XX.


„... was unglücklicherweise zur Folge hatte, dass nicht nur die Rebellen-Einheit unten auf Scarif umgekommen ist, sondern auch die Allianz-Schiffe im Orbit komplett vernichtet wurden. Gegen so viele Sternzerstörer hatten sie einfach keine Chance. Es ist ein Wunder, dass wir mit der Tantive IV überhaupt entkommen sind, Hoheit. Wir haben es gerade noch geschafft, den Hangar der Profundity zu verlassen – und auch das nur, weil Admiral Raddus offenbar im letzten Moment ein Wendemanöver durchführen ließ, um uns so lange wie möglich Deckung zu geben."

Captain Antilles Gesicht blieb so unbewegt, wie man es von einem erfahrenen Offizier erwarten konnte, auch wenn er gerade einen absolut katastrophalen Einsatzbericht ablieferte. Aber die Art und Weise, wie er die Uniformmütze zwischen seinen Fingern umkrempelte und zerknüllte, während er sprach, verriet seine wahren Empfindungen: Es sah beinahe so aus, als würde er die Hände ringen – eine Gefühlsaufwallung, die Bail Organa übrigens nur allzu gut nachvollziehen konnte.

Was für ein Desaster! So viele Opfer, so viele Schiffe – und alles völlig umsonst, dachte er bitter.

Aber noch viel wichtiger als die Toten (oder irgendwelche materiellen Verluste!) waren die Lebenden und deshalb fragte er sofort scharf: „Was genau verstehen Sie unter Deckung, Raymus? Dass die Imperialen nur deshalb nicht auf Sie schießen konnten, weil der Rumpf der Profundity ihnen im Weg war? Oder dass sie die Tantive gar nicht erst bemerkt haben? Das ist nämlich ein ziemlich wichtiger Unterschied, oder nicht?"

Der Captain zögerte ein wenig. „Nun … sie haben nicht einen direkten Schuss auf uns abgefeuert, Sir. Deshalb können wir wohl davon ausgehen, dass sie uns nicht gesehen haben. Und danach … na ja … danach waren wir im Trümmerfeld der Profundity praktisch unsichtbar … jedenfalls bis wir in den Hyperraum gesprungen sind."

„Ach so! Sie gehen also einfach davon aus, dass Sie die ganze Zeit über praktisch unsichtbar waren", sagte Bail mit beißendem Sarkasmus. „Aber wissen können Sie es nicht!"

„Die Imperialen wären uns bestimmt sofort gefolgt, wenn sie uns bemerkt hätten, Sir. Und wenn sie die Tantive identifiziert hätten, dann hätten sie inzwischen zweifellos darauf reagiert. Sie hätten längst … Maßnahmen ergriffen", erwiderte Antilles.

„Ja, genau. Und zwar typisch imperiale Maßnahmen. Sagen Sie, Raymus, haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, was das für Alderaan bedeuten könnte? Mein eigenes Konsularschiff bei einem Angriff auf einen imperialen Stützpunkt... Und das auch noch bei dem Versuch, Daten über ein streng geheimes Waffenprojekt zu stehlen... Das ist Hochverrat! Das wäre unser Ende."

Oder jedenfalls meines – und das von Breha wahrscheinlich auch, fügte Bail in Gedanken hinzu. Und wer weiß schon, was das Imperium mit Alderaan selbst anstellt, wenn wir erwischt werden – vor allem jetzt, nachdem dieses schreckliche Ding endlich fertig gebaut und jederzeit einsatzbereit ist.

Oh, sie werden natürlich scheinheilig behaupten, dass der Todesstern nur der Abschreckung dient, wenn die Sache irgendwann ans Licht kommt. Aber mir können sie nichts vormachen. Jede Waffe wird irgendwann auch benutzt. Diese Leute schrecken vor nichts mehr zurück…

Und plötzlich lief ihm eine Gänsehaut über den Rücken, ein atavistischer Schauder, der dafür sorgte, dass sich jedes einzelne Härchen an seinem Körper aufrichtete, Follikel für Follikel. Er fröstelte unwillkürlich, als er von einer Eingebung heimgesucht wurde, von einer bösen Vorahnung.

