XXII.


Leia kuschelte sich in ihr Himmelbett (das inzwischen gänzlich stofftierfrei war!) und zog die mit einem geblümten und samtweichen Frotteebezug versehene Decke bis zu ihrer Nasenspitze hoch. Sie gähnte betont laut und herzhaft, klimperte demonstrativ mit den Wimpern, als ob sie kaum noch die Augen offen halten konnte, und säuselte träge: „Licht aus!"

Der ohnehin schon stark gedimmte Deckenfluter und die antike, mit einem farbenprächtigen Buntglasschirm geschmückte Lampe auf ihrem Nachttisch erloschen prompt. Und schon war ihr Schlafzimmer stockdunkel, so dunkel, dass Leia buchstäblich nicht mehr die Hand vor Augen sehen konnte – nicht einmal den Umriss ihrer Hand, wie sie feststellte, als sie zu Testzwecken direkt vor ihrem Gesicht mit den Fingern wedelte.

Und das war auch so beabsichtigt. Sie hatte extra darauf geachtet, die Lichtfilter an den Fenstern auf maximalen Sicht- und Blendschutz einzustellen. Und die Jalousien waren wirklich komplett dicht. Nicht der kleinste Scheinwerferstrahl von passierenden Gleitern oder aufdringlichen Reklamedisplays oder den Fensterfronten der Nachbargebäude würde durch irgendeinen Spalt von draußen eindringen. Denn was Leia heute Nacht wollte, war absolute und totale Finsternis, damit niemand sie sehen konnte, wenn sie gleich wieder aufstand.

Ihre Vorsichtsmaßnahmen mochten stark übertrieben oder sogar völlig überflüssig sein – es gab immerhin nicht den geringsten Hinweis darauf, dass ihr Schlafzimmer oder die anderen Räume ihrer Suite tatsächlich mit Videokameras überwacht wurden. Und falls es doch so sein sollte, mochten ihre Sicherheitsvorkehrungen einfach sinnlos sein: Immerhin waren moderne Überwachungskameras heutzutage für gewöhnlich mit Infrarotlinsen und sogar Wärmebildsensoren ausgestattet, so dass sie nicht nur über eine perfekte Nachtsicht verfügten, sondern auch über Bewegungsmelder.

Aber Leia wollte wenigstens ihr Möglichstes tun, um ihre nächsten Aktivitäten so gut zu verschleiern wie es nur ging. Denn heute Nacht konnte sie gar nicht vorsichtig genug sein. Nicht unter diesen Umständen…

Und deshalb harrte sie nun auch eine Viertelstunde lang regungslos unter ihrer Bettdecke aus, fest zusammengerollt wie ein Siebenschläfer in der tiefsten Winterstarre, was gar kein schlechter Vergleich war, wenn man bedachte, dass sie trotz ihres wärmsten Pyjamas und der Wollsocken an ihren Füßen völlig durchgefroren war.

Das sind nur die Nerven, dachte sie, während sie sich fester in die Kuhle zwischen ihren Kissen schmiegte. Sie wartete noch fünf Minuten...

Sicher ist sicher!

... doch dann schlug sie unendlich vorsichtig die Decke zurück und kroch aus ihrem Bett heraus.

Auf Zehenspitzen durchquerte sie ihr Schlafzimmer, ganz langsam und die rechte Hand ausgestreckt wie eine Blinde, die sich mit einem Gehstock ihren unsichtbaren Weg ertastete, damit sie nicht mit irgendeinem Möbelstück oder einer Wand zusammenstieß. Sie hatte diesen Schleichgang in den letzten Monaten schon ein paarmal geübt und ihn auch sonst gut vorbereitet (potenzielle Stolperfallen wie Sessel und Teppichkanten waren gleich nach dem ersten etwas missglückten Versuch umgestellt oder gleich ganz weggeschafft worden!). Aber jetzt kam es zum ersten Mal wirklich darauf an. Das hier war der Ernstfall.

