembargo auf Gulnaaris, das wir mal verhängt haben. Und über die Studentenunruhen damals auf Corellia ... und kürzlich sogar über diesen Azubi-Streik auf Halcyon und ganz ähnliche Dinge. Diese Flugblätter kursieren schon seit Jahren auf Coruscant und sämtlichen Kernwelten und zwar immer in größeren Mengen und überall dort, wo sich das offensichtlich angesprochene Zielpublikum aufhält: In Schulen und Universitäten, in beliebten Tanzclubs und Fitness-Studios und Straßencafés und allen möglichen anderen Orten, wo junge Leute gerne ihre Freizeit verbringen."

Vader konnte es kaum fassen. „Die verteilen heutzutage noch Flugblätter?! Hetzpropaganda als richtige echte Papierausdrucke? Großer Sith! Warum malen sie ihre Parolen nicht gleich mit bunter Kreide auf die Straßen wie kleine Kinder, die Himmel und Hölle oder Gummitwist spielen? Wie rückständig können diese selbsternannten Revoluzzer eigentlich noch sein? Das ist ja wie in prärepublikanischen Zeiten... Demagogen aus dem finsterstes Mittelalter... Das hat uns gerade noch gefehlt! Als nächstes pinseln sie ihre Sprüche wahrscheinlich mit Fackelruß an die Hauswände... Und dann treffen wir bald auf Widerstandskämpfer in Strumpfhosen, die mit Pfeil und Bogen auf uns schießen oder Mistgabeln nach uns werfen."

Das war eigentlich nicht als humorvoller Kommentar gedacht, aber Armand Isard lachte trotzdem höflich und etwas gekünstelt („Ha! Haa! Haaa!"), bevor er angesichts von Vaders gerunzelter Stirn abrupt wieder nüchterner wurde und etwas überstürzt fortfuhr:

„Es ist wirklich eine ziemlich altmodische Art der Verbreitung, Mylord, und damit auf jeden Fall eine eher ungewöhnliche Vorgehensweise für halbwegs professionelle Agitatoren. Aber sie ist trotzdem durchaus effizient, wenn wir das ganze Ausmaß ihrer Aktionen bedenken.

Und sie ist garantiert sehr viel sicherer für die Hintermänner als eine virale Verbreitung über das Holonet, das wir inzwischen dank unserer ausgefeilten Schlagwort-Algorithmen so gut wie völlig unter Kontrolle haben.

Es gibt keine bekannte soziale Medienplattform mehr, die wir nicht total überwachen. Und alle, die neu gegründet werden, kriegen wir auch recht schnell in den Griff – es ist meistens nur eine Frage von Stunden."

„Gut!", sagte Vader unverbindlich.

Isard atmete sichtlich auf, bis der Sith brummte: „Und jetzt kommen Sie endlich mal auf den Punkt. Warum erzählen Sie mir das alles? Irgendwelche rührseligen Pamphlete und hysterische Schmähschriften interessieren mich nicht. Ich habe wahrhaftig Besseres und Wichtigeres zu tun."

„Natürlich, Sir. Ich wollte Sie nur ganz kurz darüber informieren, dass unsere Experten all diese Flyer sorgfältig analysiert haben – die älteren und die aktuellen – und dass sie inzwischen der Meinung sind, dass ihr Autor identisch ist."

„Das ganze Zeug kommt von ein- und demselben Schmierfink?"

„Ja, Mylord. Die Profiler sagen, dass es sich dabei um eine junge und überdurchschnittlich gebildete Person handeln muss, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiblich ist und sogar hier in Imperial City lebt oder zumindest eine Zeitlang gelebt hat."

„Ein Student hier auf Coruscant?"

„Eine Studentin, Sir – und es ist nicht gesagt, dass sie immer noch hier ist. Und ja, ihre ganze Ausdrucksweise, ihr Stil und ihre Wortwahl und gewisse grammatikalische und dialektische Besonderheiten ihrer Diktion lassen auf Coruscant schließen. Und auf ein eher gehobenes Milieu – möglicherweise großbürgerlich, vielleicht sogar adelig."

Vader rollte erneut mit den Augen – nichts hätte ihm gleichgültiger sein können, als das Geschlecht, der Bildungsgrad oder die genauen Lebensumstände irgendeiner anonymen wildfremden giftspritzenden Göre.