Als ob gerade jemand über mein Grab gelaufen wäre …

Und dann dachte er beinahe wild: Sie dürfen uns nicht erwischen. Sie dürfen nie herausfinden, dass wir zur Allianz gehören, Breha und ich. Und sie werden es auch nicht herausfinden. Wir müssen alles tun, um das zu verhindern – alles!

Er berührte unwillkürlich den breiten goldenen Siegelring an seiner linken Hand wie einen Talisman, wie einen Schutzzauber.

Captain Antilles, der nichts von den Gedankengängen des Vizekönigs ahnte, biss sich auf die Lippen, nun sichtlich verärgert. „Ich bitte vielmals um Verzeihung, Hoheit, aber immerhin war das alles ja nicht meine Idee", sagte er steif. „Ich habe nur meine Befehle befolgt. General Rieekan hat angeordnet, dass ich mit der Tantive ..."

Doch Organa fiel ihm einfach ins Wort. „Rieekan hat gar nicht das Recht, eine so wichtige Entscheidung zu treffen, ohne meine Frau oder mich vorher zu konsultieren. Er hat völlig eigenmächtig gehandelt!"

Diese Militärs! Immer mitten rein in das Getümmel und bloß nie vorher über die Konsequenzen nachdenken, schimpfte er innerlich, obwohl er genau wusste, dass das ziemlich ungerecht von ihm war, denn Carlist Rieekan war eigentlich ein sehr besonnener Mann (und normalerweise so vorsichtig wie einer seiner geliebten samtpfötigen Stubentiger!). Eigentlich ...

„Aber die Königin war gerade nach Gaureana unterwegs und unerreichbar, als Mon Mothma und General Dodonna uns um Hilfe gebeten haben. Und General Rieekan konnte Sie ja schließlich schlecht hier auf Coruscant anrufen, um Sie um Erlaubnis zu bitten, Sir. Nicht über eine total überwachte Satellitenleitung..."

Jetzt war es Organa, der an seiner Unterlippe herumnagte – ein Anzeichen von Stress, dessen er sich gar nicht bewusst war.

Die Überwachung seiner Satellitenleitung, die jeden Kom-Anruf, den er erhielt oder selbst tätigte, zu einem potenziellen Stolperstein machte, war nicht das einzige Problem, mit dem er sich zurzeit herumschlagen musste. Tatsächlich war inzwischen die ganze alderaanische Botschaft von oben bis unten verwanzt (von seiner privaten Penthauswohnung ganz zu schweigen!) und erinnerte auch so immer mehr an eine belagerte Festung.

Die alderaanischen Spezialisten für Abwehr und Gegenspionage stellten dank wachsender Paranoia neuerdings jeden Tag dreimal alles auf den Kopf (mit fieberhaftem Eifer und zu versetzten Uhrzeiten), was sie aber keineswegs daran hinderte, auch noch zwischendurch überall unangemeldet hereinzuplatzen, um Stichproben nach dem Zufallsprinzip durchzuführen. Und sie hatten auch allen Grund, sich Sorgen zu machen: Trotz einer rigorosen Abriegelung des Gebäudes und ähnlicher Vorkehrungen waren erst vor drei Tagen in jedem einzelnen Pflanzenkübel in Bails Dachgarten topmoderne und sehr raffiniert getarnte Abhörgeräte entdeckt worden (was nun wirklich ein geheimdiensttechnischer Overkill war, wie der Senator fand!), die offensichtlich erst kurz zuvor installiert worden waren.

Das hatte die Angst des gesamten Personals noch um eine Zehnerpotenz gesteigert. Das Gefühl einer allgegenwärtigen Bedrohung war (gelinde gesagt!) äußerst beunruhigend und die Atmosphäre in der Botschaft entsprechend beklommen. Die Stimmung der Mitarbeiter des Vizekönigs war auf dem Tiefpunkt – er konnte in allen Augenpaaren ringsum nackte Angst lesen.