Und so schlich Leia auf bestrumpften Füßen und lautlos durch das künstlich verstärkte nächtliche Dunkel und zählte ihre Schritte. Bei sechzehn trafen ihre Fingerspitzen wie üblich auf kühles Spiegelglas. Sie tastete sich an dem Spiegel entlang, bis sie die geöffnete Schwebetür des Kleiderschrankes fand, in dem sie erst eine Stunde zuvor ihr Pelzcape verstaut hatte – zusammen mit etwas anderem, das sie raffinierterweise mit dem Cape hinein geschmuggelt hatte. Die Schranktür hatte sie danach mit Absicht offen gelassen, um es sich bei ihrem Blindflug ein wenig leichter zu machen. Das kam ihr jetzt zugute.

Sie schlüpfte in den Schrank hinein und schob die Tür sehr behutsam von innen zu. Sie stellte sicher, dass die Tür auch wirklich ganz geschlossen war, bevor sie nach dem ersten Kleiderbügel an der Stange über ihrem Kopf angelte. Eine Sekunde später knipste sie die Taschenlampe an, die an einer Schlaufe von diesem Bügel herunterbaumelte, und sah sich im Schein dieser behelfsmäßigen Notbeleuchtung in ihrem Schlupfwinkel um.

Nachdem sie trotz Padmés Protest den etwas bunteren Teil ihrer Abendkleider entsorgt hatte, war in dem Schrank eine deutliche Lücke entstanden. Tatsächlich war er jetzt halb leer und bot daher gerade genug Platz, um eine so zierliche Person wie Leia aufzunehmen. Es war nicht gerade der ideale Unterschlupf (es war sehr eng, stickig und unbequem!), aber es war auszuhalten – jedenfalls für eine kleine Weile. Luke hätte es hier drinnen gefallen, es hätte seine knabenhafte Abenteuerlust wieder zum Leben erweckt. Auch Leia erinnerte es unwillkürlich an hellere Tage, an denen sie mit ihrem Bruder endlose Stunden lang Verstecken gespielt hatte. Doch sie schüttelte diese Erinnerung schnell ab. Sie hatte jetzt wahrhaftig Wichtigeres zu tun.

Ihr Pelzcape hing auf dem Kleiderbügel gleich hinter ihrer improvisierten Lampe. Leia zupfte die Falten des bodenlangen Capes zur Seite wie einen Vorhang und zog die WWW-Tüte heraus, die sie dahinter verborgen hatte. Sie ließ sich im Schneidersitz auf dem Schrankboden nieder und nahm die Pralinenschachtel aus der Tüte, begierig, ihre Beute endlich eingehend zu untersuchen.

Das Band mit der Rosette, das den Karton umgab, war schnell und problemlos entfernt. Aber die Plastikhülle, von der er umschnürt war, raschelte und knisterte schrecklich laut, als Leia sie aufriss – zumindest kam es ihr so vor.

Ungeduldig klappte sie den Deckel auf... und sah vor sich eine goldfarbene Sortierfolie, deren Vertiefungen mit zwanzig ausgesprochen verlockend aussehenden Trüffeln gefüllt war, jeder einzelne aufwändig mit Nüssen, Krokantsplittern und fünfzackigen Sternen aus weißer Schokolade verziert.

Na ja, Tarnung ist alles, dachte sie.

Sie hob den Kunststoffeinsatz mit den Pralinen heraus… und entdeckte gleich darunter eine zweite Schicht Konfekt, die allerdings aus zartfarbigen Marzipanfiguren in gekräuselten Papiermanschetten bestand.

Man kann es aber auch übertreiben!

Aber als sie dann unter dem Marzipan auch noch eine bunte Vielfalt aus mit Kristallzucker überstäubten Geleefrüchten fand und sonst gar nichts, wurde ihr Gesicht lang vor Enttäuschung.

Sie holte auch den Einsatz mit den Geleefrüchten heraus und setzte ihn neben sich ab, aber darunter verbarg sich tatsächlich nur noch der nackte Boden der Pralinenschachtel – wenn auch ein ziemlich voluminöser Boden.