„Sie hatten ja eben sooo Recht, Isard", sagte er und seine tiefe Stimme war ein einziges seidenglattes Schnurren. „Diese läppische Angelegenheit ist meine Aufmerksamkeit wirklich nicht wert." Und dann sehr viel schärfer: „Also verschwenden Sie in Zukunft gefälligst nie wieder meine kostbare Zeit mit so einem Kleinkram!"

„Uh … ja, Mylord", stammelte der allgewaltige Chef des ISB.

„Finden Sie diesen Schreiberling einfach und ziehen Sie ihn oder sie oder es oder was auch immer aus dem Verkehr. Und zwar endgültig! Und machen Sie es einmal diskret und unauffällig, falls Ihrem Verein von Stümpern so etwas überhaupt möglich ist.

Das Letzte, was das Imperium jetzt braucht, sind noch mehr Teenager-Märtyrer, die vor den Augen unserer braven friedliebenden Bürger am helllichten Tag aus irgendeinem Fenster im zehnten Stock geworfen werden und auf der Straße liegend verbluten wie ein paar platt gewalzte Nacktschnecken.

Ich wäre sehr enttäuscht, wenn so etwas wie auf Halcyon noch einmal vorkommt. Wirklich sehr, sehr, SEHR enttäuscht! Habe ich mich klar ausgedrückt?"

„Uh … ja, Mylord."

„Gut!", sagte Vader knapp und unterbrach die Verbindung.

Er hatte für heute genug gehört. Oder hatte er ganz allgemein genug und das nicht nur heute?

Also wirklich – der Tag hat nicht genug Stunden für all den Unsinn, mit dem ich mich beschäftigen muss!, dachte er.

Er trank seinen restlichen Brandy aus, der dank der inzwischen geschmolzenen Eiswürfel ziemlich wässrig schmeckte. Er verzog angewidert den Mund und gönnte sich noch einen kleinen Schluck puren Brandy als Absacker, bevor er seine übrigen Kleidungsstücke abwarf (buchstäblich!) und sich nach einer flüchtigen Abendtoilette zur Ruhe begab.

Und als er endlich auf einer unglaublich komfortablen und sanft erwärmten Wasserpolstermatratze unter einer mit echtem Pardeg-Fell besetzten Decke lag und mit halb geschlossenen Augen in das wohltuende Halbdunkel hinein blinzelte (er empfand die Lichterflut von Imperial City, die auch in diesem Zimmer durch die Fenster strömte, als tröstlich, so dass er grundsätzlich niemals die Jalousien herunter ließ!), schweiften seine Gedanken unwillkürlich zu dem steinharten Feldbett mit den knirschenden Sprungfedern zurück, in dem er als Kind genächtigt hatte. Nichts in dem hochherrschaftlich luxuriösen Schlafgemach, indem er heutzutage eher residierte als wohnte, erinnerte auch nur im Geringsten an dieses schäbige ärmliche Kämmerchen, in dem er seine ganze elende Kindheit verbracht hatte – nun ja, jedenfalls bis zu dem Tag, an dem dieser zottelhaarige Jedi-Meister aufgetaucht war, der Anakin Skywalkers Schicksal eine entscheidende Wendung verpasst hatte.

Ja, Qui-Gon Jinn, der trotz all seiner geheuchelten oder zumindest doppelzüngigen Güte nicht einen Augenblick lang gezögert hatte, das Leben eines Kindes bei einem brandgefährlichen Rennen zu riskieren, nur um an ein paar Ersatzteile heranzukommen, die er bei Watto ebenso gut gegen ganze Koffer mit Amidalas übertrieben wertvoller Garderobe hätte eintauschen können. Oder die er einfach hätte stehlen können, wie es jeder halbwegs intelligente Mann an seiner Stelle in so einer Notfallsituation getan hätte. Aber das war eben typisch für die doppelbödige Moral der Jedis. Und Padmé war auch nicht viel besser ...

Sie hätte ihm ruhig sagen können, dass sie Königin Amidala ist … Sie hätte es ihm wirklich sagen und einfach ihr Gepäck herausrücken können, statt einfach nur in der Gegend herumzustehen und dabei zuzusehen, wie ich meinen Hals riskiere!

Aber wahrscheinlich hat sie nur daran gedacht, dass sie dann nicht mehr genug wallende Gewänder und Glitzerzeug hat, um auf Coruscant herum zu stolzieren wie ein Pfau mitten in der Balz. Großer Sith! Wie oberflächlich kann man eigentlich sein? Weiber!

Und mit diesem Gedanken schlief er ein ...


Fortsetzung folgt ...

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