Und Bail Organa selbst kam sich allmählich vor wie ein wildes Tier, das von seinen Jägern langsam eingekreist und in eine mit großer Sorgfalt vorbereitete Fallgrube getrieben wurde. Die ISB-Agenten scheuten offenbar weder Mühe noch Kosten; die Schergen des Imperators ließen wirklich nichts unversucht, um wenigstens ihn an den Haken zu bekommen, nachdem Mon Mothma durch ihre Netze geschlüpft war.

Daher fand das Gespräch mit Antilles auch in einem Wartungsraum im siebten Untergeschoss statt. Ein Raum mit Permabetonwänden, die so dick waren, dass sie ebenso gut in einen Schutzbunker gepasst hätten. Ein Raum, der offiziell nur mit den Schaltschränken für sämtliche Stromleitungen des ganzen Gebäudekomplexes vollgestopft war, aber heimlich mit Störsendern ausgerüstet und dann auch noch mit extrem starken Magnetfeldern umgeben worden war, so dass man den Keller nebenan mit massiven Efornitplatten hatte abschirmen müssen, weil ansonsten das sensible Innenleben der dort untergebrachten Computeranlage für die Umweltkontrollen mehr oder weniger gegrillt worden wäre. (Organa selbst konnte schon nach zehn Minuten Aufenthalt in dieser geballten Ladung von Elektrosmog fühlen, wie die nächste Migräneattacke sozusagen im Galopp näher rückte!)

Ja, Schutz vor der Schnüffelei der imperialen Häscher war zurzeit das oberste Gebot – und genau deshalb war es auch unbegreiflich, warum Rieekan ausgerechnet die Korvette, mit der Bail Organa höchstpersönlich umher reiste, für einen so riskanten Einsatz abkommandiert hatte.

Ich weiß wirklich nicht, was Carlist sich dabei gedacht hat. Er hätte doch auch ein anderes Schiff nehmen können, ein sehr viel neutraleres Schiff. Es ist ja nicht so, als hätte er nicht genug Auswahl gehabt.

„... und außerdem zählte wirklich jede Stunde, also musste der General sich schnell entscheiden", beharrte Antilles. „Und die Tantive war immerhin nur einen Katzensprung vom Abrion-Sektor entfernt..."

Aaah! Also das war es! Das hat für ihn natürlich den Ausschlag gegeben, dachte Bail.

„Ja, wie gesagt, Hoheit, es war eilig. Und ich bin davon überzeugt, dass der General einfach nur..."

„Schon gut", unterbrach Organa ihn erneut.

Er seufzte ein bisschen, als der störrische Ausdruck auf dem kantigen Gesicht des Captains verkündete, was er davon hielt, dass der Vizekönig ihn praktisch nie ausreden ließ.

„Ich habe Sie vollkommen verstanden, Raymus", sagte er beschwichtigend. „Die Tantive war wohl das einzige unserer Schiffe, das noch rechtzeitig bei Scarif sein konnte."

Antilles mürrische Miene hellte sich auf, wenn auch nur ein wenig. „Richtig, Sir. Nur wir waren nah genug dran, niemand sonst." Sein Gesicht verdüsterte sich sofort wieder. „Nicht, dass das irgendwas gebracht hätte", sagte er gedämpft. „Für die anderen... für die bei Scarif hat es leider keinen Unterschied gemacht ..."

Aber für Alderaan könnte das immer noch der Unterschied zwischen Sein oder Nichtsein bedeuten, wenn wir Pech haben, dachte Bail. Jetzt ist Schadensbegrenzung angesagt. Wir müssen unsere Spuren verwischen – und das so schnell und so gründlich wie nur möglich...

Doch das sprach er nicht laut aus. Was er stattdessen sagte, war ein lapidares: „Wie auch immer, die Tantive ist jetzt auf jeden Fall ein Risikofaktor, den wir uns nicht mehr leisten können." Und nach einer kurzen Pause leise, aber entschieden: „Wir müssen sie verschwinden lassen, Raymus."