Und ist das nicht wieder mal absolut typisch für die Hinterhältigkeit und Habgier der Lebensmittelindustrie? Die verwenden doch grundsätzlich riesige Mogelpackungen, um den Kunden wesentlich mehr Inhalt vorzutäuschen und ihnen damit das Geld aus der Tasche zu ziehen. Lauter Betrüger – und kein Verbraucherschutz-Gesetz, das sie davon abhält!, dachte Leia aufgebracht.

Frustriert steckte sie sich einen der Schokotrüffel in den Mund und kaute zornig darauf herum. Zumindest der Geschmack der Praline hielt alles, was die Werbung von Fiodorina versprach (sie war einfach köstlich!), aber das war jetzt auch kein Trost.

Das darf doch wohl nicht wahr sein! Diese ganze Geheimnistuerei nur für eine Riesenladung Süßigkeiten?! Soll das vielleicht ein Testlauf sein oder so was?

Und vielleicht war es das ja wirklich. Nur ein Test, um zu sehen, ob die Übergabe einer echten Botschaft auf diesem Weg überhaupt möglich war.

Na schön. Dann eben erst das nächste Mal. Falls es überhaupt noch ein nächstes Mal gibt, dachte sieerbittert.

Sie naschte noch eine zweite Praline …

Das ist jetzt aber wirklich genug. Ich werde den ganzen Kram morgen Luke geben. Dann beruhigt er sich wenigstens wieder. Es sei denn, er bekommt davon Pickel!

… bevor sie den leeren Karton abstellte, um ihn wieder einzuräumen. Als sie ihn vor sich absetzte, registrierte sie ein wenig geistesabwesend, dass er sich auch ohne seinen kalorienreichen Inhalt immer noch bemerkenswert schwer anfühlte.

Ich frage mich, was sie in diesen doppelten Boden rein gemacht haben, um auf das richtige Verpackungsgewicht zu kommen. Die paar Pralinen und das andere Zeug wiegen doch nie im Leben vier Pfund!

Ein doppelter Boden. Und darin ein unbekanntes Füllmaterial...

Und plötzlich ging Leia ein Licht auf. Aufgeregt griff sie erneut nach der Schachtel und zerrte an der gefalzten Kante der Pappeinlage. Ein kräftiger Ruck und das feste kartonierte Papier gab nach und enthüllte…

… mehrere undefinierbare Gegenstände, die alle in einen dicken filzartigen Stoff eingewickelt waren!

Damit sie beim Transport nicht beschädigt werden. Und damit sie nicht klappern, wenn die Pralinenschachtel auf den Kopf gedreht wird oder sogar runter fällt, dachte Leia.

Sie schnappte sich als erstes das kleinste Päckchen, das ungefähr halb so lang war wie ihr Zeigefinger und genauso schmal. Sie war nicht überrascht, als sie es auswickelte und ein kubusförmiger Datenkristall in ihre Handfläche fiel.

Die Nachricht! Natürlich …

Sie hätte sich die Aufzeichnung am liebsten sofort angesehen (oder auch nur angehört, falls es eine reine Audio-Datei war!), aber ihre Neugier war stärker. Sie wollte zuerst wissen, was in den anderen Päckchen war. Sie nahm sich das größte vor, das flach und rechteckig war, und stellte mit mildem Erstaunen fest, dass es sich um einen Transmitter handelte.

Ein Sender? Aber den kann ich doch gar nicht benutzen, um ihn anzurufen. Oder jedenfalls nicht von hier aus. Dhorany und die anderen Wachhunde würden das Funksignal sofort orten und ich würde bestimmt einen Riesenärger kriegen, wenn sie dieses Ding bei mir finden. Ich könnte ihnen nie einigermaßen glaubwürdig erklären, wie ich an so ein Teil herangekommen bin und wozu ich es überhaupt brauche.