„Verschwinden lassen?!" Antilles schluckte sichtlich, bevor er erneut zum Protest ansetzte. „Aber Sir, mein Schiff … also die Tantive ist keine drei Jahre alt – sie ist noch so gut wie neu! Ich meine, was haben wir schon großartig mit ihr angestellt, seit sie aus der Werft gekommen ist? Nur ein paar Kurzstreckenflüge mit Ihnen, Hoheit, oder mit Ihrer Majestät. Ansonsten stand sie doch nur die ganze Zeit im Hangar herum.

Wir könnten sie doch einfach als gestohlen melden und sie dann der Allianz überlassen. Die brauchen immer Schiffe. Und gerade jetzt wäre der alte Dodonna bestimmt heilfroh, wenn wir ihm eine astreine, fast neue CR90-Korvette mit einem kompletten Satz Turbolasern übergeben würden. Er würde meine … die Tantive garantiert mit Handkuss nehmen."

Und als Organa nur den Kopf schüttelte, beinahe flehend: „Und wenn dieAllianz sie nicht haben will, Hoheit (weil sie mit unserem Design zu auffällig oder zu schick ist oder sonst was!), dann könnten wir sie immer noch ein bisschen abtakeln, damit sie etwas mitgenommen und heruntergekommen aussieht. Und danach könnten wir sie einfach an Schmuggler verkaufen. Sie wissen doch, ich kenne da jemanden, der jemanden kennt, der gewisse Beziehungen hat. Und er würde sogar noch einen richtig guten Preis dabei herausschlagen, so dass es wenigstens kein Totalverlust für uns wäre. Und dann..."

„Nein, Raymus", sagte Bail ruhig. „Die Tantive darf nie wieder irgendwo auftauchen, wo sie auch nur im Entferntesten mit uns in Verbindung gebracht werden könnte. Sie muss weg. Ganz und gar weg."

Antilles knüllte seine bereits hoffnungslos zerknitterte Mütze noch heftiger zusammen und starrte auf seine Stiefelspitzen hinunter, um den Vizekönig nicht ansehen zu müssen. Ja, Raymus Antilles war ein erfahrener Offizier und in mancher Beziehung so hart wie ein Türnagel. Aber er war auch ein Captain und ein leidenschaftlicher Pilot und die Tantive IV hatte seit ihrem Jungfernflug unter seinem Kommando gestanden.

Bail war sich über all das im Klaren und konnte daher immerhin ansatzweise nachvollziehen, was seine Anweisung für diesen Mann bedeutete. Doch er selbst musste jetzt an viel wichtigere Dinge denken als an die Liebe eines Piloten zu seinem zugegebenermaßen ziemlich schnittigen Sternenkreuzer. Er war immerhin für das Leben und die Sicherheit von rund zwei Milliarden alderaanischen Bürgern verantwortlich. Und was war dagegen schon eine hundertfünfzig Meter lange Metallhülse mit einem Ionenantrieb, schnittiges Design hin, Turbolaser her?

Er legte seine Hand auf Antilles Schulter und sagte ernst: „Es muss sein, mein Freund. Am besten heute noch. Ja, heute! Und es darf nicht in der Nähe von Alderaan geschehen. Es dürfen keine Wrackteile in unserer Nähe gefunden werden. Keine Spuren, keine Beweise, kein gar nichts."

Antilles nickte nur, zu erschüttert, um weiter Einspruch zu erheben oder auch nur Fragen zu stellen. Aber Fragen wären hier ohnehin überflüssig gewesen. Er wusste auch so, was er jetzt zu tun hatte. Sobald sein Briefing hier beendet war, würde er mit demselben Schiff, mit dem er erst vor knapp zwei Stunden in Imperial City gelandet war, wieder nach Hause fliegen – mit der Mitarsi, einem malastarischen Frachter, den er erst zwei Monate zuvor im Auftrag des Vizekönigs über den eben erwähnten Mittelsmann gekauft hatte. Ein gebrauchter und vollkommen unauffälliger Frachter, der dank seiner fragwürdigen Herkunft sozusagen von Natur aus genau so schäbig aussah wie die Tantive IV bald ausgesehen hätte, wenn Raymus seinen Willen durchgesetzt hätte.

Und zu Hause würde er sich um seine Tantive kümmern – ganz wie der Vizekönig es wünschte. Er würde sie mit Hilfe der Mitarsi beziehungsweise via Fernsteuerung in den Hyperraum hineinfliegen lassen, wo ein vorher von ihm persönlich angebrachter Zeitzünder für den Rest sorgen würde. Es würde keine Wrackteile geben, keine Spuren, keine Beweise, kein gar nichts – ganz wie der Vizekönig es wünschte.

Er schluckte noch einmal, verfluchte stumm den albernen Kloß, der in seiner Kehle saß und ihn fast ersticken ließ, und sagte hölzern: „Ja, Sir."

Was hätte er auch sonst sagen sollen?

Nachdem das geklärt war, wandte Bail Organa sich wieder dem eigentlichen Thema zu, das heißt den Folgen des missglückten Überfalls auf die Scarif-Basis.

„Wir müssen unbedingt zusehen, dass wir doch noch irgendwie an diese Pläne rankommen. Die Allianz hat nur eine Chance, den Todesstern zu zerstören, wenn wir vorher herausfinden, wo genau der Konstruktionsfehler liegt, den dieser Ingenieur angeblich irgendwo in dieser Monstrosität eingebaut hat. Dieser Doktor Erso … ist es wirklich ganz sicher, dass er tot ist?"

„Nach allem, was ich mitbekommen habe, besteht leider nicht der geringste Zweifel daran, dass der Mann bei dem Angriff auf die Forschungseinrichtung von Eadu getötet wurde, Hoheit. Laut General Dodonna hat der Geheimdienst der Allianz sogar die Aussagen von verschiedenen Augenzeugen – unter anderem auch von Ersos eigener Tochter."

„Ach ja? Und was hat Dodonna über diese Tochter gesagt? Kann sie uns nicht weiter helfen? Hat Dr. Erso ihr denn gar nichts über seine Arbeit erzählt? Um Himmels willen, Raymus, jede Information, ja, der allerkleinste Hinweis könnte jetzt enorm wichtig für uns sein."

„Das weiß ich nicht genau, Sir. Aber offenbar hatte Jyn Erso seit Jahren keinen persönlichen Kontakt mehr zu ihrem Vater. Und bevor er starb, war wohl auch keine Zeit mehr für eine langatmige Unterhaltung mit ihm. Und selbst wenn … Die Frau war auf jeden Fall mit der Rebellen-Einheit auf Scarif unterwegs, Sir. Was auch immer sie gewusst haben mag … wir haben sie zusammen mit den anderen verloren."

„Auch das noch – verdammt noch mal! Unglaublich, was für eine Pechsträhne wir haben!" Bail Organa hielt einen Augenblick inne, um sich wieder zu sammeln – seine Frustration an Captain Antilles auszulassen, würde der Allianz jetzt ebenso wenig weiter helfen.

„Na schön", sagte er grimmig, als er sich gefasst hatte. „Wir müssen eben einen anderen Weg finden, um diese Pläne zu erbeuten. Es ist schwierig, aber nicht unmöglich. Immerhin müssen ja alle hochrangigen imperialen Lamettaträger in dieses Projekt eingeweiht sein – zumindest alle, die die höchste Sicherheitsstufe haben."

Er dachte an die Männer, die dafür in Frage kamen. Da war zuerst Moff Tarkin, der eifrigste und fanatischste Anhänger und Verfechter der Neuen Ordnung und schon deshalb von Anfang an ein erklärter Favorit des Imperators ...

und noch dazu so zerfressen von seinem Ehrgeiz und seiner Eitelkeit, dass er seine schmutzigen Finger grundsätzlich in jede Teufelei steckt, die das alte Monster sonst noch ausheckt!

Und dann waren da noch die anderen üblichen Verdächtigen wie zum Beispiel Admiral Motti und General Tagge – und zweifellos noch mehr mit Orden übersäte speichelleckende Profikiller.