Leia schüttelte ein wenig den Kopf und packte das vorletzte Bündel aus, das sich so anfühlte, als ob es aus mehreren Stücken bestand. Und als gleich darauf die Einzelteile eines zerlegten DH17-Blasters und zwei Energiezellen in ihren Schoß purzelten, war sie überrascht!

Eine Pistole! Er schickt mir eine richtige echte Pistole! Was um alles in der Welt soll ich denn damit?!

Doch Organas letzte Gabe war noch viel rätselhafter, denn sie entpuppte sich als ein gänzlich unbekanntes elektronisches Gerät: Eine Art breiter Stab mit einer schmalen LED-Anzeige, einem Druckknopf und einem Laserkopf-Aufsatz, der vage an den Barcodescanner einer vollautomatischen Ladenkasse erinnerte. Seine Funktion war Leia völlig schleierhaft, sie hatte noch nie zuvor so eine Apparatur gesehen.

Ziemlich perplex schlug sie alle Gegenstände bis auf den Datenkristall wieder in ihre Filzstoffhüllen ein und legte sie in die leere WWW-Tüte zurück. Sie faltete den Pappdeckelboden ordentlich zurecht und füllte den Karton mit seinem essbaren Inhalt, so dass er wieder wie eine ganz normale und gänzlich harmlose Pralinenschachtel aussah. Anschließend schob sie beides mit dem Fuß zurück unter die Deckung ihres Pelzcapes.

Danach stand sie mühsam auf (das Sitzen mit untergeschlagenen Beinen hatte sie etwas steif werden lassen und verursachte auch noch ein schmerzhaftes Ameisenkribbeln in ihren unteren Extremitäten!). Sie reckte sich zu ihrer vollen, wenn auch nicht besonders eindrucksvollen Körpergröße auf und fahndete in dem Regalfach über der Kleiderstange nach einem anderen Objekt, das sie schon vor längerer Zeit heimlich dort untergebracht hatte. Sie wurde schnell fündig und setzte sich wieder hin – dieses Mal aber mit lang ausgestreckten Beinen. (Wenn sie sich jetzt etwas nicht leisten konnte, dann ein lärmendes Gepolter in ihrem Kleiderschrank, weil sie beim nächsten Aufstehen dank mangelnder Durchblutung ihrer Venen ungeschickt über ihre eigenen Füße stolperte!)

Danach schaltete Leia das uralte Datapad ein, das sie angeblich schon vor Jahren weggeworfen, aber in Wirklichkeit für gewisse illegale Tätigkeiten hier deponiert hatte. Sie stöpselte umständlich das dünne Kabel des altmodischen Minikopfhörers ein, stopfte sich die knopfartigen Earbuds in die Ohren und steckte den Datenkristall in den dafür vorgesehenen Slot an dem schon reichlich zerkratzten Gehäuse.

Der Bildschirm blieb dunkel und aus den Tiefen des Datapads drang ein missbilligendes Knirschen. Einen Augenblick lang fürchtete Leia schon, dass es ausgerechnet jetzt tatsächlich seinen Geist aufgegeben hatte, aber dann flammte der Monitor doch noch auf und das ernste Gesicht des alderaanischen Vizekönigs erschien, wenn auch wesentlich unschärfer und verpixelter, als es eigentlich sein sollte.

Doch ihre Erleichterung über das ausgebliebene technische Versagen war nur von kurzer Dauer, denn das Erste, was die vertraute kultivierte Stimme durch ihre Earbuds raunte, war:

„Es ist so weit. Der Tag, von dem wir immer wussten, dass er irgendwann kommen würde, der Tag, den wir immer gefürchtet haben, ist endlich da. Wir brauchen Ihre Hilfe, Leia – und das dringend!"

Schon das klang ziemlich alarmierend (um nicht zu sagen beunruhigend!), aber es war nur der Auftakt.

„Schon vor Jahren sind Gerüchte zu uns durchgesickert, dass das Imperium die ultimative Massenvernichtungswaffe baut: Eine mobile Raumstation, die mit einem Superlaser ausgerüstet sein soll, der angeblich so stark ist, dass er sogar einen ganzen Planeten ausradieren kann."

Leia stieß unwillkürlich ein erschrockenes kleines Keuchen aus. Die bloße Vorstellung einer solchen Ungeheuerlichkeit machte sie fassungslos.

„Inzwischen wissen wir dank einer absolut vertrauenswürdige Quelle, dass alles wahr ist: Diese Raumstation existiert tatsächlich. Sie hat den Codenamen Todesstern und ist schon fertiggestellt, ist jetzt jederzeit einsatzbereit. Ihnen ist wohl klar, was das für uns alle bedeutet..."

Bail schwieg einen Moment lang, bevor er eindringlich fortfuhr: „So eine Bedrohung können wir nicht hinnehmen. Wir müssen diesen Todesstern unbedingt zerstören! Aber unsere Chance, das zu schaffen, steht praktisch bei Null, wenn wir dafür nicht einen absichtlich eingebauten Schwachpunkt in seiner Konstruktion ausnutzen können. Unsere Quelle hat auch für diesen Sabotageakt gesorgt, konnte uns aber leider nicht mehr darüber informieren, was genau dieser Fehler eigentlich ist und vor allem, wo er ist. Wir haben versucht, an die Baupläne heranzukommen, damit wir sie analysieren und den wunden Punkt finden können, aber unsere Leute sind gescheitert.

Und damit kommen Sie ins Spiel, Leia. Als engster Vertrauter des Imperators und Oberbefehlshaber der Streitkräfte hat Ihr Vater die höchste Sicherheitsstufe. Er hat Zugang zu allen militärischen Daten. Wenn also irgendjemand die Blaupausen des Todessterns hat, dann er. Wir brauchen diese Pläne, Leia! Und nur Sie kommen an sie heran."

Bail legte erneut eine kurze Pause ein. Dann sagte er sehr viel sanfter: „Ich weiß, was ich Ihnen da zumute. Es ist extrem gefährlich und es gibt keine Garantie dafür, dass Sie mit heiler Haut aus dieser Sache herauskommen. Ich kann auch nicht viel tun, um Sie bei dieser Mission zu unterstützen. Ich kann Ihnen nur ein paar Hilfsmittel zur Verfügung stellen. Den Rest müssen Sie alleine hinbekommen.

Hören Sie mir jetzt wirklich gut zu, Leia, denn Sie können diese Nachricht nur ein einziges Mal abspielen. Auf dem Datenkristall ist ein hochaggressiver Virus gespeichert. Er wird sich automatisch aktivieren, sobald Sie meine Video-Datei schließen. Der Hacker, der dieses Programm geschrieben hat, setzt es für Industriespionage ein und er schwört, dass es gegen jede bisher bekannte Firewall immun ist und dass Sie nach seiner Aktivierung jeden x-beliebigen Computer infizieren können, in den Sie diesen Kristall hineinstecken. Der Virus wird sich sofort selbstständig installieren, Ihnen Zugriff auf sämtliche Dateien ermöglichen und anschließend alle Spuren löschen. Sollten sich die Pläne also tatsächlich auf dem Computer Ihres Vaters befinden, können Sie sie einfach kopieren und niemand wird später merken, dass sich irgendjemand daran zu schaffen gemacht hat.

Doch vielleicht vertraut Lord Vader ja auch nicht auf seine IT-Experten und hat die Pläne lieber in einem Tresor eingeschlossen. Deshalb schicke ich Ihnen auch noch diesen Scanner. Das ist ein sogenannter Panzerknacker. Bankräuber verwenden so etwas, um die Zahlenkombination eines Safes herauszufinden. Der Scanner ist natürlich nicht hundertprozentig zuverlässig – je mehr Stellen ein Code hat, desto schwieriger wird es. Aber wir müssen eben darauf vertrauen, dass Ihr Vater zumindest in dieser Hinsicht genau so tickt wie ganz normale Leute und für seinen Alltagsgebrauch nicht gerade eine besonders knifflige Codesequenz mit zwanzig Stellen ausgetüftelt hat."