Und dann ist da natürlich noch Palpatines ganz spezieller Schoßhund – Lord Vader!

Und noch bevor die letzte Silbe dieses verhassten Namens durch seinen Geist gedriftet war wie eine Eisscholle durch einen winterlichen alderaanischen Fjord, überkam den Senator eine beinahe blitzartige Erleuchtung. Denn auch unter dem Dach seines Intimfeindes gab es eine Tochter, die sich zwangsläufig in unmittelbarer Nähe einer Kopie der Konstruktionspläne für diesen dreimal verwünschten Todesstern aufhielt – und eine sehr viel einsatzfreudigere und entschlossenere Rebellin als Jyn Erso noch dazu. Und doch …

Bail Organa zögerte, während Bedenken (und Gewissensbisse!) um ihn herum schwirrten und flatterten wie ein Schwarm von angriffslustigen Fledermäusen.

Kann ich das verantworten? Kann ich sie so einer Gefahr aussetzen?, grübelte er. Sie ist doch fast noch ein Kind ... Sie könnte mein Kind sein. Würde ich das Leben meines Kindes so auf Spiel setzen?

Aber wenn das Imperium den Todesstern eines Tages tatsächlich als Waffe einsetzte statt als das ultimative Druckmittel, dann würden Millionen von Kindern sterben. Ganze Familien ... nein! ... ganze Planeten würden auf einen Schlag ausgelöscht werden, mit einem einzigen Knopfdruck. Einfach so …

Und das darf nicht sein, dachte er. So etwas darf niemals geschehen. Wir können nicht zulassen, dass es jemals zu so einem Genozid kommt. Wir müssen jedes Risiko eingehen, wir müssen alles tun, um das zu verhindern – alles!

Wer, wenn nicht wir? Nein! Wer, wenn nicht die Kleine? Ich würde es ja selbst tun, wenn ich könnte … Ich würde eigenhändig in Vaders Gruselschloss und seine ganz persönliche Hochsicherheitsgruft einbrechen, wenn ich auch nur die leiseste Chance hätte, mich irgendwie unentdeckt oder wenigstens lebend da rein zu schmuggeln. Aber das ist nun wirklich unmöglich.

Nein, wenn das überhaupt getan werden kann, dann gibt es nur einen einzigen Menschen, der das tun kann. Es gibt nur eine Person, die dazu in der Lage ist – und das ist Leia.

Er starrte auf einen der summenden Schaltschränke an der gegenüberliegenden Wand. Aber alles, was er wirklich vor sich sah, war ein rosenwangiges Mädchengesicht in einem Rahmen aus goldbraunen geflochtenen Zöpfen, die über kleinen muschelgleichen Ohren aufgesteckt waren wie die Henkel einer antiken Amphore. Und die Leidenschaft, die Hingabe, die Aufopferungsbereitschaft in den großen, leuchtenden, warmen dunklen Augen, die dieses zarte junge Gesicht beherrschten...

Er schloss seine eigenen Augen, die ihr Leuchten längst verloren hatten, die gelernt hatten, kalt und zynisch in diese kalte und zynische Welt hinaus zu blicken.

Ich wünschte, es gäbe einen anderen Weg, dachte Bail. Ich wünschte wirklich, ich könnte jemand anderen damit beauftragen.

Aber es würde Monate dauern, einen unserer Spione bei Tarkin oder Motti oder Tagge oder einem anderen von Palpatines munterer kleiner Mörderbande einzuschleusen. Und so lange können wir nicht mehr warten. Uns läuft doch jetzt schon die Zeit davon… Mögen die Götter mir verzeihen, aber es muss einfach sein…

„Na schön", wiederholte er. „Wir werden … irgendeinen von diesen Lamettaträgern aufs Korn nehmen, irgendwie seinen Haushalt infiltrieren und dann sehen, was wir erreichen können. Aber wer genau und wie wir das eigentlich durchziehen wollen, darüber muss ich erst noch mal nachdenken." (Er wunderte sich nicht einmal darüber, wie leicht ihm diese Lüge über die Lippen kam. Er hatte inzwischen sehr viel Übung im Lügen.)