Leia sagte sich, dass das eine ziemlich gewagte Vermutung war – Vader tickte in keinerlei Hinsicht wie ganz normale Leute! Darüber hinaus wusste sie nicht einmal, ob er überhaupt so etwas wie einen Safe besaß. Vaders Arbeitszimmer war sein ganz privates Heiligtum mit einem imaginären Betreten-verboten!-Schild an der Tür – jedenfalls wenn es um seine Tochter ging. Er wäre nicht einmal im Traum auf die Idee verfallen, für Leia eine Besichtigungstour seiner kleinen Drachenhöhle zu inszenieren oder ihr gar zu erzählen, was es dort so alles gab oder eben auch nicht gab.

Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich bereits in seinem Büro hin und her rennen wie eine panische Wüstenspringmaus und überall nach einem nicht-existenten Tresor suchen, während kostbare Sekunden ihr wie Sand zwischen den Fingern zerrannen – bis womöglich ER in höchsteigener Person plötzlich hinter ihr stand und auf ihren Nacken hinunter atmete! Allein schon der Gedanke trieb ihr Schweißperlen auf die Stirn.

„Wie auch immer: Wenn … falls es Ihnen tatsächlich gelingen sollte, die Pläne zu beschaffen, dann verwenden Sie den Transmitter, um sie an mich zu senden. Machen Sie das auf keinen Fall von zu Hause aus, Leia! Suchen Sie sich dafür einen neutralen öffentlichen Ort, den Sie jederzeit besuchen können, ohne Verdacht zu erregen. Und natürlich sollten Sie dabei nicht gesehen werden, Sie müssen also gut aufpassen.

Das Trägersignal des Transmitters ist so eingestellt, dass die Datenübertragung zuerst über ein halbes Dutzend verschiedene Kom-Satelliten und dann zu meinem Schiff im Orbit weitergeleitet wird. Ich werde selbst an Bord sein, um sie in Empfang zu nehmen. Übermorgen werde ich zum ersten Mal da rauf fliegen und in der Zeit von 1200 bis 1215 Uhr darauf warten. Das nächste Zeitfenster ist dann zwei Tage später von 1300 bis 1315 Uhr. Danach wieder zwei Tage später von 1400 bis 1415 Uhr. Und immer so weiter, wobei sich die Uhrzeit jedes Mal um eine volle Stunde verschiebt. Wenn wir bei 1800 Uhr angekommen sind, ohne dass ich etwas von Ihnen gehört habe, beginnt der Rhythmus wieder von vorne. Das heißt, heute in zwei Wochen fangen wir wieder bei 1200 Uhr an und so weiter und so fort.

Das alles hört sich übertrieben kompliziert an und fünfzehn Minuten sind wirklich eine sehr kurze Frist. Aber wir können nicht länger als eine Viertelstunde im Orbit von Coruscant herumgondeln, ohne dass irgendein Patrouillenkreuzer auf uns aufmerksam wird. Und genau deshalb können wir das auch nicht jeden Tag oder immer wieder zur gleichen Uhrzeit durchziehen – es darf kein auffälliges Muster geben, das irgendjemanden neugierig machen könnte."

Organa schlug die Augen nieder und sah einen Moment lang gedankenverloren vor sich hin.

Als er schließlich wieder aufblickte, sagte er sehr leise: „Ich muss das noch mal ausdrücklich betonen, Leia: Was ich da von Ihnen verlange, ist eindeutig Hochverrat! Und wenn Sie dabei geschnappt werden, wird nicht einmal Ihr Name Sie vor den Konsequenzen schützen – das muss Ihnen klar sein, bevor Sie sich darauf einlassen. Niemand wird Ihnen dann noch helfen können… Ich schon gar nicht...

Ich kann hier und jetzt nur ein kleines Sicherheitsnetz für Sie aufspannen. Und ich hoffe, dass es Sie im Notfall auffängt, wenn wirklich alle Stricke reißen – und wenn Sie es noch rechtzeitig genug mitbekommen.

Verlassen Sie sich immer auf Ihren Instinkt, Leia. Wenn Sie merken, dass etwas nicht stimmt, wenn Sie den Eindruck haben, dass irgendetwas anders läuft als sonst, dann müssen Sie sofort fliehen. Warten Sie nicht, laufen Sie einfach weg! Und lassen Sie sich dabei von nichts und niemandem aufhalten. Nehmen Sie keine Rücksicht – auf niemanden! Wenn es sein muss, dann schießen Sie einfach jeden über den Haufen, der sich Ihnen in den Weg stellt. Laufen Sie um Ihr Leben, Leia!

Versuchen Sie, sich in den Pokorski-Bezirk in der Oststadt durchzuschlagen. Auf der 53. Ebene gibt es da einen Club: Die Monde von Trifusis. Bestellen Sie dort beim erstbesten Kellner zwei Nachtschatten-Cocktails. Es kann eine Weile dauern, aber es wird auf jeden Fall jemand zu Ihnen kommen. Er wird Ihnen ein paar leere Gläser hinstellen und Sie fragen, ob Ihnen die Cocktails geschmeckt haben und ob Sie noch mehr davon wollen. Die korrekte Antwort darauf lautet: 'Eine Runde für alle – ich habe etwas zu feiern.'

Gehen Sie mit diesem Mann und befolgen Sie alle seine Anweisungen. Er wird Sie an einen Ort bringen, wo Sie mit etwas Glück in Sicherheit sein werden, bis wir irgendeine Möglichkeit finden, Sie dort rauszuholen und Sie von Coruscant wegzubringen. Aber ich bete, dass es nie dazu kommt.

Und falls doch... oder wenn es sogar zum Schlimmsten kommen sollte...

Also wenn Sie gar nicht mehr entkommen können, Leia, wenn Ihre Lage wirklich aussichtslos ist, dann wäre es vielleicht besser..."

Er ließ den Satz in der Luft hängen, aber es war auch gar nicht nötig, dass er ihn vollendete.

Leia starrte zu ihrem Cape hinüber, unter dessen Falten sich alle Utensilien für einen erfolgreichen Hochverrat befanden – und ein ganz bestimmtes Utensil für einen Misserfolg. Jetzt wusste sie, warum Organa ihr den Blaster mitgeschickt hatte. Es gab gleich zwei gute Gründe dafür. Die Frage war nur, ob sie im Fall der Fälle auch den Mut dazu aufbringen würde, diesen Blaster einzusetzen...

Oder war die wirklich entscheidende Frage nicht eher die, ob sie überhaupt den Mut dazu aufbringen würde, sich auf diese Mission einzulassen? Was da von ihr verlangt wurde, war weit mehr als nur gefährlich – es war der helle Wahnsinn!

Sie versuchte sich auszumalen, was Vader mit ihr anstellen würde, wenn er (oder einer seiner Schergen!) sie dabei erwischte, wie sie die Blaupausen von etwas stahl, das sozusagen den absoluten Gipfelpunkt militärischer Geheimhaltung darstellte – oder wenn er herausfand, dass sie diese sogar schon via Bail Organa an die Rebellen weiter gereicht hatte. Aber sogar ihre Fantasie versagte dabei. Oder war es vielleicht einfach nur ihr gesunder Menschenverstand, der schon bei dem bloßen Gedanken an diesen absoluten Alptraum streikte?

Denn es bestand eigentlich nicht der geringste Zweifel daran, was mit ihr geschehen würde, wenn Vader (oder einer seiner Henkersknechte!) sie auf frischer Tat ertappte oder irgendwann danach.