„Vielleicht fällt ja Mon Mothma etwas dazu ein", meinte Antilles.

„Ja, vielleicht", murmelte Bail, obwohl er keineswegs die Absicht hatte, Mon Mothmas Einfälle abzuwarten, denn er hatte seine Entscheidung bereits getroffen.

Aber das musste der Captain ja nicht unbedingt wissen. Und Mon Mothma schon gar nicht, denn sie hatte noch mehr Skrupel als Bail und hätte seinen Masterplan sofort mit einem unmissverständlichen Veto blockiert. Es war also besser, wenn sie nichts davon erfuhr. Jedenfalls jetzt noch nicht...

„Wir sind hier fertig. Sie können jetzt gehen, Raymus. Kümmern Sie sich um alles ... genau wie besprochen. Und kommen Sie danach so schnell wie möglich zurück. Und nehmen Sie dafür wieder die Mitarsi. Ich brauche Sie und das Schiff hier in meiner Nähe, damit ich jederzeit über Sie verfügen kann."

„Sie wollen kein anderes Konsularschiff, Hoheit?"

Antilles war sichtlich betroffen. Die Mitarsi mochte nützlich sein, war aber nicht gerade ein standesgemäßes Transportmittel für den Vizekönig von Alderaan.

„Nein. Ich fürchte, ich muss in der nächsten Zeit sehr viel einfacher und vor allem sehr viel diskreter reisen. Und dafür ist die Mitarsi besser geeignet. Und wenn wir schon von Reisen reden: Guten Flug, Raymus."

Er unterstrich sein Abschiedswort mit einem flüchtigen Winken um klarzustellen, dass das Gespräch mit seinem Untergebenen definitiv beendet war.

Der Captain salutierte mit einem entsprechend formellen „Danke, Sir." und marschierte hinaus.

Doch Bail Organa blieb trotz des warnenden Pochens und Pulsierens in seinen Schläfen zurück, wofür er garantiert bald büßen würde – er würde nachher eine besonders große Dosis Sapirin brauchen. Aber darauf konnte er im Moment keine Rücksicht nehmen. Er konnte im Moment auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen!

Er fischte sein Komlink aus der gut getarnten Ärmeltasche seiner Senatorenrobe heraus. Er aktivierte den Videomodus und hielt sich das Gerät direkt vor die Nase.

Die Nachricht, die er nun aufzeichnete, war so kurz und präzise wie nur möglich, aber dafür war ihr Abschiedswort nicht ohne einen gewissen tief empfundenen Pathos:

„Dies ist unsere verzweifeltste Stunde. Bitte helfen Sie uns, Leia. Sie sind unsere letzte Hoffnung... Die letzte Hoffnung für alle Welten der Galaxis..."

Bail Organa deaktivierte das Komlink wieder, steckte es zurück in das mit soliden Doppelnähten verstärkte Stoffviereck in dem Innenfutter seines Ärmels und verließ den Wartungsraum.

Als er wenige Minuten später in den Lift stieg, der ihn aus dem Kellergeschoss entführen und wieder in die belebteren Regionen der Botschaft befördern würde, fühlte er sich seltsam leer und ausgebrannt – und das nicht nur wegen der hämmernden Kopfschmerzen, die ihn inzwischen wie erwartet plagten.

Er sank müde gegen die mit geschliffenen Glaskacheln verzierte Rückwand des Aufzugs und befingerte erneut den Siegelring an seiner linken Hand – ein nervöser Tick, den er in den letzten paar Wochen entwickelt hatte. Zumindest war es ein paar Wochen her, seit er sich zum ersten Mal dabei ertappt hatte.

Und doch war diese kleine Macke immer noch ein Zeichen bewundernswerter Selbstbeherrschung, denn sie war nur eine Ersatzhandlung. In Wirklichkeit wollte er nämlich die mit einer stilisierten Schneeeule gravierte Wappenplatte des Rings aufklappen und sich darüber vergewissern, dass die Kapsel, die darunter verborgen war, auch immer noch da war. Diese winzige weiße Gelatinekapsel, die so harmlos aussah, obwohl sie alles andere als harmlos war: Tatsächlich sollte das Gift, das sie enthielt, innerhalb von zwanzig Sekunden töten und das so gut wie schmerzlos – zumindest war es das, was der ebenfalls sehr nervöse und namenlose Apotheker behauptet hatte, als er Bail die beiden einzigen Exemplare des von ihm selbst hergestellten toxischen Präparats übergeben hatte, zu deren Verkauf er sich bereit erklärt hatte.

Bail hätte gerne viel mehr davon erworben – er kannte heutzutage eine Menge Leute, die für den Fall der Fälle einen sehr schnellen und nicht allzu schmerzhaften Notausgang bevorzugt hätten. Aber der Apotheker, ein magerer kleiner Svangali, der vor Aufregung und Ärger über diese unerwartete Zumutung ins Stottern geraten war, hatte eine zusätzliche Lieferung kategorisch verweigert. Weder für Geld noch für gute Worte war er von seinem energischen „Niemals! Nur über meine Leiche!" zurückgewichen. (Nicht einmal ein ziemlich milder Erpressungsversuch hatte ihn umgestimmt!)

Bail hatte sich mit dieser einmaligen Anschaffung zufrieden geben müssen. Und so hatte er die eine Kapsel in seinem Ring verstaut, wo sie hoffentlich jederzeit für ihn greifbar war, wenn das Worst-Case-Szenario eintraf. Und die andere hatte er an seine Frau Breha geschickt, damit auch sie vorbereitet war, wenn es jemals so weit kommen sollte.

Es war eine weise Vorsichtsmaßnahme und die Organas waren nicht die einzigen, die sie getroffen hatten. Mon Mothma und sämtliche Allianz-Offiziere hatten Schusswaffen und sie würden sie auch benutzen, bevor sie dem Imperium lebend in die Hände fielen. Nach allem, was man über die Verhörmethoden des ISBs wusste, war es auch ratsam, eine Verhaftung zu vermeiden, zumal man nach zahlreichen langen Foltersitzungen ohnehin nichts Besseres zu erwarten hatte als ein Erschießungskommando – oder sogar Schlimmeres als das, wenn Palpatine zornig genug war, um auf Rache zu sinnen.

Aber es ging hier nicht nur darum, sich selbst eine vollkommen überflüssige Tortur zu ersparen. Es ging auch darum, all die zu beschützen, für die es ebenso den Tod bedeuten würde, wenn man unter der Folter preisgab, was man wusste. Und jeder gab alles preis, jeder redete irgendwann, wenn er nur lange und intensiv genug gemartert wurde. Es war unausweichlich...

Ich werde einen Blaster für Leia besorgen müssen. Das ist das mindeste, was ich für sie tun kann. Sie soll nicht völlig hilflos, völlig ausgeliefert sein, wenn es bei ihr zum Worst-Case-Szenario kommen sollte.

Hoffentlich kommt es nicht dazu...

Er hoffte das wirklich und zwar inständig. Denn wenn Leia Vader scheiterte und dem ISB lebend in die Hände fiel, dann war nicht nur ihr ausgesprochen unerfreuliches Schicksal besiegelt ...

Er dachte an Jyn Erso und die Rebellen auf Scarif, die bei dem Versuch gestorben waren, die Pläne zu stehlen. Er dachte an all die Rebellen, die der Kampf gegen das Imperium bereits das Leben gekostet hatte, und an die zahllosen anderen Opfer imperialer Willkür und imperialen Terrors …

Und dann faltete Bail Organa die Hände und richtete ein inbrünstiges Stoßgebet an den Himmel. Er flehte sämtliche Gottheiten Alderaans an, dass sie Leia Vader beschützen sollten, damit sie nicht dasselbe Ende nahm wie ihre unglückseligen Vorgänger und wie all die anderen Opfer...

Es war ein sehr langes Gebet...


Fortsetzung folgt ...