Sie erschauerte …

Und dann ertappte sie sich selbst dabei, wie sie ihre Hand ausstreckte, um mit einem Tastenklick diese Video-Botschaft zu schließen und diese beschwörende Stimme, die sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in ihren Untergang hinein lockte, für immer zum Schweigen zu bringen...

Sie hielt gerade noch rechtzeitig inne.

Und dann sagte diese Stimme beinahe flehend: „Dies ist unsere verzweifeltste Stunde. Bitte helfen Sie uns, Leia. Sie sind unsere letzte Hoffnung… Die letzte Hoffnung für alle Welten der Galaxis..."

Und so war es doch auch, oder nicht?

Leia begriff, dass sie es tun musste, auch wenn die möglichen Folgen sie jetzt schon vor Angst erstarren ließen. Es stand einfach zu viel auf dem Spiel. Es ging um so viel mehr als um ihr eigenes kleines Leben.

Das Wohl von allen wiegt schwerer als das Wohl von einem...

Sie konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wo sie diesen Satz gelesen oder gehört hatte. Aber sie erinnerte sich noch sehr gut daran, wie sehr diese Worte sie damals beeindruckt, sie inspiriert hatten. Und hatte sie in ihnen nicht sofort ihren Wahlspruch, ihr Motto, ihre Devise erkannt? War es nicht genau das, was sie immer angestrebt hatte, was sie zum Leitmotiv ihres Lebens gemacht hatte?

Sie hatte sich Organa und durch ihn der Allianz angeschlossen, weil sie dabei helfen wollte, der imperialen Diktatur Einhalt zu gebieten oder sie eines fernen Tages vielleicht sogar ganz zu beenden. Sie hatte sich dazu bereit erklärt, alles zu tun, was in ihrer bescheidenen Macht, im Rahmen ihrer Möglichkeiten stand, um dieses Ziel zu erreichen.

Und war sie sich nicht von Anfang an darüber im Klaren gewesen, dass sie möglicherweise auch ein großes persönliches Opfer erbringen musste, wenn dieses Ziel jemals erreicht werden sollte? Doch, das war sie. Sie hatte immer gewusst, dass das Verfassen von Flugblättern nicht das Alpha und Omega ihrer ganz eigenen Rebellion sein konnte, dass sie irgendwann sehr viel mehr würde tun müssen, dass sie eines Tages einen wesentlichen, einen wirklich bedeutsamen Beitrag würde leisten müssen. Und nun war dieser Tag eben gekommen...

Jugendlicher Idealismus war ja gut und schön, aber er reichte nicht aus. Nicht wenn sie ihn verriet. Nicht wenn sie vor der erstbesten echten Herausforderung zurückscheute, wenn sie aus reiner Feigheit davor zurückschreckte zu tun, was unbedingt getan werden musste. Nicht wenn sie im Begriff war, in ihren eigenen Augen zur Heuchlerin zu werden...

Wenn ich mich jetzt aus der Verantwortung stehle, wenn ich jetzt aus Angst … aus reinem Selbsterhaltungstrieb klein beigebe, die Hände in den Schoß lege und einfach nur zusehe, dann bin ich keinen Deut besser als meine Mutter.

Aber ich kann nicht so sein wie sie. Ich will nicht so sein wie sie! Ich will nicht die Hände in den Schoß legen und einfach nur dabei zusehen, wie wir alle in den Abgrund stürzen...

Leia betrachtete eine Zeitlang das angespannte Gesicht ihres Auftraggebers, ihres Lehrmeisters, ihres Ersatzvaters, das inzwischen auf ihrem Bildschirm in einem flimmernden Standbild eingefroren war.

Sie atmete tief durch, einmal, zweimal und noch einmal, bis der harte Knoten, der sich um ihren Brustkorb und ihr Herz zu schließen schien wie eine grausam fest zugezogene Drahtschlinge, sich wieder ein wenig gelockert hatte. Und dann traf sie eine Entscheidung…

Eine unwiderrufliche Entscheidung ...


Fortsetzung folgt ...